13
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem Rücken und rechnete damit, mich elend zu fühlen. Das war eine Bombenrückhand gewesen. Ich wartete darauf, dass der Schmerz einsetzte, mir vielleicht sogar übel wurde und meine Sicht verschwamm. Für eine Gehirnerschütterung war der Schlag wahrhaftig hart genug gewesen.
Ich merkte, dass ich für jemanden, der gerade bewusstlos geschlagen worden war, einen ungewöhnlich klaren Kopf hatte. Dann merkte ich, dass mein Gesicht überhaupt nicht schmerzte. Ich hob die Hand und berührte vorsichtig meine Wange.
»Lugh hat sich darum gekümmert, während du k.o. warst.«
Ich drehte meinen Kopf in die Richtung, aus der Adams Stimme kam. Ich lag auf dem Bett, und er saß zurückgelehnt mit ausgestreckten Beinen und über dem Bauch verschränkten Händen auf einem der Sessel. Er sah aus, als sei er verdammt stolz auf sich.
Ich stützte mich auf die Ellbogen. Mein Körper war immer noch angespannt und auf Schmerzen und Übelkeitsgefühle eingestellt, aber nichts davon kam.
»Deine Füße hat er auch geheilt. Zur Tarnung solltest du aber weiter die Verbände tragen.«
Schließlich gewann die Einsicht Oberhand, dass ich trotz Adams Hammerschlag frei von körperlichen Beeinträchtigungen war, und ich setzte mich auf. Ich starrte ihn wütend an.
»Sag mir bitte, dass du ihn mir ausgetrieben hast«, knurrte ich.
»Tut mir leid, keine Chance. Der spielt in einer anderen Liga.«
Ich stöhnte und ließ meinen Kopf in die Hände sinken. Tief in meiner Brust breitete sich Panik aus. Ich wollte diese … Kreatur … aus meinem Körper raushaben. Ich wollte mein Leben zurück. Übelkeit stieg mir in die Kehle, und ich fragte mich, ob ich nicht vielleicht doch eine Gehirnerschütterung hatte. Ich schluckte mühsam und versuchte, ruhig und bei Verstand zu bleiben.
Wie lange würde es dauern, bis Lugh einen Weg fand, meine Abwehrmechanismen zu umgehen und die völlige Kontrolle über meinen Körper an sich zu reißen? Ich hatte das Gefühl, nicht genug Sauerstoff in meine Lungen bekommen zu können. Ich schnappte verzweifelt nach Luft, mein Herz raste, und von allen Seiten stürmte ungebändigt Angst auf mich ein.
Plötzlich war Adam neben mir auf dem Bett. Er packte mit einer Hand meinen Nacken und drückte meinen Kopf zwischen meine Beine. Ich versuchte, Gegenwehr zu leisten, aber er war viel zu stark für mich.
»Ruhig, Schätzchen«, sagte er und hielt mich unten. »Ganz locker ein- und ausatmen. Werd mir bloß nicht ohnmächtig.«
Ohnmächtig zu werden, schien mir nicht die schlechteste Lösung – bis ich mich daran erinnerte, dass Lugh freie Hand hatte, sobald ich ohnmächtig war.
Also zwang ich mich, langsamer zu atmen. Ich schloss die Augen, konzentrierte mich und stellte mir vor, wie ich die wild um sich schlagende Panik in einen Stahlsafe sperrte und die Tür zuknallte.
Ich war mir nicht sicher, wie lange der Safe halten würde, aber ich wurde ruhiger. Adam ließ meinen Nacken los und rieb mir kräftig mit der Hand über den Rücken.
»Lass das«, sagte ich und richtete mich langsam wieder auf. Einen Moment lang sah ich alles noch verschwommen, dann wieder in gewohnter Klarheit und Schärfe. Ich war in Ordnung.
Ja, alles war wirklich in allerbester Ordnung.
Ich hatte nicht erwartet, dass Adam mir gehorchen würde, aber er hörte auf, mir den Rücken zu reiben, und setzte sich wieder in seinen Sessel.
»Ist es jetzt besser?«, fragte er.
»Mhm.« Wenn man davon absah, wie peinlich es mir war, vor ihm zusammengebrochen zu sein. Normalerweise bin ich Profi darin, meine Gefühle zu verbergen und Reaktionen erst zu zeigen, wenn es niemand mehr mitkriegt. Andererseits hatte mir bisher auch noch nie jemand gesagt, dass mein schlimmster Alptraum wahr geworden war. Das kann einen schon mitnehmen.
Ich räusperte mich. »Werd ich ihn also bis zu meinem Tod nicht mehr los?« Meine Panik schlug gegen die Tür des Safes, aber noch hielt diese stand.
»Ist gut möglich«, erwiderte Adam, und hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich seine Stimme als sanft bezeichnet. »Er ist sehr stark, Morgan. Ich bezweifle, dass es irgendjemanden gibt – weder Mensch noch Dämon –, der in der Lage ist, ihn dir auszutreiben. Selbst wenn er versucht, dabei mitzuhelfen.«
»Klasse. Wirklich klasse.« Ich atmete tief ein. »Und wer ist er?« Ich blickte auf und sah Adam in die Augen. Sein Gesichtsausdruck verriet mir nichts. »Komm, Adam. Du weißt es. Du hast seinen Namen erkannt, als ich ihn gesagt habe.«
Adam sah verärgert aus. »Ich muss wohl an meinem Pokerface arbeiten.«
»Hör jetzt mit dem Unsinn auf und sag mir, wer zum Teufel da bei mir als Anhalter mitfährt!«
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Sagen wir einfach, es handelt sich um einen VIP, und belassen wir es dabei.«
»Adam …«
Er hob die Hand. »Er ist ranghöher als ich, und solange er mir nicht das Okay dazu gibt, kann ich dir nichts sagen.« Er grinste, ballte die Rechte zur Faust und schlug damit in die offene Handfläche der Linken. »Möchtest du, dass ich ihn um Erlaubnis frage?«
Ich zeigte ihm den Mittelfinger, und er lachte.
»Danke, Adam, du warst eine große Hilfe.« Von wegen’. »Du kannst dich jetzt wieder um deine eigenen Angelegenheiten kümmern.«
»Wieso habe ich das Gefühl, weggeschickt zu werden?«
»Ahm, vielleicht, weil es so ist?«
Sein Grinsen hatte etwas Teuflisches. »Nicht so schnell, Schätzchen. Irgendjemand da draußen versucht, dich umzubringen. Oder hast du das bereits vergessen?«
Nein, das würde ich bestimmt nicht so leicht vergessen. »Und? Was willst du damit sagen?«
»Ich will damit sagen, dass das jetzt kein guter Zeitpunkt ist, um den einsamen Wolf zu spielen. Ich weiß, wie viel dir deine Unabhängigkeit bedeutet, aber man kann nicht alles alleine schaffen. Und bei dieser Sache brauchst du definitiv Hilfe.«
Das hatte ich bereits geahnt, auch wenn es mir nicht gerade gefiel. »Und du bietest mir deine hiermit an.«
»Tja, sieht so aus.«
»Warum? Es ist nicht so, als wären wir Freunde.« Tatsächlich waren wir wohl sogar eher Feinde, auch wenn wir auf dieser Stufe noch nicht ganz angelangt waren. Würde er mich allerdings noch einmal schlagen, konnte er damit das Fass zum Überlaufen bringen.
»Nein, sind wir nicht. Aber es wäre mir nicht recht, wenn Lugh irgendetwas zustößt.«
Aus Gründen, über die ich nicht nachdenken wollte, tat das weh. Ich hoffte inständig, man konnte es mir nicht ansehen. »Und wie sieht dein Plan aus?«
»Erst einmal müssen wir aus diesem Hotel raus. Das ist kein geeigneter Platz, um unterzutauchen.«
»Wo wäre denn ein geeigneter Platz?«
Noch bevor er antwortete, verriet mir der raubtierhafte Glanz in seinen Augen, dass mir sein Vorschlag nicht gefallen würde.
»Bei mir zu Hause«, sagte er. Und nein, dieser Vorschlag gefiel mir wirklich nicht.
»Auf keinen Fall.«
»Niemand würde auf die Idee kommen, dort nach dir zu suchen. Und Dominic und ich können auf dich aufpassen.«
Schon allein der Gedanke, mit Adam unter einem Dach zu leben, war schlimm genug. Mit Adam und Castello unter einem Dach war zu viel des Guten. Viel zu viel.
»Welchen Teil von ›auf keinen Fall‹ hast du nicht verstanden?« Na gut, das war vielleicht nicht die originellste Antwort der Welt, aber in dem Moment war ich geistig auch nicht gerade in Topform.
Wieder setzte er dieses teuflische Grinsen auf. »Lass es mich so formulieren: Du bleibst bei mir, damit ich dich im Auge behalten kann.«
Ich stand auf. Es wäre eine Leichtigkeit für ihn gewesen, mich zu überwältigen, aber ich hätte einen Riesenaufstand gemacht, während er mich durch den Hotelflur schleifte.
Er blieb auf seinem Stuhl sitzen und lächelte mich an. »Wir können das hier auf zwei Arten hinter uns bringen, Schätzchen. Du kannst freiwillig mitkommen …« Er griff in seine Jackentasche und zog ein Paar Handschellen hervor. »Oder nicht.« Er ließ die Handschellen von der Spitze seines Zeigefingers baumeln. »Welche ist dir lieber?«
Ach, Scheiße! In meiner Empörung hatte ich das winzige Detail übersehen, dass Adam Polizist war. Ich konnte so viel Krawall veranstalten, wie ich wollte. Sobald er seine Marke hochhielt, würde niemand mehr einen Finger krumm machen, um mir zu helfen.
Eins war sicher: Ich wollte nicht, dass Adam mir Handschellen anlegte. Also würde ich so tun, als käme ich freiwillig mit. Sobald wir die Lobby erreichten, würde ich sehen, ob sich eine Fluchtmöglichkeit bot. Ich war mir nicht sicher, wohin ich gehen sollte. Aber alles erschien besser, als hinter Adam herzutraben.
»In dem Fall komme ich wohl freiwillig mit«, sagte ich und zog eine Grimasse.
Er ließ die Handschellen um den Finger kreisen und sah mich eindringlich an.
Anscheinend werde ich auf meine alten Tage berechenbar, denn er lächelte und sagte: »Glaub ich dir nicht.«
Er stand auf, und mein Herz machte einen Satz. Mir gefiel der Blick in seinen Augen überhaupt nicht. Ich hielt abwehrend die Hände hoch.
»Nein, ehrlich. Ich werde kooperieren. Wir brauchen keine Handschellen.«
Er runzelte die Stirn. »Du hast tatsächlich Angst, oder? Ich hätte gedacht, es braucht mehr als ein Paar Handschellen, um dir Angst zu machen.«
Ich versuchte abzuwägen. Selbst ohne Dämon wäre Adam mir sowohl großen- als auch gewichtsmäßig überlegen. Die Wahrheit lautete, dass ich so oder so keine Chance gegen ihn hatte. Das Abwägen hatte nicht viel gebracht.
Adam hob die Brauen. »Was ist los, Schätzchen? Traust du mir nicht?«
Das brachte mich so auf die Palme, dass ich meine Angst kurz vergaß. »Richtig, ich trau dir nicht über den Weg.«
Er nickte. »Hab ich mir schon gedacht. Ich dir übrigens auch nicht – also dreh dich bitte um und nimm die Hände auf den Rücken.«
Ich schüttelte den Kopf und spürte ein Schaudern durch meinen Körper laufen. Wenn er mir die Dinger anlegen wollte, würde er hart dafür arbeiten müssen.
Seine Stimme und seine Miene wurden sanfter. »Morgan, ich werde dir nichts tun. Ich mache das alles wirklich nur zu deinem Schutz.«
»Zu Lughs Schutz, meinst du«, gab ich zurück.
»Im Moment kommt das aufs selbe raus.«
»Bitte, Adam. Ich verspreche dir mitzukommen. Lass mich nur …«
Anscheinend war er zu dem Schluss gekommen, dass er mit bloßer Überredung nicht weiterkommen würde. Bevor ich auch nur merkte, dass er sich bewegte, hatte er mich schon gepackt. Er drehte mich um und warf mich bäuchlings aufs Bett. Dann drückte er mir ein Knie ins Kreuz, ergriff meine zappelnden Arme und ließ die Handschellen einrasten.
Als die Handschellen saßen, nahm er das Knie weg, nahm mich am Arm und zog mich auf die Füße. Mein Herz schlug so schnell wie das eines aufgeschreckten Kaninchens, und mir brach der kalte Schweiß aus.
Adam stand hinter mir, dicht hinter mir, und hielt mich an beiden Armen gepackt. Er beugte den Kopf herab, und ich spürte seinen Atem an meinem Ohr.
»Vergiss nicht zu atmen«, sagte er. Seine Stimme war sanft wie eine Liebkosung.
Einmal mehr versuchte ich, Herr über meine Panik zu werden. Ich atmete tief durch die Nase ein und ließ den Atem dann durch den Mund langsam wieder entweichen. Etwas Anspannung fiel von mir ab, also versuchte ich es noch einmal.
Nachdem ich eine Weile auf diese Weise geatmet hatte, fühlte ich mich beinah normal. Adam hatte einen meiner Arme losgelassen und war ein Stück von mir abgerückt, um mir etwas Freiraum zu geben.
»Auf geht’s«, sagte er und führte mich zur Tür.
Ich warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Einkaufstüten, in denen die Gesamtheit meiner weltlichen Güter enthalten war. Er bemerkte meinen Blick und sammelte sie mit der freien Hand ein.
Immer noch mit einem Rest Panik ringend, ließ ich mich von ihm nach unten zu seinem Wagen fuhren und gab mir Mühe, den neugierigen Blicken des Hotelpersonals keine Beachtung zu schenken.
Adam war in einem Polizeiwagen zum Hotel gekommen, was mir das Vergnügen verschaffte, von ihm auf dem Rücksitz durch die Gegend kutschiert zu werden wie ein Krimineller. Er nahm mir die Handschellen nicht ab. Was meine Laune nicht gerade besserte.
Der letzte Rest Angst verflog und wurde von guter, altmodischer Wut ersetzt. Ich starrte auf Adams Hinterkopf und wünschte mir, ich könnte ihm mit meinem bloßen Blick Löcher in den Schädel bohren. An der nächsten Ampel stellte er den Rückspiegel so ein, dass er mich im Auge behalten konnte, ohne den Kopf drehen zu müssen. Unsere Blicke trafen sich, und zu meiner Entrüstung sah ich, dass sich um seine Augen herum kleine Lachfalten bildeten.
»Schön, dass du dich so gut amüsierst«, murmelte ich finster.
Er erwiderte nichts, was wahrscheinlich auch besser war.
Als Leiter der Sondereinsatzkräfte verdiente man anscheinend ziemlich gut. Adams Haus war nicht riesig, aber es war weitaus größer als meins und außerdem freistehend, was man in Philadelphia nicht mehr oft findet. Ich war beeindruckt.
Er stellte den Wagen auf einem winzigen Privatparkplatz ab, der genau gegenüber lag, öffnete dann die Tür zum Rücksitz und half mir heraus. Er nahm mir noch immer nicht die Handschellen ab, aber ich wusste, dass es nichts bringen würde, mich zu beschweren.
»Hallo, Liebling, ich bin wieder da«, rief Adam beim Eintreten und zog mich mit ins Haus.
Die Antwort kam von einer vertrauten Stimme. »Na, wenn das nicht die kitschigste Begrüßung ist, die …« Als er mich sah, vergaß Castello seinen Text. Im ersten Moment fiel ihm die Kinnlade herunter, aber dann fing er sich recht schnell wieder. »Miss Kingsley. Was für eine Überraschung.«
Ich hätte ihm gerne irgendeine schlaue Antwort gegeben, aber mir fiel keine ein. Adam führte mich tiefer ins Haus hinein, und Castello bemerkte zum ersten Mal die Handschellen. Er sah Adam fragend an.
Adam zuckte die Achseln. »Lange Geschichte.« Er ließ meinen Arm los. »Bin gleich wieder da«, sagte er zu mir und zwinkerte mir spitzbübisch zu.
Ich hatte keine Ahnung, was dieses Zwinkern zu bedeuten hatte. Bis er auf Castello zuging und ihn an den Schultern fasste. Castello sah kurz verlegen zu mir hinüber, ließ sich dann aber von Adam umarmen. Bei genauem Hinsehen war Castello sogar noch ein paar Zentimeter größer als Adam. Aber irgendetwas an der Art, wie Adam sich gab und bewegte, vermittelte stets den Eindruck, er sei der Größte im Raum. Dabei musste Castello sogar seinen Kopf neigen, um Adams Begrüßungskuss zu erwidern.
Ich lief rot an und versuchte woanders hinzusehen, aber es ging nicht. Jeder der beiden war auf seine eigene Art ein schöner Mann, und ich hatte ein Gefühl, als ob unsichtbare Energiewellen von den beiden ausgingen. Ihre Lippen berührten sich gierig, und ich beobachtete das Schauspiel so genau, dass ich sah, wie Adams Zunge in Castellos Mund glitt.
Keine Ahnung warum, aber es war einer der erregendsten Küsse, die ich je gesehen habe. Ich schaffte es schließlich wegzusehen, doch es ließ sich nicht vermeiden, dass ich die zufriedenen Schnurrgeräusche hörte, die Castello von sich gab, während Adam mit ihm knutschte. Meine Wangen wollten einfach nicht auf Normaltemperatur zurückgehen, und obwohl ich nicht mehr zusah, wusste ich, dass das Bild der beiden mir noch sehr lange im Gedächtnis bleiben würde.
Ich hörte einen doppelten Seufzer des Bedauerns, als die zwei sich voneinander lösten. Adams Stimme hatte plötzlich einen rauhen, rauchigen Ton angenommen, den ich noch nie bei ihm gehört hatte.
»Wir zeigen Morgan ihr Zimmer, okay? Danach können wir da weitermachen, wo wir aufgehört haben.«
Ich konnte Castellos Antwort nicht hören, aber er muss auf irgendeine Weise sein Einverständnis ausgedrückt haben. Ich hielt den Blick starr auf den Boden gerichtet, während Adam mir die Handschellen abnahm. Ich tat ihm nicht den Gefallen, mir die Handgelenke zu reiben, obwohl ich sie mir bei den vergeblichen Versuchen, mich aus meinen Fesseln zu befreien, ziemlich wundgescheuert hatte. Als ob ich mich aus Handschellen hätte befreien können!
Peinlich berührt und gegen meinen Willen angeturnt, sammelte ich meine Einkaufstüten vom Boden auf und folgte Adam in den ersten Stock. Castello stieg hinter mir die Treppe hinauf. Oben angekommen, bog Adam nach rechts ab und ging den Flur hinunter. Doch kaum war er aus dem Weg, blieb ich abrupt stehen. Die Tür zu dem Zimmer, das der Treppe gegenüberlag, stand offen, so dass ich hineinsehen konnte.
Vor mir lag das schwärzeste Zimmer, das ich je gesehen hatte. Sämtliche Wände wie auch die Decke waren mit schwarzer Farbe angestrichen. Der Boden war mit glänzenden schwarzen Fliesen ausgelegt. An einer Wand stand ein riesiges Bett aus schwarzem Eisen und mit schwarzer Bettwäsche. Doch das war es nicht, was mich einen hastigen Schritt nach hinten machen ließ, so dass ich in Castello hineinstolperte.
In die Decke des Zimmers waren Strahler eingelassen, und ein paar davon waren auf die Wand gerichtet, die der Tür gegenüberlag. Dort war eine lange Reihe kleiner schwarzer Holzstifte angebracht – insgesamt mindestens ein Dutzend. An jedem hing eine aufgerollte, auf jeweils andere Art monströs aussehende Peitsche. Und mir ging auf, dass das Zimmer wahrscheinlich deswegen ganz in Schwarz gehalten war, damit man die Blutflecken nicht so sah.
Castello hielt mich an den Schultern fest, sonst wären wir wahrscheinlich gemeinsam die Treppe hinuntergepurzelt. Adam steckte den Kopf um die Ecke und fixierte mich wieder mit seinem unheimlichen Blick.
»Keine Angst, Schätzchen. Das ist nicht dein Zimmer.«
Ich schluckte trocken und machte mich von Castellos Händen los. Der Rückzug war blockiert, also gab ich mir Mühe, Gleichgültigkeit vorzutäuschen und stieg die letzten Treppenstufen hinauf. Ich bin eine miserable Schauspielerin.
Ich folgte Adam den Flur entlang und versuchte, so zu tun, als hätte ich nicht bemerkt, dass Castello nicht mehr hinter mir war. Ich wusste, wohin er sich zurückgezogen hatte.
Als ich begriff, dass Adam mich direkt im Nebenzimmer unterbringen wollte, machte ich erneut einen Schritt nach hinten.
»Da rein?«, fragte ich. »Unter gar keinen Umständen.«
Adam setzte ein hämisches Haifischgrinsen auf. »Es ist das einzige Zimmer, das sich von außen abschließen lässt. Und du weißt, dass ich dir nicht genug traue, um dich in einem unabgeschlossenen Raum unterzubringen.«
Ich ersparte mir zu fragen, warum es in dem Haus überhaupt ein Zimmer gab, das sich von außen abschließen ließ.
Meine Chancen, ihn von seiner Entscheidung abzubringen, waren gleich null. Was nicht hieß, dass ich es nicht probieren konnte. »Wenn du mich woanders unterbringst, schwöre ich dir, nicht abzuhauen.«
»Ja, sicher. Komm, du weißt doch, Widerstand ist zwecklos. Und hier drin bist du sicher.«
Vielleicht sollte ich einfach losrennen – schließlich wurde mein Fluchtweg nicht mehr von Castello blockiert. Aber der ängstlichere Teil von mir fürchtete, dass Adam einen Fluchtversuch zum Anlass nehmen würde, mich statt Castello in das Zimmer da drüben zu zerren.
»Könnte ich euch wenigstens bitten, nicht zu …« Ich merkte, dass ich zu prüde war, um den Satz zu beenden. Also machte ich stattdessen eine vage Geste mit der Hand.
»Nicht nebenan zu ficken?«, schloss Adam für mich ab. »Ich habe Dominic etwas versprochen, und ich gebe solche Versprechen nicht leichtfertig. Also: So sehr ich es auch genieße, mit dir zu plaudern, es gibt dringende Angelegenheiten, die auf mich warten. Rein mit dir, bevor ich die Geduld verliere.«
Mir drehte sich vor Angst fast der Magen um, und ich betrat gehorsam das Zimmer. Adam schlug die Tür hinter mir zu und schloss ab. Ich ließ mich rückwärts gegen die Tür fallen, sank langsam bis auf den Boden und zog dann meine Knie fest an den Körper.