5

 

Die Erinnerung an den Exorzismus, den ich an Dominic Castello durchführte, wird mich den Rest meines Lebens verfolgen – aber nicht aus den Gründen, die man vielleicht erwarten könnte. Im Gegensatz zu Lisa Walker leistete er keine Gegenwehr. Er war am Tisch festgeschnallt und hatte einen Sicherheitsgürtel um, nur für den Fall. Aber von dem Moment an, als ich den Hinrichtungsraum betrat, spiegelte sich auf seinem Gesicht nichts als traurige Resignation wider.

Adam begleitete mich, um als Zeuge zu fungieren und moralische Unterstützung zu leisten – und zwar Castello und nicht etwa mir, wie ich vielleicht dazusagen sollte.

Dominic Castello war ein Dämonenwirt wie aus dem Lehrbuch – das heißt, er sah unheimlich gut aus. Er hatte das dichte, gewellte schwarze Haar eines Südländers, große, ausdrucksvolle braune Augen und lange Wimpern. Er war nicht ganz so muskulös wie andere Wirte – wie Adam etwa. Aber er sah drahtig und durchtrainiert aus und wäre bestimmt auch ohne den Dämon ein ganz schönes Kraftpaket gewesen.

Ich konnte nirgendwo Wunden oder Narben an Castellos Körper erkennen. Im Laufe der letzten paar Tage hatte er wohl einen ziemlich umfangreichen Heilungsprozess über sich ergehen lassen müssen. Nach dem Anschlag war er zu Adam gegangen und hatte sich selbst gestellt. Adam hatte Fotos von seinen Verletzungen gemacht und diese in der Zwischenzeit auch mir gezeigt. Ein Anblick, auf den ich gerne verzichtet hätte.

Den Wachleuten des Sicherheitscenters gefiel es nicht gerade, dass Adam mit in den Hinrichtungsraum kam, aber es gab nicht viel, was sie dagegen unternehmen konnten. Er war der ranghöchste Beamte im Raum. Auch mir gefiel nicht, dass er einen Stuhl heranrückte und Dominics Hand nahm, während ich die Kerzen im Raum verteilte. Für meinen Geschmack erweckte er damit etwas zu sehr den Anschein, als fiele Castello bei der ganzen Prozedur die Rolle des bemitleidenswerten Opfers zu – und mir die des böswilligen Täters.

Ich versuchte, einen halbwegs freien Kopf zu bekommen, während ich meinen Platz auf der anderen Seite des Tisches einnahm. Castello sah nicht einmal zu mir hin, sondern blickte unverwandt Adam an. »Kümmere dich um Dominic«, sagte er, und ich runzelte verwirrt die Stirn, bis ich begriff, dass diese Worte aus dem Mund des Dämons gekommen waren, der damit Adam bat, sich um seinen Wirt zu kümmern. Wie intensiv sie sich gegenseitig in die Augen sahen, schien mir darauf hinzudeuten, dass die beiden mehr verband als nur Freundschaft. Auch glaubte ich an dem Schmerz in der Stimme des Dämons zu erkennen, dass ihm das Schicksal seines Wirts ehrlich am Herzen lag. Aber ich hatte mich um meinen eigenen Kram zu kümmern.

Die Austreibung verlief problemlos. Castello gab weder Schmerzenschreie noch wilde Flüche von sich, und es gelang mir schon gleich beim ersten Versuch, die Aura seines Dämons in alle Winde zu zerstreuen.

Als ich die Augen wieder öffnete, lag Castello – jetzt ohne Dämon – weinend auf dem Tisch und hielt immer noch Adams Hand umklammert. Seine Tränen deuteten darauf hin, dass sein Gehirn noch normal funktionierte. Aber während die Wachleute ihn von seinen Fesseln befreiten, überprüfte ich trotzdem vorsichtshalber seinen Geisteszustand.

»Wissen Sie, wer Sie sind?«, fragte ich. Ich beugte mich dabei über ihn und versuchte, so leise und sanft wie möglich zu sprechen. Aber sanft und leise krieg ich in der Regel nicht so gut hin. Überrascht Sie jetzt nicht wirklich, oder?

Er sah mich aus verweinten, todtraurigen Augen an. »Er hat nichts Böses getan. Er wollte sich nur verteidigen. Und ihr habt ihn dafür getötet.«

Ja, er wusste eindeutig, wer er war und was um ihn herum vorging. Noch nie hatte ich mich dermaßen schuldig gefühlt, weil ich jemanden von einem Dämon befreit hatte.

»Tut mir leid«, sagte ich mit einem Kloß im Hals.

Castellos Oberkörper war jetzt von den Fesseln befreit. Er setzte sich auf und schien noch etwas sagen zu wollen. Aber Adam erhob sich von seinem Stuhl und setzte sich neben seinen Freund auf die Tischkante. Oder war Castello jetzt nur noch mit Adams Wirt befreundet? Das war mir alles zu kompliziert. Ich beschloss, mir keine unnötigen Gedanken mehr über die ganze Sache zu machen.

»Sie hat nur ihre Pflicht getan«, sagte Adam. Er hatte leise und sanft viel besser drauf als ich, was mich in Anbetracht seiner sonstigen Art ziemlich überraschte. »Bei allem, was wir tun, müssen wir uns stets an die Gesetze halten. Selbst wenn die Gesetze falsch sind.«

Die letzte Bemerkung war an mich gerichtet, aber es gelang mir, die bissige Replik, die mir sofort dazu einfiel, für mich zu behalten. Dies schien mir weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt zu sein, um eine Diskussion über die Stellung der Dämonen in der amerikanischen Gesellschaft vom Zaun zu brechen.

Castello gab einen lauten Seufzer von sich. Adam wiegte ihn sanft in den Armen wie ein kleines Kind.

Ich machte mich so schnell ich konnte vom Acker und wünschte mir inständig, Adam hätte jemand anderen für diese Austreibung engagiert.

Meine Laune besserte sich, als ich mich mit Brian zum Abendessen traf. Es ist allerdings auch nicht schwer, bessere Laune zu bekommen, wenn dir dein Freund die Tür aufmacht und dabei nichts außer einer lustigen kleinen Fliege am Körper trägt und eine langstielige weiße Rose zwischen den Zähnen hat.

Ich schlüpfte grinsend in sein Apartment und drückte die Tür hinter mir zu. »Wie ich sehe, hast du meine Blumen bekommen.«

»Ja«, sagte er mit dem Stiel zwischen den Zähnen. »Sie sind sehr hübsch.«

Ich lachte und pflückte die Rose aus seinem Mund. Ich hielt mir die Blüte unter die Nase und atmete tief ein. Der Duft war enttäuschend schwach, aber wenigstens süß. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Brian glücklich war, mich zu sehen – tatsächlich schien er sich von Sekunde zu Sekunde mehr zu freuen. Ich ließ die Rose fallen und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Meine Hormone signalisierten mir, dass auch ich glücklich war, ihn zu sehen.

Er drückte den Rücken durch wie ein Soldat beim Morgenappell. Wieder musste ich lachen – und hörte, wie viel Begierde darin mitschwang. Kurz zuvor hatte ich noch vor seiner Tür gestanden und mich gefragt, ob ich nicht versuchen sollte, unsere Verabredung unter irgendeinem Vorwand abzusagen. Jetzt war mir schleierhaft, wie ich auf diesen Gedanken hatte kommen können.

Ich begann im Kreis um ihn herumzulaufen, und er folgte mir mit dem Blick.

»Augen geradeaus, Soldat!«, bellte ich. Na ja, zumindest versuchte ich zu bellen. Doch meine Stimme klang eher lüstern.

»Jawohl, Madam!« Er konnte besser bellen als ich und drehte so zackig den Kopf nach vorn, dass es mir fast wehtat. Bei dem Pech, das mich in letzter Zeit verfolgte, konnte es gut sein, dass er sich bei unseren harmlosen Sexspielchen ein Schleudertrauma zuzog.

Die Rückenansicht war großartig. Brian hat die knackigsten kleinen Brötchen, die ich jemals gesehen habe. Da bekam man gleich Lust, auf die Knie zu gehen und reinzubeißen. Ich begnügte mich damit, mit den Händen drüberzufahren, und spürte, wie Brians Versuch, dabei militärische Haltung zu wahren, seine Muskeln zum Zittern brachte. Ich spürte das Pochen zwischen meinen Beinen und erwischte mich bei dem Gedanken, wie schön es wäre, wenn Brian am Ende all meiner anstrengenden Tage zu Hause auf mich warten würde.

Doch ich wollte mir nicht die Stimmung verderben, indem ich über die Zukunft nachdachte, und schob den Gedanken beiseite. Um die Erinnerung an die unangenehme Austreibung heute Morgen loszuwerden, gab es nichts Besseres, als voll und ganz in dieses Heilbad sinnlicher Empfindungen einzutauchen, und ich wollte verdammt sein, wenn ich nicht genau das tun würde.

Ich schmiegte mich eng an Brians Rücken, die Hände immer noch auf seinen Pobacken, und fuhr ihm mit der Zunge übers Schulterblatt. Er brachte es irgendwie fertig stillzuhalten, aber ich konnte spüren, wie schwer er atmete, und seine Haut schmeckte bereits leicht nach Salz. Gott, wie gerne ich ihn zum Schwitzen brachte!

Ich beschäftigte mich ausgiebig mit seinem Rücken und tat so, als würde ich nicht merken, wie er sich unter meinen Liebkosungen wand. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt und unter meinen Lippen spürte ich, wie sein Herz raste.

»Morgan, bitte …«

Lächelnd fasste ich ihm von hinten zwischen die Beine und berührte dabei ganz leicht seine zusammengezogenen Hoden. Das Einzige, was mir noch mehr Spaß machte, als ihn zum Schwitzen zu bringen, war, ihn zum Betteln zu bringen.

»Bitte was?«, fragte ich, stellte mich auf die Zehenspitzen und biss ihm sanft ins Ohrläppchen.

Sein Adamsapfel bewegte sich auf und ab, und er schluckte mühsam. »Es ist jetzt fast eine ganze Woche her. Meine Selbstbeherrschung hat ihre Grenzen.«

Wenn dem tatsächlich so war, hatte ich nichts davon gemerkt. Ich verlor die Beherrschung grundsätzlich immer früher als er, musste aber erst gar nicht so tun, als hätte ich es nicht genau so am liebsten. Mein ganzer Körper glühte vor Hitze, meine Sinne waren geschärft wie die eines wilden Tiers. Mit geweiteten Nüstern sog ich das köstliche Duftgemisch aus Männerschweiß, Old-Spice-Deodorant und Erregung ein. Je länger ich das hier hinauszögerte, desto länger konnte ich mich von meinen alles andere als angenehmen Gedanken ablenken.

Ich ließ mich auf Brians Vorderseite gleiten. Er segelte definitiv mit vollem Mast, auf seiner Eichel glänzte ein großer Lusttropfen. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen, und er stöhnte laut auf. Es war unübersehbar, wie sehr er mich begehrte, trotzdem schaffte er es noch, seine Lust einigermaßen im Zaum zu halten. Eines Tages würde ich schon ein Mittel finden, seine beinahe unmenschliche Selbstbeherrschung zu durchbrechen.

Ich war mit der Geduld am Ende, ging auf die Knie und packte mein Opfer an den Hüften, damit es stillhielt. Ich konnte spüren, wie eindringlich Brian mich ansah. Ich liebte es zu wissen, dass er mir zuschaute. Als ich ihn mit der Zunge berührte, schnappten wir beide vor Erregung nach Luft. Ihn in den Mund zu nehmen, hatte für mich etwas sehr Ursprüngliches und zutiefst Befriedigendes. Ich nahm ihn mit allen Sinnen wahr, konnte ihn schmecken, seine Erregung riechen, sein Keuchen hören. Er begann rhythmisch die Hüften zu bewegen, und ich wusste, dass er sich nicht lange würde zurückhalten können, wenn ich in diesem Tempo weitermachte. Und ich wusste auch, dass es etwas dauern würde, bevor ich ihn in mir haben konnte, wenn ich jetzt zuließ, dass er mir in den Mund spritzte. Dann würde er sich erst wieder ein bisschen erholen müssen – und in der Zwischenzeit hatte sich vielleicht mein Kopf wieder eingeschaltet und alles verdorben.

Widerwillig und obwohl er laut stöhnend protestierte, ließ ich von ihm ab.

»So grausam kannst nicht mal du sein«, klagte er und sah mich mit lustvernebelten Augen an.

Ich erhob mich von den Knien. Meine Beine waren so zittrig, dass es fast schon peinlich war. Er wollte erneut protestieren, doch dann begann ich, meine Bluse aufzuknöpfen, und jeder Protest erstarb.

Ich lächelte ihn neckisch an und lockte ihn mit dem Finger in Richtung Schlafzimmer. Er folgte mir wie eine Raubkatze auf der Pirsch, und ich ließ meine Bluse zu Boden fallen. Ich besaß nicht genügend Koordination, um mir die Hose auszuziehen, während ich rückwärts ging, also machte ich einfach nur den Knopf auf und zog den Reißverschluss runter. Wir hatten jetzt bereits das Schlafzimmer erreicht.

Mein Timing war perfekt. Als mein BH den Boden berührte, landete ich mit dem Po auf dem Bett. Brian lächelte mich lüstern an und zog mir den Rest meiner Kleidung herunter. Zwischendurch holte er ein Kondom aus dem Nachttisch, aber wir waren beide schon viel zu erregt, um uns von dieser kurzen Unterbrechung aus der Stimmung bringen zu lassen.

Zu spüren, wie er in mich eindringt, ist himmlisch. Ich war so feucht, dass er in einem Rutsch hineinglitt. Ich zog seinen Kopf zu mir herab, und er küsste mich mit solch angestauter Leidenschaft, als wären wir Monate voneinander getrennt gewesen.

Ich blendete alle anderen Gedanken aus und gab mich ganz dem mühelosen Zusammenspiel unserer Körper hin, dem berauschenden Ansturm seines Begehrens, der fast erschreckenden Heftigkeit seiner Liebe zu mir. Mein Kopf schaltete sich vollständig aus, und mein Körper badete in einem Meer aus Sinneseindrücken.

Wir kamen genau gleichzeitig und waren beide so laut dabei, dass ein paar der Nachbarn mit Sicherheit verlegen zu Boden blickten. Sollten sie doch.

Danach lagen wir uns mit eng ineinander verschlungenen Beinen in den Armen – ich mit dem Kopf auf Brians Brust - und schnappten keuchend nach Luft. Als die Flut der Empfindungen abzuebben begann, spürte ich einen Anflug von Angst in mir aufsteigen. Ich liebte Brian mehr, als gut für mich war, besonders in Anbetracht der Tatsache, dass meine Vernunft mir sagte, dass unsere Beziehung auf die Dauer nicht gut gehen konnte. Sicher, ich wusste, dass er mich ebenfalls liebte. Aber ich habe noch nie an das Märchen geglaubt, dass wahre Liebe alle Hindernisse überwindet. Eines Tages würde er die Geduld mit mir verlieren, und mein Herz würde in tausend winzige, scharfe Splitter zerspringen.

Er wollte, dass ich über Nacht blieb, aber ich hatte Bedenken, dass sich meine gute Laune nicht halten würde. Ich wollte die schöne Erinnerung daran, wie großartig wir uns geliebt hatten, nicht kaputtmachen. Und ich fürchtete, dass meine Ängste mich dazu bringen könnten, doch noch etwas Dummes zu sagen, um ihn wieder auf Abstand zu bringen. Wissen Sie, was das wirklich Seltsame dabei war? So wie er mich ansah, schien er genau zu wissen, warum ich weglief.

Ich kam um kurz nach neun nach Hause und schaute mir im Fernsehen das erste Viertel eines Basketballspiels an. Das Team der Temple University versohlte irgendeiner Mannschaft, von der ich noch nie gehört hatte, gehörig den Hintern, also schaltete ich aus und ging ins Bett.

Am nächsten Morgen wachte ich mit jener bleiernen Müdigkeit auf, die mir inzwischen schon vertraut war. Es fühlte sich an, als hätte ich die ganze Nacht nicht geschlafen. Ich sagte mir, dass ich wahrscheinlich einfach nur noch müde war. Auch normale Menschen waren morgens manchmal müde, selbst wenn sie nicht schlafwandelten.

Diese angenehme Illusion konnte ich für die Dauer von ungefähr dreißig Sekunden aufrechterhalten. Dann fiel mir das Blatt Papier auf, das auf dem Nachttisch lag. Diesmal war die Notiz beinahe lang genug, um als Brief durchzugehen.

Widerwillig nahm ich sie vom Nachttisch und begann sie zu lesen.

Ich bin kein Produkt deiner Fantasie. Ich heiße Lugh. Vor zwei Monaten hast du mich freiwillig in dir aufgenommen. Du standest damals unter Drogen. Deswegen kannst du dich an nichts erinnern. Es war an dem Abend, als Andrew dich k. o. schlug. Ich glaube, er hat dich geschlagen, damit deine Erinnerung an den Abend vernebelt sein würde.

Man benutzt dich, um mich gefangen zu halten. Ich hätte nie freiwillig Besitz von dir ergriffen. Man hat mich bei meinem Hamen gerufen, deswegen hatte ich keine andere Wahl, als zu gehorchen. Deine psychischen Abwehrmechanismen sind so stark, dass ich sie kaum überwinden kann. Du kämpfst sogar noch gegen mich an, während du …

Mehr hatte er nicht geschrieben. Hatte ich nicht geschrieben. Wie auch immer.

Sollte ich tatsächlich von einem Dämon besessen sein, hatte ich es wohl irgendwie geschafft, ihn mitten in seinem Brief aus meinem Bewusstsein zu drängen.

Ich zitterte. Mir selbst einzureden, dass ich unmöglich besessen sein konnte, ohne etwas davon zu wissen, war schön und gut. Aber diese Phantasterei kam mir inzwischen doch etwas zu durchdacht vor, als dass es sich dabei nur um ein Produkt meines Unterbewusstseins handeln konnte.

Wo sollte ich zum Beispiel diesen Namen herhaben: Lugh? Den hatte ich noch nie gehört. Es klang nach einem männlichen Namen, und ich stellte mir diesen Dämon auch als einen »er« vor. Was ein weiterer Beweis dafür war, dass ich mir alles doch nur einbildete. Wäre ich wirklich besessen, müsste ich eigentlich von einem weiblichen Dämon besessen sein. Es war zwar nicht unmöglich für Dämonen, in einen andersgeschlechtlichen Körper einzudringen – aber normalerweise machten sie das nicht gerne. Andererseits behauptete mein imaginärer Dämon, dass er gegen seinen Willen dazu gebracht worden sei, von mir Besitz zu ergreifen. Seine üblichen Präferenzen hätten dabei also vermutlich keine Rolle gespielt.

Aber nein, ich litt unter Wahnvorstellungen. Das war alles nur eine Reaktion auf mein letztes Gespräch mit Andrew/ Raphael. Ich trug ihm immer noch nach, dass er mich k. o. geschlagen hatte, deswegen hatte ich mir diese billige Horrorgeschichte ausgedacht. Ja, genauso war’s.

Unglücklicherweise hatte ich Schwierigkeiten, mir diese Version abzukaufen.

Diesmal zerstörte ich die Notiz nicht, sondern nahm sie mit in die Küche und las sie ungefähr hundert Millionen Mal, während ich meinen morgendlichen Kaffee trank. Ganz ehrlich: Ich hatte noch nie von einem Menschen gehört, dessen Persönlichkeit so stark war, dass nicht er selbst, sondern der Dämon zum hilflosen Gefangenen in seinem Körper wurde. Aber dass ich noch nie davon gehört hatte, hieß noch lange nicht, dass es so etwas nicht geben konnte.

Der Name, den ich mir für meinen imaginären Dämon ausgedacht hatte, hörte nicht auf, mir im Kopf herumzugehen, und schließlich schaute ich nach, was sich im Internet dazu finden ließ. Ich hatte gehofft, dass es sich um irgendeinen Nonsensnamen handeln würde. Doch leider musste ich feststellen, dass der Name aus der keltischen Mythologie stammte und sich grob mit »der Leuchtende« übersetzen ließ.

Nach der dritten Tasse Kaffee beschloss ich, eine zweite Meinung einzuholen. Val hatte in Topeka meine Aura in Augenschein genommen und mich für sauber erklärt, aber es würde nicht schaden, sie noch einmal nachsehen zu lassen. Wenn sie wieder keine Anzeichen einer dämonischen Übernahme entdecken konnte, wäre ich vielleicht in der Lage, mich von diesen hartnäckigen Angstvorstellungen zu befreien.

Wenn nicht, wäre ich vielleicht doch gezwungen, in den sauren Apfel zu beißen und einen Seelenklempner aufzusuchen – wie Brian vorgeschlagen hatte. Nicht gerade eine Option, die ich gerne in Betracht zog.

Val wohnte in einem schmalen, dreistöckigen Reihenhaus in der Delancy Street. Wenn ich sie besuchte, kam ich mir immer wie der letzte Bauerntrampel vor. Mein Haus mochte hübsch eingerichtet sein, aber Vals Haus war ein echtes Kunstwerk. Alles war farblich genau aufeinander abgestimmt, und ich hatte noch nie ein Haus gesehen, in dem tatsächlich jemand wohnte – und trotzdem alles picobello sauber und aufgeräumt war.

Sie führte mich ins Wohnzimmer und bat mich, auf ihrer makellosen cremeweißen Couch Platz zu nehmen (vielleicht können Sie mir erklären, wie man ein weißes Sofa sauber hält, wenn man es wirklich zum Sitzen benutzt), und ich schüttete ihr mein Herz aus.

»Ich weiß, dass es verrückt klingt«, sagte ich, bevor ich loslegte.

Sie versuchte, ihr Lächeln zu unterdrücken, gab sich dann aber geschlagen. »Verrückt ist doch ganz normal, wenn es um dich geht.«

Ich lachte über ihr Wortspiel, hörte aber die Nervosität aus ihrer Stimme heraus. Sie runzelte die Stirn und sah mich besorgt an.

»Was ist los, Morgan?«, fragte sie. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«

Ich fuhr mir durch die Haare. »Habe ich auch, mehr oder weniger.« Ich atmete laut und langgezogen aus. »Ich hab dir doch erzählt, dass ich in letzter Zeit manchmal schlafwandle.« Sie nickte. »Dabei schreibe ich mir seit neuestem Briefchen.«

Sie zog die Brauen hoch. »Wow. Du meinst schriftliche Nachrichten, die tatsächlich irgendeinen Sinn ergeben?«

»Kommt drauf an, was du mit ›Sinn ergeben‹ meinst«, murmelte ich. »Zum ersten Mal ist es in Topeka passiert. Da habe ich morgens eine Notiz auf meinem Schreibtisch gefunden, auf der stand, dass der Dämon nicht Besitz von mir ergriffen hätte, weil ich bereits von einem Dämon besessen sei.«

Val lachte. »Ist es das, was dich so sehr ängstigt?«, fragte sie. »Ich glaube, da kannst du dich entspannen. Mal davon abgesehen, dass dein Verhalten nicht dem eines Dämons entspricht – ich habe in Topeka deine Aura gecheckt, und sie war rein menschlich.«

Ich rieb mit meinen feuchten Handflächen nervös über die Oberschenkel. »Ich weiß. Ich habe mir ein ums andere Mal gesagt, dass das alles Unsinn ist und mir nur meine Phantasie einen Streich spielt. Trotzdem habe ich Angst.« Ich holte mein jüngstes an mich selbst gerichtetes Schreiben aus der Tasche und reichte es Val. »Sieh dir das mal an! So eine rege Phantasie habe ich nicht. Wo kommt das also her?«

Val lächelte nachsichtig, nahm mir den Zettel aus der Hand und setzte ihre Brille auf, um ihn sich genauer anzusehen. Ich biss mir auf die Unterlippe und sah ihr beim Lesen zu. Im Stillen hoffte ich, dass sie über meine Angst lachen und sie als unsinnig abtun würde.

Doch das tat sie nicht. Im Gegenteil, ich hätte sogar schwören können, dass sie ein bisschen blass wurde. Die Hand, mit der sie den Brief hielt, zuckte merklich.

»Was ist los?«, fragte ich. »Sagt dir das irgendwas?«

Sie faltete den Zettel behutsam zusammen. Ein Zittern lief durch ihren Körper, als sei ihr plötzlich kalt geworden. »Ich kann verstehen, dass du besorgt bist«, gab sie zu. »Das würde mir auch Angst machen.« Ihr Gesicht war immer noch blass, und sie nagte nervös an ihrer Unterlippe.

»Aber sagt dir das irgendwas?«, wollte ich erneut wissen und fragte mich, warum sie mir nicht in die Augen sah.

Sie schüttelte den Kopf und starrte den zusammengefalteten Zettel an. »Nein. Ich find’s nur unheimlich.« Sie seufzte und hob den Kopf, so dass sich unsere Blicke endlich wieder trafen. »Trotzdem kann es sich dabei nur um einen Streich deiner Phantasie handeln. Wenn du besessen wärst, hätte ich das in Topeka gesehen.«

Ich hatte den bestimmten Eindruck, dass sie mehr über die Sache wusste, als sie mir sagte. Allerdings war ich nicht sicher, ob ich wirklich alles wissen wollte. »Würdest du trotzdem noch mal einen Blick auf meine Aura werfen?«

Sie runzelte die Stirn, zuckte dann mit den Schultern.

»Klar, kann ich gerne machen. Wenn du dich dann besser fühlst …«

»Danke«, sagte ich. Ihre Zusage erleichterte mich mehr, als ich eingestehen wollte.

Sie lächelte mich aufmunternd an. »Ich bin sicher, dass du dir keine Sorgen machen musst, Morgan.«

Ich zwang mich, ihr Lächeln zu erwidern. »Ich mir Sorgen machen? Würde ich doch nie.«

Val lachte und umarmte mich flüchtig. Sie weiß, dass ich auf solcherlei körperliche Sympathiebekundungen nicht besonders stehe, deswegen ließ sie mich schnell wieder los, bevor ich mich beschweren konnte.

»Ich geh meine Ausrüstung holen«, sagte sie. »Bin sofort zurück.«

Aus irgendeinem Grund wurde ich unerträglich zappelig, kaum dass sie aus dem Zimmer war. Ich stand auf, ging auf und ab und versuchte, meine Nerven unter Kontrolle zu bekommen.

Was gab es schon für einen Grund, nervös zu sein? Im Grunde wusste ich doch genau, dass Val nichts finden würde. Trotzdem wurde ich von Sekunde zu Sekunde unruhiger.

In meinem Bauch flatterten die Schmetterlinge um die Wette. Meine Schläfen fingen an zu pochen, und das überwältigende Bedürfnis stieg in mir auf, auf der Stelle aus dem Zimmer zu rennen.

Was war nur los mit mir? Ich fasste mir an den Hals und spürte, wie mein Puls raste. Meine Haut war mit Schweiß bedeckt. Hatte ich etwa eine Panikattacke? Dieser Zustand war neu für mich.

Während ich versuchte, mir darüber klarzuwerden, was mit mir vor sich ging, fiel mir etwas Seltsames auf. Vals Haus war so alt, dass darin überall die Fußböden knarrten. Man hörte praktisch jeden Schritt. Ich hatte gehört, wie Val in den ersten Stock hinaufgestiegen und dort oben umhergegangen war. Aber jetzt hörte ich schon eine ganze Weile nichts mehr.

Ich blieb stehen, und das unerklärliche Gefühl der Panik, das von mir Besitz ergriffen hatte, erreichte seinen Höhepunkt.

Ohne zu wissen warum, drehte ich mich zum Treppenaufgang um. Und da stand sie.

Ich hatte die Treppe kein einziges Mal knarren hören. Weil Val sie hinuntergeschlichen war. Hätte mich meine wachsende Unruhe nicht dazu gebracht, mich umzudrehen, hätte ich es nie und nimmer rechtzeitig geschafft, mich aus der Schusslinie zu bewegen.

Es gab einen lauten Knall, und ich warf mich zu Boden.

Die Projektile eines Tasers schossen durch den Kubikmeter Luft, den ich gerade verlassen hatte, und bohrten sich wirkungslos in die Rückenlehne eines Stuhls. Val fluchte leise und warf die leere Kartusche aus.

Ich hatte nicht die Zeit, großartige Gefühle des Erstaunens oder der Empörung in mir aufkommen zu lassen. Sie lud den Taser nach, und ich schnappte mir ein Sofakissen. Ich schaffte es gerade noch, es schützend vor meinen Körper zu halten, als der Taser abermals knallte. Ich spürte, wie die Projektile das Kissen trafen. Doch Gott sei Dank war es so dick, dass es von keinem der kleinen Pfeile durchschlagen wurde.

Ich wagte einen Blick über den Rand des Kissens und sah Val auf mich zu kommen – den Taser immer noch in der Hand. Sie wollte mich offenbar im direkten Zweikampf überwältigen.

Damit beging sie einen taktischen Fehler. Denn erstens bin ich fünfzehn Zentimeter größer als sie und treibe regelmäßig Sport. Zweitens lernt man schon in jungen Jahren, sich körperlich zur Wehr zu setzen, wenn man aus einer Familie kommt, die zur Spirituellen Gesellschaft gehört. Entweder das – oder man verbringt seine Kindheit damit, sich von anderen Kindern grün und blau schlagen zu lassen. Ich hatte mich für die erste Option entschieden.

Val versuchte, mit dem Taser hinter meinen Schild zu kommen – äh, hinter mein Kissen, meine ich. Ich konnte ihren Angriff mühelos abblocken, bemerkte aber zu spät, dass es sich nur um eine Finte handelte.

Sie trat mir gegen das Schienbein. Hätte sie spitze Schuhe getragen, hätte ich für meine Unachtsamkeit bitter bezahlen müssen. Doch sie hatte nur Turnschuhe an, und damit konnte sie mich nicht ernsthaft verletzen.

»Au!«, schrie ich. »Was zum Teufel soll das, Val?«

Sie antwortete nicht. Ihr Blick war kämpferisch und auf ihr Ziel konzentriert. Ich hatte sie noch nie so erlebt. Sie packte das Sofakissen und versuchte, es mir wegzureißen. Doch da ich es mit beiden Händen festhielt und sie nur mit einer, war ich bei unserem kleinen Tauziehen klar im Vorteil. Ich zog mit aller Kraft an dem Kissen, um es ihr zu entreißen. Im gleichen Moment ließ sie los.

Ich fluchte und wurde von meinem eigenen Schwung zu Boden gerissen.

Der Aufprall schlug mir das Kissen aus der Hand und die Luft aus der Lunge. Val warf sich auf mich und holte mit der Linken zum Schlag aus. Auch diesmal handelte es sich jedoch nur um ein Ablenkungsmanöver, und sie versuchte gleichzeitig, mir den Taser in die Rippen zu rammen.

Ich schenkte ihrer Linken keine Beachtung und packte mit beiden Händen ihre Rechte. Auch als Vals Faust mein Gesicht traf, ließ ich die Hand mit dem Taser nicht los.

Der Schlag war linkisch und ungeschickt, tat aber trotzdem weh.

Ich war jetzt wirklich sauer und hielt mich nicht mehr zurück. Ich rollte mich nach links. Val war nicht groß und nicht schwer genug, um mich am Boden zu halten, also lag ich schließlich oben. Ihr Taser war zwischen uns eingeklemmt, so dass sie mir keinen Schock versetzen konnte, ohne sich selbst einen zu verpassen.

Der Schlag, mit dem ich sie traf, war weder linkisch noch ungeschickt, und Val fiel in sich zusammen wie ein nasser Sack. Ich war versucht, ihr direkt noch einen Hieb zu verpassen, konnte mich aber zurückhalten.

Keuchend rollte ich von ihrem reglosen Körper herunter, stöhnte dabei vor Schmerz und fragte mich, was zum Teufel hier los war. Ich nahm Val ohne Widerstand den Taser aus der Hand und checkte die Batterieanzeige. Noch jede Menge Saft übrig. Während sie allmählich wieder zu sich kam, tastete ich sie nach weiteren Waffen ab, fand aber nichts.

Ich stand auf und ging auf Abstand. Wo mich ihr Schlag getroffen hatte, schmerzte meine Wange, doch ich spürte noch einen anderen, tiefergehenden Schmerz. Meine Augen brannten, und ich dachte schon, ich würde jeden Moment in Tränen ausbrechen. Val war seit der Highschool immer meine beste Freundin gewesen. Die einzige Person, der ich genug vertraut hatte, um mit ihr über mein rätselhaftes Problem zu reden. Und ihre Reaktion hatte darin bestanden, mich anzugreifen!

Val stöhnte leise, öffnete dann die Augen und sah, dass ich ihren eigenen Taser auf sie gerichtet hielt.

»Du hast eine ganze Menge zu erklären, Schwester«, knurrte ich. Wut und Empörung ließen mich meine Schmerzen vergessen.

Val sah mich mit weit aufgerissenen, überraschten Augen an. »Es tut mir leid«, sagte sie.

Damit hatte ich nicht gerechnet. Eben war sie mir noch an die Kehle gesprungen wie ein tollwütiger Hund. Und jetzt entschuldigte sie sich?

Sie setzte sich langsam auf, den Blick auf den Taser gerichtet. »Ich dachte, du seist wirklich besessen.«

»Wie bitte?«, schrie ich. Das war alles irgendein abgefahrener Traum, oder? »Ich bin doch nur aus dem einen Grund hierhergekommen, dass du meine Aura checkst.«

Sie versuchte nicht aufzustehen. Vermutlich sah ich so aus, als hätte ich einen nervösen Zeigefinger, und Val konnte nicht ausschließen, dass ich den Taser während ihrer Ohnmacht wieder geladen hatte.

»Und wenn wirklich ein illegaler Dämon von dir Besitz ergriffen hätte, dann wäre das der perfekte Moment gewesen, um mich zu überwältigen.«

»Du machst wohl Witze? Wenn ich von einem Dämon mit Mordabsichten besessen wäre, warum sollte ich dann den perfekten Moment abwarten?« Ich schüttelte ungläubig den Kopf.

»Tut mir leid«, wiederholte Val. »Du warst irgendwie seltsam. Als ob du einen Dämon in dir hättest, der es noch nicht genau raushat, sich wie du zu verhalten.« Sie berührte ihren Kiefer, dem man praktisch dabei zusehen konnte, wie er anschwoll. »Aber wenn du wirklich von einem Dämon besessen wärst, dann hättest du fester zugeschlagen.« Sie sah mich mit unschuldigen Rehaugen an. »Tut mir wirklich sehr leid. Ehrlich.«

Die Rehaugen funktionierten bei mir nicht. Dafür hatte ich wohl immer noch zu viel Adrenalin im Blut. Obwohl ihre Geschichte einigermaßen Sinn ergab, war ich mir nicht sicher, ob ich sie ihr abkaufen sollte.

Hatte ich mich wirklich seltsam verhalten? So seltsam, dass sie den Eindruck gewinnen konnte, sie hätte in Wirklichkeit gar nicht mich vor sich, sondern einen Dämon, der sich für mich ausgab? Bevor ich ihr den Zettel zeigte, hatte sie doch ausdrücklich gesagt, dass ich mich nicht wie ein Dämon verhielt.

Das Problem war nur, dass mir kein anderer Grund einfiel, der sie dazu gebracht haben könnte, auf diese Art über mich herzufallen. Das war schließlich Val, die da vor mir saß, meine beste Freundin und Vertraute. Warum sollte sie mir etwas tun wollen?

»Du bist bestimmt ziemlich sauer auf mich«, sagte Val. »Aber ich habe nur getan, was ich für richtig hielt. Ich wollte dich überwältigen, um dir den Dämon austreiben zu können.« Sie lachte nervös. »Hätte vielleicht besser funktioniert, wenn du tatsächlich einen in dir hättest.«

Ich hielt den Taser so fest in der Hand, dass sie allmählich zu schmerzen begann. Ich ließ ihn sinken, nicht aber meine Deckung. Val wegen irgendetwas verdächtigen zu wollen, kam mir albern vor, aber ich konnte auch nicht einfach vergessen, was sie gerade zu tun versucht hatte. Außerdem wurde ich das unheimliche Gefühl nicht los, dass an ihrer Geschichte etwas nicht stimmte. Das Beste, was ich tun konnte, wäre, mich so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen und gründlich über alles nachzudenken.

Val seufzte erleichtert und wollte sofort aufstehen, als ich den Taser senkte.

»Bleib unten«, befahl ich ihr und richtete erneut den Taser auf sie. Ich wollte mir einen kleinen Vorsprung verschaffen. Sie blieb auf dem Hosenboden sitzen und hielt kapitulierend die Hände hoch.

Ich ging rückwärts aus dem Wohnzimmer in Richtung Tür. Sie hätte wohl sowieso nicht viel gegen mich ausrichten können, solange ich mit dem Taser bewaffnet war, aber irgendwie wollte ich sie in dem Moment nicht im Rücken haben.

»Ich lass den Taser im Flur liegen«, sagte ich, als ich die Haustür erreichte.

»Okay«, sagte sie von ihrem Platz am Boden aus. Sie sah wesentlicher ruhiger aus, als ich mich fühlte. »Wenn du später über alles reden willst, ruf mich an. Mir ist klar, dass du mich für eine ziemlich blöde Kuh halten musst.«

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Wenn du mich damit aufgezogen hättest, dass ich mich wie eine Rockerbraut anziehe, hätte ich dich für eine blöde Kuh gehalten, Val. Zu versuchen, mich mit einem Taser niederzustrecken, fällt in eine andere Kategorie – und ich weiß noch nicht genau in welche.«

Sie ließ beschämt den Kopf hängen. »Schon gut.« Als sie wieder zu mir aufsah, hatte sie Tränen in den Augen. »Bitte sag mir nicht, dass ich mit diesem dummen Fehler gerade zwölf Jahre Freundschaft zerstört habe.«

Ohne ihr darauf zu antworten, legte ich den Taser im Flur auf den Boden und ging dann zur Tür hinaus.

Während ich von ihrem Haus zu meinem Büro lief, hatte ich noch die ganze Zeit ein komisches Gefühl im Rücken.