von den Hüften, und das musste genügen. Ein Höschen trug ich nicht drunter, hatte aber auch nicht unbedingt erwartet, dass Adam diesen Kleidungsartikel auf Lager haben würde.

Als ich merkte, dass ich Zeit schindete, zwang ich mich, das Zimmer zu verlassen und die Treppe hinunterzusteigen. Ich war letzte Nacht durch die Hölle gegangen, um Adam dazu zu bekommen, mir bei Brians Rettung zu helfen. Jetzt war es an der Zeit herauszufinden, was ich mir mit meinem Blutzoll erkauft hatte.

Ich betrat die Küche und war überrascht, Dominic dort anzutreffen. Nach seiner netten Begrüßung gestern hatte ich eigentlich erwartet, er würde mich in Zukunft meiden wie die Pest. Ich blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen und schaffte es nicht, meinen Blick auf Adam zu richten. Und Dominic wollte ich auch nicht ansehen.

Dominic schenkte schweigend einen Becher Kaffee ein und brachte ihn mir dann. Damit hatte ich so wenig gerechnet, dass ich erstaunt vom Boden aufblickte. In seinen Augen war nichts als Mitgefühl zu erkennen, sein Hass auf mich schien verflogen. Oder wenigstens beiseitegeschoben.

»Alles in Ordnung?«, fragte er, als ich ihm den Becher abnahm und mit beiden Händen umfasste.

»Mhm.«

»Lügnerin.«

Ich zuckte mit den Achseln. »Die Bösen haben meinen Freund in ihrer Gewalt. Sobald er wieder in Sicherheit ist, werde ich einen hübschen kleinen Nervenzusammenbruch haben. Aber momentan kann ich mir keinen leisten.«

Unter Aufbringung all meiner Willenskraft schleppte ich mich zum Küchentisch und nahm neben Adam Platz. Ich konnte ihn immer noch nicht ansehen.

»Ich habe mir das Video angeguckt«, sagte er. Er klang vollkommen normal, als sei nichts zwischen uns geschehen.

Damit konnte ich nicht umgehen. Schließlich rang ich mich dazu durch, ihn doch anzusehen. Meine Miene war nicht sehr freundlich. »Hat es dir Spaß gemacht?«

Dominic setzte dazu an, einen empörten Kommentar abzugeben, aber Adam schnitt ihm das Wort ab.

»Sei nicht so streng mit ihr, Dom.«

Dominic hielt den Mund. Ich überlegte, ob ich mich entschuldigen sollte, entschied mich aber dagegen.

Adam mochte bereit sein, mir meinen blöden Spruch durchgehen zu lassen, aber er betrachtete es offenbar als unter seiner Würde, etwas darauf zu erwidern. »Ich habe den Raum erkannt, in dem sie ihn festhalten.«

»Wie bitte?«

»Ich weiß, wo er festgehalten wird.«

»Aber wie kann das sein?«

»Ich war da schon mal«, sagte er mit einer Stimme, als habe er es mit einer geistig Minderbemittelten zu tun.

Nie und nimmer hatte ich damit gerechnet, dass Adam in der Lage sein würde, einfach so aus dem Stand heraus Brians Aufenthaltsort zu erkennen. Ich hatte angenommen, dass wir eine riesige Suchaktion starten müssten.

»Wo ist er?«, fragte ich.

»In den Kellerräumen eines Privatclubs in der South Street, der sich The Seven Deadlies nennt.«

Allmählich begann mein schwerfälliges Hirn zu begreifen, was es da zu hören bekam. »Du meinst einen SM-Club?« Meine Abscheu stand mir bestimmt in großen Lettern ins Gesicht geschrieben.

Adam grinste über meine Empfindlichkeit. »Nicht ganz.

Dort wird eine Vielzahl fleischlicher Begierden befriedigt. SM ist nur eine davon.«

»Und du warst schon einmal da – in diesem Raum.« Ich erinnerte mich an die Peitschen, die Fesseln, die verdammte Streckbank.

Er nickte. Kurz blickte er zu Dominic hinüber, dann wieder zu mir. »Als Dom noch seinen Dämon hatte, sind wir dort ab und zu hingegangen. Sie haben eine größere Auswahl an Spielzeugen als –«

Ich hob abwehrend die Hände. »Bitte erspar mir die Details.«

Er lachte. »Okay, okay. Der entscheidende Punkt ist, dass ich den Raum kenne.«

»Womit sich die Frage stellt«, fügte Dominic hinzu, während er sich zu uns an den Tisch setzte, »warum sie ihn in einem Raum festhalten, der von jemandem wiedererkannt werden könnte?«

Ich schüttelte den Kopf. »Sie rechnen bestimmt nicht damit, dass ich ihn erkenne.«

»Nein«, räumte Adam ein. »Aber sie wissen vermutlich, dass du schon einmal bei mir zu Hause gewesen bist. Und die Dämonen, die zu ihnen gehören, dürften zumindest wissen, dass ich einer von Lughs Leutnants bin.«

Ich erinnerte mich an Raphaels Anruf gestern. Er hatte nicht nur gewusst, dass ich bei Adam gewesen war, sondern auch, dass ich ihm die Polizei auf den Hals gehetzte hatte. Ich wollte Adam und Dominic ungern daran erinnern, wie schäbig ich mich verhalten hatte, tat es aber trotzdem.

»Raphael wusste, dass ich diejenige war, die Adam bei der Polizei verpfiffen hat«, sagte ich und berichtete den beiden dann von meiner kleinen Unterhaltung mit meinem lieben Bruder. »Das gäbe ihm einen guten Grund anzunehmen, dass Adam dieses Band nie zu Gesicht bekommen würde. Und ich muss zugeben, dass ein SM-Club ein cleveres Versteck wäre. Niemand würde es komisch finden, wenn aus so einem Raum Schreie kämen.« Der Gedanke machte mich ganz krank.

»Du könntest recht haben«, räumte Adam ein, allerdings in einem Tonfall, der darauf hindeutete, dass er nicht viel von meiner Theorie hielt. »Trotzdem sollten wir so vorgehen, als handele es sich um eine Falle.«

Wenn er glaubte, mich daran erinnern zu müssen, dass wir uns auf ein gefährliches Spiel einließen, dann irrte er gewaltig. »Keine Sorge, da stimme ich vollkommen mit dir überein. Wobei mir einfällt, dass du nicht nur der Leiter der Sondereinsatzkräfte bist, sondern auch den Beweis hast, dass in dem Club ein Verbrechen verübt wurde. Kannst du das ganze Gebäude nicht einfach stürmen lassen?«

»Das wäre gar keine gute Idee.«

»Wieso nicht?«

Adam und Dominic tauschten einen Blick aus, den ich nicht deuten konnte. Dann wendete Adam seine Aufmerksamkeit wieder mir zu und schien seine Worte äußerst sorgfältig abzuwägen.

»Die Besitzerin des Seven Deadlies ist die dämonische Version eines Spitzels.«

»Was bitte?«

Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich schwören können, Adam sei das Thema unangenehm. Er senkte den Blick und starrte in seine Kaffeetasse.

»Sie ist eine Illegale«, presste er widerwillig hervor. »Und der Club hat auch Dämonen als Kunden, Jede Art von Dämonen.«

Mein Verstand war nicht gerade der schärfste an diesem Morgen, also fragte ich lieber noch einmal nach. »Willst du mir erzählen, dass nicht nur die Besitzerin des Clubs eine illegale Dämonin ist, sondern der ganze Laden vor illegalen Dämonen nur so wimmelt?«

Er zuckte mit den Achseln. »Wimmelt ist vielleicht etwas übertrieben. Aber ich bin sicher, dass sich auch andere Illegale ab und zu dort aufhalten.«

Ich verstand nur Bahnhof. »Im Grunde genommen tust du also nur so, als seist du Dämonenjäger. In Wirklichkeit geht es dir am Arsch vorbei, wie viele illegale Dämonen da draußen rumlaufen und Jagd auf wehrlose, unfreiwillige Wirte machen.« Meine Empörung wuchs von Sekunde zu Sekunde, genauso wie die Lautstärke, mit der ich ihr Luft machte.

»Das ist nicht wahr!«, entgegnete er, und man konnte förmlich zusehen, wie er in die Defensive geriet. »Shae ist eine ausgezeichnete Informantin. Mit ihrer Hilfe habe ich Dämonen gefangen, die ich sonst nie und nimmer hätte aufspüren können. Sie liefert mir eben nur nicht alle, über die sie Bescheid weiß.«

»Im Grunde«, warf Dominic ein, »liefert sie ihm nur diejenigen, die sie nicht mag. Glücklicherweise ist es nicht schwer, sie zu verärgern.«

»Und du nimmst sie nicht fest, weil du …?«

Adam sah mich an wie eine Vorschülerin. »Weil ich dann meine beste Informantin verlieren würde. Sie weiter ihrem Geschäft nachgehen zu lassen ist ein notwendiges Übel.« Er grinste mich höhnisch an. »Außerdem solltest du Gott auf den Knien danken, dass ich nicht jeden illegalen Dämon festnehme, der mir über den Weg läuft, sonst hätte ich dich gleich an dem Abend verhaftet, als ich erfahren habe, dass du besessen bist. Und dann wärst du jetzt nur noch ein Häufchen Asche.«

Ich hätte zu gern noch länger mit Adam über dieses Thema diskutiert, konnte es mir aber gerade so verkneifen. Im Moment hatte ich Wichtigeres zu tun, als über die Frage nachzudenken, ob man kriminelle Polizeispitzel frei herumlaufen lassen sollte oder nicht. »Warum sollte uns all das hindern, den Club stürmen zu lassen? Und erzähl mir jetzt bitte nicht, weil wir damit deine Informantin kränken könnten.«

»Nein, das ist es nicht. Aber ich bin nicht ihr einziger Kontakt bei der Polizei. Wenn wir eine Razzia organisieren, kriegt sie mit Sicherheit Wind davon.«

»Und dieses notwendige Übel, für dessen Freiheit du dich hier so eifrig einsetzt, würde dieses Wissen dann an die Leute weitergeben, die Brian in ihrer Gewalt haben, woraufhin diese ihn – was? – töten würden? Und das wäre ihr ganz egal?« Meine Lautstärke begann wieder zu steigen, ebenso wie mein Blutdruck. Zum tausendsten Mal rief ich mir ins Gedächtnis, dass ich Adams Hilfe brauchte. Ihn anzuschreien würde es nicht eben leichter machen, die auch zu bekommen.

»Shae ist eine Söldnerin, durch und durch«, sagte Adam. Ein nervöses Zucken seiner Backenmuskeln verriet mir, dass ich ihm auf die Nerven ging, aber bisher schien er sein Temperament immer noch besser im Griff zu haben als ich. »Solange das Geld stimmt, gibt es kaum etwas, worüber sie nicht großzügig hinwegsieht. Aber glaub mir, sie ist wesentlich harmloser als die meisten Illegalen. Außerdem steht das hier gar nicht zur Diskussion. Die Lage ist nun mal so, wie ich sie dir geschildert habe. Organisieren wir eine Razzia, wird sie Wind davon kriegen und alle Vorsichtsmaßnahmen treffen, die sie für nötig hält – selbst wenn das mit einschließt, dass Raphaels Leute deinen Liebsten umbringen. Also müssen wir auf die Hilfe der Polizei verzichten. Wie lautet dein nächster Vorschlag?«

Ich hielt es für ein Zeichen meiner neuentwickelten Reife, dass es mir gelang, das Thema fallenzulassen. Nicht, dass es mir leichtfiel, bei dem überwältigenden Gefühl der Entrüstung, das sich in mir aufgestaut hatte. Doch ich musste mich auf das Wesentliche konzentrieren – und das war, Brian da rauszukriegen. Auf das Spitzel-Thema konnte ich zu einem späteren Zeitpunkt zurückkommen.

»Wenn wir nicht mit offenem Visier da reingehen können«, sagte ich, ohne mehr als einen Hauch Wut mitklingen zu lassen, »dann müssen wir es vermutlich auf die listige Tour versuchen.«

»Und hast du irgendeinen konkreten Plan für die listige Tour?«, fragte Adam und sah mich betont ausdruckslos an.

»Nein. Aber da du dich so gut in dem Laden auskennst, wird dir sicher was einfallen.« Das Lächeln, mit dem ich diese Worte begleitete, war zweifellos süß wie Honig.

Leider erwiderte Adam das Lächeln. Sein Lächeln war allerdings keineswegs honigsüß. »Oh, ich glaube, da hätte ich schon einen Vorschlag.«

Wieso war ich mir so sicher, dass mir dieser Vorschlag nicht gefallen würde? »Also gut«, sagte ich und fügte mich in das Unvermeidliche. »Dann leg mal los.«