WASSER WIRKT

Samstag, 28. November

WTRWKSBTMP1000: 2.80, 24, 341, 55, 500. 80, 24, 342, 54, 499, 1. 80, 24

 

Rebeccas Softwareprogramm hatte inzwischen mehrere Wochen von Datenlieferungen der Gammastrahlenblitze durchsucht und endlich das nächste Muster entdeckt, aber das ergab überhaupt keinen Sinn.

Tane, Rebecca und Fatboy saßen am Esszimmertisch im Haus in West Harbour, starrten die Zeichen auf dem Monitor an und versuchten, irgendeine Ordnung in diesem Chaos zu entdecken. Die frühe Samstagsonne warf lange Lichtstreifen über den Teppich, konnte aber das Puzzle ebenfalls nicht lösen.

»Ihr habt also auch frühere Mitteilungen überprüft?«, fragte Fatboy.

Rebecca nickte. »Über viele Wochen hinweg. Die Botschaften begannen an dem Tag, an dem wir Professor Barnes besuchten.«

»Und sie wussten, dass ihr ihn an diesem Tag besuchen würdet?«

»Genau. Das kann ja kein Zufall gewesen sein.«

Fatboy runzelte die Stirn. »Ich kapier immer noch nicht, woher wir diesen Sender bekommen sollen.«

»Ich auch nicht«, gestand Rebecca lächelnd. »Aber ich würde einen Sender erfinden, wenn ich nur die geringste Ahnung hätte, wie man so was macht.«

»SOS bedeutet eine Notsituation«, ließ sich Tane hören, dessen Hirn sich mit etwas ganz anderem beschäftigte.

»Water works«, sagte Rebecca, während sie auf den Ausdruck blickte. »Kann Wasserwerke heißen oder Wasser wirkt. Klingt fast wie Monopoly – ihr wisst schon, Wasserwerk, Elektrizitätswerk und so.«

Die beiden anderen schauten sie erwartungsvoll an, aber sie zuckte nur die Schultern. »Aber auch dann ergibt das keinen Sinn, oder?«

»Vielleicht ist es wirklich eine Seuche«, meinte Tane. »Kann doch sein, dass Professor Green unabsichtlich irgendeine grauenhafte Krankheit erzeugt, die die halbe Menschheit auslöschen wird?«

»Wie wär’s, wenn wir sie noch einmal besuchen würden?«, fragte Fatboy. »Vielleicht hört sie uns wenigstens zu, wenn wir ihr von den Mitteilungen erzählen.«

»Oder vielleicht streitet sie alles ab und lässt uns verhaften«, widersprach Tane.

»Was macht ihr drei denn da?« Rebeccas Mutter schlenderte ziellos im Zimmer umher. Sie hatten sie nicht einmal hereinkommen hören.

»Runescape«, erklärte Tane schnell.

»Was ist das?«

»Ein Computerspiel, im Internet. Man muss sich eine Figur zulegen, die dann …« Er verstummte, als sie wieder aus dem Zimmer schlenderte, ohne weiter zuzuhören. Tane schaute auf den Monitor, nur um Rebecca nicht anschauen zu müssen.

»Ich denke, wir sollten die Behörden verständigen«, erklärte Fatboy. »Wenn es irgendeine Superseuche ist, von der wir hier reden, dann ist das Problem zu groß für uns drei.«

»Du hast recht«, gab Rebecca zu. »Aber das müssen wir erst einmal beweisen können. Im Moment ist alles noch Raterei, und vielleicht hat Tane recht, dass wir die Mitteilungen auch missverstanden haben könnten.«

»Wenn wir die Behörden verständigen, kann es auch sein, dass sie uns nicht glauben und Vicky Green alarmieren. Und dann hätten wir überhaupt keine Chance mehr, irgendetwas zu unternehmen«, sagte Tane. »Dann wären wir schuld an der Seuche!«

»Vielleicht ist das der Grund, warum in der Mitteilung steht: Sagt es niemandem«, überlegte Fatboy.

Rebecca stand auf und trat ans Fenster. Sie hob die Hand an die Augen, um die schon hoch stehende Sonne abzuschirmen. Mit der anderen Hand trommelte sie rhythmisch gegen die Scheibe. Die Sonnenstrahlen verliehen ihrer Haut ein fast überirdisches Leuchten.

Tane sah, dass Fatboy Rebecca aufmerksam beobachtete.

»Wir müssen mehr über das Projekt erfahren«, sagte sie schließlich. »Worum geht es dabei überhaupt? Was wollen sie damit erreichen? Ja, ich denke, wir sollten noch mal auf die Insel zurückgehen.«

Fatboy schüttelte den Kopf. »Sie wird nichts zugeben.«

»Das weiß ich«, stimmte Rebecca zu. »Deshalb müssen wir hingehen, wenn sie nicht da ist. Wenn überhaupt niemand da ist.«

»Oookayyy«, sagte Tane übertrieben langsam.

»Nachts, wenn niemand im Labor arbeitet«, fuhr Rebecca fort. »Wir müssen die Akten durchsehen. Herausfinden, was sie dort treiben. Erst dann können wir überlegen, was wir tun sollen.«

»Klingt ganz vernünftig«, meinte Tane. »Aber was ist mit ihren Sicherheitsvorkehrungen? Der Stacheldrahtzaun, die Überwachungskameras?«

»Dazu kommen wir gleich«, sagte Rebecca. »Erst will ich wissen: Seid ihr mit der Idee grundsätzlich einverstanden?«

»Klingt okay«, nickte Fatboy. »Und vielleicht fällt mir zu den Sicherheitssystemen auch noch etwas ein.«

Auch Tane nickte. »Einverstanden.«

Fatboy kritzelte irgendetwas auf ein Papier, während er laut nachdachte. »Gut, fangen wir an. Die Sache muss definitiv bei Nacht durchgezogen werden, wenn niemand in den Labors ist. Wir tragen Gesichtsmasken, damit sie uns später nicht durch die Aufzeichnungen der Überwachungskameras identifizieren können.« Tane blickte auf das Papier: Fatboy hatte eine grobe Umrisskarte der Insel Motukiekie gezeichnet.

Rebecca kam an den Tisch zurück und zog ihr Notebook heran. Kurz darauf hatte sie, mit freundlichen Empfehlungen von Google Earth, ein Satellitenbild der Insel auf dem Monitor. Die Laborgebäude waren klar erkennbar, eine große Lichtung mitten im dichten Busch der Insel. Nordwestlich des Labors führte ein schmaler Weg zu einer weiteren Ansammlung kleiner Gebäude, dazwischen ein größeres, die sich über einen nahen Hügel erstreckte.

»Was für Gebäude sind das?«, überlegte Tane. »Noch mehr Laboratorien?«

Rebecca schüttelte den Kopf. »Unterkünfte. Die Wissenschaftler müssen ja irgendwo wohnen, oder nicht?«

Fatboy studierte das Bild genau und übertrug ein paar Einzelheiten auf seine eigene Karte.

»So weit okay. Aber wie kommen wir auf die Insel, ohne entdeckt zu werden? Ich jedenfalls möchte nicht verhaftet werden …« Rebecca verstummte plötzlich. Tane wusste, was sie dachte. Schließlich war sie schon einmal verhaftet worden. Wer würde sich um Rebeccas Mutter kümmern, wenn Rebecca im Gefängnis saß oder in eine Jugenderziehungsanstalt eingewiesen wurde oder wo auch immer sie jugendliche Kriminelle hinschickten?

»Unter Wasser«, sagte Tane, dem plötzlich dämmerte, wie die Dinge zusammenhingen.

»Das U-Boot!« Fatboy schnippte mit den Fingern. »Trotzdem haben wir noch das Problem mit dem Sicherheitssystem. Ich glaube, ich habe die ersten Zahlen gesehen, die Vicky Green in die Tastatur eintippte …«

»Ich auch!«, sagte Rebecca zögernd.

Fatboy schloss einen Moment lang die Augen. »Fünf, eins, dann … vielleicht vier? Konnte die letzten Zahlen nicht sehen, weil ihre Hand im Weg war.«

»Stimmt«, nickte Rebecca. »Fünf, eins, vier. Aber das nützt uns nicht viel, wenn wir die letzte Ziffer nicht kennen.«

»Drei«, sagte Tane. »Wie die Zusatzzahl im Lotto.«

»Bist du sicher?«, fragte Fatboy.

Tane schoss ihm einen verärgerten Blick zu. »Ich bin nicht völlig nutzlos.«

Fatboy überhörte die Bemerkung. »Okay. Wann? Vorschläge?«

»Bald«, meinte Rebecca. »So bald wie möglich. Bevor es zu spät ist.«

»Aber woher wissen wir, wann es zu spät sein wird?«, wollte Tane wissen.

»Das ist leicht«, antwortete Rebecca und blickte Tane geradeheraus an. »Der Tag, an dem Professor Green das tut, was sie tun wird, was immer das auch sein mag und wovor uns die Mitteilungen gewarnt haben … das ist dann ein Tag zu spät.«

»Kurzum: Je eher, desto besser«, sagte Fatboy.

»Gut, machen wir weiter. Wir haben immer noch ein paar Mitteilungen zu entziffern«, sagte Rebecca. »BTMP. Batmans Po? Irgendwas mit B und T und P … vielleicht Borstenmopp?«

»Batmans Po? Borstenmopp?« Tane platzte fast vor Lachen, dann kriegte Rebecca einen Kicheranfall, womit sie Fatboy ansteckte, der so sehr lachen musste, dass sein Hut herunterfiel.

 

Die Prüfungswoche kam und ging vorbei. Tane war absolut überzeugt, dass er die ganze verdammte Prüfung versenken würde. Er konnte sich überhaupt nicht konzentrieren. Keinen einzigen Gedanken richtig auf die Reihe bringen. Konnte sich nicht mal mehr an den Stoff erinnern, den sie durchgenommen hatten. Dinge, die er schon das ganze Schuljahr über gelernt hatte, waren plötzlich nur noch vage Erinnerungen. Sogar Fächer, in denen er normalerweise sehr gut war, waren nun plötzlich Schwachpunkte.

Das ist alles so ungerecht!, dachte er immer wieder. Wie viele seiner Mitschüler, die in den Prüfungen saßen, mussten gleichzeitig auch noch Kryptogramme aus der Zukunft entschlüsseln und in ein Genetiklabor einbrechen? Na ja, eigentlich fiel ihm nur eine weitere Schülerin ein, die so was probierte, aber sie würde natürlich mit fliegenden Fahnen durch sämtliche Tests wehen und die beste Prüfung von ganz Neuseeland ablegen – trotz allem, was sie sonst noch so trieb.

Der Tomorrow-Code
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