DER MANN VON SUBEO
Donnerstag, 26. November
Der Mann von Subeo hieß Arthur Fong, was ziemlich chinesisch klang, aber nicht chinesisch war, wie er am Telefon sagte. Er hatte versprochen, am Donnerstagabend, 26. November, um 19.30 Uhr vor Ort zu sein, und tatsächlich klingelte es auf die Minute genau an der Tür.
Tane, Rebecca und Fatboy hatten sich für die Besprechung in Rebeccas neuem Haus versammelt. Es lag eine gute halbe Autostunde von Tanes Elternhaus entfernt, was zwar ein bisschen umständlich war, aber die herrliche Lage und der Bootsschuppen glichen das wieder aus.
Fatboy hatte Tane nach der Schule abgeholt. Sie hatten noch schnell Fisch und Pommes im Schnellimbiss gekauft; die aßen sie, während sie auf Fong warteten.
Als es klingelte, sprang Tane auf und raste schnell wie der Blitz durch den Flur zur Tür, während die beiden anderen noch nicht einmal das Läuten richtig registriert hatten. Weil er aber nicht zu ungeduldig wirken wollte, spazierte er die letzten Meter mit ganz normaler Geschwindigkeit.
Die Tür war aus massivem Kauriholz gefertigt und hatte bunte Glasfenster. Es war eine sehr schöne Tür. Es war überhaupt ein sehr schönes Haus. Zwar war es nicht neu, vermutlich so um die fünfzig Jahre alt, aber es strahlte Eleganz aus, und die Renovierung musste eine Menge Geld gekostet haben. Das alles hatte jedoch Rebecca, Tane und Fatboy nicht interessiert, als sie das Haus besichtigt hatten. Für sie waren zwei Dinge wichtig gewesen: Erstens stand das Haus leer und konnte somit sofort bezogen werden. Und zweitens grenzte der Garten hinter dem Haus direkt an eine hohe Klippe, die eine eigene kleine, abgeschiedene Bucht innerhalb der großen oberen Hafenbucht umgab. Unten an der Klippe befand sich ein großer, braun gestrichener und ein wenig vernachlässigter Bootsschuppen, den man über eine steile Holztreppe erreichen konnte.
Um zur Haustür zu gelangen, musste sich Tane allerdings zwischen Stapeln von Umzugskartons hindurchschlängeln. Im ganzen Haus stapelten sich die Kartons. Am Dienstagmorgen war ein Umzugsunternehmen wie ein Tornado durch Rebeccas altes Haus gefegt und hatte alles, was nicht niet-und nagelfest war, in einem Wirbel aus Kartons, Packpapier und Klebeband mit sich gerissen. Dann hatte es einen seltsamen Augenblick völliger Ruhe gegeben – wie die Ruhe im Auge eines Wirbelsturms –, während der Lastwagen zum neuen Haus fuhr, und dort hatte der Wirbelsturm von Neuem gewütet. Möbel wurden hineingetragen und zurechtgerückt, dann wieder umgestellt und noch einmal unter Rebeccas kritischer Kontrolle zurechtgerückt, während die Kartons zwar geöffnet, aber nicht ausgepackt wurden. Das würden sie wohl selbst tun müssen. Und die meisten waren immer noch nicht ausgepackt worden.
Arthur Fong war groß gewachsen, hatte ein sehr schmales Gesicht, aber einen recht breiten Hintern, sodass seine Gestalt an eine Pyramide erinnerte. Als ihm klar wurde, dass er es mit drei Teenagern zu tun hatte, entdeckte er plötzlich, dass er noch eine Menge anderer Termine hatte.
Vom oberen Stockwerk drangen schwach die üblichen Geräusche des Fernsehers herab.
»Setzen Sie sich«, sagte Fatboy und fügte höflicherweise sogar ein »Bitte« hinzu.
Mr Fong setzte sich. Überhaupt taten die Leute fast immer, was ihnen Fatboy sagte.
»Hören Sie«, begann Fong, »ich freue mich über Ihr Interesse. Aber wenn es hier nur um ein paar Fragen für ein Schulprojekt geht, dann bin ich gerne bereit, euch ein paar Prospekte über unsere Produkte zuzusenden, sogar ein paar technische Baupläne, die wir normalerweise nicht aus der Hand geben. Aber ich habe wirklich einen sehr dicht gefüllten Terminkalender.«
»Mr Fong«, begann Tane, aber Fong unterbrach ihn mit einer Handbewegung.
»Ich habe eine Menge Zeit – und Geld – geopfert, um hierherzufliegen, weil ich dachte, dass ich es mit einer Firma zu tun hätte, die wirklich am Kauf eines unserer Produkte interessiert sei.« Er rieb sich mit beiden Händen heftig das Gesicht, eine Geste, die Frustration und Erschöpfung ausdrückte.
Rebeccas Mutter erschien in der Tür, aber als sie sah, dass Besuch gekommen war, konnte man deutlich sehen, wie sehr sie bereute, heruntergekommen zu sein.
Mr Fong stand auf und blickte sie erwartungsvoll an, aber sie sagte nichts – stand nur einfach in der Tür und schaute ihn mit mildem Erstaunen an.
Rebecca sprang auf. »Mum, das ist Arthur Fong von Subeo. Er kommt von weither, aus England.«
»Wie geht’s?«, fragte Mrs Richards automatisch.
Mr Fong warf Rebecca einen verwunderten Blick zu, dann sagte er kühl: »Ihnen ist doch sicherlich bekannt, dass Ihre Tochter plant, ein paar Millionen Dollar für ein U-Boot auszugeben?«
»Nein«, antwortete Rebeccas Mutter.
Mr Fong öffnete den Mund, doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr sie fort: »Aber sie ist alt genug, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, denke ich.«
Völlig konsterniert sagte Mr Fong laut: »Sie haben doch verstanden, was ich gesagt habe? Ein U-Boot!«
»Ach, wie schön!«, sagte Mrs Richards. »Es ist doch nicht etwa gelb?«
»Äh … ich … na ja, es ist tatsächlich gelb.«
»Ach, wie schön!«, wiederholte Rebeccas Mum und schlenderte wieder in den Flur hinaus. Sie hörten sie leise den Beatles-Klassiker »Yellow Submarine« summen.
Mr Fong ließ sich auf den Stuhl zurückfallen und wischte sich mit einem Papiertaschentuch den Schweiß von der Stirn. Er fühlte sich wohl wie Alice, als sie ins Kaninchenloch fiel und im Wunderland wieder herauskam.
»Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?«, fragte Rebecca höflich.
Fong nickte, schüttelte den Kopf, nickte noch einmal, sagte aber: »Nein, danke.«
»Sie hatten wohl keine sehr erfolgreiche Woche?«, erkundigte sich Rebecca.
Fong lächelte dünnlippig. »Erfolgreich? Nein, kann ich wirklich nicht behaupten. Flugverspätungen. Verlorenes Gepäckstück. Stornierte Bestellungen. Und jetzt auch noch ein völlig nutzloser Trip nach Neuseeland, um mit ein paar Schülern eine Tasse Tee zu trinken. Entschuldige also bitte, dass ich ein bisschen … sauer bin. Euch ist doch klar, dass eine Nautilus über eine Million Pfund kostet? Britische Pfund? Es ist ein U-Boot, kein Spielzeug!«
»Stornierte Bestellungen?«, hakte Rebecca beiläufig nach.
Fong gab keine Antwort.
»In Australien?«, lockte sie ihn freundlich.
Fong seufzte. »Ich muss los.« Er stützte sich mit den Händen auf die Tischplatte, um aufzustehen.
»Warum wurde der Kauf storniert?«, fragte Rebecca weiter, immer noch in ihrem freundlich-lässigen Tonfall. »Stimmt was nicht mit dem U-Boot?«
»Keineswegs!«, sagte Fong entrüstet.
»Denn wenn mit dem U-Boot etwas nicht in Ordnung …«
»Das U-Boot hat sämtliche Tests mit besten Ergebnissen durchlaufen! Die Stornierung erfolgte, weil sich irgendwelche Bürokraten und Politiker, angeblich auf hoher Ebene, über den Kauf nicht einigen konnten. Das U-Boot selbst ist völlig in Ordnung. Oder besser gesagt, es ist fantastisch.«
»Und wo befindet es sich jetzt?«, wollte Rebecca wissen.
Fong blickte sie lange an und lächelte, als ihm klar wurde, worauf sie hinauswollte. »Immer noch in Sydney. Aber bitte – nehmt das doch bitte ernst. Es kostet eine Million Pfund. Ich weiß nicht, wie viel das in neuseeländischen Dollar ist, aber …«
»Vier Millionen einhundertzwölftausendzweihundertneunundzwanzig Dollar«, unterbrach ihn Rebecca ohne zu zögern, »und zehn Cent. Nach dem heutigen Wechselkurs.«
Fong stand auf.
»Nett, euch kennengelernt zu haben. Aber jetzt muss ich wirklich gehen. Ich hasse es, wenn andere Leute meine Zeit unnütz vergeuden.«
»Wir vergeuden Ihre Zeit nicht«, sagte Fatboy. »Wir vertreten einen Trust, der über ein beträchtliches Vermögen verfügt. Die Nautilus liegt also in Sydney, sagen Sie? Wir kaufen sie.«
»Ein Trust«, wiederholte Fong skeptisch.
»Ich habe gesagt, wir kaufen Ihr U-Boot.«
Mr Fong blickte Fatboy mit einer Mischung aus Frustration und unterdrückter Wut an, als müsse er sich mit einem Vollidioten auseinandersetzen, der partout nicht kapieren wollte, worum es eigentlich ging. Er wedelte lässig mit der Hand. »Klar doch. Ihr könnt das Ding haben. Stellt mir einfach einen Scheck über … ach, machen wir doch eine runde Summe … über vier Millionen neuseeländische Dollar aus. Es gehört euch.«
In diesem Augenblick läutete es an der Haustür und Rebecca ging öffnen.
Fatboy streckte Fong die Hand hin: »Abgemacht, Mr Fong.«
Fong ignorierte die Hand.
»Aber es gibt zwei Bedingungen«, fuhr Fatboy fort. »Erstens, Sie stellen keine Fragen, und zweitens, Sie informieren nicht die Medien. Dieses Geschäft läuft nur zwischen Ihnen und uns.«
Mr Fong betrachtete ihn einen Augenblick lang zynisch, aber dann lachte er laut auf und schüttelte Fatboys Hand. »Oh, das ist kein Problem. Was immer ihr wollt. Keine Fragen. Keine Medien. Und wo ist nun der Scheck?«
Fatboy schüttelte bedauernd den Kopf. »Einen Scheck haben wir im Moment leider nicht zur Hand, aber …«
»Das ist ja eine Überraschung!«, sagte Fong sarkastisch. »Dann, fürchte ich, kommt das Geschäft wohl doch nicht zustande.«
Rebecca erschien in der Tür und verkündete: »Mr Fong, darf ich Sie mit unserem Anwalt, Anson Strange, bekannt machen?«
»Wird auch höchste Zeit«, knurrte Tane, allerdings ein wenig lauter, als er eigentlich beabsichtigt hatte.