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Als Sascha Richter die Stufen zu seiner Dreizimmerwohnung in Barmbek hinaufstolperte, dämmerte es bereits. Mit Mühe schleppte er sich in den vierten Stock. Er hatte nach diesem außergewöhnlichen Abend eine ausgiebige Kneipentour unternommen. Eigentlich trank er öffentlich höchstens mal Wein zu einem guten Essen, aber heute hatte er eine Ausnahme machen müssen. Er brauchte ein paar Anläufe, bis er den Schlüssel ins Schloss seiner Wohnungstür stecken konnte. Unter dem Arm trug er eine Flasche Wodka. Er hatte den Taxifahrer an der Tankstelle stoppen lassen, um sich die Flasche zu kaufen. Wodka war seine Medizin. Mit der richtigen heimlichen Dosierung schaffte er es, sein Zittern in den Griff zu bekommen und wie ein normaler Mensch zu wirken, nicht wie ein alkoholkrankes Wrack. Ein unglaublicher Gestank strömte ihm entgegen, als er die Eingangstür öffnete. Diese halb vollen Packungen der billigen Fertiggerichte im überfüllten Mülleimer rochen nach ein paar Tagen fürchterlich. Er knallte die Tür zu und ging in die kleine Küche. Obwohl er total besoffen war, ekelte er sich vor dem, was er sah. Auf der Arbeitsfläche und auf dem kleinen Bistrotisch standen volle Aschenbecher, dreckige Kaffeetassen, Pizzakartons und Styroporverpackungen vom China-Imbiss um die Ecke. Er nahm sich vor, die Müllberge endlich zu beseitigen und mal wieder gründlich sauber zu machen. Doch erst brauchte er dringend Schlaf. Er griff sich einen halbwegs sauberen Kaffeebecher und goss ihn mit Wodka voll. Einen kleinen Schlummertrunk würde er sich noch gönnen. Sascha Richter öffnete die Tür, die auf seinen winzigen Balkon führte. Die Vögel zwitscherten schon und es wurde langsam hell. Es war bereits warm. In der letzten Nacht hatte es sich gar nicht richtig abgekühlt. Sommer. Früher, in seinem alten Leben, hatten seine Frau und er im Sommer oft spontan mit Nachbarn zusammengesessen, gegrillt und guten Wein genossen. Nicht gesoffen. Mit dem Saufen hatte er erst angefangen, nachdem er alles verloren hatte. Nachdem seine Frau ihn verlassen hatte. Nachdem sie ihn mithilfe ihres Anwalts finanziell in den Ruin getrieben hatte. Am Ende hatte er nichts mehr gehabt. In dem schönen Haus am Stadtrand lebte seine Familie nun ohne ihn. Auf der hohen Kante hatte er schon lange nichts mehr. Viel zu selten hatte er mal einen schlecht bezahlten Job. Sein Leben war einfach erbärmlich. Er war am Ende. Und wem hatte er diesen unerfreulichen Verlauf zu verdanken? Laura Crown. Ohne ihre Machenschaften wäre er heute ein Fernsehstar, da war er sich sicher. Laura hatte ihn damals fertiggemacht! Sascha Richter trank seinen Becher in einem Zug aus. Er hatte doch etwas zu feiern. Endlich war diese Frau tot.