37. Kapitel
Auf einem weiter entfernten Gebäude lag Wran ausgestreckt unter einer zur Schutzoberfläche des Dachs passenden Flexiplastabdeckung und beobachtete durchs Zielfernrohr die vier rasch näher kommenden Schnapphund-Truppentransportgleiter. Sie kamen von Süden und hatten kurz zuvor den Osthang des Schwarzgipfelberges umfahren. Die meiste Zeit über hatte Wran die Unterseiten der Speeder im Blick, die ein gutes Stück hoch in der Luft schwebten, sodass der Blick auf die Repulsoren und Schubdüsen frei war, die die Bäuche der Fahrzeuge säumten.
Wran nahm die Hauptrepulsorlifteinheit des vordersten Gleiters ins Visier, zielte und feuerte. Sein Laserschuss traf das Gerät und zerfetzte es. Er sah das überraschte Gesicht des fernen Piloten. Der Speeder sauste weiter, ohne dass die Fluggeschwindigkeit abgenommen hätte, doch der Bug des Gefährts kippte nach unten, und es ging in einen viel zu schnellen, viel zu steilen Sinkflug über. »Kom, hier Ballerboy. Einer erledigt.« Er visierte den zweiten Gleiter an.
Thaymes’ Stimme flüsterte ihm in den Ohrhörer: »Ballerboy, hier Kom. Habe verstanden.«
Die drei anderen Truppentransporter leiteten Ausweichmanöver ein, drehten ab und verloren an Höhe, da die Piloten hofften, hinter zwischen ihnen liegenden Gebäuden Deckung suchen zu können. Das Manöver war abrupt und erwischte einige der Schnapphunde unvorbereitet.
Wran sah, wie drei über die Seite seines nächsten Zielobjekts stürzten. Er feuerte. In der gepanzerten Seitenblende des Motivators seines neuen Ziels erschien ein schwarzes Loch. Er schoss zwei weitere Male, um noch zwei Löcher zu schaffen, bevor sein Lasergewehr wimmerte, um ihn darauf hinzuweisen, dass es sich neu auflud.
Sein zweites Zielobjekt setzte seinen kontrollierten Sinkflug fort, als wäre nichts geschehen. Truppler auf der Transportfläche eröffneten das Feuer auf Wrans Position – oder konkreter: auf das gesamte Obergeschoss des Gebäudes unter ihm. Dann jedoch sackte die Steuerbordseite des Gleiters – die Seite, die er perforiert hatte – unversehens ab, als seien die Repulsoren ausgefallen. Von einem Moment zum anderen flog das Gefährt nicht mehr horizontal, sondern vertikal, und alle außer den angeschnallten Piloten wurden von den Füßen gerissen. Dann drehte sich der Speeder kopfüber, als er zwischen den Gebäuden zwei Straßen weiter verschwand.
Wran hörte ein Krachen aus der näheren Umgebung des ersten Zielobjekts, gefolgt vom Knirschen von sich verbiegendem Metall aus der Richtung des zweiten. Er schaute sich um. Sonst waren keine weiteren Transportgleiter in Sicht – die übrigen waren in Deckung gegangen. »Kom, hier Ballerboy. Zwei sind an mir vorbeigekommen.«
»Verstanden. Team Schalentier, ihr seid dran. Ballerboy, möglicherweise haben die es jetzt auf dich abgesehen. Verschwinde von dort.«
»Schon dabei.«
Der dritte Truppentransporter stieg wie ein U-Boot empor, das die Oberfläche des Ozeans durchbricht, als es über der Dachkante des Gebäudes auftauchte, auf dem Wran sich aufhielt. Noch bevor der Gleiter wieder in den Horizontalflug übergegangen war, deckten die rachsüchtigen Schnapphunde auf der Transportfläche die am anderen Ende des Dachs stehende, baldachinartige Abdeckung mit Blasterfeuer ein. Das Konstrukt zuckte und tanzte, während die Salven es verbrannten und in ein verkohltes, schwarzes Etwas verwandelten.
Der Transporter hielt einige Meter entfernt. Zwei Schnapphunde sprangen ab, landeten und liefen zu den Überresten der Abdeckung hinüber. Einer gab seinem Kameraden Feuerschutz, während der andere das versengte Flexiplast zur Seite riss. Die Übrigen legten an. Doch unter dem Baldachin war nichts.
Die Triebwerke ihres eigenen Gefährts verhinderten, dass sie hörten, wie zwei Düsenschlitten über derselben Dachkante emporstiegen, die sie gerade passiert hatten, und raubten ihnen so jede Chance, rechtzeitig zu reagieren. Die beiden Düsenschlitten schossen über ihre Köpfe hinweg, gesteuert von einer blonden Menschenfrau und einem creme-braunen Wookiee. Beide ließen etwas fallen, als sie sich direkt über dem Speeder befanden: zwei Kugeln, die auf die Transportfläche des Gefährts fielen.
Die Veteranen unter den Schnapphunden sprangen beiseite. Andere, die mehr dazu neigten, erst zu handeln und dann nachzudenken, nahmen die Düsenschlitten ins Visier. Nur einer schaffte es, einen Schuss abzugeben, der die blonde Frau jedoch um ein Dutzend Meter verfehlte.
Dann explodierten die Kugeln und erfüllten die Luft mit ungesund aussehendem, gelbem Gas, das sich über das Dach ausbreitete und die Schnapphunde überall ringsum umfing. Abgehärtete Männer und Frauen, die zum Töten ausgebildet waren, mussten schlagartig husten und sich die Augen reiben.
Zweihundert Meter entfernt – mit zunehmender Distanz – sprach die blonde Frau in das Mikrofon ihres Headsets. »Rangergirl an Kom. Dritter Gleiter erledigt. Position des vierten unbekannt.«
»Verstanden.«
»Und sag Saniboy: Gute Arbeit.«
In Thaals Tasche steckte keine Waffe. Einen Augenblick lang tastete er verdutzt danach. Sie konnte nicht weg sein. In den Minuten, die vergangen waren, seit er sie das letzte Mal gefühlt hatte, hatte er keinerlei körperliche Aktivitäten unternommen, durch die der Miniblaster ihm aus der Tasche hätte rutschen können. Und niemand war ihm nahe genug gekommen, um …
Dieser Protokolldroide!
Er rannte los, stieß Colonel Sorrel aus dem Weg und lief auf die im Anflug befindlichen Schnapphund-Truppentransporter zu …
Sie waren fort. Nein, einer war noch da. Beinahe auf Bodenhöhe bog der Gleiter um eine Straßenecke und steuerte auf ihn zu.
Aus dem Inneren eines schwarzen, in der Nähe geparkten Speeders drang ein vertrautes Tschump. Thaal konnte nur tatenlos zusehen, wie die von einem Militärblastergewehr abgefeuerte Granate in hohem Bogen auf den Truppentransporter zuschoss, davor aufs Pflaster schlug und mit einer gewaltigen gelben Wolke explodierte.
Außerstande, rechtzeitig zu reagieren, flog der Transporter mitten durch die Wolke. Als er wieder daraus auftauchte, waren sämtliche Oberflächen und Passagiere gelb getönt. Die Soldaten krümmten sich zu Kugeln zusammen und hielten sich hustend die Augen.
Thaal verfolgte, wie der Gleiter, dessen Pilot vorübergehend blind war, an ihm vorbeisegelte und in einem unkontrollierten Schlingerkurs auf die Sternenjäger vor dem Justizgebäude zuflog. Schritte hinter ihm, die Aufforderung stehen zu bleiben – Thaal wandte sich dem nächstbesten Fahrzeug zu, einem roten Düsenschlitten, neben dem wachsam ein menschlicher Händler stand. Er rammte den alarmiert dreinschauenden Mann, stieß ihn aus dem Weg und schwang sich auf das Bike, das brüllend zum Leben erwachte – die übertrieben leistungsstarken Triebwerke perfekt für testosterongesteuerte Jungs und Männer in mittleren Jahren.
Dann spürte Thaal diesen Stich im Nacken. Er ignorierte ihn und brachte die Schubdüsen auf Touren – oder zumindest versuchte er das. Seine Hände hielten die Lenkstange weiterhin gepackt, gehorchten jedoch seinen Befehlen nicht. Auch die Füße auf den Pedalen wollten sich nicht bewegen. Der Düsenschlitten glitt einen Meter in die Luft empor und schwebte langsam, ganz langsam vorwärts, nur von einer leichten Brise angetrieben.
Colonel Sorrel holte ihn ein und marschierte in gemächlichem Schritttempo neben ihm her, um zu verkünden: »Sie sind verhaftet und bleiben in Gewahrsam, während eine umfassende Untersuchung dieser Zwischenfälle durchgeführt wird.«
Der zusammengeschusterte Unterhändlerdroide tauchte rechts von Thaal auf, gegenüber von ihr. »Sie werden feststellen, dass es sich bei seiner sonnengebräunten Haut um Schminke handelt. Darunter ist er ein eher gelblicher Bursche. Die Kontaktlinsen, die er trägt, stimmen mit Thaals Netzhautabdrücken überein, seine richtigen Augen jedoch nicht. Die texturierte Haut an seinen Händen und Füßen trägt ebenfalls Thaals Abdrücke, aber darunter finden Sie die Abdrücke von Thadley Biolan.« Ton Phanan schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie lange Stavin Thaal bereits tot ist – aber es ist offensichtlich, dass dieser Mann ihn schon vor langer, langer Zeit ermordet hat.« Dann erlosch das Bild von Ton Phanan flackernd.
Trey, der auf dem Vordersitz des schwarzen Speeders hockte, stellte sein Blastergewehr beiseite. »Hübscher Schuss.«
Drikall verstaute sein Pfeilgewehr. »Finde ich auch.«
»Nein, ich meinte meinen.« Trey startete den Flitzer und steuerte vom Platz fort. »Allerdings verdienst du ein paar Pluspunkte, weil du so gutes Tränengas zusammengepanscht hast.«
»Besten Dank für dein großzügiges Lob.«
»Tränengas, das ich mit äußerster Zielgenauigkeit abgefeuert habe …«
»Das musste jetzt sein, was?«
Innerhalb weniger Minuten war alles vorüber. Zivilisten drängten sich um den dahintreibenden Düsenschlitten, der von einem Militärpolizisten an Ort und Stelle gehalten wurde. Andere warteten darauf, dass der inaktive behelfsmäßige Unterhändlerdroide wieder zu sprechen begann. Weitere Militärpolizisten und Gardisten von Kura-Stadt trafen ein und stritten miteinander darüber, wer wen wegen was verhaften solle. General Thaal blieb wie gelähmt auf dem Swoop sitzen, mit dem er eigentlich in die Freiheit fliehen wollte. Colonel Sorrel führte einen feuchten Lappen an dessen Wange und wischte hellbraune Schminke fort, um darunter gelblichere Haut zu enthüllen. Zehrinne Thaal stand in der Nähe und beantwortete mit einer Miene, in der sich Aufregung und Desinteresse vermischten, die Fragen der Ermittler.
Zwei Blocks entfernt stieg Voort, in einen Reisemantel geschlungen, in den Liefergleiter.
Thaymes schaute auf und lächelte, als er einstieg. »Rücken wir ab?«
»Wir rücken ab.«
»Hey, Bühnenboy, Zeit für den Vorhang!«
Der schwarze Vorhang wurde fortgefegt. Auf der anderen Seite stand Ton Phanan, im schwarz ausgekleideten hinteren Bereich des Passagierabteils, und starrte die beiden anderen herrisch an. Dann zog er sich das Gesicht herunter, um darunter Turmans Züge preiszugeben. »Ich brauche ein Bad.«
»Das kann ich bestätigen.« Thaymes betätigte eine voreingestellte Kom-Taste. »Kom-Boy an alle Jungs und Mädchen. Wir rücken ab. Lasst euch auf dem Rückweg nicht von Fremden ansprechen und nehmt keine Süßigkeiten an.«
In der vorderen Wand des Abteils glitt ein schmales Sichtfenster auf, und Sharr lugte nach hinten. »Sag mal, Anführer, was ist eigentlich mit deinen Klamotten passiert?«
»Halt bloß die Klappe!« Voort nahm hinten in dem schwarz ausgekleideten Ministudio Platz, das Turman verwendet hatte.
»Hast du sie schon wieder verloren?«
»Anführer an Denkerboy, halt die Klappe! Du weißt genau, dass ich sie beim Tanzen ausgezogen habe.«
»Dann hast du dir diesmal also selbst die Sachen geklaut.«
Voort seufzte. »Ja, und eines Tages hole ich sie mir wieder.«
Scut, Mulus und der goldene Protokolldroide kamen an Bord. Scut und Mulus setzten sich. Der Droide zog seine Gesichtsplatte beiseite und gab so den Blick auf Myris Gesicht dahinter frei. »In diesem Ding ist es unmöglich, sich hinzusetzen.«
Turman warf ihr einen Blick zu, in dem kein Mitgefühl mitschwang. »Lehn dich doch gegen die Rückwand. Aber fall nicht hin, wenn wir abbremsen.«
Myri griff in ihre schwarze Kuriertasche und zog eine kleine Blasterpistole heraus. »Möchte jemand ein Andenken? Vielleicht den letzten Blaster, den General Thaal je besessen hat?«
Thaymes wirkte interessiert. »Was willst du dafür haben?«
»Einen X-Flügler.«
»Vergiss es!«
»Lass uns dich da rausholen.« Scut stand auf und begann damit, Myris Außenplatten abzunehmen.
Mulus warf Voort einen flehentlichen Blick zu. »Kann mir jetzt vielleicht jemand etwas auf die Sprünge helfen, damit ich verstehe, was da gerade passiert ist?«
Voort nickte. »Ich war selbst lange Zeit irritiert. Ich konnte nicht begreifen, warum Thaal nicht einfach abgehauen und untergetaucht ist, um mit seinem Transformationsprozess zu beginnen. Schließlich hätte die Verwandlung zweifellos Wochen oder Monate gedauert, ein Zeitraum, in dem er anfällig für Entdeckung und Gefangennahme gewesen wäre. Dann wurde mir klar, dass er die Transformation längst vollzogen hatte – schon vor Monaten. Er trug Make-up und traditionelle Schminkelemente, um Sicherheitsüberprüfungen standzuhalten, während er darunter bereits Thadley Biolan war.«
Mulus’ Augen leuchteten auf. »Ahhh … Dann konnte er seine Verkleidung also jederzeit ablegen, damit man unmöglich beweisen konnte, dass er in Wahrheit der verräterische General Thaal war.«
»Deshalb brachten wir ihn hierher und gaben ihm Gründe dafür, Thaal zu bleiben – zuerst die Gier nach den Juwelen, dann das Verlangen, sich an ›Ton Phanan‹ zu rächen. So ging es immer weiter, bis wir alles arrangiert hatten und er nicht mehr entwischen konnte.«
Das Gefährt ruckelte ein wenig, ehe Wran neben Sharr im vorderen Sichtfenster auftauchte. »Anführer, was ist mit deinen Klamotten passiert?«
Voort griff nach vorn und zog das Fenster zu.
Sharr schob es wieder auf. »Der andere Gleiter und die Düsenschlitten sind da.«
Voort lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Gespenster, lasst uns fliegen!« Dann blickte er himmelwärts, auch wenn er nicht die geringste Ahnung hatte, ob sich Vandor-3 überhaupt in der Richtung befand, in die er schaute. »In Ordnung, Bhindi. Jetzt haben wir gewonnen.«