13. Kapitel
ACKBAR-STADT, VANDOR-3
Myri nippte an ihrem ersten Drink, einem Sprudelbrandy mit wenig Alkohol, und ließ den Blick von ihrer Position an der Theke aus durch den Raum schweifen.
Noch war alles vergleichsweise ruhig. Die Truppen des Armeestützpunkts hatten just in diesem Moment Schichtwechsel, und diejenigen von ihnen, die Freigang hatten und sich nach Ackbar-Stadt begeben durften, machten sich auf den Weg in die Saniduschen, zogen frische Kleidung an und planten ihr abendliches Unterhaltungsprogramm. Entsprechend herrschte in der Bar eine vergleichsweise ruhige, erwartungsvolle Atmosphäre.
Hier in Jokko Hanings Gourmettempel – ein bombastischer Name für ein ausgesprochen schlichtes Trink- und Tanzlokal – waren die Einheimischen ihrerseits dabei, sich zu überlegen, wie ihr Abend aussehen sollte. Myri zählte zwanzig Einheimische, die offenkundig beabsichtigten, den Soldaten schöne Augen zu machen, um schnell zu heiraten und von Vandor-3 zu entfliehen – im Lokaljargon nannte man diesen Schlag von Leuten Nestbauer. Sechs waren Männer, vierzehn Frauen, und Myri war so gekleidet und herausgeputzt, dass sie als Frau Nummer fünfzehn durchging.
Allerdings waren die Nestbauer nicht die einzigen Einheimischen im Schankraum mit raubtierhaften Absichten. Myri entdeckte eine Handvoll Männer und Frauen, deren Körpersprache verriet, dass es ihnen weniger um käufliche Gewogenheit ging. Ein spindeldürrer Droide – ein umfunktionierter Medidroide, der exakt in der Farbe eines guten Schwarzbiers lackiert war – stand hinter der Theke und wusch Gläser und transparente Becher ab. Zwei Cocktail-Kellnerinnen in Kleidung, die nur das Nötigste bedeckte – eine davon eine Wookiee-Frau, von der Myri fand, dass sie in ihrem Servieroutfit ausgesprochen sonderbar wirkte –, konnten die Dinge noch recht entspannt angehen lassen und hatten gegenwärtig keine große Mühe, die überschaubare frühabendliche Menge mit Getränken zu versorgen. Ein vierarmiger Musiker mit grünem Fell von wer weiß woher knackte gleichzeitig mit den Knöcheln seiner vier Hände. Auf seinem hochkant stehenden Keyboardständer thronte gut sichtbar ein Trinkgeldglas. Ein übergewichtiger, grauhaariger Mensch, der allein an einem Tisch saß, hantierte wieder und wieder mit einem kleinen Stapel bunter Flimsi-Ausdrucke herum.
Myri konnte Text und Bilder auf der obersten Seite sehen, die üppig grüne Grundstücke auf dem Land anpriesen. Sie schnaubte. Ein Makler, bestrebt, günstiges Ackerland an Soldaten zu verkaufen, die töricht genug waren, in Erwägung zu ziehen, auf diesem Planeten zu bleiben. Gut möglich, dass er damit sogar einen gewissen Erfolg haben würde, und wenn auch nur angesichts der schieren Dreistigkeit, hier ein Produkt anzubieten, das sich so grundlegend von den anderen unterschied.
Ein Menschenmann ließ sich auf den Hocker neben Myri sinken und wandte sich ihr zu. »Ich habe Sie schon mal gesehen.« Er war von schlanker Gestalt, seine Züge beinahe attraktiv, sein Kopf von schwarzen Locken bedeckt, die sich im kühlen Luftstrom des Ventilators unter der Decke regten. Er trug gute, ins Auge fallende Tanzkleidung, eine schwarze Hose und ein Hemd mit V-Ausschnitt, auf dem winzige weiße Sprenkel wie Sterne glitzerten. Er schien Mitte zwanzig zu sein, genau wie die meisten übrigen Nestbauer in der Bar.
»Tatsächlich?« Myri nippte an ihrem Drink. Sie wusste, dass die Antwort darauf »Nein« war und das Ganze bloß eine Masche sein konnte, um sie in ein Gespräch zu verwickeln. Jedes Mal, wenn sie ausgegangen war, um Informationen zu sammeln – besonders in einer überfüllten Nestbauer-Bar –, hatte sie vollkommen anders ausgesehen. Heute war ihr augenscheinlich gefärbtes Haar strahlend weiß und die Haut so schwarz wie Ebenholz.
Der Mann nickte. »Sicher. Vorgestern Abend hatten Sie allerdings rotes Haar und erstaunliche Sommersprossen.«
Fierfek! Er hatte sie tatsächlich schon mal gesehen, und irgendwie hatte er sie trotz ihrer neuen Verkleidung wiedererkannt. Dennoch zeigte sie sich desinteressiert. »Ich mag unterschiedliche Looks. Warum reden Sie überhaupt mit mir? Nestbauer tun sich nicht zusammen. Es sei denn, es handelt sich um Mädchen, die aufeinander aufpassen.«
Er senkte die Stimme, um dramatischer zu klingen. »Vielleicht bin ich ja gar kein Nestbauer. Vielleicht bin ich ja vom Sicherheitsdienst der Galaktischen Allianz, mit dem Auftrag, die Vierfach Verbundenen Militanten Pazifisten aufzuspüren.«
Mit einem Mal war Myri froh über ihre gegenwärtig dunkle Hautfarbe. Sie war sicher, dass es ihr erfolgreich gelang zu verhindern, dass sich Überraschung – und Beunruhigung – in ihrer Miene zeigten. Allerdings fühlte sich ihr Gesicht warm an. Sie errötete, verdammt noch mal! Sie reagierte emotional auf eine unerwartete Konfrontation. Myri kicherte, als habe er irgendetwas Albernes gesagt. Das verschaffte ihr eine Sekunde, um im Geiste eine Checkliste durchzugehen. Der Miniblaster steckte im Hüftbundhalfter, direkt an ihrem Rückgrat, unter dem rüschenbesetzten weißen Oberteil, das sie trug. Die Vibroklinge steckte unter der dazu passenden Hose und weißen Stiefeln in der Scheide an ihrer linken Wade. Das Trinkglas in ihrer Hand bestand aus dünnem Transparistahl, nicht aus Glas, was bedeutete, dass sie es nicht zertrümmern und dem Mann in den Hals rammen konnte, falls sie dazu gezwungen war. Verstärkung … hatte sie nicht. Sie grinste den Mann verschwörerisch an. »Zu denen gehöre ich nicht«, erklärte sie ihm, während sie jegliche Besorgnis aus der Stimme heraushielt. »Ich bin freischaffend tätig. Ich locke Männer in ihr Verderben und lasse ihre Leichen in lächerlichen Posen zurück.«
»Ich dachte mir schon, dass Sie dahinterstecken.« Er sah, dass der Barkeeper gerade nichts zu tun hatte, und winkte ihm. »Einen Vorschlaghammer, bitte.« Er wandte sich ihr wieder zu und streckte die Hand aus. »Kirdoff.«
Sie schüttelte sie. Seine Hand war weich, ohne Schwielen – ungewöhnlich für einen männlichen Nestbauer, von denen die meisten ihren Lebensunterhalt als Industriearbeiter oder Farmer verdienten. »Rima.«
»Haben Sie in Wahrheit rotes Haar und Sommersprossen?«
»Meine natürliche Haarfarbe habe ich nicht mehr, seit ich sechzehn bin – und meine Haut ist makellos. Bedaure.«
»Nun, die Jungs von der Fey’lya-Basis stehen da drauf. Sie werden sich gut machen.« Er nahm seinen Drink in Empfang und rollte dem Droiden seinerseits eine Credmünze zu. Er erhob das Glas, um Myri zuzuprosten. »Viel Glück, Rima.«
»Ihnen auch.« Myri verfolgte, wie er den Raum durchquerte und in eine matt erhellte Nische schlüpfte. Sie versuchte zu verhindern, dass man ihr den Umstand auf dem Gesicht ansah, dass sich ihr unversehens der Magen umdrehte.
Falls er wirklich eine Art Ermittler war, wäre es das Schlimmste gewesen, was sie überhaupt tun konnte, jetzt zu verschwinden. Tatsächlich bestand durchaus die Möglichkeit, dass sie von mehreren Agenten beobachtet wurde, falls sie irgendwie unter Verdacht stand. Das bedeutete, dass sie sich dabei abwechseln konnten, sie zu beschatten, was es teuflisch schwierig machte, sie zu entdecken.
Nein, sie musste den Abend über hierbleiben und das übliche Spielchen mitspielen: flirten, trinken, tanzen, necken und sich über das Leben bei der Armee unterhalten, in der Hoffnung, dass ihr Gegenüber in einem unbedachten Moment irgendeinen nützlichen Fakt ausplauderte – und um den Trupplerburschen mit der sauberen Haut und den schmutzigen Gedanken dann wissen zu lassen, dass sie sich wünschte zu heiraten. Dass Heiraten für sie das Größte überhaupt sei.
Das würde eine Reaktion nach sich ziehen. Enttäuschung, von neuem Feuer angefachte Überzeugungsversuche, Zorn, vielleicht sogar Beleidigungen. Die Reaktion, die sie am meisten fürchtete, war allerdings die eifrige Bereitschaft, sich darauf einzulassen. Wir können heute Abend noch heiraten. Ich weiß, wo.
Und all das, während sich ihr Bauch wegen etwas in hellem Aufruhr befand, bei dem es sich möglicherweise um nichts anderes als eine höfliche Frage von einem etwas untypischen Nestbauer-Burschen gehandelt hatte. Sie seufzte, winkte den Barkeeper zu sich und bestellte ein Mittel, um ihren Magen zu beruhigen.
Sie ließ sich vom ersten Soldaten, der an sie herantrat, einem schlanken Sergeant mit Falten in den Augenwinkeln, auf einen Drink einladen. Sie brachte ihn dazu, über seine Arbeit als Ausbilder und sein Zuhause auf Commenor zu sprechen. An einem entscheidenden Punkt des Gesprächs stellte sie eine Fangfrage und hörte sich die ersten paar sehnsüchtigen Bemerkungen über seine Frau und seine Kinder an.
Plötzlich wurde ihm bewusst, was er gerade getan hatte, und er schaute schuldbewusst auf.
Sie schenkte ihm ein nicht unsympathisches Lächeln. »Ich denke, wir sind aus unterschiedlichen Gründen hier.«
Er zuckte mit den Schultern. »Aus demselben, würde ich sagen. Ich will etwas von Ihnen. Sie wollen etwas von mir. Also versuchen wir, den anderen dazu zu bringen, es uns zu bieten. Um das zu erreichen, lassen wir Fakten weg. Oder haben Sie mir all Ihre Fehler aufgezählt?«
»Das sind zu viele, um sie alle aufzulisten.« Sie hob ihr Glas, um ihm zuzutoasten. »Auf alle zielorientierten Wesen! Gute Nacht, Sergeant.«
Das war’s. Jeder, der sie beobachtete, würde erkennen, dass sie die übliche Nestbauer-Routine von Flirten, Plaudern und Entscheiden durchlaufen hatte. Jetzt konnte sie gehen, ohne Argwohn zu erregen. Sie nutzte den Abgang des Soldaten als Vorwand, um den potenziellen, prüfenden Blicken von Kirdoff und anderen unsichtbaren Beobachtern zu entfliehen. Allerdings folgte ihr ein anderer Truppler zur Vordertür hinaus – ein Mensch, jünger und größer als der Sergeant, mit dem Zahn-Emblem der Schnapphunde am Kragen. Sein Tonfall war sachlich. »Ich werde Sie nach Hause bringen.« Er ging neben ihr her.
»Um ehrlich zu sein, kenne ich den Weg. Vergessen Sie, was Sie über die einheimischen Mädchen gehört haben – einige von uns haben mehr als zwei Gehirnzellen.«
Er lachte. Es war ein seltsames, künstliches Geräusch, wie etwas, das jemand gerade von einem Nichtmenschen gelernt hatte, der Lachen bloß aus Holoserien kannte. »Sie haben mich nicht richtig verstanden. Das war keine Bitte.« Jetzt lag ein drohender Unterton in seiner Stimme.
»Ah.« Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. »Wissen Sie, wer ich bin?«
»Noch nicht.«
»Also, als Auftakt für versuchte sexuelle Nötigung ist diese Masche nicht sonderlich originell. Eher schon der Klassiker. Ein Soldat der privilegierten Klasse, der sich gern als Alphatier sehen möchte, das sich nimmt, was es will, macht Jagd auf die hiesige Damenwelt, die darauf konditioniert ist, dieses Verhalten zu akzeptieren.«
»Ein kluges Mädchen. Ich hasse kluge Mädchen.« Der düstere Ton in seiner Stimme wurde noch düsterer. »Ich denke, es wird Zeit, dass du die Klappe hältst.«
Myri orientierte sich. Zwanzig Meter vor und hinter ihnen befanden sich keine weiteren Passanten auf dem Weg. »Sie gehen jetzt da lang …« Sie wies auf die Lücke. »… und ich gehe hier lang. Gute Nacht, Schlapphund.« Sie schritt unverzüglich in die Dunkelheit davon.
Nach drei Schritten hatte er sie eingeholt, packte ihren Arm und schwang sie herum, um sie gegen die Seite eines Gebäudes zu donnern. In der tiefen Dunkelheit konnte sie seine Züge nicht ausmachen, aber mit einem Mal war seine Stimme voller Zorn. Er stieß ihr den Zeigefinger entgegen. »Du beleidigst besser nicht die …«
Sie legte ihm eine Hand auf den Rücken und ergriff mit der anderen Hand seinen Finger. Sie bog den Finger abrupt und mit großer Kraft nach oben, und Knochen brachen.
Er schickte sich an, die verletzte Hand anzustarren, wollte ein gequältes Ächzen ausstoßen, doch sie zog flink ihren Blaster, überprüfte mit dem Daumen den Hebel an der Seite, um sicherzugehen, dass er immer noch auf Betäubung eingestellt war, und schoss ihm in den Bauch. Einen flüchtigen Moment lang erhellte der abgefeuerte Blitz die Gasse und seine überraschte Miene. Dann stürzte er hin.
Sie blickte auf ihn hinab und schob die Waffe ins Halfter zurück. »Tut mir leid, Armeebursche. Mein Herz schlägt für das Sternenjägerkommando.« Dann stieg sie über ihn hinweg und kehrte auf die Straße zurück.
Bis nach Hause brauchte sie eine ganze Weile. Sie nahm eine umständliche Route, um sicherzustellen, dass sie nicht verfolgt wurde. Sobald sie sich unbeobachtet fühlte, entledigte sie sich in einer anderen dunklen Gasse ihrer Perücke und ihres Obergewands, um alles tief in eine Mülltonne zu stopfen. Sie zerbrach die Versiegelung eines Päckchens von der Hälfte der Größe eines Kartendecks, das sich stets in ihren Schuhen befand, und faltete den braunen Polyfilminhalt zu einem voluminösen Kapuzenmantel auseinander. Sie verließ die Gasse als andere Frau – mit schwarzem Haar, braun gekleidet und barfuß.
Draußen auf den Straßen waren noch mehr Truppler unterwegs, die sich den Schnapphund-Patrouillen anschlossen, als sie den Rest des Weges zu dem Versteck ging, das die Gespenster angemietet hatten. Mehrere von ihnen sahen sie an, als sie sie passierte, doch niemand sprach sie an oder folgte ihr. Sie betrat das Bürogebäude in der Gewissheit, dass sie sauber war.
Nach einer raschen Sanidusche legte sie die letzten Überbleibsel der Verkleidung ab, überprüfte ihr Datapad nach Nachrichten und stellte fest, dass eine auf sie wartete – eine große, verschlüsselte Datei von Bhindi.
Der Textabschnitt verkündete lediglich: »Das hier muss schnellstens auf dem Tisch des Generals landen. Auf geheimnisvolle Weise.« Die an die Botschaft angehängte Videodatei zeigte einen eleganten Kommandanten der Imperialen Flotte, so weißhaarig wie der, den Myri vor einer Stunde gesehen hatte. Er blickte geradewegs in die Holokamera und sprach mit kultivierter, selbstbewusster, kühler Stimme. »General, in der jüngsten Vergangenheit haben Sie ausgezeichnete Arbeit bei der Unterstützung gewisser Gruppierungen geleistet. Ich bin der neue Mittelsmann für Angelegenheiten dieser Art. Mein Name ist Commander Avvan Hocroft. Wir müssen von Angesicht zu Angesicht miteinander reden. Sie finden mich zur angegebenen Zeit bei den angefügten Ortskoordinaten. Ich werde mit einem kleinen Patrouillenschiff kommen. Bitte versuchen Sie nicht, mich mit Ihrer Überlegenheit an Ausrüstung einzuschüchtern. Hierbei geht es um eine freundliche Unterredung.« Hocroft ließ ein Lächeln aufblitzen, das nicht ganz so freundlich wirkte, und die Nachricht war zu Ende.
Myri dachte über die Botschaft nach. Das auf der Aufnahme musste Turman gewesen sein, doch sie hatte bei dem Commander nicht die geringsten Hinweise auf den ihr bekannten Clawditen entdeckt, was natürlich gut war.
Die Nachricht auf Thaals Schreibtisch zu schmuggeln würde nicht schwierig sein. Sie würde der wachsenden Legion von Haushaltsdroiden, die jetzt den Gespenstern unterstanden, entsprechende Instruktionen übermitteln. Dann musste sie bloß noch nah genug an die äußere Grenze des Armeestützpunkts herankommen, um eine Datenkarte an den Verteidigungsanlagen vorbeizuwerfen oder zuschießen, damit einer der Droiden sie einsammeln und überbringen konnte.
Würde Thaal keine Nachforschungen über Commander Hocroft anstellen? Nun, daran hatte Bhindi mit Sicherheit gedacht. Und selbst wenn sie, Myri, dieses Thema nicht zur Sprache brachte, hatte Face es wahrscheinlich ohnehin längst getan.
FLOTTENKOMMANDO-KOMPLEX DER GALAKTISCHEN ALLIANZ, CORUSCANT
Der Flottenleutnant war Bothaner. Er hatte fast schneeweißes Fell, was bei seiner Spezies selten war. Das und seine schlanke, muskulöse Gestalt mussten ihn auf dem gesellschaftlichen Parkett ausgesprochen beliebt machen, nahm Face an. Gleichwohl, wenn Bothaner imstande gewesen wären zu schwitzen, hätte er das jetzt getan. Er warf einen raschen Blick zu beiden Seiten des Korridors, in dem noch anderes uniformiertes Flottenpersonal unterwegs war, wenn auch nicht übermäßig viel. »Wenn ich erwischt werde …«
Face grinste ihn an. »Die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, steigt um das Zwanzigfache, wenn Sie aussehen, als würden Sie sich darüber Gedanken machen, erwischt zu werden, statt schlicht den Anschein zu erwecken, als gäbe es nichts, wobei man Sie erwischen könnte.«
Der Bothaner blieb vor einer geschlossenen Tür stehen. Auf dem Schild stand DATENARCHIVIERUNG. Er runzelte die Stirn. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, was Sie damit gerade sagen wollten.«
»Vergessen Sie’s, Davian. Wenn sie uns erwischen, sagen Sie ihnen, dass ich angeboten habe, Ihnen ein Programm zur Verfügung zu stellen, das unklassifizierte Berichte nach eingebetteten Texten scannt, die dazu verwendet werden, um geheime Informationen an feindliche Spione zu übermitteln.«
»Haben Sie so ein Programm tatsächlich?«
»Auf meinem Datapad. Es ist zwar schon zwanzig Jahre alt … aber die Flotte hat keins, deshalb wird ihnen das nicht auffallen.«
Davian runzelte die Stirn, dachte darüber nach und drückte dann eine Handfläche auf das Biometriefeld neben der Tür. Einen Moment später hielt er das linke Auge vor die winzige rote Linse am oberen Rand des Feldes. Die Tür glitt auf, und beide Männer gingen hindurch. Dahinter befand sich ein hell erleuchtetes, blitzblank sauberes, unpersönliches Büro – ein Schreibtisch, zwei Stühle, an den Wänden Regale, die sich unter dem Gewicht von Flimsistapeln bogen.
Sobald sich die Tür geschlossen hatte, setzte Face sich an den Computermonitor. »Haben Sie die Aufnahmen parat?«
»Die sind in einem Ordner namens WURZELKNOLLENVERFALL.«
Face schnaubte. »Gute Idee. Da werden nicht viele Leute neugierig genug, um sich die Sache mal näher anzusehen.«
»Genau. Aber zuerst … Ihr Datapad. Das Programm.«
»Oh.« Face zog das Gerät aus seiner Brusttasche und schob es über den Tisch. »Oberstes Menü, JABBIER SECHS.«
»Danke.« Davian nahm auf dem Stuhl gegenüber Platz und fischte eine Datenkarte aus der eigenen Brusttasche, die er in den entsprechenden Steckplatz des Datapads schob. Er wählte die nötigen Funktionen aus, um das Programm auf seine Karte zu überspielen. »Wir haben bloß Zeit, bis mein Captain zurückkommt. Weniger als eine Stunde.«
»Ich werde Sie schon nicht in Schwierigkeiten bringen.« Face ging die auf dem Bildschirm angezeigten Dokumente durch – die Ladeverzeichnisse der Flottenfrachtschiffe, die in den letzten paar Jahren verschwunden waren.
»Wenn es sein muss, kann ich durchaus mit Schwierigkeiten umgehen. Vor dreißig Jahren haben Sie meinen Eltern einen großen Gefallen getan, und es freut mich, diese Schuld nun begleichen zu können. Ich will bloß, falls irgend möglich, meinen Posten nicht verlieren.«
»Das ist nur fair.« Face gelangte zum letzten Frachtverzeichnis. »Weniger, als ich dachte. Achtzehn.«
»Achtzehn in drei Jahren, alles Allianzschiffe. Das ist fünfmal so viel wie in den drei Jahren vor dem Zweiten Bürgerkrieg.« Davian ließ seine Datenkarte ausfahren und steckte sie ein. Er schloss Face’ Datapad. »Allerdings waren die Ladungen selbst ziemlich wertvoll. Diese Piraten haben keine Dosen mit Bantha-Hackfleisch gestohlen.«
Face ging die Ladelisten noch einmal langsamer durch und sah sich jede einzelne genauer an. »Kann ich davon Ausdrucke bekommen?«
»Nein, tut mir leid.«
»Egal. Habt ihr Jungs denn keinerlei Verbindungen zwischen den vermissten Schiffen oder ihrer Fracht gefunden?«
»Doch, jede Menge Verbindungen. Alles Frachtschiffe der Allianz. Alle von Schiffsklassen, die für ihre Tonnage nur eine kleine Besatzung erfordern. Alle waren allein oder bloß mit Eskortschiffen unterwegs, niemals als Teil eines größeren Konvois – und die Ladung enthielt stets etwas wirklich Wertvolles.«
»Aber in puncto Ausrüstung, Hersteller oder Empfangsbasis hatten alle keine Gemeinsamkeiten? Gehörte nicht vielleicht zu allen Mannschaften ein Hutt-Navigator des Dolchstoß-Clans?«
Davian prustete. »Nein.«
Face schwieg einige Minuten lang. Dann fiel ihm ein Warenposten ins Auge, auf den er sich keinen Reim machen konnte. »Was ist ein gesichertes Privatsphärenmodul?«
Davian zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Ein gesichertes Privatsphärenmodul, Ursprung: Badfellow-Station, Ziel: Flottenhafen Coruscant, Hersteller: Subkapital-Division.« Face runzelte die Stirn. »Dieses Unternehmen kenne ich gar nicht. Und ist die Badfellow-Station nicht bloß ein Frachtleitknotenpunkt?«
Davian nickte. »Ein ziviler Frachthafen, der für die Flotte vertraglich einige Lager- und Umverteilungsaufträge erledigt.« Er stand auf und stellte sich hinter Face, um ihm über die Schulter zu schauen. »Eigentlich sollte dort gar nichts seinen Ursprung haben. Ah, sehen Sie.« Er wies auf das Feld auf dem Bildschirm, in dem BADFELLOW-STATION stand. »Sehen Sie die kleine Ziffer eins in der oberen rechten Ecke des Feldes? Das ist eine Unterfeld-Referenznummer. Tippen Sie sie mal an.«
Face tat wie geheißen, und das Feld veränderte sich. Die Worte darin wurden durch ein neues ersetzt: KUAT.
Davian lächelte mit dem Stolz eines Managers auf mittlerer Ebene, der ein Problem gelöst hat, das kein Mitarbeiter unter ihm enträtseln konnte. »So was passiert manchmal. Der Idiot, der dieses Lieferverzeichnis angefertigt hat, hat die Sekundärdaten ins Primärfeld getippt und umgekehrt. Was auch immer ein gesichertes Privatsphärenmodul sein mag, kam von Kuat und wurde über die Badfellow-Station weitertransportiert, nicht andersherum.« Er kehrte zu seinem Stuhl zurück.
Face starrte ihn einige Sekunden lang schweigend an. Dann wählte er besorgt andere Felder auf dem Bildschirm an. »Das scheint hier gleich ein paarmal vorgekommen zu sein. Gesichertes Privatsphärenmodul – aha. Das ist ein Schiffshyperkom-System. Jetzt ergibt gesichertes Privatsphärenmodul auch Sinn. Dabei muss es sich um eine geschlossene Ausführung für eine Person handeln, damit der Kapitän oder der Kom-Offizier des Schiffs reingehen und Nachrichten übermitteln können, ohne dabei vom Rest der Brückenbesatzung beobachtet zu werden.«
»Das ergibt tatsächlich Sinn.«
»Und dieser Hersteller, Subkapital-Division – noch mal aha. Im Unterfeld steht HyperTech Industries. Könnten Sie das bitte kurz für mich überprüfen?«
Davian setzte sich mit finsterer Miene, und als er feststellte, dass Face’ Datapad noch immer vor ihm auf dem Tisch stand, klappte er es auf. Er tippte etwas in ein Schnellsuchfeld ein. »Das ist ein militärischer Vertragsdienstleister der Allianz mit Sitz auf Kuat.«
»Können Sie bei allen Ladeverzeichnissen einen Suchlauf durchführen und dabei die Unterfelder mit einbeziehen?«
»Natürlich.«
»Können Sie vorher die Daten zwischen den Haupt- und den Unterfeldern tauschen?«
»Ich bin der Meister der Datenbank, Face. Lassen Sie uns mal die Plätze tauschen.«
Fünf Minuten später hatten sie ihre Antwort. Im Ladeverzeichnis jedes einzelnen Frachtschiffs der GA-Flotte, das in den letzten drei Jahren verschwunden war, fand sich ein Gerät von HyperTech Industries, meistens eine Hyperkom-Einheit, manchmal ein Hyperantrieb oder ein Energiebooster. Die beiden Männer starrten einander an.
Davian wirkte nicht mehr nervös. Jetzt wirkte er bedauernd. »Das muss ich meinen Vorgesetzten mitteilen.«
»Ja, das müssen Sie. Aber noch nicht sofort. Ich habe Freunde im Einsatz, die sich um diese Angelegenheit kümmern werden.« Face verlieh seiner Stimme die größtmögliche Überzeugungskraft. »Wenn Sie Ihren Vorgesetzten davon berichten, werden die Leute, die meine Freunde gerade unter die Lupe nehmen, mit Sicherheit nervös. Sie werden ihre Spuren verwischen – und dabei nehmen sie dann möglicherweise sogar Tote in Kauf.«
»Aber …«
»Ich sage ja gar nicht, dass Sie diese Information unterschlagen sollen. Sie sollen sie einfach bloß eine Weile zurückhalten. Bis ich Ihnen grünes Licht gebe. Erst dann ›stolpern‹ Sie darüber und unterrichten Ihre Vorgesetzten. Auf diese Weise gebührt der ganze Ruhm Ihnen, die Ermittlungen nehmen ihren Lauf, die Piraterie hat ein Ende, und die Flottenoberen wissen, wem sie dafür zu Dank verpflichtet sind. Aber noch nicht sofort.«
Davian wand sich. »Wie lange soll das dauern? Ein paar Tage?«
»Ein paar Tage.« Höchstens sechs Monate. Diese Einschränkung ließ Face allerdings ganz bewusst weg. Davian würde erst nach und nach das volle Ausmaß seiner Auflagen präsentiert bekommen, was ihn auf einen schlüpfrigen Hang der Kooperation mit der Gespensterstaffel führen würde.
»Nun … In Ordnung. Sind wir dann hier fertig?«
»Ich bin hier fertig, ja.« Face steckte sein Datapad ein. »Danke für alles.«
»Ich bringe Sie nach draußen.«
Als sie den Archivraum verließen, holte Face, der als Letzter hinausging, unbemerkt ein weiteres Gerät aus der Hosentasche hervor – Davians vermisstes Datapad. Er ließ es auf einem Regal liegen.