21. Kapitel

Flankiert von zwei Büscheln fleckigem, hüfthohem Gras kauerte Scut da und beobachtete das quadratische Gebäude dreißig Meter entfernt. Er rührte sich nicht, das Blastergewehr quer über dem Schoß, das Makrofernglas an den Augen, und bewegte sich bloß, um seinen technisch verstärkten Blick über das Gelände vor sich schweifen zu lassen.

Huiet.

Da war ein pfeifendes Geräusch – nicht der Wind, nichts Menschliches –, das von irgendwo jenseits des Gebäudes herwehte.

Von Norden her ertönte eine Antwort: Huuu.

Huiet.

Huuu.

Scut runzelte die Stirn. Diese Geräusche hatte er noch nie zuvor gehört. Er schwang das Fernglas langsam nach links und suchte nach seiner Quelle.

Huiet.

Huuu.

Er machte sich keine Gedanken wegen der Blauhaarspinnen, die an ihm emporkrabbelten, während er sich auf weiter entfernt stattfindende Ereignisse konzentrierte. Er kannte das bereits. Soweit er es realisiert hatte – und möglicherweise noch weitere Male, die es ihm nicht aufgefallen war –, hatten die Spinnen sich ihm vorsichtig genähert, waren an ihm hochgekrabbelt – und dann anscheinend zu dem Schluss gelangt, dass sie das Gefühl des Regulationsanzugstoffs nicht mochten. Sie hatten kehrtgemacht und waren in unbekümmertem Tempo davongewuselt.

Huiet.

Huuu.

Dort, eine Bewegung – irgendetwas hatte sich bewegt, zu dicht für den gewählten Schärfentiefebereich. Scut justierte die Einstellung und richtete seine Konzentration auf den Bereich zwanzig Meter näher bei sich. Doch an diesem Fleck war auf dem Boden nichts zu entdecken, auch wenn Scut sicher war, die richtige Stelle gefunden zu haben. Er verharrte reglos.

Von einer dunklen Stelle am Boden, genau in der Mitte des Sichtbereichs seines Makrofernglases, tauchte eine Kreatur auf – pelzig, nagetierartig, mit langen Schneidezähnen, stummeligen Armen und daran Pfoten, die wie spindeldürre Hände wirkten. Das Tier war vielleicht dreißig Zentimeter lang und saß neben einem Loch im Boden, als sei es mit einem winzigen Turbolift nach oben gefahren. Es öffnete das Maul, und dieser Laut drang daraus hervor: Huiet.

Von weiter südlich ertönte wie als Antwort darauf ein anderer Ruf: Huuu.

Scut grinste. Das musste ein Schnapphund sein, ein Vertreter der eigentlichen Spezies. War das ein Paarungsruf, eine Art »Die Luft ist rein« oder ein »Hier ist alles bestens, wie läuft’s so bei euch?«-Ruf an ein fernes Nest? Und konnte er, Scut, sich eine Gewebeprobe von dem Tier beschaffen, bevor sie wieder abrückten?

Der Schnapphund verschwand wieder im Loch. Von hinten legte sich eine große, kräftige Hand auf Scuts rechte Schulter.

Myri, Trey und die Joyls hielten sich bis zur Fuhrparkhalle im Schienengraben. Es ging nur langsam voran – Usan Joyl war kein junger Mann mehr, und seine Knie verhinderten, dass sie zügig vorwärtskamen, aber zumindest rückten sie stetig weiter vor.

Als die Fuhrparkhalle weiter vorn auszumachen war, winkte Trey an der Spitze, um den anderen zu signalisieren, dass sie anhalten sollen. Er spähte zu dem Graben weiter vorn hinüber, offenkundig beunruhigt.

Myri, die die Nachhut bildete, eilte vor, um sich zu ihm zu gesellen. »Was ist los?«

Er deutete auf eine Stelle auf der rechten Seite des Grabens. Dort war ein rundes Metallloch von einem Zentimeter Durchmesser zu erkennen. Er streifte seinen Handschuh ab und hielt das bloße Handgelenk über das Loch. Dann zog er den Arm zurück und bedeutete Myri, dasselbe zu tun.

Als sie der Aufforderung nachkam, fühlte sie kühle Luft auf der Haut.

Trey tastete auf dem Boden herum. »Alle vier Schrauben, mit denen dieses Paneel an der Grabenwand befestigt ist, sind fort. Ich schwöre, dass keins der Paneele so lose saß, als wir vorhin hier langkamen.«

»Bist du dir sicher?«

»Nicht vollkommen sicher, nein.« Trey zog seine Blasterpistole aus dem Halfter.

Myri folgte seinem Beispiel und rückte ein paar Meter zurück, um einen besseren Blickwinkel auf Trey und das Paneel zu haben.

Mit der freien Hand packte Trey die Oberkante des Paneels und zog. Es löste sich, kippte nach vorn und enthüllte dahinter eine schwarze Öffnung. Trey legte an, entdeckte scheinbar nichts und entspannte sich. Er drückte das Metallpaneel vorsichtig wieder in die Fugen zurück, bis alles wieder genauso aussah wie zuvor. Aufgewühlt schob er die Waffe ins Halfter zurück. »Tut mir leid.« Er kroch weiter vorwärts und übernahm die Führung, um die anderen weiter auf den Fuhrpark zuzuführen.

Sie erreichten ohne Zwischenfall den Rand der Halle. Im Graben vor ihnen erhaschte Myri flüchtige Bewegungen, auch wenn es wegen des Dämmerlichts der Glühstäbe schwierig war, etwas Genaues zu erkennen. Zwei Gestalten, die sich beinahe vollkommen flach auf den Boden des Grabens drückten, schoben sich auf Myri und Trey zu. Einen Moment später erkannte sie sie: Jesmin und Bhindi.

Myri hob den Kopf, um unter den in der Nähe geparkten Luftgleitern und anderen Fahrzeugen hindurchzugucken. Sie entdeckte keine Spur von Turman. Vielleicht hatte er seinen Job bereits erledigt und hielt sich verborgen.

Jesmin und Bhindi krabbelten die letzten paar Meter, um zu ihnen zu gelangen. Sie starrten an Trey vorbei zu den Duros-Männern hinüber. Bhindi sah Myri an. »Statusbericht?«

»Eins, darf ich vorstellen: die Zeugen. Die Zeugen, darf ich vorstellen: unsere Anführerin.«

Die Joyls winkten kraftlos mit den Händen.

Bhindi nickte. »Gut. Wir haben auch welche. Allerdings keine lebenden. Wir werden den General in seinem eigenen Saft schmoren lassen. Wo steckt Zwei?«

Myri zuckte mit den Schultern. »Unbekannt.«

»Falls dieser trantütige Aufmerksamkeitsmagnet unser Abrücken verzögern sollte …«

»Seht mal, hier ist noch eins.« Trey klang verärgert. Er wies auf das Seitenpaneel links von Bhindi. »Ich weiß genau, dass hier vorhin noch Rundkopfschrauben drin waren.«

Jesmin verschwand. Myri sah einen vagen Schemen, der darauf hindeutete, dass die Frau aus ihrer kauernden Position geradewegs in die Höhe gesprungen war, doch sie war so schnell verschwunden, dass sie genauso gut ein Hologramm gewesen sein konnte, das unvermittelt abgeschaltet worden war.

Im selben Moment kippte das Paneel, auf das Trey zeigte, nach vorn, krachte gegen Bhindi, die zur Seite geschleudert wurde, und fiel dann scheppernd zu Boden. Der Lärm hallte von fernen Wänden wider. Zwei schwarz gekleidete Menschen schlüpften aus dem Tunnel, den das Paneel verdeckt hatte.

Einer der beiden Männer war hager und blond. Er hielt Bhindi mit seiner Blasterpistole in Schach. Der andere war auch schlank, aber muskulöser, sein Haar dunkel und gelockt. Er legte mit seiner Waffe auf Myri an.

Der blonde Mann blickte finster drein, doch seine Stimme klang ruhig. »Keine Bewegung!« Er flüsterte die Worte, aber es war ein lautes Flüstern wie Wasserdampf, der aus einem defekten Kafkocher entweicht.

Dann beugte Jesmin sich von oben herab und drückte dem Blonden die Mündung ihrer Blasterpistole oben auf den Kopf. »Das rate ich Ihnen ebenfalls.«

Bhindi starrte den Mann mit großen Augen an. »Sharr?«

Der blonde Mann erwiderte ihren Blick. »Bhindi?«

Myri sah den Mann an, der auf sie zielte. »Kirdoff!«

Er musterte sie, nicht minder verblüfft. »Rima? Ist das jetzt Ihre natürliche Haarfarbe?«

»Alle die Blaster runter, bevor irgendwer einen Fehler macht, der sich nicht mehr wiedergutmachen lässt.« Bhindis Blick ging in alle Richtungen.

Der Mann, den sie Sharr genannt hatte, nickte. »Tu es.« Alle schoben ihre Blasterpistolen ins Halfter zurück.

»Ist Fünf irgendwo zu sehen?«, fragte Bhindi.

Jesmin rollte sich wieder über den Rand und ließ sich lautlos in den Graben gleiten. »Da draußen ist niemand. Aber dieses Scheppern …«

Sharr starrte Bhindi mit finsterer Miene an. »Dies ist eine Gespenster-Operation.«

Bhindi nickte. »Richtig geraten. Und du und dein kleiner Freund …«

»Geraten? Von wegen! Dies ist eine Gespenster-Operation, und ihr seid dabei, sie zu vermasseln.«

Verärgert wies Bhindi auf Trey, Myri und Jesmin. »Es ist eine Gespenster-Operation, und dies sind die Gespenster. Du solltest lieber deine …«

Sharrs grimmiger Blick war nicht weniger unfreundlich als ihrer. »Nein, wir sind die Gespenster, und ihr …«

»Haltet die Klappe, alle beide!« Myri hob ihre Stimme nicht, doch ihr Tonfall war drohend. Sie wies auf Sharr. »Wer hat Sie hierfür rekrutiert?«

Er hielt inne, um seine Antwort überdenken.

Myri merkte, wie sie das bloß noch mehr verärgerte. »Jetzt ist nicht die richtige Zeit, um mich mit Schweigen zu strafen. Wenn Sie Sharr sind, dann sind Sie Sharr Latt und waren früher einmal ein Gespenst. Ich bin Myri Antilles, und mein Vater hat die Gespenster begründet. Also antworten Sie mir gefälligst. Wer hat Sie rekrutiert?«

Sharrs Augenbrauen glitten in die Höhe. »Myri Antilles. Ich bin dir begegnet, als du noch ein kleines Mädchen warst. Vermutlich erinnerst du dich nicht daran …«

»Wer?«

»Face Loran.«

Myri drehte sich um und sah Bhindi an. »Dann haben wir hier zwei Teams – die gegeneinander ausgespielt werden.«

Bhindi wirkte verblüfft. »Aber warum?«

Myri wandte sich an Trey. »Du hast gesagt, wir hätten uns ziemlich gut geschlagen und nicht allzu viel Aufmerksamkeit erregt. Aber was, wenn es hier zwei Teams gibt, die für gewisse Seltsamkeiten verantwortlich sind, die sich beim zentralen Sicherheitscomputer summiert haben?«

Er zuckte mit den Schultern und schaute entschuldigend drein. »Dann könnten wir in Schwierigkeiten stecken.«

Ein Geräusch, eine Mischung aus Scheppern und wehklagendem Heulen, erfüllte die Luft.

Bhindi starrte Sharr an. »Habt ihr unseren Clawditen in eurer Gewalt?« Sie musste die Stimme heben, um sich über die Alarmsirene hinweg Gehör zu verschaffen. Sie richtete sich zu voller Größe auf, sodass ihre Augen sich über dem Rand des Grabens befanden. Sie schaute erst nach Norden und dann gen Süden.

»Ach, er gehört zu euch. Das erklärt den Regulationsanzug.« Sharr ging in die Hocke und schaute sich ebenfalls oben um. »Mein Sanitäter hat ihm einen Betäubungspfeil verpasst. Hätten wir gewusst, dass er ein Clawdite ist, hätten wir ein anderes Präparat eingesetzt. Wie es aussieht, ist euer Bursche gerade ein bisschen abgedreht, anstatt bewusstlos zu werden.« Er wandte sich dem Tunnel zu, aus dem er herausgeschlüpft war. »Alle abrücken, wir evakuieren!«

»War das, bevor oder nachdem er diese ganzen Fahrzeuge sabotiert hat?«, knurrte Bhindi.

»Sein Sprengstoffbeutel war ziemlich gut bestückt.«

Bhindi krallte nach der Luft über ihr, als wollte sie eine größere Macht dafür bestrafen, sie im Stich gelassen zu haben.

Jetzt drangen von Norden und Süden Rufe herüber, aber zunächst ließen sich keine Schnapphunde blicken. Über ihnen ertönte ein gewaltiges Knirschen und Rumpeln, als der Aufzug seinen langsamen Abstieg begann.

Ein dritter Mann kam aus dem Grabentunnel: ein dunkelhäutiger Mensch, vermutlich Mitte zwanzig, der wie Sharr von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet war, darüber hinaus aber auch noch einen schwarzen, hüftlangen Umhang trug, der an jeder Modeikone gut ausgesehen hätte. Er hielt ein langes Gewehr in beiden Händen, das verglichen mit einem normalen militärischen Blastergewehr fast spindeldürr wirkte. In Bauchlage wölbte er den Rücken, um Schwung zu holen, und war abrupt auf den Füßen, um sich neben Bhindi zu kauern.

Bhindi sah ihn an. »Das ist Wran Narcassan. Sharr, du hast mir meinen Scharfschützen geklaut.«

»Er ist mein Scharfschütze.«

Narcassan sah keinen von ihnen an. »Ich bin immer offen für Angebote. Aber zuerst sollten wir hier verschwinden.« Seine Stimme war sanft und unbeeindruckt.

»Wir alle müssen auf dem Balkon eine Etage höher sein, bevor der Aufzug dort vorbeikommt.« Jesmin sah Bhindi um eine Bestätigung heischend an. »Andernfalls schaffen wir es nicht, mit den Winden ganz bis nach oben zu kommen.«

Bhindi nickte. »Los!«

Jesmin übernahm die Führung, sprang mühelos aus dem Graben auf Bodenebene und schoss zwischen den Landgleitern dahin, als sie zu der Säule lief, an der sie ihre Seile festgebunden hatten.

Sharr fügte hinzu: »Zwei, geh ihr zur Hand.«

»Zwei ist unser Clawdite.« Myri warf Sharr einen verwirrten Blick zu, doch es war Wran, der hoch auf Bodenhöhe sprang. »Oh, deine Zwei, nicht unsere Zwei.«

Bhindis Stimme wurde so laut, dass sie fast wie ein Kreischen klang. »Das wird kein gutes Ende nehmen, das wird kein gutes Ende nehmen, das wird kein gutes Ende nehmen.«

Ein von Süden heranzischender Blasterschuss bohrte sich in das Metall der Grabenkante, einen Meter von Bhindis Kopf entfernt. Sie zuckte zusammen und erwiderte dann das Feuer. Myri fand, dass es eher Feuerschutz war als ein ernsthafter Versuch, den Feind zu treffen – den Feind, der nicht in Sicht war. Die Joyls drückten sich flach auf den Boden des Grabens.

Weiter nördlich bewegte sich eine Gestalt in der Ferne von links nach rechts, huschte von einer Seite des Hauptkorridors zur anderen und sprang über den Graben hinweg. Sharr gab einen Schuss auf die Gestalt ab, verfehlte den Mann jedoch um mehrere Meter.

Jetzt kroch ein anderer Mann aus dem Nebenstollen. Er war Devaronianer, rothäutig und kahl, mit Hörnern, die aus der Stirn ragten, und einem Mund voller scharfer Zähne. Er ging in die Knie, drehte sich um, griff noch mal in das Loch und zog einen weiteren Mann heraus – Turman, Hände und Füße gefesselt, die Haube abgestreift, ein zusammengeknülltes Stück Stoff als improvisierten Knebel im Mund. Er war jetzt in Clawditengestalt, entweder, weil er seine menschliche Erscheinung bewusst abgelegt hatte, oder, weil er sie gegenwärtig nicht aufrechterhalten konnte.

Bhindi zog ihm den Knebel aus dem Mund und zog den zusammengeknüllten Stoff heraus. »Zwei, hast du die Sprengladungen platziert?«

Turman sah sie mit trüben Augen an und räusperte sich. »So weit ist es jetzt also gekommen. Vielleicht hätten eine Rodianerin und ein Bothaner niemals heiraten sollen, aber wir taten es dennoch. Und jetzt ist unser gemeinsamer Bund so tot wie Shacobi da drüben. Können wir uns nicht wenigstens eine glückliche Erinnerung an unsere gemeinsamen Jahre bewahren?«

Bhindi hielt inne und musterte ihn. Dann stieß sie ihm den Knebel wieder in den Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen.

Myri riskierte einen Blick nach Süden. Dort bewegten sich ebenfalls Gestalten – Schnapphunde in Uniform, ohne Rüstungen, aber mit Gewehren in den Händen. Einer von ihnen eilte auf die hintere Wand zu, bereit, über den Graben zu springen.

Myri zielte über dem Graben direkt geradeaus und feuerte. Ihr Schuss traf den Schnapphund mitten im Sprung. Er stürzte erschlafft hin und schlug mit Knochen zertrümmernder Wucht auf dem Permabeton auf der anderen Seite des Grabens auf. Myri blickte finster drein. »Eins, es wird nicht mehr lange dauern, bis sie dahinterkommen, dass sie in den Graben springen und auf uns feuern können, und dann werden die Grabenwände die Salven geradewegs zu uns schicken. Jetzt, wo wir alle zusammen in diesem Schlamassel stecken …«

»Ja, Drei. Gehen wir.« Bhindi kletterte aus dem Graben und duckte sich hinter einen roten, offenen Landgleiter.

Innerhalb weniger Sekunden waren alle oben und hasteten auf die Säule zu, an die sie ihre Seile gebunden hatten. Trey hatte Turman über die Schulter geworfen. Sharr und Bhindi bildeten die Nachhut, rückten langsamer vor und gaben den anderen Feuerschutz, Bhindi von Norden und Sharr von Süden.

Myri sah, wie Jesmin und Wran mit ihrem Aufstieg begannen, beide am selben Seil, wobei Wran sich an Jesmin festhielt. Sie nahm an, dass das zweite Gespenster-Team keine eigenen Winden dabeihatte.

Als Myri die Säule erreichte, löste sie das nächste Seil. »Kirdoff, mit mir. Vier – unsere Vier, meine ich – nimm Usan mit.« Im Handumdrehen hatte sie die Winde und das Seil am Gürtel festgehakt.

»Ich bringe den anderen Duros nach oben.« Der Devaronianer gab Dashan einen Klaps auf den Arm, wies auf die hintere Ecke an der Rückwand, wo sich die Gespenster zuvor versammelt hatten, und lief los.

»Wo will er hin?« Myri bedeutete dem Mann mit dem lockigen Haar, die Arme um ihren Hals zu schlingen.

Er kam der Aufforderung nach. »Die Notausgangstreppe. Ist Standard bei unterirdischen Stützpunkten, die durch Bomben beschädigt werden könnten. Abgesehen davon, dass jetzt unsere Bombe dort ist, die Drikall zünden wird, sobald sie daran vorbei sind.«

Myri verschränkte die Beine und drückte dann auf den Windenknopf.

»Übrigens, eigentlich heiße ich gar nicht Kirdoff, sondern Fodrick, Thaymes Fodrick. Erfreut, dich kennenzulernen.«

»Ich bin Vier. Nur Vier.«

»Mann … Du kannst mir vertrauen. Ich bin ein Gespenst.«

»Ein Gespenst in einer feindlichen Einrichtung, Vakuumhirn.«

Sie und Thaymes erreichten das Gelände der abgedunkelten Wohnebene. Jesmin, die bereits dort stand, warf ihnen das lose Ende ihres Aufstiegsseils zu, und Thaymes fing es auf. Jesmin zog sie zu sich herüber. Jetzt stand Wran an der Seitenwand und feuerte systematisch in die Schubdüsen sämtlicher Luftgleiter in Sichtweite, um sie außer Gefecht zu setzen. Verglichen mit gewöhnlichen Blastern war sein Lasergewehr gespenstisch leise.

Thaymes plapperte weiter, während er über das Geländer kletterte. »Einer unserer Anführer sollte wirklich mit hier oben sein und Anweisungen geben. Ich meine, die Befehle, die du gebrüllt hast, waren klasse, aber …«

»Ich glaube, zwischen den beiden gibt es gewisse Spannungen.« Myri schaute nach oben. Die Aufzugsplattform war auf halbem Weg nach unten. »Falls die Schnapphunde auch nur den geringsten Grips hätten, würden sie den Aufzug auf der Stelle lahmlegen und uns hier festsetzen.«

Thaymes richtete seine Blasterpistole auf die Szenerie weiter unten. Sharr und Bhindi waren jetzt in Sicht und legten die letzten paar Meter zur Säule zurück. Trey begann mit seinem Aufstieg, der jedoch durch sein und Usans kombiniertes Gewicht verlangsamt wurde. Noch waren nirgends Schnapphunde zu entdecken, doch überall um die Gespenster herum prasselte ein konstanter Blasterhagel auf die geparkten Speeder hernieder. Myri schätzte, dass mindestens acht Schnapphunde das Feuer auf sie eröffnet hatten, und ihre Zahl schien noch zu wachsen.

Thaymes grinste – eine charmante Geste, die in dieser Umgebung vollkommen fehl am Platz wirkte. »Sie können den Aufzug nicht lahmlegen. Ich kann jederzeit die Kontrolle darüber übernehmen. Und sobald er sich direkt unter dieser Ebene befindet, werde ich ihn lahmlegen. Wo er dann ein oder zwei Minuten bleiben wird, bis sie dahinterkommen, wie wir das angestellt haben.«

»Also, das ist … clever, schätze ich. Allerdings könnten sich feindliche Einheiten auf der Plattform aufhalten, wenn sie uns passiert.«

Weiter unten waren Bhindi und Sharr dabei, sich in die Winden einzuhaken. Myri vermutete, dass Sharr Turmans Ausrüstung verwendete. Der Schauspieler – jetzt von Fesseln und Knebel befreit – saß mit dem Rücken an die Säule gelehnt da und sang allem Anschein nach vor sich hin.

Ein Schnapphund – eine Trupplerin – tauchte auf. Sie kroch unmittelbar hinter der nordwestlichen Stützsäule des Aufzugschachts aus ihrer Deckung hervor. Sie legte auf Bhindi oder Sharr an. Wran hatte sie nicht in seinem Blickfeld, aber die anderen schon. Thaymes gab einen raschen Schuss ab, der die Frau zwar verfehlte, sie jedoch zusammenzucken ließ. Betäubungsschüsse von Myri und Jesmin erwischten sie, um sie bewusstlos zu Boden zu schicken.

Und die ganze Zeit über quasselte Thaymes ununterbrochen weiter. »Nein, unsere Wookiee-Dame hat sich um sämtliche Schnapphunde bei dem großen Gebäude gekümmert.«

»Ihr habt einen Wookiee? Wir haben keinen Wookiee.« Myri wusste, dass sie verletzt klang.

»Dafür haben wir keinen Clawditen.«

Weiter unten pirschten sich weitere Schnapphunde an die Anführer und Turman heran. Die Gespenster am Geländer verstärkten ihren Beschuss, um die Schnapphunde dazu zu zwingen, unten zu bleiben und Deckung zu suchen.

Sharr hob Turman hoch, was für ihn eine echte Strapaze war, und begann mit dem Aufstieg. Bhindi beharkte den Feind mit schlecht gezieltem, aber wildem Blasterfeuer.

»Moment mal. Euer Wookiee. Eine Frau? Creme-braunes Fell?«

»Ja.«

»Ich glaube, sie hat mir neulich Abend einen Sprudelbrandy serviert.« Myri kauerte sich nieder, um hinter dem Geländer Deckung zu suchen, als die Schnapphunde das Feuer erwiderten.

Wran, der seine Schulter gegen die rechte Wand gestützt hatte, feuerte. Sein Gewehr entlud sich mit einem leisen Summen. Der gleißend helle Blitz, der aus dem Lauf schoss, traf einen behelmten Schnapphund direkt unterhalb des Visiers. Er stürzte zu Boden.

Myri zuckte zusammen.

Trey und Usan erreichten die Wohnebene und stoppten ihren Aufstieg, um einige Meter über ihnen hängen zu bleiben. Myri warf ihm das lose Ende ihres Seils zu. Usan musste sich zwar mächtig strecken, bekam es aber zu fassen. Myri zog sie rüber und half ihnen über das Geländer.

Thaymes stellte seinen beabsichtigt ungezielten Feuerschutz ein. Er zog ein Komlink aus einer Hüfttasche und drückte einen Knopf. Der Aufzug, der sich jetzt bloß noch ein paar Meter über ihnen befand, kam knirschend zum Stillstand.

Jetzt deckten sämtliche Gespenster die Schnapphunde unten mit Sperrfeuer ein, um sie daran zu hindern, Bhindi ins Visier zu nehmen, die an ihrer Winde in die Höhe rauschte. Die Anführerin der Gespenster gab zwar ohnehin ein schlechtes Ziel ab – eine schwarze Gestalt, die an einem schwarzen Seil in einem schwarzen Schacht nach oben fuhr –, doch die Blasterschüsse selbst sorgten für eine gewisse Helligkeit.

Bhindi erreichte das Geländer im selben Moment wie Sharr und Turman. Keiner von ihnen hatte einen Treffer abbekommen. Myri half ihnen auf den Balkon. Thaymes setzte die Aufzugsplattform wieder in Bewegung, die an ihnen vorbei nach unten glitt, leer bis auf einen bewusstlosen Schnapphund. Sobald sich der Lift auf ihrer Höhe befand, wurde der Lärm der Alarmsirenen, der von unten zu ihnen heraufdrang, leiser.

Thaymes stoppte den Aufzug. Dann hüpfte er über das Geländer und lief hinüber, um das Blastergewehr und die Ausrüstung des Schnapphunds an sich zu nehmen, während die anderen ihren stufenweisen Aufstieg durch den Schacht fortsetzten, allen voran Trey und Usan.

Bhindi holte ihr Komlink hervor. »Sharr, was habt ihr für ein Fluchtfahrzeug?«

Sharr wies reumütig nach unten. »Wir sind früher am Abend mit einem Bodentransporter hergekommen, den wir gekapert hatten. Damit wollten wir eigentlich auch wieder verschwinden. Bis irgendjemand den Alarm ausgelöst hat.«

»Vermutlich ihr selbst. Dann, nehme ich an, braucht ihr wohl eine Mitfahrgelegenheit.«

»Falls es keine Umstände macht.«

Sie aktivierte ihr Komlink. »Sieben, hol uns ab. Bereit machen für sieben weitere Passagiere.«