8. Kapitel

GAGREW-RAUMSTATION, SI’KLAATA-STERNENHAUFEN

»Ich glaub, ich muss brechen.« Trey klang, als wäre es ihm ernst damit. Die Wände des Korridors, durch den Voort und er gingen, wirkten relativ sauber, frei von irgendwelchem Müll. Der Gang war geräumig und wurde gelegentlich von Transparistahlfenstern durchbrochen, die das Sternenfeld draußen zeigten.

Voort wusste allerdings genau, worüber Trey sich beschwerte: über den Geruch, der teils erdig und teils süßlich war, mit einem Hauch von Fäulnis und der Schärfe von Chemikalien. Es war der Geruch zu vieler Passagiere, die in zu kleine Schiffe gepfercht und dann unvermittelt auf dieser Raumstation ausgespuckt wurden. Insbesondere jedoch war es der Geruch von Hutts und von den Händlern, die überall in der Station verstreut waren. Die meisten von ihnen verkauften – in erster Linie oder nebenbei – Essen, das bei Hutts Anklang fand. Exotische Fleischsorten, ranzige Fette, lebende Insekten und Nagetiere, giftige Knollen.

Und dann waren da natürlich die Schleimspuren. Dreißig Meter weiter vorn hinterließ ein Hutt – mehrere Meter lang, dunkel und schneckenartig –, der während der Unterhaltung mit einer neben ihm hergehenden Rodianerin mit seinen dünnen Ärmchen gestikulierte, beim Dahinkriechen eine neue Schleimschicht auf dem Boden. Selbst aus dieser Entfernung konnte Voort hin und wieder Laute vernehmen, die unter dem Hutt hervordrangen, an Blähungen gemahnende Blörps und Pffts, wenn Segmente der Unterseite der Kreatur die Haftung zum Metallboden verloren oder wiedererlangten.

Voort, der den Gepäckwagen vor sich herschob, auf dem seine und Treys Taschen ruhten, steuerte das Gerät geschickt so, dass die Räder der Schleimspur nach Möglichkeit entgingen. Er seufzte. »Reiß dich zusammen. Wir müssen uns bedeckt halten.« Allerdings sprach er auf Gamorreanisch, und sein Kehlimplantat war abgeschaltet, sodass seine Worte eine Abfolge von Grunz- und Quieklauten waren, die die meisten Menschen nicht verstanden.

»Ich weiß nicht, was du damit … Oh, richtig.« Trey tat so, als würde er sich einen Klaps gegen den Kopf geben. »Tut mir leid. Von jetzt an bloß noch einseitige Gespräche.« Er warf einen Blick auf das blinkende Schild in Deckenhöhe, wo ein Quergang ihren Weg in rechtem Winkel schnitt. Worte in einer Vielzahl von Sprachen prangten auf dem Schild, einschließlich Basic. Trey las laut vor: »Der Blauverschiebungskorridor. Das ist unserer.«

Ihr Ziel befand sich bloß hundert Meter weiter den Blauverschiebungskorridor entlang: eine unscheinbare Doppeltür. Auf dem Schild darüber blinkten abwechselnd in mehreren Sprachen die Worte: ZUM SCHNUCKELIGEN FLECKCHENKERNWELTEN-AMBIENTE ZU RANDWELTEN-PREISEN. Hinter den Türhälften lag die Lobby eines kleinen Hotels, deren Boden fortwährend von knöchelhohen, scheibenförmigen Reinigungsdroiden geschrubbt wurde.

Drei Minuten später, in einem schmaleren, zu beiden Seiten von Türen gesäumten Gang, nannte Trey an einer davon seinen Namen, und sie glitt vor ihm auf. Dahinter stand ein groß gewachsener, aristokratisch wirkender Mensch. Sein makellos frisiertes weißes Haar schien vollkommen im Einklang mit seiner grauen imperialen Flottenuniform zu sein.

»Sie sind verhaftet.«

»Wie nett.« Trey schnappte sich seine Taschen vom Gepäckwagen und trat ein.

»Nein, im Ernst. Hände hoch!«

Voort nahm die eigenen Taschen, ließ den Wagen auf dem Korridor stehen und folgte Trey hinein. Die Tür glitt hinter ihm zu. Er aktivierte das Kehlimplantat. »Turman?«

Der imperiale Offizier verdrehte die Augen. »Jaaaa.«

»Gute Verkleidung.« Voort ließ seine Taschen neben Treys zu Boden fallen und schaute sich um. Dies war der Hauptraum des kleinen Apartments, an den Maßstäben anderer Raumstationspensionen gemessen groß, jedoch nicht geräumig genug für eine Feier mit vielen Leuten, und glücklicherweise frei von Hutt-Geruch. Die mattweißen Wände zierten Holos von Bergen und Dschungelszenarien, und der Boden, der in einem ähnlichen Farbton gefliest war, war schleimfrei und fleckenlos.

»Wenn sie so gut ist, warum hast du dann auch nur einen Moment gezögert? Du bist der Sargnagel für meine Moral.« Wenn überhaupt, wurde das Gebaren des verkleideten Turman durch seine Entrüstung noch glaubwürdiger.

Trey trat zu ihm und musterte ihn eingehend von Kopf bis Fuß. »Sind das deine richtigen Gesichtszüge, wenn du ein menschliches Erscheinungsbild wählst?«

»Nein, ich trage eine Neoglith-Maske.« Turman hob die Hand, um an seiner Nase zu ziehen, die sich volle drei Zentimeter weit streckte, bevor er sie losließ und sie wieder an Ort und Stelle zurückschnappte. »Meine menschlichen Züge sind eher langweilig.«

Voort ließ den Blick erneut in die Runde schweifen. Im Raum waren zwar mehrere Haufen Gepäck verstreut, aber sonst war niemand zugegen. »Wo sind die anderen?«

»Die kümmern sich um die letzten Einzelheiten unserer Reise. Ihr habt es gerade noch rechtzeitig geschafft. Wir starten in Kürze.«

Voort seufzte. »Verrate mir … und mein Leben hängt von deiner Antwort ab … habe ich noch Zeit für eine Sanidusche? Wir waren länger an Bord dieses verfluchten Shuttles, als mir lieb ist. Ich wage es nicht, mich zu setzen. Ich könnte kleben bleiben.«

»Wir haben noch Zeit. Aber beeil dich.«

Als Voort schließlich mit schimmernd grüner Haut aus der Sanidusche kam, waren die anderen zurück. Voort hörte ihre Stimmen schon im Bad. Er streifte einen frischen Gepäckträgeroverall über und ging hinaus, um sich zu ihnen zu gesellen.

Turmans Aufmachung als imperialer Flottenoffizier war ebenso verschwunden wie sein aristokratisches Antlitz und das weiße Haar. Obgleich er immer noch menschlich wirkte, war er jetzt jünger und dunkelhaarig, mit harmlosen, unscheinbaren Zügen. Untypischerweise trug Bhindi ein silbern glitzerndes Cocktailkleid und schwarze Leggings. Sie sah aus wie das Paradebeispiel für eine hohlköpfige, reiche Erbin, die allein darauf aus war, Spaß zu haben. Jesmin, die ihr gefärbtes rotes Haar zu einem strengen Dutt zusammengebunden hatte, trug einen dunklen Visor und einen schlichten schwarzen Overall, um den Eindruck zu erwecken, dass sie zum Sicherheitspersonal gehört. Trey hatte ein ähnliches Outfit angelegt. Scut stellte dieselbe rundgesichtige Menschentarnung zur Schau, die er trug, als Voort ihm das erste Mal begegnet war. Seine Kleidung bestand aus einer lederartigen schwarzen Hose, einer Weste und dazu passenden Stiefeln sowie einem rüschenbesetzten blauen Hemd, was deutlich machte, dass er wohl gern ein Schmuggler gewesen wäre, jedoch nie einem solchen begegnet war.

Voort sah Bhindi an und ignorierte ihr unterbelichtetes Auftreten. »Werden Trey und ich noch in irgendeiner Form darüber informiert, was uns erwartet? Über Missionsziele, darüber, wen wir nicht umbringen sollen, und solche Dinge?«

Sie nickte mit großen Augen. »Äh-hm.« Es gelang ihr, diese Bestätigung in ein süßes Quietschen zu verwandeln.

»Hör auf damit!«

»In Ordnung.« Sie gab das Partygirlgebaren auf und kniete nieder, um ein paar letzte Sachen in ihre kleinste Tasche zu packen. »Die Kurzform?«

»Dürfte genügen.«

»In einer Viertelstunde gehen wir an Bord der Bastionsprinzessin, eines Kreuzfahrtschiffs, das regelmäßig zwischen Bastion, dem Hauptplaneten der Imperialen Restwelten, und hier verkehrt und unterwegs auch noch einige andere Welten ansteuert. Bei den Passagieren handelt es sich größtenteils um wohlhabende Imperiumsbürger, die im Hutt-Raum ein wenig kalkuliertes Risiko und nicht ansteckende Verderbtheit erleben wollen. Wir gehen an Bord, Trey sabotiert die Sensoren und den Hyperantrieb des Schiffs, wir steigen in eine Rettungskapsel und schießen uns unbemerkt an einer Stelle ins All, wo bekanntermaßen imperiale Schiffe patrouillieren – allerdings an einer vergleichsweise abgelegenen Stelle, um die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, dass wir auf ein großes Gefährt stoßen. Dann warten wir.«

Voort spürte, wie sich ihm die Nackenborsten aufstellten. »Um von der Imperialen Flotte gerettet zu werden.«

»Richtig.«

»Was, wenn keiner auftaucht?«

Bhindi richtete sich auf und schlang den Riemen ihrer Tasche über die Schulter. »Ich habe Myri weiterführende Instruktionen geschickt. Wenn wir uns nicht rechtzeitig bei ihr melden, wird sie schon einen Weg finden, um uns da rauszuholen.«

»Einen Weg finden … Kann sie sich von Face nicht einfach die Quarren-Auge borgen, wenn’s brenzlig wird?«

Bhindis Miene wurde ausdruckslos, und diesmal war es nicht gespielt. »Was ist die Quarren-Auge

»Das ist eine Langstreckenfähre mit einem Hyperkom, die Face leihweise überlassen wurde – quasi eine unserer Ressourcen.«

»Nun, davon weiß ich nichts. Also wird Myri wohl einfach improvisieren müssen.« Bhindi vollführte eine ungeduldige Geste, als würde sie die Decke anflehen, ihre Aussage zu unterstützen. »Allerdings nur, wenn wir versagen. Tun wir das nicht – wovon ich ausgehe –, sammelt uns ein imperiales Schiff ein, wir danken unseren Rettern recht herzlich, und dann kapern wir das Ding.«

Voort versuchte, seine gesträubten Borsten glatt zu streichen. »Einfach so.«

»Ein Gespenst, das keinen Ehrgeiz mehr hat, sollte seinen Hut nehmen und – ich weiß nicht recht – Mathe unterrichten oder etwas in der Art. Sind alle startklar?«

Scut nahm seine Taschen auf, drückte sie sogleich Voort in die Hand und war als Erster zur Tür hinaus.

Voort konnte nicht umhin, von der Bastionsprinzessin beeindruckt zu sein. Obgleich kein Sternenzerstörer, erinnerte das Schiff von der Aufmachung her stark an jene riesigen, destruktiven Schlachtschiffe – genau genommen wirkte die diamantförmige Bastionsprinzessin vage wie zwei Heck an Heck miteinander verbundene Sternenzerstörer. Die beinahe einen Kilometer lange Bastionsprinzessin war dunkelblau lackiert, die Oberfläche mit Tausenden Außenfenstern und Begrenzungslichtern versehen, die in allen Farben des Spektrums schimmerten, sodass das Schiff wie ein eigenes, geschlossenes Sternenfeld wirkte.

Die Gespenster zeigten den Kreuzfahrtoffizieren ihre gefälschten Identikarten, gingen mit einem Shuttle an Bord, das sie von der Raumstation zum Hangar an der Unterseite des Schiffs brachte, und wurden von einem makellos weißen Protokolldroiden zu ihren Kabinen geleitet, einer Reihe von Wohnabteilen tief im Innern des Schiffs, ein gutes Stück von der Außenhülle entfernt.

Die Kabinen waren zwar klein, aber keineswegs klaustrophobisch eng. Anstatt mit einem Fenster war jede mit vier Monitoren ausgestattet – einer an jeder Wand –, die Holokamerabilder zeigten, die die Sensoren des Schiffs aufnahmen. Automatisch schalteten sie zu den externen Sensoren, um auf dem vorderen Monitor die Sterne voraus zu zeigen, auf dem Monitor an achtern die Sterne hinter ihnen, eine ferne rote Sonne auf dem Backbordmonitor und die riesige, skelettartige Gagrew-Station auf dem Monitor an Steuerbord. Allerdings ließ sich jeder Bildschirm auf eine breite Palette von Sensorperspektiven einstellen, einschließlich der Casinobereiche, der Speisesäle, des Aussichtsdecks, des Schwimmbeckens, das durch Röhren mit dem Deck der aquatischen Passagiere verbunden war, und des schiffseigenen Parks mit Gras, Blumen und Bäumen. Turman, der sich mit Voort eine Kabine teilte, verwendete die Steuereinheit neben dem Bett, um durch alle Ansichten zu schalten.

Schließlich trafen sie sich auf dem Aussichtsdeck, das sich oben am Bug des Schiffs befand, mit den anderen. Die weitläufige, an ihrem Scheitelpunkt fünfzehn Meter hohe Kammer bot durch die Schottwand – eine gewaltige, gewölbte Transparistahlfläche – einen Blick auf das vordere Sternenfeld und auf das über ihnen. Hier drängten sich Hunderte von Passagieren – größtenteils menschlich oder fast menschlich –, um zu verfolgen, wie die Gagrew-Raumstation an Steuerbord davondriftete. Dann war die Bastionsprinzessin unterwegs und beschleunigte so sanft, dass Voort es kaum spürte.

»Ich hasse es, das sagen zu müssen.« Treys Stimme haftete ein widerwilliger Tonfall an. »Der Kahn ist zwar nicht spektakulär, aber ziemlich luxuriös. Ich könnte mich daran gewöhnen.«

»Versuch, keine menschlichen Emotionen zu zeigen.« Jesmin ihrerseits war vollkommen ausdruckslos, auch wenn in ihren Worten ein Anflug von Amüsement mitschwang. »Du sollst dich als Sicherheitsmann ausgeben, schon vergessen?«

»Richtig.« Trey zwang seine Gesichtszüge zu vollkommener Reglosigkeit.

Jesmin quittierte seine Verwandlung mit einem schroffen Nicken. »Und verlier ja kein gutes Wort über dieses Schiff, wenn sich Myri in der Nähe befindet. Sonst wird sie dir eine halbe Stunde lang erzählen, wie großartig der Fliegende Händler erst ist.«

»Ich werd’s mir merken.«

Bhindi nahm in einem bequemen Sessel Platz und betrachtete die Sterne über ihnen mit nichtssagendem Entzücken, doch ihre Worte und ihr Tonfall waren nicht die einer flatterhaften Neureichen. »In Ordnung, bislang lief alles nach Plan, aber wir haben trotzdem nicht viel Zeit. Vier, such die Zugänge zum Maschinenraum und zum Kommunikationszentrum und verschaff dir einen Eindruck von ihren Sicherheitsmaßnahmen. Fünf, du begleitest ihn – aber versuch, niemanden zu töten.«

Scut wies mit dem Finger auf Voort. »Unser Fossil hier sollte sich entweder in seiner Kabine verkriechen oder sich eine andere Tarnung suchen. Ist denn sonst niemandem aufgefallen, dass er der einzige Gamorreaner hier ist – und der einzige Gepäckträger? Eine Butler-Verkleidung könnte funktionieren.«

»Stimmt.« Bhindi warf Turman einen raschen Blick zu. »Zwei, geh mit Sieben. Seht zu, ob ihr in einem der Läden etwas kaufen könnt, damit er als Butler oder Kammerdiener durchgeht. Falls nicht, verlasse ich mich auf eurer Verkleidungstalent.«

»In Ordnung.« Turman warf Voort einen flüchtigen Blick zu. Er bedeutete dem Gamorreaner mit einem Rucken des Kopfes, ihm zu folgen, und machte sich auf den Weg zum nächstgelegenen Turbolift.

Voort schloss sich ihm an und spürte, wie ihm allmählich der Hut hochging. Natürlich war Turmans Schroffheit bloß gespielt. Aber Scut … Der Yuuzhan Vong hatte weniger als fünf Minuten gebraucht, um eine Möglichkeit zu finden, Voort zur Weißglut zu bringen, und dabei hatte er auch Voorts Alter und Unzweckmäßigkeit für diese Mission mit ins Spiel gebracht – beiläufig, sogar elegant.

Als sich die Türhälften des Turbolifts schlossen, um ihn und Turman vor den Blicken der Gespenster und der anderen Passagiere abzuschotten, stieß Voort ein grollendes Knurren aus. »Ich werde diesen Kerl eigenhändig durch den Fleischwolf drehen.«

»Ihr hättet einen mit nach Vandor-3 bringen sollen. Ich glaube nicht, dass es an Bord welche gibt. Einkaufsdeck, bitte.« Die Turboliftkabine sauste in die Tiefe. »Im Übrigen hatte Sieben recht. Du fällst ins Auge.«

»So hat er es zumindest dargestellt. Er versucht, mich zu ärgern.«

»Was ihm offensichtlich gelungen ist.«

»Offensichtlich.« Jetzt wollte er Turman durchschütteln, um einen neuen Streit vom Zaun zu brechen. Begreifst du denn nicht? Er ist ein Yuuzhan Vong. Seine Spezies kam hierher, um alles zu vernichten, was wir kennen, alles, was uns ausmacht. Und anscheinend sind einige von ihnen nicht bereit, das einfach abzuhaken.

Dann stoppte die Kabine. Die Tür glitt ruckartig auf und gab den Blick auf eine breite, von Geschäften gesäumte Halle mit niedriger Decke frei. Voort bemühte sich, seinen Zorn im Zaum zu halten, und schaltete das Kehlimplantat aus, bevor er Turman mit einer höflichen, unterwürfigen Geste bedeutete, die Führung zu übernehmen – und im Stillen schwor er sich, die Augen nach einem Fleischwolf offen zu halten.