6. Kapitel
ACKBAR-STADT, VANDOR-3
Der Shuttleflug von Coruscant nach Vandor-3 war kurz gewesen, doch das war so ziemlich das Einzige, das Voort an dieser Phase ihrer Mission als angenehm empfand. Der zivile Raumhafen lag auf halbem Weg zwischen der Fey’lya-Militärbasis im Norden und Ackbar-Stadt im Südwesten, ungefähr zwanzig Kilometer von beidem entfernt. Tatsächlich handelte es sich um einen – für eine Welt mit einer so kleinen Bevölkerung – ausgesprochen großen Raumhafen, und den Großteil des Verkehrs machten Containerschiffe aus, die Getreide, andere landwirtschaftliche Erzeugnisse und Fleisch exportierten. Das Terminalgebäude für Besucher und anderen Personenverkehr indes war recht klein, ein zweigeschossiger grauer Pyramidenstumpf mit zwei zugehörigen Landefeldern.
Die drei Gespenster wurden fast eine Stunde im Terminal aufgehalten, während man an einem kleinen Landgleiter-Vermietungsschalter ein Fahrzeug für sie aufzutreiben versuchte. Voort verbrachte diese Zeit damit, mit düsterer Miene das an die Decke projizierte Hologramm zu betrachten, ein Tourismusprogramm, das auf die Vorzüge des Planeten hinwies, besonders auf den Armeestützpunkt und die nahe gelegene Stadt.
Das laufende Holoprogramm bekräftigte wieder und wieder, dass es auf Vandor-3 keine Militärbasis gegeben hatte, bis die Galaktische Allianz am Ende des Yuuzhan-Vong-Krieges erneut die Kontrolle über das Coruscant-System übernommen hatte. Als General Thaal jedoch beschloss, Vandor-3 zur neuen militärischen Operationsbasis des Systems zu machen, wurde der Stützpunkt – benannt nach Borsk Fey’lya, der zu Zeiten von Coruscants Sturz der Staatschef der Neuen Republik gewesen war – aus dem Boden gestampft und florierte anschließend rasch.
Schließlich führte der Angestellte die Gespenster nach draußen und präsentierte ihnen ihren Speeder, einen großen, klappernden Tieflader, dessen Fahrerkabine groß genug war, um allen dreien Platz zu bieten. Endlich konnten sie verschwinden. Mit Myri am Steuer und Trey in der Mitte verließen sie den Raumhafen, um der Karte zu folgen, die auf Treys Datapad angezeigt wurde. Alle schwiegen – Voort vor Verärgerung und die beiden anderen, weil sie seine schlechte Laune spürten –, bis sie auf das erste große Schild stießen, das vom Raumhafen wegführte und in der einen Richtung zur Fey’lya-Militärbasis und in der anderen nach Ackbar-Stadt wies. Myri folgte dem zweiten Pfeil. Voort bedachte das Schild mit einem Schnalzen der Verachtung.
»Was ist eigentlich mit dir los?« Myri sah Voort an Trey vorbei mit finsterer Miene an. »Seit wir hier eingetroffen sind, scheinst du nur einen Schritt davon entfernt zu sein, Amok zu laufen.«
»Die Fey’lya-Militärbasis. Der neueste, am besten ausgestattete Armeestützpunkt hier draußen.« Voort schüttelte den Kopf. »Benannt nach Borsk Fey’lya, dem hinterhältigsten, eigensüchtigsten Sohn eines Wampas, den es je gab. Die Tatsache, dass ihm auf diese Weise Ehre erwiesen wird …«
Myri schien das kaltzulassen. »Na und?« Sie wandte die Aufmerksamkeit wieder den Schildern in Baumwipfelhöhe zu, die die Luftgleiterspur zu ihrem Ziel markierten. Die Hinweistafeln verliefen parallel zu einer gepflasterten Straße für Bodenfahrzeuge darunter. Überall um sie herum befanden sich Getreidefelder, die von Menschen, Gamorreanern, Droiden und selbstständig arbeitenden Farmmaschinen bestellt wurden. Jetzt, kurz vor der Ernte, erstrahlten die Felder im Sonnenlicht in gleißendem Gelbweiß. »Ich war damals zwar noch ziemlich jung, aber ist er nicht umgekommen, du weißt schon, auf heldenhafte Weise? Ich dachte, er hätte sich mit einem Haufen Yuuzhan-Vong-Kriegern in die Luft gesprengt?«
»Einige Leute leben und sterben heldenhaft und werden dafür nie geehrt. Am Ende eines Daseins voller Intrigen beging er einen einzigen Akt der Reue, um sein Gewissen zu erleichtern. Myri, er traf Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Leute an der Front hatten. Auf Soldaten, auf Raumpiloten, auf Spione. Er traf Entscheidungen, die allein seiner Selbstsucht entsprangen, und schickte andere damit in den Tod.«
»Oh.« Sie sorgte dafür, dass ihre Stimme freundlich blieb. »Nun, die Leute erinnern sich an das, woran sie sich erinnern wollen. Ich schätze, sie ziehen es vor, sich seiner so zu erinnern, dass er den Feind in die Luft jagte, als die Hauptstadt fiel.«
»Ich meine ja nur …« Voort versuchte, seines Zorns Herr zu werden. Es war unangebracht, dass er ihn an jemandem ausließ, dem seine Wut überhaupt nicht galt. Immerhin war es ja nicht so, als wäre Myri eine seiner Studentinnen. »Ich bin Admiral Ackbar mehrmals begegnet. Ich habe mit seiner Nichte Jesmin zusammengearbeitet. Sie war eins der ersten Gespenster und starb im Kampf.«
»Ich weiß. Jesmin Tainer ist nach ihr benannt.«
»Ich will damit eigentlich nur sagen, dass die Stadt, die nach Admiral Ackbar benannt ist, besser prunkvoll sein sollte, wenn sie schon eine große, überfinanzierte und hochmoderne Militärbasis nach Fey’lya benennen.«
Sie machten die Stadt schon aus einigen Kilometern Entfernung aus – ein breiter, brauner Streifen inmitten leuchtender weißgelber Felder. Angekündigt wurde sie von einem Schild, auf dem stand: ACKBAR-STADT – MAXIMALE LUFTGLEITER-HÖHE SECHS METER.
»Das ist doch wohl ein Scherz.« Widerwillig ging Myri tiefer und passte die Flughöhe des Speeders an die gesetzlichen Vorgaben an.
Dann erreichten sie die Außenbezirke, einen Streifen staubigen Geländes, der an eine willkürliche Ansammlung von Gebäuden grenzte, größtenteils Hütten aus an Metallrahmen genietetem Durastahlblech mit Permabeton-Fundament, die in einer Vielzahl matter Farben gestrichen waren. Einige dieser Farbschichten begannen nach einigen Jahren, in denen sie dem Einfluss der Sommersonne ausgesetzt gewesen waren, rissig zu werden und abzublättern. Ein paar Straßen waren gepflastert, andere mit einer groben Schotterschicht bedeckt, während wieder andere nur aus festgestampfter Erde bestanden.
Myri sondierte die Umgebung, während sie das Vehikel steuerte. Als sie sprach, klang ihre Stimme mürrisch. »Es geht doch nichts übers Fliegen, selbst in dieser Höhe. Gehe auf Landgleiter-Modus.« Sie ließ den Speeder tiefer sinken, bis sie bloß noch einen Meter über dem Boden schwebten. Während sie über schmutzbedeckte Querstraßen und durch enge Gassen brausten, wirbelten ihre Repulsoren gewaltige braune Staubwolken auf. Die Zivilisten auf den Fußwegen brüllten sie an und machten rüde Gesten. »Du hast gewonnen, Voort. Ich bin gewillt, diesen Ort zu hassen.«
»Vielleicht wird es weiter landeinwärts besser.« Treys Tonfall war freundlich, fast schon versöhnlich. »He, das ist doch schon viel besser.« Er wies durch die Frontscheibe.
Myri und Voort blickten in die Richtung, in die er wies. Alles, was Voort erkennen konnte, war ein Geschäft, das allenfalls ein bisschen greller gestrichen war als die anderen, eine zweigeschossige Kuppel, deren Markisenaufschrift kundtat, dass es sich um das ESSEN’S handelte.
Voort schaute finster drein. »Sofern der Inhaber nicht wenigstens Essen heißt, ist das so ziemlich der dämlichste Name, den so ein Schuppen haben kann. Ich bin geneigt, dem Besitzer wegen schlechter Grammatik die Ohren langzuziehen. Inwiefern also, Trey, ist das schon viel besser?«
»Das Gebäude ist ein Fertigbau! In der Fabrik exakt so vorgefertigt, nicht irgendwie hier zusammengebastelt. Das ist teuer – und damit besser, oder?«
Myri seufzte. »Zumindest scheint es hier ein paar Spielhallen zu geben, sodass ich mir ein paar Extracredits verdienen kann.«
Die Bevölkerung war größtenteils menschlich, doch auf dem gesamten Planeten war außerdem eine breite Palette von Nichtmenschen verstreut. Bei den meisten schien es sich um Zivilisten zu handeln, die Arbeits- oder Freizeitkleidung trugen, doch gelegentlich sah Voort auch Gruppen von Soldaten.
Trey hatte seine Nachforschungen über die Unterschiede beim hiesigen Militär offenbar abgeschlossen. Er deutete auf zwei Truppler, die an einer Straßenecke standen. Ihre Uniformen waren braun, und den Rangabzeichen zufolge handelte es sich um Gefreite. »Außer Dienst … Die Wirtschaft der Stadt basiert auf der Versorgung dienstfreier Soldaten.«
Voort verschränkte die Arme. »Dann können wir wohl davon ausgehen, dass die meisten Geschäfte hier wohl eher – wie ist noch das Basic-Wort dafür? – anrüchig sein dürften.«
»Nicht unbedingt.« Myri klang hoffnungsvoll.
Voort schnaubte. »Ich wette um zehn Credits, dass Ackbar-Stadt nicht einmal ein eigenes Orchester hat.«
»Ich bin dabei.«
»Ein Orchester mit lebendigen Musikern, kein Droiden-Orchester!«
Myri zog ein unwirsches Gesicht. »Ich passe.«
Trey wies auf eine andere Soldatengruppe. Die vier Männer hatten ebenfalls braune Uniformen an, waren jedoch mit Blastergewehren bewaffnet und trugen Brustpanzer und schwarze Helme. »Wachpatrouillen. Die Stadt holt sich ihren Wachdienst vom Armeestützpunkt.« Tatsächlich hatten die vier Truppler ein aufmerksames Auge auf den vorbeikommenden Luftgleiter- und Fußgängerverkehr.
»Interessant.« Voort speicherte diese Information ab. Jede Abweichung von normalen Sozial- oder Behördenstrukturen war eine potenzielle Schwäche oder ein Umstand, den man sich zunutze machen konnte.
Trey wies nach vorn rechts. »Schnapphunde.«
Voort spähte in die angezeigte Richtung, neugierig auf General Thaals Lieblingssorte von Elitesoldaten.
Die Frau, auf die Trey zeigte, war durchschnittlich groß und körperlich fit. Ihre Uniform ähnelte denen der diensthabenden Wachen, jedoch mit einigen Verzierungen. Längs des Kragens ihres braunen Hemds war ein Muster aus weißen Dreiecken aufgenäht – Voort brauchte einen Moment, um sie als stilisierte Zähne zu identifizieren. Auf beiden Seiten des Helms befand sich ein einzelnes Zahn-Emblem. Mit rötlicher Haut und strenger Miene stand sie da und lauschte den Worten – oder vielmehr: dem Flehen – eines Ladenbesitzers, bei dem es sich um einen Bith handelte. Sie standen vor der Tür einer Bäckerei. Quer über der Tür prangte ein roter Streifen, auf dem ENTEIGNET stand. Der Bith, dessen haarloser Schädel und schwarze Augen in der Morgensonne glommen, gestikulierte heftig, während die Schnapphund-Soldatin den Kopf schüttelte. Dann ließen sie auch diese Szene hinter sich.
Voort behielt die Frau so lange wie möglich im Auge. »Wenn General Thaal der Feind ist, sind sie ebenfalls unsere Gegner. Und falls er nicht korrupt ist, sind die Schnapphunde trotz allem nach wie vor Elitesoldaten, bei denen wir ungebeten im Hinterhof rumwühlen. Also seid auf der Hut.«
»Ja, Papi.« Trey konsultierte sein Datapad. »Myri, die Nächste links.«
Zwei Minuten später erreichten sie ihr Ziel: den Parkplatz einer kleinen Ansammlung von Durastahl-Wellblechbauten, allesamt einheitlich grau und verwittert. Das verblasste Schild auf dem größten Dach machte Werbung für eine Werkstatt namens TOOZLERS GLEITERREPARATUR UND -WARTUNG. Hier und da war Unkraut durch das Pflaster des Parkplatzes gebrochen, was darauf hinwies, dass der Laden schon vor einer ganzen Weile aufgegeben worden war.
Das Hauptgebäude der kleinen Firma war ein längliches, zweigeschossiges Bauwerk, in dem sich die Fahrzeugreparaturbuchten befanden, in denen jetzt allerdings die Hebebühnen, Ersatzteilregale und Werkzeuge fehlten. Links davon befand sich ein Bürogebäude mit einem Wartebereich und einer Sanizelle im Unter- und einem kleinen Apartment im Obergeschoss. Rechts war ein Lager, in dem sich dieser Tage abgesehen vom Geruch von Chemikalien und Kunststoffteilen nichts weiter fand. Die drei Gebäude waren durch kurze, mit Duraplastwänden ausgekleidete Durchgänge von kaum mehr als einem Meter Länge miteinander verbunden. Die unverkleideten Wände des Hauptgebäudes wogten und klapperten, wenn der Wind blies.
Voort, Myri und Trey verbrachten einige Minuten damit, den Bau nach Sendeempfängern abzusuchen. Als sie keine fanden, verwendeten sie einige weitere Minuten darauf, selbst welche anzubringen, winzige Abhörgeräte und Holokameras, die sie über Bewegungen auf den Verkehrsspuren draußen informieren und verstohlene Besucher rechtzeitig ankündigen würden. Sie klebten Bahnen aus undurchsichtigem schwarzem Flimsiplast über sämtliche Fenster. Trey stieg aufs Dach, um am dort befindlichen Schild ein Banner anzubringen, das verkündete: IN KÜRZE: BINIS GLEITERPARADIES.
Sie parkten den Speeder im Haupthaus. Ihre Taschen kamen ins Bürogebäude, wo Trey in der einzigen Geschäftszentrale die Kommunikations- und Computerausrüstung aufbaute, die sie mitgebracht hatten. Er warf einen Blick auf den Monitor und schüttelte den Kopf. »Bislang keine Blitzübertragung von den Blasterbatteriedroiden.«
Voort spähte über Treys Schulter, konnte den Zahlen und Updates, die über den Bildschirm flackerten, jedoch keinen Sinn entlocken. »Und was bedeutet das? Dass sie entdeckt wurden? Vielleicht behält die Armee sie monatelang als Beweismittel auf Coruscant.«
Trey schüttelte den Kopf. »Neeee … Sie sind unterwegs zur Fey’lya-Basis, wo sie noch früh genug eintreffen werden. Doch falls der Stützpunkt fürs Erste über ausreichend Blaster verfügt, könnte es einige Tage oder Wochen dauern, bevor sie ausgepackt und ausgegeben werden.«
Voort grunzte. »Nun, dann sollten wir die Sache lieber beschleunigen.« Myri und Trey sahen ihn mit ausdrucksloser Miene an. Er entgegnete ihre Blicke und schüttelte langsam den Kopf. »Ihr habt nicht die geringste Ahnung, wovon ich rede, oder?«
»Nein.« Myri klang verwirrt. »Eigentlich sollen wir abwarten, bis einige der Droiden aktiv sind, um dann nach und nach die Daten zu sammeln, die sie uns schicken …«
»Was, wie Trey gerade sagte, Tage oder Wochen dauern könnte, bis es so weit ist.« Voort versuchte, die Ungeduld, die er empfand, nicht in die Stimme sickern zu lassen. »Aber was wäre, wenn, sagen wir, mehrere Truppler des Stützpunkts hier auf dem Planeten etwas erlebten, was ihre Blastergewehre außer Gefecht setzen würde?«
»Dann würde man ihnen neue zuteilen.« Trey strahlte. »Und die neuen, die man ihnen zuteilen würde, wären dann unsere, oder zumindest wären unsere dadurch weiter vorn in der Warteschlange, und man würde sie für einen Check aus der Kiste holen, sodass die Droiden sich aktivieren könnten …«
Voort schenkte ihm ein zustimmendes Nicken. »In diesem Gewerbe wartet man nicht darauf, dass gewisse Dinge passieren, mein Junge. Man sorgt dafür, dass sie passieren.«
Myri grinste. Offensichtlich freute sie sich auf die Lektion in puncto altmodischer Gespenster-Einsatztechniken, die ihnen bevorstand. »Schieß los!«
»Diese Masche baut auf der Tatsache auf, dass Ackbar-Stadt keine eigene Polizei oder Sicherheitsbehörde besitzt.« Voort dachte einen Moment lang nach. »Wir brauchen … eine ziemlich kleine hydraulische Metallpresse, die nicht mit uns in Verbindung gebracht und in unserem Gleiter transportiert werden kann. Sechs bis acht Adressen von verlassenen Häusern in sozial schwachen Bezirken. Sechs bis acht unregistrierte Wegwerf-Komlinks, um Anrufe bei der Militärpolizei zu tätigen. Ein zweites Pseudoversteck, ganz ähnlich wie dieses hier, das wiederum nicht zu uns zurückzuverfolgen ist. Sprühfarbe in verschiedenen Farben. Verkleidungen für dich und Trey. Und, falls möglich, Audioaufnahmen von vor Wut tobenden kowakianischen Echsenaffen.«
Trey grinste. »Ich glaube, die Sache könnte mir gefallen.«
Stunden später blieben zwei Armeesoldaten – ein Mann und eine Frau, beides Menschen – vor der Vordertür der kleinen Behausung stehen. Eigentlich konnte man den Bau beim besten Willen nicht als Zuhause bezeichnen, handelte es sich doch um kaum mehr als ein Rattenloch aus Fertigbauteilen, das aussah, als habe es sein Dasein als Teil einer Durastahlrohrleitung von drei Metern Durchmessern und fünfzehn Metern Länge begonnen. Anschließend war das Rohr der Länge nach in zwei Hälften gesägt, auf ein Permabetonfundament gesetzt und an beiden Enden mit Wänden und Türen darin versehen worden, ehe man das ganze Ding in einem scheußlichen Erdton strich – und fertig war es, das Heim für Leute ohne Geld, ohne Geschmack oder beides. Die Hütte fügte sich nahtlos in das Armenviertel ein, in dem sie stand.
Die Soldatin, auf deren Namensschild SGT. DOBI stand, drückte auf den Klingelknopf neben der Tür. »Ich hasse Einsätze wegen häuslichen Unfriedens. Die Leute geraten aneinander und gehen sich lautstark an die Gurgel. Dann tauchen wir auf, um die Ordnung wiederherzustellen, und sie stürzen sich mit Vibroklingen auf uns, als könnten wir irgendwas für ihre Probleme.«
Der Mann, dessen Abzeichen ihn als CPL. VITKINS auswies, schüttelte den Kopf. »Bei diesem hier gab’s Tierlaute. Bei wie vielen davon gibt’s schon Tierlaute?«
»Also, in Ordnung, vielleicht hetzen sie uns stattdessen ja auch Sandpanther auf den Hals.«
»Du bist so eine Pessimistin.«
Das Licht über dem Eingang ging an, und die Tür glitt beiseite. Direkt dahinter stand ein Mann – ein großer Mensch von kräftiger Statur in grauer Arbeitskleidung. Es war unmöglich, viel von seinem Gesicht zu erkennen, da die eine Hälfte mit einem weißen Verband umwickelt war und die andere von bläulichen Blutergüssen dominiert wurde. Sein rechter Arm hing vom Unterarm bis zum Ellbogen in einer Schlinge, die wirkte, als sei sie aus zerrissenen Bettlaken improvisiert.
Der Kerl spähte unter einem Wust schwarzen Haars mit traurigem Blick zu den beiden Trupplern hinaus. »Ka’ i Ih’n hef’n?«
Sergeant Dobi unterdrückte ein mitfühlendes Seufzen. »Ein Passant hat die hiesige Wachstation kontaktiert und eine Ruhestörung gemeldet. Wir müssen uns mit Ihnen unterhalten. Drinnen.«
»Türlich.« Der Bewohner trat beiseite, um sie reinzulassen.
Drinnen schauten sie sich um. Der Raum war beinahe leer – zwei Klappstühle aus Durastahl und ein klappriger Holztisch mit einem Monitor darauf stellten das gesamte Mobiliar dar.
Der Mann begann, sich zu rechtfertigen, kaum dass die Vordertür ganz zugeglitten war. »Mei Mibwohna un i hatt’n Ftreit.«
Sergeant Dobi nickte. »Und es sieht ganz so aus, als hätten Sie dabei den Kürzeren gezogen.«
»Wie imma.«
»Wie immer … So was kommt also regelmäßig vor?«
»Jed’s Ma’, wenna corellian’sche Äpf’l ischd.«
Die Truppler sahen einander an. Corporal Vitkins holte sein Datapad hervor. »Welche Spezies wird denn nach dem Verzehr corellianischer Äpfel gewalttätig?«
»Nu’ eine. Gen’tisch mod’fizierte kowakian’sche Echs’aff’n.«
Sergeant Dobi überprüfte sein Blastergewehr, um sich zu vergewissern, dass es auf Betäubung eingestellt war und volle Energie hatte. »Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder? Genetisch modifiziert?«
»Oh, ea iss riesisch. Annahalb Meta groß.«
Corporal Vitkins warf dem Mann einen entsetzten Blick zu, ehe er auf dem Datapad einige kurze Suchläufe durchführte. »Hören Sie, mir liegen weder ein Miet- noch ein Kaufvertrag für dieses Gebäude vor und auch keinerlei Aufzeichnungen darüber, dass sich irgendwo auf Vandor-3 ein modifizierter kowakianischer Echsenaffe aufhält.«
»Wia sin’ gestan ers’ eingzog’n. Un üba ihn gib’s kei Aufzeichnung’n. I … hab’n auf’n Planet’n g’schmuggld.«
Vitkins verstaute rasch das Datapad und checkte sein Gewehr. »Ein gefährliches Tier …«
»Ea iss nich g’fählich! Die Wi’kung vonne Äpf’l had scho wida nachg’lass’n. Woll’n Se mit’m red’n? Ea machd neb’nan ’n Nickachen.«
Dobi nickte. »Ja, rufen Sie ihn her.«
»Palpy? Komm hea, Palpy!«
Durch die Tür zum Nachbarraum drangen Geräusche: ein dumpfer Aufschlag, gefolgt von einem schlurfenden, scharrenden Laut, der dafür sorgte, dass sich Dobis Nackenhaare aufstellten. Die Tür glitt beiseite und gab den Blick auf die Dunkelheit dahinter frei.
Und dann ertönte die Stimme des Bewohners hinter den Trupplern – bloß, dass sie jetzt nicht mehr im Mindesten schmerzverzerrt oder undeutlich klang. »Keine Bewegung! Ich ziele mit Blasterpistolen auf eure Rücken, und vom anderen Raum aus werdet ihr ebenfalls ins Visier genommen. Soldaten, ihr seid jetzt Gefangene der Vierfach Verbundenen Militanten Pazifisten.«
Dobi stieß ein inniges Seufzen aus. »Ich hasse Einsätze wegen häuslichen Unfriedens.«
Erst, als eine vierte Einheit auf eine vierte Ruhestörungsmeldung reagierte und verdächtig lange brauchte, um zu melden, dass sie ihren Auftrag erledigt hatte, fielen dem Wachhabenden der Nachtschicht im Wachhaus der lokalen Militärpolizei die Ungereimtheiten auf. Er schickte eine weitere Einheit zur ersten Adresse, wo sie Dobi und Vitkins in der verwaisten Hütte fand, fachmännisch gefesselt und rasend vor Wut. Die Blaster der zusammengeschnürten Truppler – sowohl ihre Gewehre als auch ihre Pistolen – waren fort. Den Trupps, die zu den anderen Einsatzorten entsandt wurden, bot sich ein identisches Bild – gefesselte und entwaffnete Soldaten, die Geschichten über einen genetisch modifizierten Echsenaffen zum Besten gaben. Der leitende Offizier gab die Anweisung heraus, dass sämtliche Einsätze wegen vermeintlichen häuslichen Unfriedens mit größtmöglicher Vorsicht zu behandeln seien und dass die Einheiten, die den jeweiligen Fällen nachgingen, aus mindestens vier Trupplern zu bestehen hätten.
Allerdings gingen in dieser Nacht keine weiteren fingierten Anrufe wegen Ruhestörung mehr ein. Bei Einbruch der Morgendämmerung hatten Ermittler der Armee das hiesige Hauptquartier der bislang unbekannten Vierfach Verbundenen Militanten Pazifisten ausfindig gemacht – einen kleinen Mietschuppen, in dem eine altersschwache hydraulische Presse stand. Zusammengepresster Schrott, bei dem es sich vormals um die Blaster von acht Trupplern gehandelt hatte, übersäte den Boden. Frische Graffiti verzierten die Innenwände des Schuppens – Slogans, die jede Art von Gewalt ablehnten. Jede Art von Gewalt außer der, die die Vierfach Verbundenen Militanten Pazifisten ausübten, um ihre Ziele durchzusetzen.
Die Armee erließ Haftbefehl gegen zwei Verdächtige: gegen einen schwer bandagierten Mann, menschlich, und eine Frau in einem schweren Gewand, von unbekannter Spezies. Die Spur der friedliebenden Terroristen schien allerdings komplett im Sande zu verlaufen.
Voort saß da und betrachtete den Monitor von Treys Computer, der eine Videoeinspeisung von der Holokamera auf dem Dach empfing. Die Holokamera war einige Blocks entfernt auf einer Metallhütte montiert, dort, wo sich die Hydraulikpresse befand. Selbst jetzt parkten Luftgleiter der Armee davor, und Leute von der Spurensicherung gingen in dem Gebäude ein und aus. »Genau wie in alten Zeiten … So verbringen Gespenster ihren ersten Tag in jeder neuen Stadt.«
Myri, die sich im hinteren Teil des Büros auf einer Pritsche ausstreckte, ohne zu schlafen, gähnte. »Ermüdend. Aber irgendwie ganz spaßig.«
Voort nickte. »Hätten wir ein, zwei Tage mehr Zeit, könnten wir für mich ein riesiges Echsenaffenkostüm anfertigen. Aber man muss nun einmal mit den Einschränkungen arbeiten, die eine Mission mit sich bringt.«
»Ich werde Bhindi sagen, dass sie den Blasterraub auf Coruscant den Vierfach Verbundenen in die Schuhe schieben sollte.« Myri gähnte wieder. »Nachdem ich ein bisschen geschlafen habe. Du weißt schon, um dafür zu sorgen, dass es sich anhört, als seien die Vierfach Verbundenen weit verbreitet. Einfach Respekt einflößender.«
Trey, der im Sessel zusammengesunken war, tauchte für einen kurzen Moment aus den Untiefen des Schlafs auf. »Gute Idee.« Dann konzentrierte er sich auf den Bildschirm und runzelte die Stirn. »He, wir haben eine Blitzübertragung von einem der Droiden empfangen.« Er griff nach oben, um über den Monitor zu streichen und das Bild der fernen Hütte wegzuwischen, das daraufhin von einer Reihe von Datenfeldern ersetzt wurde. Die Inhalte einiger Felder blinkten. Trey blinzelte ebenfalls. »Batteriedroide 12 hat sich soeben als aktiv gemeldet.«
Voort erlaubte sich einen zufriedenen Blick, von dem er wusste, dass Trey ihn nicht zu deuten wissen würde. »Möglicherweise hat das überhaupt nichts mit dem zu tun, was wir letzte Nacht gemacht haben. Aber …«
Trey überflog den Datenschirm. »Aber es ist immer besser, selbst die Initiative zu ergreifen, als bloß zu reagieren. Lektion gelernt.«