32. Kapitel
CHAKHAM-MILITÄRBASIS
General Thaal widerstand dem Drang, das Gesicht zu verziehen, als er dem Fremdweltler die Hand schüttelte. Sie hatten ihm nicht gesagt, dass die Kreatur regelrecht – stank. Aus ihrem Maul drang ein schwacher, aber unausweichlicher Geruch – süßlich, verrottend. Thaal schluckte einfach den Anflug von Übelkeit herunter und sprach weiter. »Wie ich höre, haben Sie in der Zeit, die ich hierher unterwegs war, bemerkenswerte Fortschritte in unserer Sprache gemacht.«
»Das ist … meine Gabe.« Botschaft-die-emporsteigt schüttelte die Hand des Generals. »Ein Botschafter wird mit dieser Gabe geboren. Ein Durchsetzer mit mächtigen Klauen und Kiefern. Und ein Sammler hat Stacheln, die Stein schneiden.«
»Dann ist Ihr Kiefer etwa nicht mächtig?«
»Meiner – klein.«
Thaal zwang sich, nicht zu erschaudern. »Nun, den Formalitäten muss Genüge getan werden. Als Krieger-König der Galaxis erkenne ich Sie als Botschafter Ihres gesamten Volkes an und wünsche, mit Ihrer Art in Wohlstand und Frieden zu leben. Und apropos Wohlstand …« Er streckte die Hand aus. Ein Adjutant reichte ihm ein zusammengerolltes Stück Flimsi, das Thaal Botschaft-die-emporsteigt präsentierte. »Dies ist die Besitzurkunde der Welt Bastion, eine meiner vielen Welten, für euren eigenen Krieger-König. Wenn er Bastion einen Besuch abstattet, wird er feststellen, dass der Planet ganz bezaubernd ist. Wie ich höre, sind die dortigen Höhlensysteme ausgesprochen sehenswert. Womöglich möchte er sie nach seinen eigenen Vorstellungen umgestalten und dort viele neue Kolonien gründen, um seinen Ruhm zu mehren.«
Botschaft-die-emporsteigt verbeugte sich. »Ich werde ihm das Dokument überbringen, sobald die ersten Träger mit seinen Geschenken für Sie eintreffen.«
Als er den Verhandlungsraum mit der kristallinen Juwelenschachtel des Fremdweltlers in den Händen verließ, lächelte Thaal. Er hielt seine Stimme gesenkt, sodass bloß sein Adjutant ihn hören konnte. »Ein ausgezeichneter Tag bislang.«
»Ausgezeichnet, in der Tat, General.«
»Ob Staatschef Reige wohl überrascht wäre, wenn er jemals dahinterkäme, dass ich gerade seine Hauptwelt verschenkt habe?«
Der Adjutant wahrte eine ernste Miene. »Absolut, General.« Doch Thaal glaubte, den Mann leise kichern zu hören.
TIARAKAMM-ANWESEN, NORDWESTLICH VON KURA-STADT
Sie ließ die Tür hinter sich zugleiten und sperrte alles aus, was nicht in die Zufluchtsstätte ihres neuen Zuhauses gehörte. Ledina Chott lehnte sich mit dem Rücken gegen die Außentür und blickte an sich selbst hinab. Das Kleid, das sie trug und das heute Morgen frisch gebügelt und strahlend weiß gewesen war, wirkte jetzt ein wenig matter. Ein Tag voller öffentlicher Auftritte hatte dafür gesorgt, dass ihre Kleidung am Ende ebenso durchhing wie ihre Energie, und auf dem Stoff waren lila-blaue Schmierflecken, wo ein überenthusiastisches kleines Mädchen sie mit seinen mit Essen besudelten Händen umarmt hatte.
Dennoch streifte Ledina lächelnd ihre Schuhe ab. Nach zwei kurzen Jahren des Ruhms und Wohlstands hatte sie sich noch immer nicht daran gewöhnt, und sie hoffte, dass sie das auch niemals tun würde. Oder dass sie irgendwann zu übersättigt davon wäre, um sich über ein kleines Kind mit schmutzigen Händen zu freuen, das sie bewunderte. Sie durchquerte die Eingangshalle und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer. »Zwölfsaiter? Was gibt’s zum Abendessen?«
Ihr Haushälterdroide antwortete nicht.
Sie ging ins Wohnzimmer. Das Zimmer war zwei Etagen hoch, größer als das Haus, in dem sie ihre gesamte Kindheit verbracht hatte, und voll mit teuren Möbelstücken. Die Wände zierten Holos von einigen ihrer Konzerte. Eigentlich hätte sie Holos von einigen der Sänger und Schauspieler vorgezogen, die sie mochte, aber ihr Presseagent hatte es so gewollt, damit Leute, die sie zu Hause besuchten, an nichts anderes erinnert wurden als an Ledina Chott.
»Hallo, Ledina.« Die Stimme gehörte nicht Zwölfsaiter – sie war tief, rau, männlich.
Erschrocken wirbelte Ledina herum. Ihr Besucher stand in dem Flur, der zu den Schlafzimmern führte. Kräftig, mit gelber Haut, dunklem Haar und dunklem Bart, lehnte er mit einer Lässigkeit an einer der Steinwände, als sei dies in Wahrheit sein Zuhause. Er trug legere Kleidung in Weiß und Hellbraun, die für einen Tag beim Segeln angemessen gewesen wäre. Ledina erkannte das Logo des Herstellers auf der Brust und wusste, dass dieses eine Ensemble so viel kostete wie ein neuer Düsenschlitten. Sie dachte daran, sich umzudrehen und zur Vordertür hinauszustürmen – aber dann erkannte sie ihren Besucher. »Oh! Thadley Biolan. Persönlich! Sie haben mich wirklich erschreckt.«
»Das tut mir ausgesprochen leid.« Er trat vor und streckte eine Hand aus. »Ihr Droide hat mich reingelassen. Es ist mir eine große Freude, Sie endlich kennenzulernen.«
Sie reichte ihm die Hand und erwartete, dass er sie schütteln würde. Stattdessen beugte er sich jedoch nach vorn und gab ihr einen altmodischen Handkuss. Sie zog die Hand zurück und hoffte im selben Augenblick, sie nicht zurückgerissen zu haben. »Ich bin diejenige, der es leidtun sollte. Sie treffen mich unmittelbar nach einem Tag voller Öffentlichkeitsarbeit an. Ich sehe schrecklich aus.«
»Unsinn! Sie sind … wunderschön.«
»Kann ich Ihnen einen Drink anbieten? Zwölfsaiter!«
»Er sagte etwas von Energieschwankungen. Vielleicht lässt er das gerade eingehender überprüfen.«
»Sie.«
»Ja, ich meinte: sie.« Thadley wandte sich ab und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Er lächelte, als er die kristallenen Glühstabgehäuse auf einem Beistelltisch sah, allesamt schwebende Stäbe in verschiedenen Farben. »Ah! Wie ich sehe, hat Ihnen der Stimmungsmacher so gut gefallen, dass Sie ihn aufgestellt haben.«
»Ich weiß all Ihre Geschenke zu schätzen. Ich danke Ihnen sehr.« Ledina zwang einen Hauch von Dankbarkeit in ihre Stimme. Es war tatsächlich so, dass ihr die Präsente und seine Nachrichten, in denen er ihre Musik pries, gefallen hatten. Allerdings weckte ihre erste persönliche Begegnung nicht die Gefühlsregungen in ihr, die sie erwartet hatte. Stattdessen war sie – beunruhigt. »Ich muss Zwölfsaiter suchen – um ihr eine Standpauke zu halten, weil sie nicht zur Verfügung steht.«
»Nein, nein.« Er drehte sich um und sah sie wieder an, ohne dass das Lächeln sein Gesicht verließ. »Ich bin Tausende von Lichtjahren gereist, um Sie zu sehen. Ich bin vorhin erst angekommen. Bitte, widmen Sie mir fünf Minuten Ihrer Zeit. Ich möchte Ihnen einen geschäftlichen Vorschlag unterbreiten.«
»Geschäftlich.« Sie verspürte einen Anflug von Erleichterung. »Natürlich. Aber ich sollte meine Managerin per Kom zuschalten, damit sie dabei ist und Sie ihr gegenüber später nicht alles noch einmal wiederholen müssen.«
»Ach, die Angelegenheit ist so simpel, dass es Ihnen nicht schwerfallen wird, sich an die Konditionen zu erinnern, die ich Ihnen anzubieten habe.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich möchte, dass Sie einen privaten Dienstleistungsvertrag mit mir schließen. Für fünf Standardjahre, von mir verlängerbar, falls ich es wünsche. Als Vergütung bekommen Sie, was immer ich Ihnen zugestehe.«
In der Hoffnung, dabei so unauffällig zu wirken, wie man es ihr gezeigt hatte, drückte Ledina mit dem Daumen den unsichtbaren Knopf hinein, der in den Ring an ihrer rechten Hand eingelassen war. Dann wirbelte sie herum und rannte zur Tür.
Die Tür voraus glitt bereits auf, ehe sie auch nur nah genug war, um den Sensor auszulösen. Auf der Schwelle standen zwei Männer in braunen Uniformen, deren Krägen mit stilisierten Zähnen verziert waren.
Ledina wandte sich nach rechts und stürmte auf den Flur zu, aus dem Thadley aufgetaucht war.
Ein weiterer Uniformierter, der aus dem schattigen Innern ihres Musikzimmers trat, packte sie am Handgelenk und hob sie hoch. Er ignorierte ihre Tritte und wirkungslosen Schläge und trug sie zu Thadley zurück.
Thadley seufzte. »Offensichtlich werden sich die Verhandlungen eine Weile hinziehen.« Er kratzte sich am Bart. »Und ich hasse dieses Ding.« Gereizt zerrte er an einer seiner Koteletten und zog dann den Vollbart komplett vom Gesicht, um darunter sonnengebräunte Haut zu enthüllen, deren natürliche Farbe der von Ledinas eigener entsprach. Zwischen Bart und Haut spannten sich dünne Fäden transparenten Klebstoffs. Er begann, ihn wegzurubbeln.
Ledina starrte ihn an, und einen Moment lang verdrängte Überraschung ihre Furcht. »Sie sind dieser General! Sie waren heute in den Nachrichten.« Dann spürte sie einen Stich in der linken Schulter, wie von einem wütenden Insekt. Sie wirbelte gerade noch rechtzeitig herum, um zu sehen, wie eine uniformierte Frau mit dreckig braunem Haar und trübem Blick einen Injektor aus ihrem Arm zog.
»Nein!« Ledina trat nach dem Mann, der sie festhielt, und schlug nach der Frau mit dem Injektor. Zwar traf sie ihr Ziel, doch schon wich alle Kraft aus ihren Gliedern. Dann spülte Benommenheit über sie hinweg, gefolgt von finsterster Dunkelheit.
Ein Schnapphund mühte sich ab, Ledina über seine Schulter zu wuchten.
Thaal bedachte den Mann mit einem leicht missbilligenden Blick. »Vorsicht, Lieutenant. Sie ist zierlich. Sie ist eine Künstlerin.« Er rubbelte sich die letzten Reste Klebstoff vom Gesicht und reichte einem anderen Truppler den falschen Bart. »Ihr Ring ist ein Notsignalgeber. Schalten Sie ihn aus. Gehen wir.« Er übernahm die Führung zur Tür und trat als Erster in die Nacht hinaus.
Zwei Stunden später saß der Mann mit der gelben Haut, dem dunklen Haar und dem Vollbart auf dem Rücksitz des teuren Luftgleiters, während sein Fahrer den halben Block von Ledina Chotts Zuhause zu Fuß zurückging. Dort befanden sich mehrere Speeder der Garde von Kura-Stadt, deren Blaulichter überall rings um das Gebäude aufblitzten. Man hatte Absperrungen errichtet, damit niemand das Anwesen ohne Erlaubnis der Gardisten betreten konnte. Der Mann mit dem Vollbart verspürte einen Anflug von Besorgnis. Das war nicht gut.
Sein Fahrer kehrte zurück und rutschte hinters Steuer. »Sie wurde entführt.«
»Entführt? Wer hat sie entführt?«
»Unbekannt. Ich habe einige Credits springen lassen und glaube, dass ich einige konkrete Antworten bekommen habe, aber sie wussten selbst nur sehr wenig. Es passierte vor ein paar Stunden. Der Haushälterdroide hat offenbar einen Störimpuls verpasst bekommen und nichts gesehen. Es gibt keinerlei Hinweise auf Gewalt, und es wurde auch keine Lösegeldforderung zurückgelassen. Sie hat ein kurzes Notsignal übermittelt, das jedoch nach weniger als einer Minute abbrach.«
Der Mann mit dem Vollbart lehnte sich bestürzt nach hinten. »Zurück zur Basis. Wir müssen herausfinden, was hier vorgefallen ist.«