10. Kapitel

Voort stieß auf Gamorreanisch eine unablässige Litanei grunzender und quiekender Beschwerden aus, während Trey methodisch jede Oberfläche, Nische und Ecke, jedes Regal, jede Schublade und sogar die Unterseiten der Möbel in der Kabine des Unteroffiziers absuchte und scannte, die Bhindi zugeteilt worden war. Es war nicht so, dass Voort tatsächlich unzufrieden gewesen wäre, vielmehr würden die Laute, die er von sich gab, jeden, der sie vielleicht mit einem Abhörgerät belauschte, ablenken.

Schließlich wandte sich Trey dem glänzenden weißen Datapad zu, das auf dem winzigen Ausklappschreibtisch der Kabine lag. Er nahm das Datapad auf, schaltete es aus und klappte es zu. »Das war’s. Keine Mikrofone in den Wänden oder den vorhandenen Gegenständen. Bloß ein unscheinbares Datapad, das auf einem Regal zurückgelassen wurde, auf Aufnahme gestellt.«

Bhindi, die ausgestreckt in der unteren Koje lag, seit Trey sie fertig gefilzt hatte, warf ihm einen enttäuschten Blick zu. »Das gute, alte Imperium hätte jeden einzelnen ihrer Offiziere überwacht. Jedenfalls behaupten das die alten Hasen. Ich fühle mich vernachlässigt. Ruf die anderen rein, Sieben.«

Voort schlug dreimal gegen die Schottwand an achtern und ging dann zur vorderen Wand, um das Klopfzeichen hier zu wiederholen.

Innerhalb weniger Sekunden kamen die drei übrigen Gespenster herein und füllten die kleine Kabine weit über die Kapazität hinaus, die noch angenehm gewesen wäre. Trey schwang sich in die obere Koje, um sich und den anderen mehr Platz zu verschaffen. »Ich habe die Bauteile wieder zusammengesetzt. Wir haben drei hässliche, recht gut erkennbare Blaster, von denen die Imperialen nichts wissen – theoretisch. Allerdings können wir sie nicht ausprobieren, ohne dabei jede Menge Lärm zu machen.«

Bhindi reckte sich, als sei ihr das gleichgültig. »Dann werden wir dir wohl einfach vertrauen müssen. Mit unserem Leben …«

Trey zuckte zusammen. »Hör auf damit.«

Sobald die Tür zum Gang zugeglitten war, wandte Turman sich an Bhindi. »Das war ja eine grässliche Darbietung.«

Sie warf ihm einen gekränkten Blick zu. »Eigentlich fand ich, dass ich mich ziemlich gut gemacht habe.«

»Oh, Tonfall, Verhalten, deine Hingabe an die Rolle … Das war alles bestens. Doch die Rolle selbst – eindimensional, ohne irgendetwas, worauf ein Publikum anspringen würde.«

»Vielleicht hätte ich dir vorher sagen sollen, dass männliche imperiale Militärs bekanntermaßen eine Schwäche dafür haben, aufgewühlte Frauen mit dem IQ eines Banthas aufzunehmen.« Bhindi seufzte. »Alle mal herhören. Der Kapitän hat seinen vorläufigen Bericht über uns, seine jüngsten Geretteten, mit Sicherheit bereits übermittelt und wartet auf Befehle. Sofern meine Erfahrungen mit der Flotte der Neuen Republik irgendein Anhaltspunkt sind, wird man ihn anweisen, uns an Bord zu behalten und seine Patrouille fortzusetzen, bis sein Kurs ihn in die Nähe eines Ortes führt, wo er uns mit minimalem Zeitverlust und ohne dafür viele Ressourcen aufwenden zu müssen, absetzen kann. Was uns vielleicht einen Tag Zeit verschafft. Mit etwas Glück zwei.«

Jesmin saß am Fußende von Bhindis Koje. »Bislang hatten wir ziemlich viel Glück.«

Bhindi nickte zustimmend. »Bislang hatten wir schreckliches Glück. Bis hin zu dem Schiff, das uns ›gerettet‹ hat. Da dürfte es uns wohl auch gelingen, lange genug an Bord zu bleiben, um irgendwo hinzugelangen, wo wir noch weitere Raumfahrer einsammeln können.«

»Wir hätten Piggy nicht mitnehmen sollen.« Das war Scut. Er sprach recht monoton, ein sonderbarer Widerspruch zu seiner lächelnden Miene. »Diese ganzen Meldungen über Zwischenfälle … Irgendwem wird auffallen, dass dabei immer von einem ›gamorreanischen Gepäckträger‹ die Rede ist. Seine Anwesenheit bringt uns in Gefahr.«

»Vielleicht.« Bhindi klang gelangweilt. »Allerdings ist Sieben ein echter Veteran und erfahren genug, nicht namentlich über jemanden zu sprechen, wenn wir uns hinter feindlichen Linien befinden. Was auf dich, Sechs, und sogar auf dich, Fünf, nicht zutrifft – noch nicht. Ganz zu schweigen davon, Sechs, dass du etwas vergessen und einen Namen benutzt hast, den er überhaupt nicht mehr trägt. Und hier ist noch ein weiterer Grund dafür, warum er zu uns gehört: Sagen wir mal, die nächste Phase dieser Operation verläuft perfekt und sorgt dafür, dass wir uns am Ende im Besitz der Erschütterer befinden. Was dann?«

Scut schüttelte den Kopf. Die Bewegung ließ die zu großen Ohren seiner Neoglith-Maske wackeln. »Das hast du uns noch nicht gesagt.«

»Schlechte Antwort. Vielleicht sogar eine verhängnisvolle Antwort.« Jetzt war Bhindis Stimme schroff. »Nehmen wir mal an, dass ich bei der Übernahme der Erschütterer einem Herzanfall erliege und tot umfalle. Ich habe euch zwar den Rest des Plans noch nicht erklärt, aber ihr kennt eure Missionsziele. Sechs, was machen wir dann?«

»Wir … nehmen Kurs auf einen sicheren Hafen, schätze ich.«

Bhindi seufzte. »Falsch. Zwei?«

Turman runzelte die Stirn. »Wir nehmen Kurs auf einen Hafen, wo wir kriegen können, was wir brauchen. Wie beispielsweise die Parabaw-Station, ein Schmugglerhafen hier im Äußeren Rand.«

»Falsch. Allerdings nicht ganz so falsch. Vier?« Sie hob einen Fuß und stieß mit dem Zeh gegen die obere Koje.

Trey zuckte mit den Schultern. »Ich bin bloß hier, um die Muskeln spielen zu lassen, eure Komlinks zu reparieren, wenn sie den Geist aufgeben, und ansonsten eine gute Figur abzugeben.«

»Das ist zwar wenig hilfreich, aber korrekt. Fünf?«

Jesmin grinste zu ihr rüber. »Ich weiß, wo das hier hinführt, deshalb passe ich.«

»Fünf, du verhältst dich gleichzeitig feige und klug. Sieben?«

»Die vordringlichste Aufgabe ist die Arbeitsteilung.« Voort war überrascht, wie leicht er sich wieder in derartige Planungsgedanken hineinfand. »Wir haben eine für dreißig Mann ausgelegte Minikorvette des Militärs, die sich jetzt in den Händen von einer aus sechs Leuten bestehenden Besatzung befindet, was bedeutet, dass wir alle rund um die Uhr wach und auf Station sein müssen, um wie Jawas auf Kaf zu schuften, bis wir schließlich wieder eine vollständige Mannschaft an Bord haben. Vier, du übernimmst den Maschinenraum, und du wirst alle Mühe haben, alles am Laufen zu halten, bis wir im Hafen sind. Eins, du bist einem Herzinfarkt erlegen, damit fällt es mir zu, die Brücke zu übernehmen. Zwei, du bist der Kommunikationsoffizier, denn wenn wir mit jemandem Kontakt aufnehmen müssen, können wir keinen Gamorreaner im Kapitänssessel zeigen. Außerdem fallen die Sensoren in deinen Aufgabenbereich. Fünf und Sechs, wir töten keine Gefangenen, und wir können es uns nicht leisten, einen Aktivposten wie dieses Shuttle zu verlieren, indem wir die Gefangenen darin einpferchen, den Hyperantrieb außer Kraft setzen und es wegschicken, was bedeutet, dass ihr beide die Verantwortung für die Gefangenen tragt, bis wir sie absetzen können. Da sie letzten Endes über uns aussagen werden, behalten wir unsere Codenamen und falschen Identitäten mit allem Drum und Dran bei, bis sie alle weg sind. Wir suchen uns einen Absetzpunkt irgendwo zwischen hier und der Parabaw-Station, ein Habitat oder eine Kolonie, die zu arm ist, um über ein Hyperkom zu verfügen, und zu unbekannt, um regelmäßig Besuche von Raumschiffen zu bekommen, und dort laden wir die Gefangenen dann ab. Wir machen das Shuttle dreckiger und weniger ansehnlich, weil wir uns damit zur Parabaw-Station begeben – wenn wir dort in einem glänzenden neuen imperialen Kriegsschiff auftauchen, haben sie Reißaus genommen, bevor wir sagen können: Nee, nee, wir sind auch Gauner. Unser Operationsbudget ist sehr begrenzt, daher werden wir einen der Abfangjäger für genug Credits verkaufen, um eine Mannschaft anzuheuern. Während dieser ganzen Zeit wird Zwei in seine Rolle als fiktiver Offizier der imperialen Sondereinsatzkräfte schlüpfen und dabei die Aufnahme machen, die dazu dienen soll, den General aus der Reserve zu locken. Wir übermitteln sie an Drei, damit sie auf mysteriöse Weise auf dem Schreibtisch des Generals landet. Dann …«

»Ich denke, du hast hinreichend deutlich gemacht, worauf ich hinauswollte.« Bhindis Blick wanderte zurück zu Scut. »Also, Sechs, nehmen wir ihn nun mit oder nicht?«

Es dauerte einen Moment, bis Scut antwortete. »Ja, tun wir … Eins.«

»Guter Junge.« Sie schwang die Beine aus der Koje und stemmte sich auf die Füße. »Für mich wird es Zeit, einen kleinen Rundgang zu machen, die Mannschaft zu bezirzen und mich mit dem Grundriss dieses Schiffs vertraut zu machen.« Sie sah Jesmin an. »Ich brauche eine Eskorte. Komm mit, Fili.«

Jesmin erhob sich ebenfalls. »Ich bin Dili.«

»Ups. Anscheinend bin ich ein bisschen aus der Übung.«

Turman schniefte. »Eigentlich heißt das: Ich bin langsam zu alt für so was

Nachdem Bhindi und Jesmin fort waren, bedachte Voort Scut mit einem durchdringenden Blick. »Sechs, warum hast du dir ein Gesicht angefertigt, das nicht aufhören kann zu lächeln?«

»Oh, ich kann damit aufhören.« Scut setzte sich auf die Koje, in der Bhindi gelegen hatte. Seine Mundwinkel sackten nach unten, und seine Miene wurde ernst. »Allerdings erfordert das einige Anstrengung. Der natürliche Ausdruck dieser Maske ist glücklich.« Das Lächeln kehrte zurück. Sein Blick indes blieb neutral, emotionslos.

»Warum hast du sie so gemacht?«

»Weil ich glücklich bin. Fast immer glücklich.«

»Selbst wenn du versuchst, meine Beziehung zu dieser Einheit zu vergiften?«

»Ganz besonders dann. Denn ich weiß, dass ich mein Bestes tue, um den anderen das Leben zu retten – vor der Gefahr, die du darstellst.«

»Ich bin keine Gefahr für sie. Du schon.«

»Ich werde ihnen das Gegenteil beweisen, und ich hoffe, dass ich es dir zuerst zeigen kann, damit du das einzig Ehrbare tust und abdankst.«

»Na sicher. Viel Glück dabei.« Voort verließ zornig Bhindis vorläufige Kabine und kehrte in seine eigene zurück.

Bhindi, die ein weites, durchscheinendes rosa Nachthemd trug, das sie in einem der Läden an Bord der Bastionsprinzessin gekauft hatte, trat aus ihrer Kabine in den Korridor hinaus. Gähnend streckte sie sich, als sei in der geborgten Kabine für eine derartige Aktion nicht genug Platz gewesen. Dann lehnte sie sich gegen die Rückwand des Gangs und krümmte den Rücken, um auch diese Muskeln zu dehnen. Während sie sich gegen die Wand lehnte, hielt sie das kleine, beinahe unsichtbare Holokameraobjektiv, das sie in der linken Handfläche verborgen hielt, ungefähr auf menschlicher Kopfhöhe.

Jesmin, die aus der Kabine heraus zuschaute, rollte sich aus der oberen Koje, ließ sich aufs Deck fallen und landete nahezu lautlos in der Hocke. Sie umklammerte den Griff des Lichtschwerts, das an ihrem Gürtel baumelte, um sicherzustellen, dass das Heft nicht klappernd gegen die Koje oder die Schottwand schlug. Sie war von Kopf bis Fuß in schwarzen Stretchstoff gehüllt, allein die Augen lagen frei. Sie wusste, dass sie im Dunkeln praktisch unsichtbar sein würde und kaum mehr als eine schwarze Silhouette im Hellen. Selbst der Griff ihres Lichtschwerts war jetzt mit schwarzem Klebeband umwickelt. Sie klopfte gegen die Schottwand an achtern, ehe sie hinter Bhindi in den Korridor hinaushuschte. Sie wandte sich nach rechts, in Richtung Heck, und trottete die paar Schritte zur nächsten Kabinentür.

Nicht alle Türen auf dem Gang wurden von Holokameras überwacht – dazu gehörte auch diese. Bhindi hatte dieses kleine Detail während ihrer Rundgänge auf dem Patrouillenschiff registriert.

Jesmin wartete nur einen Moment, bevor die Tür aufglitt. Eine weitere schwarze Silhouette kam heraus, die nur aufgrund ihrer unverkennbaren Muskulatur als Trey zu erkennen war. Die Tür schloss sich.

Trey hob die Hand, um einen Knopf an dem dünnen schwarzen Headset zu drücken, das sich über seine Dehnkapuze schmiegte.

Jesmin folgte seinem Beispiel. »Hier Fünf. Kamera- und Kom-Check.«

»Audio und Video sieht bei euch beiden gut aus.« Das war Voorts Stimme.

Jesmin übernahm die Führung, nach achtern.

Nach Bordzeit war es früher Morgen. Lieutenant Phison, der Bhindi bei ihrem ersten Rundgang auf dem Schiff begleitet hatte, hatte sie mit jeder Menge Informationen versorgt – mit mehr, als gut für ihn war. Dazu gehörte auch die Tatsache, dass die unmarkierte Panzertür neben dem Maschinenraum auf die »Reservebrücke« führte – allerdings deutete das offenkundige Fehlen einer Sicherheitsstation irgendwo auf dem Schiff darauf hin, dass die Reservebrücke diese Funktion vermutlich ebenfalls erfüllte.

Jesmin ließ sich auf die Deckplatten sinken und kroch einige Meter weiter, während sie darauf achtete, außer Sicht einer anderen Wandkamera zu bleiben. Trey tat es ihr gleich. Er machte ein bisschen mehr Lärm als sie, und Jesmin zuckte zusammen. Trotz Jesmins Protest hatte Bhindi darauf bestanden, dass sie diese Aufgabe nicht allein in Angriff nahm. Auf der anderen Seite des Aufnahmebereichs der Holokamera standen beide auf.

An der Gabelung mit einem Quergang blieb Jesmin stehen, als sie hinter der Ecke zur Linken näher kommende Schritte vernahm. Sie verharrte und hielt eine Hand in die Höhe, um Trey zu warnen. Dann zog sie die Hand zurück, wie um sie mit der Handfläche voran nach vorn zu rammen, um einen Stoß anzubringen, der dem Getroffenen den Atem rauben und Schmerz zufügen würde, falls das imperiale Besatzungsmitglied in ihre Richtung kommen sollte.

Es war eine Frau, eine Soldatin, die Jesmin aus dem Augenwinkel heraus nicht wahrnahm. Sie folgte einfach weiter ihrem ursprünglichen Weg, in Gedanken offenbar mit anderen Dingen beschäftigt.

Jesmin wandte sich um und sah Trey an. Sein Blick ruckte aufwärts, um ihrem zu begegnen. Seine Augen – das Einzige, das in der ganzen Schwärze von seinem Antlitz auszumachen war – schauten schuldbewusst drein. Sie runzelte die Stirn. »Hast du etwa gerade meinen Hintern angegafft?«

»Ähm … Ich bin kein so guter Schauspieler wie Zwei, darum sage ich einfach mal … ja.«

»Dafür ist jetzt keine Zeit.« Sie drehte sich wieder nach vorn und huschte an der Abzweigung vorbei.

Seine geflüsterte Erwiderung war kaum zu verstehen: »Dann wäre dafür also theoretisch irgendwann Zeit?«

»Klappe!«

Als sie zwei Weggabelungen später an der Ecke stehen blieb, hörte sie sich nähernde Stimmen – zwei, männlich. Sie machte Trey darauf aufmerksam.

Die Stimmen gehörten zwei uniformierten Offizieren, die sich beide nach vorn wandten und direkt auf Jesmin und Trey zukamen. Sie standen Jesmin direkt gegenüber, ehe der Offizier, der ihnen am nächsten war, ihren Umriss in dem trüben Korridor bemerkte. Er wandte sich ihr zu und öffnete instinktiv den Mund, um etwas zu sagen.

Jesmins Speerhandhieb traf ihn in den Solarplexus. Bloß ein gedämpftes »Uhhnn« drang über seine Lippen.

Trey ging nicht ganz so lautlos zu Werke. Er trat vor, und seine Faust donnerte gegen den Kiefer des zweiten Offiziers. Der Kopf des Mannes ruckte zu Jesmin herum, und er wankte rückwärts.

Jesmin verpasste dem ersten Offizier einen weiteren Hieb, einen Handflächenschlag gegen die Schläfe. Im selben Augenblick sprang Trey vor und fing sein aus dem Gleichgewicht geratenes Opfer auf, bevor der Mann auf die Deckplatten krachen konnte.

Jesmin packte ihren eigenen Gegner und sorgte so leise wie möglich dafür, dass er zusammenbrach. Dann warf sie Trey einen raschen Blick zu.

Sie konnten ihre Opfer nicht einfach hier liegen lassen. Selbst während einer langweiligen Schicht wie dieser herrschte in den Gängen eines Flottenschiffs regelmäßiger Verkehr. Auch konnten sie sich nicht einfach nach einem brauchbaren Versteck in ihrer unmittelbaren Umgebung umsehen. Bhindi hatte zwar einige Vorratsschränke und Systemzugänge der Erschütterer ausgekundschaftet, die für derlei infrage kamen, aber davon gab es nicht viele, und keiner befand sich in der Nähe.

Mit einem Seufzen bückte Trey sich, warf sein Opfer über die Schulter und richtete sich wieder auf. Er wandte sich an Jesmin, beugte sich von Neuem vor, als sie ihren Gegner so weit in die Höhe wuchtete, wie sie es vermochte, und dann kam Trey mit dem zweiten Mann über der anderen Schulter wieder hoch.

Sie arbeiteten sich weiter nach achtern vor. Jetzt bewegten sie sich wesentlich langsamer, und Trey, der ein wenig keuchte, machte mehr Lärm als zuvor. Auch knarzten die Bodenplatten häufiger unter seinen Füßen. Trotzdem fand Jesmin, dass er sich für einen Mann, dessen Körper aus fast zweihundert Kilo ohnmächtigem Fleisch bestand, bemerkenswert gut machte. Sie schafften es unentdeckt zum ersten von Bhindis Verstecken, einem Lagerabteil für Wäschereizubehör, und verstauten hier ihre Gefangenen. Sie fesselten beide Männer mit Stoffstreifen, die sie aus Schmutzwäsche rissen, während Jesmin wartete, ihren Blick auf die einen Spaltbreit offene Tür des Abteils gerichtet. Als das erledigt war, setzten sie ihren Weg fort.

Sie erreichten das Korridorende an achtern. Hinter ihnen befand sich der letzte der Quergänge auf dieser Ebene. Direkt voraus war eine mit dem Wort MASCHINENRAUM versehene Panzertür, und links war eine weitere, diese ohne Beschriftung.

Jesmin drückte sich neben der nicht gekennzeichneten Panzertür flach gegen die Wand. »Ich denke, hier ist der Einsatz einer Machttechnik angebracht.«

Treys Augen weiteten sich. »Willst du dir mit deinem Lichtschwert den Weg ins Innere freischneiden?«

»Wie alt bist du, sechs? Nein, das werde ich mit Sicherheit nicht tun. Hast du irgendeine Möglichkeit festzustellen, ob sich da drin eine Sanizelle befindet?«

Der Stretchstoff seiner Kapuze legte sich in Falten, als er die Stirn runzelte. »Musst du mal? Jetzt? Konntest du das nicht vorhin erledigen …«

»Kannst du das nun irgendwie feststellen oder nicht?«

»Ich kann ein Mikrofon an der Wand anbringen und lauschen. Vielleicht höre ich dabei ein Waschbecken rauschen oder die Spülung.«

»Tu’s.«

Sobald Trey das Mikrofon – eigentlich ein medizinisches Gerät – gegen die Wand gedrückte hatte und die davon abgehenden Kabel in sein Headset eingestöpselt waren, schloss Jesmin die Augen und begann sich zu konzentrieren.

Nach einer Minute flüsterte Trey: »Bislang keine Wassergeräusche. Aber jetzt muss ich allmählich mal.«

Jesmin nickte, ohne die Augen zu öffnen, und konzentrierte sich weiter.

»He, machst du das? Was machst du da?«

»Ich denke an Wasserfälle, an Weinflaschen, aus denen eingegossen wird, an laufende Wasserhähne, an sprudelnde Fontänen … und diese Eindrücke schicke ich durch die Macht raus.«

»Du Monster. Ich muss … Ich muss …«

»Verkneif’s dir, Vier. Irgendwelche Geräusche?«

»Eine Unterhaltung. Ich kann die Worte nicht verstehen, aber die Stimmen werden drängender.« Einen Moment später: »Ich verstehe diese Dringlichkeit.«

»Das geht vorbei, sobald sich die Tür öffnet.«

»Oder sobald ich mich blamiere.«

»Der Erste, der den Raum verlässt, gehört dir.« Nur wenige Sekunden später hörte Jesmin, wie sich die Panzertür mit einem Wuuusch öffnete. Sie schlug gerade rechtzeitig die Augen auf, um zu sehen, wie Trey, der jetzt direkt vor der Tür stand, dem Mann in der Offiziersuniform, der auf der Schwelle auftauchte, einen bemerkenswerten Tritt in die Leistenbeuge verpasste.

Treys Fuß traf sein Ziel und entfaltete seine verheerende Wirkung, bevor das Opfer auch nur ein überraschtes Gesicht machen konnte. Als Trey den Mann packte und ihn auf den Gang hinausriss, zuckte dieser krampfhaft und stöhnte.

Jesmin wirbelte herum, verschaffte ihrer natürlichen Geschwindigkeit mit der Macht noch einen Extraschub und hastete in die Kammer, bei der es sich um einen lang gezogenen, schmalen Raum handelte. Die vordere Wand war ein einziger vager Schemen aus Monitoren und projizierten Hologrammen, während die Wand an achtern von einer Reihe von Regalständern beherrscht wurde, die dunkle Klumpen enthielten, die Jesmin bei diesem Tempo nicht näher erkennen konnte. Weiter vorn war ein halbrunder Tisch mit zwei Stühlen, von denen einer besetzt war. Jesmin eilte zum zweiten Stuhl hinüber, wo eine hellhäutige Frau in Offiziersuniform gerade dabei war, die Hand nach einem in die Tischplatte eingelassenen Knopf auszustrecken. Jesmin krachte gegen sie und stieß ihre Finger von der Tischplatte weg. Der Stuhl war mit Gleitscheiben versehen, und die beiden Frauen sausten – von der Wucht von Jesmins Aufprall in Bewegung gesetzt – quer durch den Raum, um schließlich gegen die Rückwand zu donnern, die nackte Steuerbordschottwand.

Von der Wand gestoppt, verdrehte Jesmin sich und bohrte der Offizierin den Ellbogen in den Magen. Als die Frau daraufhin nach Luft rang, nahm Jesmin sie in den Würgegriff und drückte zu. Es dauerte nicht lange. Die Frau schlug einige Sekunden lang um sich, ehe sie zusammensackte. Jesmin behielt sie noch einige Momente länger im Griff, ehe sie sie losließ und auf den Boden legte. Die Frau holte keuchend Luft, blieb jedoch bewusstlos. Jesmin schaute auf.

Die Außentür war bereits geschlossen. Treys Opfer lag auf dem Deck ausgestreckt, und Trey stand am Schreibtisch, um die dort untergebrachten Kontrollen und Sensoren in Augenschein zu nehmen. Bei den vagen Klumpen, die Jesmin an der Rückwand erhascht hatte, handelte es sich um Trupplerausrüstung: Blastergewehre, Gürtel mit Blasterpistolen, Körperpanzer, Helme, mindestens vier volle Garnituren.

Jesmin lächelte. »Gut.«

Trey warf einen Blick in ihre Richtung. »Du hattest recht. Ich muss nicht mehr pinkeln.«

»Ich werde die HoloNet News darüber informieren.« Jesmin richtete sich auf. »Gib den anderen Bescheid. Sag ihnen, dass ich ihnen Blasterpistolen bringe. Stell sämtliche Holokameraströme zu Sieben durch, die er haben will. Er kann die anderen im Auge behalten und ihnen sagen, wann Gefahr im Verzug ist. Und du hältst mir den Rücken frei.«

Trey grinste anzüglich. »Mit dem größten Vergnügen

Nachdem Trey die Holokameraströme zu seinem Monitor durchgeschaltet hatte, verfolgte Voort die Aktivitäten des jetzt schwarz gekleideten Scut sowie die von Turman und Bhindi. Besonders Scuts nähere Umgebung behielt er aufmerksam im Auge. Falls der Yuuzhan Vong vorhatte, die Gelegenheit zu nutzen, um die anderen Gespenster zu verraten oder ihnen zu schaden, beispielweise, indem er irgendeinem Yuuzhan-Vong-Verbündeten eine Botschaft zukommen ließ, war dies eine gute Zeit dafür.

Gleichwohl, Scut – der in seinem schwarzen, eng anliegenden Ganzkörperanzug und mit der Kapuze jetzt, wo er seine Neoglith-Maske und die übrige Verkleidung abgelegt hatte, kantig und sonderbar wirkte – tat genau das, was er tun sollte. Er bewegte sich methodisch den ihm zugewiesenen Korridor entlang, blieb vor Kabinentüren stehen, bis Voort sie ferngesteuert öffnete, und trat ein. Einen Moment, nachdem sich die Tür geschlossen hatte, gab Scut mit seinem wieder zusammenmontierten Blaster mehrere Betäubungsschüsse ab.

Als Jesmin die Wege der übrigen Gespenster kreuzte, versorgte sie sie mit den Blastern, die sie an sich genommen hatte. Jetzt mussten sich die anderen nicht mehr allein auf die von Trey zusammengebauten Waffen verlassen. Jesmin selbst behielt keinen der Blaster. Stattdessen pirschte sie weiter durch die Gänge und setzte ihre bloßen Fäuste ein, um mit den Besatzungsmitgliedern fertigzuwerden, auf die sie traf.

Und die ganze Zeit über hielt Trey das Team via Headset über das aktuelle Geschehen auf dem Laufenden. »Zehn Mannschaftsmitglieder hin, zwanzig im Sinn. Tschuk-tschuk, zwei Punkte für Gespenst Vier, die Kombüse gehört uns. Zwölf, und weiter geht’s. Ähm, ich sehe hier gerade, dass sich achtunddreißig intelligente Wesen an Bord befinden, nicht dreißig. Doppel-Ähm, tut mir leid, das sind ja wir sechs und zweiunddreißig Crewmitglieder. Ich wiederhole: Zweiunddreißig Crewmitglieder – allem Anschein nach hat der Lieutenant den Kapitän und den Stellvertreter des kommandierenden Offiziers nicht mitgezählt. Dreizehn erledigt. Gespenst Fünf hat mal wieder jemandem Kopfschmerzen bereitet.«

Zehn Minuten später gehörte die Erschütterer ihnen.