19. Kapitel

Die Gespenster warteten in einer kleinen Senke, zwanzig Meter vom äußersten Sensorring entfernt. Einige hundert Meter weiter nördlich, drüben bei der Straße für Bodenfahrzeuge, befand sich das Habitatsgebäude, ein lang gezogener gelber Flachbau mit Glühstäben an Pfosten ringsum. Eine gepflasterte Landezone umgab das Gebäude, auf der eine Handvoll Luftgleiter parkten. Durch die Vorhänge schimmerte Licht aus den Sichtfenstern, doch im Gebäude selbst waren keine Personen zu entdecken. Die Gespenster hatten den Bau erst einige Minuten lang aus der Entfernung beschattet, ehe sie zu dieser Position vorgerückt waren. Ein paar hundert Meter südlich lag das Gebäude, das angeblich den Oberflächenzugang zu der geheimnisvollen Anlage unter der Erde darstellte.

Myri blieb am oberen Rand der Senke, ihr Makrofernglas auf dieses Gebäude gerichtet, das sie gut im Blick hatte. Der quadratische Bau war wie die Wellblechbauten von Ackbar-Stadt errichtet worden. Der Infrarotfilter ihres Makrofernglases zeigte es als Sieb, durch das Hitze nach außen abstrahlte. Warme Luft strömte aus einer ganzen Reihe von Spalten und Rissen längs des schrägen Metalldachs, aus einer hohen Rolltür an der Ostseite, aus verschiedenen Ventilationsöffnungen und aus etwas an der Nord- und Ostfassade, das aussah wie die Löcher herausgeplatzter Nieten. Myri ließ das Makrofernglas sinken und rutschte zwei Meter tiefer in die Senke hinab, um sich zu Scut, Turman und Bhindi zu gesellen. »Das da draußen stimmt nicht mit dem Satellitenbild überein.«

Bhindi zog an der Augenöffnung ihrer Haube herum und machte ihr Gesicht frei, um sich selbst ein wenig frische Luft zu verschaffen. »Was meinst du damit?«

»Die ganze Anlage ist größer, als auf diesem Bild zu sehen ist, mindestens dreißig Meter pro Seite und zehn Meter in der Höhe. Und das Gebäude ist von einem Permabetonhof umgeben. Nichts davon ist auf dem Satellitenbild zu erkennen.«

»Was bedeutet …« Bhindi dachte darüber nach. »Was bedeutet, dass sie sich in den Satelliten eingeklinkt haben müssen, um das, was er sieht, mit einem Standbild zu überlagern – entweder mit einem alten Scan oder mit einer computergenerierten Aufnahme. Ich wette, Vier würde das als ziemlich kniffligen Programmiertrick bezeichnen. Apropos Vier …«

Myri zuckte mit den Schultern. »Er ist oben bei der Sensormauer, die Lage checken. Fünf habe ich aus den Augen verloren, als sie ungefähr zu einem Drittel um das Gelände herum war.«

Von oben drang ein schwaches Krabbelgeräusch zu ihnen herunter, und dann tauchte Treys Kopf über dem Rand der Senke auf. Er kroch auf Ellbogen darüber und rutschte nach unten zum Fuß der Vertiefung. Auch er zupfte die Augenöffnung seiner Haube so zurecht, dass sein ganzes Gesicht zum Vorschein kam. »Gute Neuigkeiten und schlechte Neuigkeiten.«

Bhindi schenkte ihm ein frostiges Ist-das-nicht-immer-so-Lächeln. »Fang mit der schlechten an.«

»Bei dieser Sensormauer handelt es sich um einen umlaufenden Ring, der Über- und Unterschallgeräusche aussendet, genau so, wie es in diesen Tourismusinformationen steht. Außerdem sind ringsum auch Abhörsensoren und Nahbereichsbewegungsmelder – und mit Nahbereich meine ich einen Meter oder weniger. Es wird nicht ganz einfach sein, die Mauer ohne Luftgleiter zu überwinden. Und dann orte ich noch Sensoren am Gebäude selbst, die ab einer Höhe von etwa drei Metern reagieren.«

Bhindi seufzte. »Und die guten Neuigkeiten?«

»Nun, eigentlich sind wir davon ausgegangen, dass es außerdem auch noch Geräuscherkennung gibt, aber das ist nicht der Fall. Ich habe außerdem den Eindruck, als seien die beiden inneren Grenzzäune identisch ausgestattet.«

Nach dem zu urteilen, was im Mondlicht von ihrem Gesicht zu sehen war, wirkte Bhindi nicht sonderlich glücklich. »Nun, vielleicht hat Fünf ja bessere Nachrichten für uns.«

Die hatte Fünf tatsächlich. Eine halbe Stunde später schlängelte Jesmin sich über den Rand der Vertiefung nach unten, um sich zu den anderen zu gesellen. Sie entblößte ihr Antlitz nicht und zeichnete eine Skizze, indem sie einen Finger durch die Erde zog. Im Schein von Treys Glühstab, der auf minimale Leuchtkraft geschaltet war, zeigte das Schaubild das quadratische Gebäude, drei konzentrische Sensorringe, das entfernte Tierhabitat für Kinder und eine gerade Linie, die von dem quadratischen Gebäude zum Kinderhaus verlief. »Dieser Strich ist eine Furche im Boden. Dort wachsen die einheimischen Gräser und Sträucher nicht. Die Furche wirkt, als sei sie durch den konstanten Verkehr von Schwerlast-Luftgleitern in den Boden getrieben worden – von Frachtgleitern. Die Repulsorerosion hat den Boden am Fuß des Sensorzauns unterhöhlt, zumindest am äußersten Ring. Für mich sieht es so aus, als habe jemand die Erde dort ersetzt und festgestampft, aber sie haben nichts unternommen, um das eigentliche Problem zu beheben, wie etwa, ein Permabetonfundament für den Zaun zu gießen.«

Scut runzelte die Stirn. Myri verspürte einen Anflug von Mitgefühl für ihn. Er trug seine Neoglith-Gesichtsmaske und die Handschuhe mit dem Regulationsanzug darüber. Vielleicht war ihm nicht übermäßig heiß, aber Myri nahm an, dass sie in einer solchen Aufmachung längst am Rande einer klaustrophobischen Panik schweben würde.

Scut wies auf die Stellen, wo sich der Strich, der die Furche darstellte, mit den Bogen überschnitt, die die Sensorzäune repräsentierten. »Können wir uns tief genug darunter hindurchgraben, um drunter durchzukriechen?«

»Ich denke, schon – und leise genug. Zumindest wird es tief genug für mich, Eins, Zwei und Drei. Wie das mit dir und Vier ist, weiß ich nicht recht. Ihr seid ziemlich kräftig auf der Brust.«

Trey lachte. »Besten Dank, dass du meinen Dickkopf da rausgelassen hast.«

»Ich hab aber dran gedacht.«

Bhindi rückte ihre Haube wieder zurecht. »Dann gehen wir’s an. Wir graben allein mit den Händen, ohne Werkzeug. Und kein Gerede. Damit meine ich insbesondere dich, Zwei. Los geht’s!«

Turman schniefte wie beleidigt, entgegnete jedoch nichts darauf.

Sie legten ihre Blaster und die anderen unflexiblen Ausrüstungsgegenstände beiseite und gruben so leise, wie sie konnten, um die lose Erde, die sich gegen das Zaunfundament drängte, langsam und mühsam zu vertiefen und die Furche zu verbreitern. Darüber, von jemandem ohne Sichtverstärker entdeckt zu werden, machten sie sich keine Gedanken. In ihren schwarzen Regulationsanzügen, tief im Schatten und vor dem Hintergrund einer schwarzen Permabetonmauer mit einer schwarzen Metallgittersensorschicht darauf, waren sie für alles außer ganz spezielle Restlichtsensoren unsichtbar.

Jesmin ging am leisesten zu Werke, wie es sich für eine antarianische Rangerin mit umfangreicher Erfahrung in der Wildnis gehörte. Turman ermahnte sich, keine Selbstgespräche zu führen. Die Arbeit schien ewig zu dauern – die Sterne zogen über ihnen vorüber, während die Gespenster gruben. Myri konnte künstliche Objekte dort oben bei ihnen ausmachen – Schiffe, die von der Sonne des Systems erhellt wurden, befanden sich im Anflug auf die Atmosphäre oder verließen sie, Raumstationen zogen in ihren Umlaufbahnen vorüber, alles winzige Formen am Firmament.

Schließlich war der Spalt unter dem meterhohen Sensorzaun groß genug, dass selbst Trey hindurchrutschen konnte. Sie ließen sich Zeit, um durch übertriebene Hast keine unnötigen Geräusche zu verursachen, krabbelten unter dem Zaun hindurch, holten ihre Taschen und Blastergewehre herüber und rückten weiter vor. Auf Ellbogen krochen sie an der Repulsorspurrille entlang und machten sich den Sichtschutz zunutze, den diese bot, bis sie die zweite Sensormauer erreichten.

Diesmal ging alles ein bisschen schneller. Ihre Erfahrung mit der ersten Mauer hatte ihnen dabei geholfen, eine fast lautlose Buddeltechnik zu entwickeln. Es dauerte bloß eine halbe Stunde, um sich unter dieser Mauer durchzugraben. Sie befanden sich gerade auf halbem Wege zwischen der mittleren und der inneren Mauer, als der Landgleiter auftauchte.

Scut, der die Nachhut bildete, bemerkte ihn als Erster. Er tippte Myri gegen das Bein und wies just in dem Moment nach hinten, als der lange, robuste Landgleiter – ein für Frachttransport optimiertes Modell – von der Straße für Bodenfahrzeuge in den Landebereich des Kinderhauses abbog. Die Betriebslichter des Speeders waren aus; das Gefährt wurde erst sichtbar, als es unter den auf Pfosten angebrachten Glühstäben rings um das lang gezogene, gelbe Gebäude hindurchglitt. Jetzt konnte Myri auch das Brummen der Repulsoren vernehmen.

Die Gespenster erstarrten auf der Stelle. Bhindis Stimme war kaum mehr als ein Flüstern: »Ich verwette den linken Arm von Vier darauf, dass sie mit aktivierten Infrarotsensoren fahren und in diese Richtung kommen werden – ja.« Der Landgleiter schwebte über den Parkplatz und dann auf die Repulsorspurrille. »Tut alle genau dasselbe wie ich.« Sie kroch auf Ellbogen und Knien weiter auf den Innenzaun zu, jetzt schneller als zuvor.

Als der Landgleiter über den mittleren Zaun schwebte, befanden sich die Gespenster neben dem innersten Zaun. In zwei Dreierreihen lagen sie reglos in der Rille. Myri, die vorn links lag, behielt Bhindi in der Mitte im Auge. Jesmin auf der anderen Seite tat es ihr gleich.

Das Summen des näher kommenden Luftgleiters schwoll zu einem lauten Brüllen an – und dann spürte Myri den plötzlichen Druck der Repulsoren, die über sie hinwegglitten. Der Druck setzte bei den Füßen und Knöcheln ein und bewegte sich rasch den Körper hinauf. Sie malte sich aus, dass das Gefühl so ähnlich war, als würde ein Bäcker von der Größe eines Rancors versuchen, sie mit einem riesigen Nudelholz flach zu rollen.

Dann, als der Druck gerade so eben vorüber war, sprang Bhindi nur wenige Zentimeter hinter dem Heck des Landgleiters auf die Füße. Myri und Jesmin rappelten sich auf. Zusammen sprangen die drei Frauen über die Sensormauer, rollten sich auf der anderen Seite auf dem Boden ab und drückten sich dann wieder flach auf die Erde. Kein Laut war zu vernehmen, als Trey, Turman und Scut hinter ihnen landeten, und einer von ihnen – Myri nahm an, dass es Turman war – warf sich so zu Boden, dass er mit seinem halben Körpergewicht quer über Myris Beinen hing. Sie lagen reglos und schweigend da, während sich der Landgleiter weiter dem quadratischen Gebäude näherte. Myri hörte ein metallisches Rollen und Kratzen von der Ostseite des Gebäudes – vermutlich das Tor, das geöffnet wurde. Der Landgleiter bog zur Ostwand des Gebäudes hin ab und schwebte außer Sicht.

Der Repulsorlärm hallte wider und verklang. Das kratzend rollende Geräusch setzte wieder ein und war noch eine ganze Weile zu vernehmen. Dann, endlich, wurde alles still.

Myri wandte den Kopf, um nachzusehen, wer auf sie gefallen war. Doch einen halben Meter entfernt befand sich eine Spinne. Die zehnbeinige Arachnide besaß einen Durchmesser wie die geöffnete Hand eines Wookiees und war beinahe genauso haarig. Während Myri das Vieh mit großen Augen anstarrte, hob die Spinne ihre vorderen vier Beine in einer drohenden Geste himmelwärts. Myri schreckte zusammen und rührte sich nicht.

Die Vorderbeine der Spinne zuckten, aber abgesehen davon verharrte die Kreatur reglos.

Myri zog die Gesichtsmaske vom Mund weg und pustete, ein steter Atemstrom, der über die Arachnide floss und dafür sorgte, dass sich ihre Härchen bewegten. Myri hoffte, dass das die Spinne abschrecken würde und keine Einladung war, ihr ins Gesicht zu springen.

Sie hatte Glück. Die Vorderbeine der Arachnide zuckten wieder, und dann drehte sich die Kreatur um und wuselte von der Spurrille fort.

Die Gespenster warteten ein Dutzend Meter entfernt, während Jesmin ihre Aufklärung des Außenbereichs rings um das quadratische Gebäude zu Ende brachte. Dann tauchte sie an der Nordwestecke des Bauwerks auf und winkte sie zu sich. Myri und die anderen stießen an der Westwand des Gebäudes – der Rückwand – zu ihr. Sie drängten sich in der Mitte der Wand zusammen, wo Jesmin ihnen ein metallenes Wandpaneel zeigte, bei dem die meisten Nieten herausgerissen worden waren, was vermutlich daran lag, dass der Wind jahrelang daran gerüttelt hatte. Jesmin zog die Metallabdeckung ein paar Zentimeter zur Seite, und Licht strömte heraus.

Durch die Lücke konnten sie sehen, dass sich dahinter eine einzelne Halle mit einer Raumlänge von dreißig Metern befand, die in der Mitte von der verdunkelten Oberseite eines Frachtliftschachts beherrscht wurde, der seinerseits zwanzig Meter im Quadrat maß.

Jesmin wies auf eine Stelle unmittelbar über der Tür an der Ostseite sowie auf Punkte ungefähr sechs Meter an den Nord- und Südwänden hinauf. An jeder dieser Stellen war mit einer Halterung eine Holokameraeinheit von stattlicher Größe an der Wand befestigt, deren Objektive durch ein rundes, in das Metallblech der Wand geschnittenes Loch nach draußen gerichtet waren. Ihre Stimme war so leise, dass Myri sie kaum verstehen konnte. »Ich glaube, in der Decke ist noch eine.«

Trey schob sie aus dem Weg und richtete sein Makrofernglas der Reihe nach auf jede der drei Holokameras, während er zwischen mehreren Filtern und Vergrößerungsoptionen hin und her schaltete. Dann ließ er das Gerät sinken. »Infrarot. Wir sind sicher, und ich sehe keine Kameras, die das Innere überwachen.«

Nirgends war jemand zu sehen, weder Zivilisten noch Militärs. Bhindi nickte. »Sechs, lass dich zwanzig Meter zurückfallen und mach dich bereit, uns zu warnen oder Feuerschutz zu geben. Und du brauchst keine Gewebeproben von den Spinnen. Alle anderen: Wir gehen rein.«

Im Innern der Halle war es gespenstisch still. Bloß gelegentliches metallisches Scheppern und das Gemurmel ferner Stimmen drang durch den Aufzugschacht nach oben, zu leise, um es zu verstehen. Myri schlich vor zum Rand des Lifts. Der Permabeton ringsum war sonderbar sauber und mit Löchern von zwei bis drei Zentimetern Durchmesser markiert, deren Ränder sogar noch sauberer waren – beinahe strahlend weiß.

Trey schob sich neben sie und nahm die Löcher näher in Augenschein. »Bis vor Kurzem war hier irgendetwas am Boden festgenietet. Ich schätze, irgendein Bodenbelag, der vielleicht den Lift verborgen hat. Die Löcher sind tief genug, dass sie einigen Widerstand bieten.«

Jesmin lehnte sich über den Schacht. Sie holte die Winden aus ihrem Rucksack hervor, die Trey beschafft hatte. Ungefähr von der Größe und Form eines Menschenschuhs, bestanden die Winden aus einer Spule mit Seil – hundert Meter lang und in Industriestärke –, leistungsstarken Klemmrollen und einem Energiepack mit einfachen Kontrollen auf einer Seite. Am Anfang des schwarzen Seils war ein schwarzer Enterhaken angebracht. Sie beugte sich mit dem Haken in der Hand über die Schachtkante, fixierte den Haken an irgendetwas darunter und befestigte die Winde am Gürtel. »Bereit.«

Innerhalb weniger Sekunden schwangen sich alle fünf einer nach dem anderen über die Kante in die Dunkelheit. Ein quadratisches Lichtfeld weit unter ihnen zeigte ihnen ihr Ziel.

Während sie in die Tiefe glitten, gelangte Myri zu dem Schluss, dass es ganz und gar falsch gewesen wäre, den Schacht als Teil eines Turbolifts anzusehen, denn der Begriff Turbo ließ sich hiermit nur schwerlich in Einklang bringen. Myri hatte solche Aufzüge schon zuvor gesehen, auf Hinterwäldlerplaneten und in Industriekomplexen. In den vier Ecken des quadratischen Schachts befanden sich Durastahlschienen, die an riesige Ketten erinnerten, die in regelmäßigen Abständen mit Zahnkränzen versehen waren. Vermutlich war weit unten eine große, kastenförmige Aufzugskabine, wahrscheinlich nach oben hin offen, mit Motoren an jeder Ecke, die sich langsam drehende und dabei in die Zahnkränze fassende Zahnräder antrieben. Rauf- und runterzufahren mochte vielleicht eine Minute oder länger dauern, aber dafür konnte der Aufzug gewaltige Lasten befördern.

Als das Lichtquadrat unter ihnen immer größer erschien, waren auch die Objekte deutlicher auszumachen, die sich am Fuß des Schachts befanden. Die Aufzugskabine war jetzt ganz unten, und der vorhin eingetroffene Luftgleiter thronte immer noch darauf. Braun gekleidete Männer und Frauen wuselten auf der Liftplattform herum und schleppten Zylinder heran, die sie auf der lang gezogenen Ladefläche des Landgleiters stapelten. Die Zylinder waren allesamt etwa einen halben Meter hoch, besaßen in etwa denselben Durchmesser, waren an den Enden schwarz und rosa in der Mitte.

Myri zählte insgesamt sechs Arbeiter, die mit dem Beladen des Speeders beschäftigt waren. Keiner von ihnen schaute nach oben. Während sie näher kam, konnte sie das stilisierte Zahn-Emblem der Schnapphunde am Kragen der Arbeiter ausmachen. Als sie sich etwa fünfundzwanzig Meter über dem Landgleiter befand, stoppte Jesmin fünf Meter unter ihr ihren Abstieg. Myri konnte bloß ihre Augen sehen, als Jesmin zu den anderen Gespenstern hinaufschaute. Sekunden später gelangte Myri ebenfalls auf ihre Höhe und schaltete die Winde ab.

Als die anderen drei Gespenster kurz darauf bei den beiden Frauen anlangten, taten sie es ihr gleich. Jesmin wies auf die Schachtwand direkt vor ihnen.

Myri kniff die Augen zusammen und konnte gerade noch so erkennen, dass sich dort eine Art horizontaler Spalt befand. Sie holte ihr Makrofernglas hervor und sah hindurch, während sie durch mehrere Lichtverstärkermodi schaltete.

Voraus befand sich ein mit einem Geländer versehener Metallbalkon, der sich jenseits der Kante der Aufzugskabine befand, wenn diese auf- oder abstieg. Auf der anderen Seite des Balkons waren in regelmäßigen Abständen Türen zu erkennen – offen stehende Türen, hinter denen tiefe Dunkelheit dräute.

Myri steckte das Makrofernglas wieder weg. Jesmin streckte den Arm nach ihr aus, und Myri ergriff ihre Hand. Ungeschickt, außerstande, sich selbst abzustützen, gab sie Jesmin Schwung. Diese schwang vor und kam bis auf ein paar Handbreit an das Metallgeländer heran. Als sie zurückschwang, stieß Myri sie von Neuem ab, und diesmal bekam Jesmin das Geländer zu fassen.

Innerhalb von zwei Minuten waren alle fünf Gespenster auf der anderen Seite des Geländers. Jesmin und Trey verschwanden durch die nächstgelegene Tür. Myri und die anderen warteten an der Brüstung und behielten das Geschehen weiter unten im Auge.

Es sah aus, als befände sich die Aufzugskabine am Boden einer Halle, die wesentlich größer war als der Liftschacht. An stabilen, eckigen Durastahlsäulen entlang verliefen die Schienen des Aufzugs ganz bis hinunter zum Boden, doch jenseits davon konnte Myri in allen vier Richtungen freie Fläche erkennen. Freie Fläche – sowie die Frontpartien und Hecks von Fahrzeugen. Einige waren sehr groß, bei anderen schien es sich um gewöhnliche Luftgleiter zu handeln. Es hatte den Anschein, als verliefe ein Metallgraben, der mindestens einen Meter tiefer als der Boden war, vom Aufzugschacht aus nach Norden und nach Süden. Myri nahm an, dass der Graben vermutlich genau in der Mitte auf den Schacht traf, unmittelbar unterhalb der Aufzugskabine. Als Myri die Schienen entdeckte, die zu beiden Seiten des Grabens verliefen, wusste sie, wozu sie dienten. Dergleichen hatte sie schon in einigen alten Städten gesehen: Das war eine Führungsschiene, um Vehikel zu leiten, die sich seitwärts daran entlangbewegten und vermutlich auch Fracht beförderten.

Die Stapel rosa-schwarzer Zylinder wurden höher. Als der erste davon ein gutes Stück über die Ladefläche des Landgleiters hinausragte, warfen die Schnapphunde eine Decke darüber und banden das Ganze dann an Ort und Stelle fest.

Jesmin und Trey kehrten von ihrer Aufklärungsrunde zurück. Jesmin beugte sich dicht zu Bhindi, um ihr ins Ohr zu flüstern. Trey tat dasselbe bei Myri. »Dies ist eine Wohnebene. Leer, ohne Möbel. Die Lüftungskanäle sind dicht gemacht und abgeschaltet.«

»Seit wann?«

»Auf dem Boden liegt Staub, aber keine dicke Schicht. Vermutlich seit ein paar Wochen.«

Bhindi zog weitere zwanzig Meter Seil aus ihrer Winde und schnitt das Ende ab. Sie band es so an das Metallgeländer, dass es zwar lose hing, aber nicht in den Schacht baumelte, und bedeutete den anderen, es ihr gleichzutun.

Schließlich war der Luftgleiter fertig beladen. Die Arbeiter deckten vier Zylinderstapel mit Planen ab und fixierten sie. Die Schnapphunde unterhielten sich miteinander, bis eine siebte Person, ein Menschenmann in Zivilkleidung, von irgendwo außerhalb des Sichtbereichs der Gespenster auf die Aufzugsplattform trat. Er sprach kurz mit einem der Schnapphunde und kletterte ins Cockpit des Speeders. Die Schnapphunde verließen die Aufzugsplattform und gingen zur Seite, außerhalb von Myris Sicht.

Bhindi winkte die Gespenster durch die Türen hinaus. Bevor sie den Balkon ganz verlassen hatten, setzte sich der Lift in Bewegung, um langsam und laut nach oben zu fahren.

In der Dunkelheit der verwaisten Wohnebene fiel Myri das Atmen endlich ein bisschen leichter. »Das hier ist so eine Art Verteilerzentrum.«

»Diese Zylinder sind Militärbehälter für Bacta.« Jesmin klang grimmig. »Heiße Ware auf dem Schwarzmarkt.«

»Ich denke, das hier ist der Beweis, den wir brauchten.« Bhindi hörte sich zufrieden an. »Wenn wir beweisen, dass Thaal in Machenschaften verstrickt ist, im Zuge derer militärisches Bacta auf dem Schwarzmarkt verkauft wird, ist er ruiniert, wird unehrenhaft entlassen, eingesperrt und vom Kopf bis zur Sohle durchleuchtet. Die Ermittlungen werden so gründlich sein, dass es ihm unmöglich sein wird, seine Verbindungen zur Lecersen-Verschwörungen geheim zu halten. Zeichnet alles auf, was ihr hier seht … und ich denke, wir haben gewonnen.«

Die Aufzugskabine sauste rasselnd an ihrer Ebene vorbei. Der Lärm wurde nach und nach leiser, je höher die Kabine rauschte.