ZUM ABSCHIED
Mein Schmerz der
bleibt
es blutet mir das Herz
Meine Seele sie gefriert
ich werd es nie verstehen
Kalter Hass in meinem
Körper
steigert sich zum Wahn
Wofür werde ich bestraft
was habt ihr mir angetan
Weißt du denn was Sterben
heißt
Komm ich zeig es dir
Weißt du denn was Leiden
heißt
komm und folge mir
Kennst du denn die Schande
nicht
weißt du wie es ist
Wenn man ohne einen
Abschied
einfach fort gegangen ist
Gabriella sah wie Gabriel die Augen schloss und ausatmete.
Ihr Vater.
Endlich hatte sie ihn gefunden und nun tötete sie ihn. Sie sah zu ihrer Mutter, aber sie war immer noch bewusstlos. Vielleicht war es besser so.
Ihre Mutter wäre lieber selbst gestorben, hätte sich von ihrer Tochter töten lassen, als Gabriel sterben zu sehen. Gabriella spürte wie eine Leere sie erfasste, als sie die weiße Lichtkugel vollends aus dem Körper ihres Vaters zog und dieser einen letzten Seufzer tat.
„Fectum infectum fieri non potest.“, hörte sie Luzifer hinter sich murmeln.
Ihr … Opa.
Es fiel Gabriella schwer ihn als solchen zu sehen.
Er sah keinen Tag älter als 35 aus und doch war auch sie das Beste Beispiel dafür, dass Aussehen und wahres Alter nicht immer übereinstimmen. Wäre sie ein normales Mädchen wäre sie zu solchen Gedanken noch nicht einmal fähig.
Sie wäre kein halbes Jahr alt.
Ihre Mutter hatte versucht es ihr zu erklären, trotzdem war es für Gabriella immer wieder
komisch zu bemerken, dass sie ein sabberndes Baby sein sollte.
Als die Lichtkugel in sie eindrang startete Gabriella einen letzten Versuch, die Kugel zurück zu Gabriel zu schleudern und ihm zurückzugeben, was sie ihm nahm, aber natürlich ging es nicht.
Sie hatte keine der Energien je wieder zurückgeben können. Stattdessen alterte sie jedes Mal.
Und so auch nun. Aber dieses Mal war anders.
Sie hatte noch nie zuvor eine so große Menge Energie genommen.
Ihr Herz schlug schneller, als wollte es davonrennen, und sie bekam Kopfschmerzen.
Sie presste die Hände an ihrer Stirn als ihr Kopf sich anfühlte als würden Glassplitter in ihre Augen stehen.
Gabriella hielt die Luft an um die Schreie abzuwürgen, die sich in ihrer Kehle stauten.
Und dann war es vorbei. Sie seufzte und sah an sich herunter. Sie war gewachsen. Vorher hatte sie Luzifer grade bis zur Hüfte gereicht, aber nun war sie nur noch zwei Köpfe kleiner als er.
Ihre Haare waren länger und fielen ihr über die Schultern. Und da war auch der zarte Ansatz eines Busens.
Wie alt bin ich? Ich bräuchte eine Uhr, die mir sagt wie alt ich bin, oder Jahresringe, wie bei Bäumen… Sie fühlte einen plötzlichen Schmerz im Mund und spuckte auf den Boden. Dort lagen ein paar hübsche kleine Milchzähnchen. Sie wollte sich bücken um sie aufzuheben, als Luzifer sie an der Schulter packte.
„So, meine Kleine, jetzt bist du ja beinahe schon eine junge Frau. Komm wir gehen, hier ist so eine bedrückte Stimmung…“
Er wollte sie am Handgelenk durch die Gegend ziehen, wie er es vorher getan hatte.
Aber vorher war sie auch kleiner als er gewesen und konnte sich nicht wehren. Zumindest ersteres hatte sich nun geändert und hinzukam das dringende Bedürfnis einfach nur zu widersprechen um des Widersprechens Willen.
Ist das diese Pubertät vor der Mama sich immer gefürchtet hat?
Sie musste lachen.
„Bevor ich mit dir mitkomme möchte ich noch Abschied nehmen von meinem Vater.
Und von meiner Mutter, da ich sie niemals wieder sehen werde, wenn wir erst zur Tür raus sind, nicht wahr?“
Luzifer schien kurz abzuwägen und ließ sie dann los. Vorsichtig ging Gabriella auf Gabriel zu.
Er lag beinahe friedlich in der Senke, in der Mitte des Raumes. Sie kniete sich neben ihn und sah etwas an seinem Hals blitzen.
Es war eine Kette. Ein schwarzer Flügel in den ein weißes J eingraviert war. Gabriella hatte schon einmal eine ähnliche Kette gesehen.
Im Schmuckkästchen ihrer Mutter. Als Josephine mit Maël einkaufen war hatte Gabriella sich all den Schmuck ihrer Mutter angezogen und war dabei auf einen doppelten Boden des Kästchens gestoßen. Dort lag eine Kette.
Ein weißer Flügel in den ein schwarzes G eingraviert war.
Erst dachte sie, es sollte ein Geschenk für sie sein, aber Josephine schien nicht einmal gemerkt zu haben, dass Gabriella sie an sich genommen hatte. Sie hatte die Kette getragen, allerdings nur, wenn ihre Mutter es nicht sah.
Sie suchte nach dem Verschluss der Kette ihres Vaters und legte sie sich selbst um den Hals.
Jetzt hatte sie beide Ketten an, und sie ergänzten sich natürlich perfekt. Schwarz und weiß.
Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und lief zu ihrer Mutter. Sie hing in ihren Ketten und atmete flach. Gabriella strich ihr übers Haar und gab ihrer Mutter einen Kuss.
Dann warf sie Luzifer einen Auffordernden Blick zu und dieser verdrehte die Augen.
„Na gut…“, murrte er genervt und Josephines Handschellen öffneten sich mit einem Klicken. Gabriella fing sie auf, bevor ihrer Mutter zu Boden fiel und wiegte sie im Schoß.
„Mama… Bitte vergib mir.“
Sie lehnte ihre Mutter vorsichtig an die Wand und stand auf. Entschlossen trat sie Luzifer entgegen. Noch während sie lief breitet sie ihre Flügel hinter sich aus.
Einer war ledrig und schwarz und der andere mit weißen Federn bestückt.
„Ich bin bereit.“