AUSTRALIA
And I’ll wait for her
to come
She won’t break my heart
‘cause I know she’ll be from
Australia
She’s so beautiful
She’s my dream girl
Gabe war noch nie in Australien gewesen.
Aber er hatte es sich irgendwie anders vorgestellt. Was er im Moment sah war einfach ein kleines Dorf in Mitten einer Steppe, in der hier und da ein kleiner Busch wuchs. Er hatte noch keinen einzigen Koala gesehen, und auch kein Känguru.
Missmutig stapfte er hinter den drei Erzengeln hinterher.
„Gabe, könntest du uns ein Hotel besorgen? Wir haben schon viel zu lange in Zelten geschlafen…“, fragte ihn Jophiel über die Schulter.
Er grummelte ein Ja und blieb stehen.
„Und wohin muss ich dann nachkommen“, fragte er. Er war nicht der einzige, der merkte, dass seine Stimme ätzend klang.
Überrascht drehte Jophiel sich um.
„Was ist denn los?“
Er schob das Kinn vor.
„Nichts, schätze ich…“
Aber das stimmte nicht.
In Wahrheit war er sauer, dass er irgendwo im Nirgendwo war, während Josie hochschwanger mit irgendwelchen Typen in Esmeras flirtete.
Es war nicht so schlimm für ihn gewesen, als er nicht wusste, wie es ihr ging, aber jetzt da er sie gesehen hatte bekam er ein Gefühl, sehr ähnlich wie Heimweh. Und dann konnte sie nicht einmal auf sich aufpassen. Wie hatte sie es bloß die zwei Monate ohne ihn ausgehalten?
Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er gar nicht merkte, dass die anderen schon weiter gegangen waren.
„Hey, wartet!“
Er stolperte hinterher.
„Also gut, wir suchen nachher gemeinsam nach einem Hotel, ja?“
Jophiels Gesicht war vollkommen emotionslos, so als würde sie ihre wahren Gefühle verstecken.
Gabe nickte. Irgendwann bogen sie in eine Straße ein und standen vor einer Reihe von kleinen weißen Häusern. Jedes hatte einen weißen Gartenzaun und eine kleine Veranda vor der Haustür.
Sie glichen sich beinahe wie ein Ei dem Anderen. Einzig die Türen hatten verschiedene Farben.
Ein war blau, eine Andere rot.
Sie gingen zu einem Haus mit himmelblauer Tür. Der goldene Türgriff hatte die Form einer Schwinge. Michael klopfte drei Mal und wartete.
Drinnen waren Geräusche zu hören.
Schritte.
Als die Tür nach innen aufschwang erhaschte Gabe einen Blick auf eine junge Frau, deren schwarze Haare zu einem Zopf nach hinten geflochten waren. Sie hatte große braune Augen und sah sie verwirrt an. Gabe fand, dass sie beinahe aussah wie ein weiblicher Indiana Jones.
Sie trug Khaki Shorts und ein weißes Tank-Top, mit einer kurzärmligen Khaki Weste.
Außerdem trug sie feste Wanderschuhe, ebenfalls Khaki. Sie war eine Erscheinung in Khaki…
„Kann ich euch allen helfen?“
Gabe musste beinahe kichern, schließlich war es schon komisch, wenn plötzlich vier Erwachsene Menschen auf der Veranda stehen, die weder Vertreter noch Handwerker sind. Michael trat vor. „Bist du Taliv? Taliv Hane?“
Sie wirkte etwas verunsichert und lachte nervös. „Ähm, woher wisst ihr, ach das Namensschild auf der Klingel… Die ihr nicht benutzt habt… Was sagtet ihr, was ihr wollt?“
Gabe konnte sie nur zu gut verstehen.
„Nun, Taliv, wir müssen etwas sehr wichtiges mit dir besprechen, dürfen wir eintreten?“
Sie biss sich auf die Unterlippe.
„Ähm, ich weiß nicht…“
Gabe trat vor.
„Es ist schon okay, wir können, das auch woanders besprechen, wenn du willst. Zum Beispiel im Garten oder so. Ich heiße Gabriel McIntire, aber nenn mich Gabe.“
Er streckte eine Hand aus und Taliv ergriff sie sichtlich erleichtert.
Gabe zog überrascht die Hand zurück.
Die Berührung hatte ein starkes Gefühl der Vertrautheit ausgelöst, das er nicht verstand.
Taliv wirkte ebenfalls verwirrt.
Sie runzelte die Stirn.
„Hm, na gut, gehen wir in meine Küche … Gabe.“ Sie zog die Tür weiter auf um Platz zu machen. Meinte sie nur ihn, oder sollten die anderen jetzt auch mitkommen?
Nicht mein Problem.
Er zuckte die Schultern und trat ein.
Er stand in einem engen Flur.
Überall an den Wänden hingen Zeichnungen von Tieren. Auf einem kleinen Telefontisch lagen ebenfalls Notizen auf denen Tiere abgebildet waren. Vor allem Reptilien.
„Die Küche ist am Ende des Ganges.“
Gabe zuckte zusammen, denn Talivs Stimme hatte ganz nah an seinem Ohr geklungen.
Er nickte und ging geradeaus.
Er hörte wie nun hinter ihm auch die anderen eintraten. Die Küche war ein heller Raum, was an den großen Glastüren lag, die in den Hintergarten führten. In der Mitte war ein kleiner Tisch mit vier Stühlen auf denen blaue Kissen lagen.
Gabe nahm auf einem dieser Stühle Platz und wartete. Die anderen traten ein, Taliv zuletzt.
Sie ging zur Küchentheke und holte eine Karaffe mit Orangensaft aus dem Kühlschrank.
„Möchtet ihr etwas trinken?“
Michael und Gabriel winkten dankend ab, und Jophiel und er nickten.
Sie nahm drei Gläser aus einem Schrank und stellte sie auf den Tisch. Sie bedeutet den Engeln sich ebenfalls hinzusetzten und lehnte sich dann selbst an die Küchenzeile. Gabe nahm sein Glas und trank einen großen Schluck Orangensaft.
Er schmeckte köstlich, so wie es nur frisch gepresster tat.
„Nun, Taliv, wir müssen dich etwas sehr wichtiges fragen. Glaubst du an Engel?“
Sie hob die Augenbrauen.
„Wollt ihr mir nicht erst eure Namen nennen? Es kommt doch wirklich blöd, wenn ich jetzt von euch ausgeraubt würde, und dann nur sagen kann, wie ihr ausseht, dass zwei von euch keinen O-Saft trinken und ihr ansonsten relativ gute Manieren habt. Keine Namen. Die Polizei würde mich für einen naiven Vollpfosten erklären…“
Das Mädchen gefiel Gabe. Er schmunzelte, und sie warf ihm einen belustigten Blick zu.
„Es tut mir Leid, das wir dir solche Umstände machen, Taliv, aber wir können dir unsere Namen erst verraten, wenn du die Frage beantwortest. Außerdem kannst du ja Gabe anklagen, wenn dir das ein Trost ist. Seinen Namen kennst du ja.“
Auch in Michaels Stimme schwang Belustigung mit. „Findet ihr nicht, dass das eine komische Frage ist?“ Sie schien zu überlegen.
„Oh mein Gott, ich habe die Zeugen Jehovas in mein Haus gelassen!“
Gabe lachte.
„Wenn’s nur so einfach wäre, Taliv… Dann hätten wir wenigstens ein Ziel, wir sind momentan mehr auf der Suche, und haben leider keine wirkliche Spur. Außer dieser hier. Und jetzt beantworte bitte die Frage, aber sei ehrlich“, auch Gabe wurde langsam ungeduldig. Sie wich der Frage aus.
„Also gut, ich weiß zwar nicht, warum euch das so unglaublich wichtig ist, aber ja, ich glaube an Engel! Zufrieden?“
Alle anwesenden Engel im Raum schienen auszuatmen. Das machte die Sache erheblich einfacher.
„Nun, wie versprochen, werden wir dir jetzt sagen, wer wir sind. Am einfachsten wird das mit einer kleinen Demonstration zu machen sein. Kommst du mit in den Garten?“
Damit stand Michael auf und öffnete die Terrassentür. Er trat in das helle Sonnenlicht und atmete einmal tief ein.
Währenddessen folgten wir ihm, allen voran Taliv. Dann atmete Michael aus und nach und nach materialisierten sich seine Flügel hinter ihm.
So hatte Gabe das noch nie gesehen, für ihn war das mit den Flügeln, wie mit einem Schalter.
Entweder an oder aus. Neben ihm keuchte Taliv und schlug die Hände vor den Mund.
„Oh Gott…“, quietschte sie.
„Mein Name ist Michael, ich bin einer der sieben Erzengel…“
Sie runzelte die Stirn.
„Sieben?! Soweit ich weiß gibt es acht Erzengel! Michael, Gabriel, Jophiel, Chamuel, Raphael, Uriel, Zadkiel und Luzifer…“
Über Gabriels Gesicht huschte ein Ausdruck der Belustigung, der aber ebenso schnell verschwand, dass Gabe sich nicht sicher war, ob er es sich nur eingebildet hatte.
„Nein, Taliv, es tut mir leid, aber ich finde nicht, dass man Luzifer zu uns Erzengeln zählen kann“, entgegnete Jophiel energisch.
„Aber auch Luzifer wurde von Gott geschaffen und bekam ein Stück des Amuletts der Engel…
Warum sollte er nicht zu ihnen gehören…“
Bei der Erwähnung des Amuletts wurden die Engel hellhörig.
„Du weißt über das Amulett Bescheid!?“,
fragte Gabriel.
„Ach, übrigens, das hier ist unsere Schwester Jophiel, ich bin Gabriel, und Gabe kennst du ja bereits.“
Gabriel erwähnte nichts von Gabes Abstammung. „Na ja, ich interessiere mich schon seit langem für Engel, und dabei bin ich auch auf das Amulett gestoßen…“, sie zuckte mit den Schultern, als wäre das ganz selbstverständlich.
Gabe musste (schon wieder) schmunzeln, Taliv hatte mehr oder weniger eines der größten Geheimnisse der Engel entdeckt.
Es gab nicht viele Nephilim, die von der Existenz des Amuletts wussten, und sie ist nichts weiter als ein normaler Mensch. Ironie des Schicksals.
Als Gabe einen Blickwechsel zwischen Michael und Gabriel bemerkte, erinnerte er sich, dass sie auf dem Weg hierher darüber gestritten hatten, ob sie einfach sofort mit der Wahrheit herausrücken wollten, oder doch erst einmal subtil eine Vertrauensbasis aufbauten. Gabe merkte, dass Michael gewann, er war dafür, dass wir erst einmal ein bisschen über Taliv herausfinden und uns mit ihr anfreunden wollten. Was wohl dann mein Job sein wird, überlegte Gabe.
„Ähm, Taliv, jetzt weißt du zwar, dass wir Erzengel sind, aber ich bitte dich dennoch um striktes Stillschweigen, das verstehst du doch, oder“, fragte Michael vorsichtig.
Taliv winkte ab.
„Natürlich, ich verstehe schon. Euer Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben. Außerdem, wer würde mir schon glauben?“
Sie geht wirklich locker damit um, dass vier wildfremde Menschen auf einmal auf ihrer Veranda stehen und behaupten sie seinen Erzengel…
Sie hatten noch eine Weile, beinahe belanglos mit Taliv über Engel und Co.
Geredet und versucht herauszufinden, woher
sie wusste, was sie wusste.
Dann war Taliv in der Küche verschwunden und hatte angefangen Spaghetti Soße zu kochen.
Die drei Engel hatten sich verabschiedet um „sich in der Stadt umzusehen“.
Eigentlich wollten sie Gabe nur die Möglichkeit geben, allein mit Taliv „von Mensch zu Mensch zu reden“. Jophiel hatte Gabe noch ein Mal eingetrichtert, dass er auf gar keinen Fall erwähnen sollte, dass er auch Flügel hatte, weil sie ihr eine Vertrauensperson geben wollten.
Gabe trat von der Veranda in die Küche und sah Taliv ein wenig beim hin und her wuseln zu.
Sie holte Töpfe aus einem Schrank und stellte Wasser auf. Dann verschwand sie kurz in einer Speisekammer und kam mit ein paar Dosen zurück. Dabei summte sie eine Melodie, die Gabe irgendwie bekannt vorkam.
„Stört es dich, wenn ich das Radio anstelle“, fragte sie ihn über die Schulter, während sie eine frische Tomate klein schnitt.
„Nö, gar nicht…“
Sie legte das Messer auf der Anrichte ab und drehte sich um.
Dann ging sie an Gabe vorbei auf die hintere Wand zu, an der ebenfalls Schränke befestigt waren.
Und ganz oben auf dem Schrank stand das Radio. Gabe sah ihr stirnrunzelnd dabei zu, wie sie sich auf die Zehenspitzen stellt und versuchte das Radio zu erreichen. Er schnaubte und stand auf.
Er stellte sich hinter sie und griff über ihren Kopf hinweg nach oben. Er merkte, dass auch er sich ein wenig auf die Zehenspitzen stellen musste, drückte aber schließlich doch den kleinen roten Knopf.
Leise erklang ein Lied von Enrique Iglesias. Plötzlich war Gabe sich dem Körper vor sich sehr deutlich bewusst. Er roch den Kokos Geruch von Talivs Shampoo in ihren Haaren, und darunter ihren eigenen Geruch. Langsam ließ er seinen Arm sinken und wartete. Sie atmete flach und bewegte sich nicht. Es baute sich eine Spannung zwischen ihnen auf, die Gabe die Luft anhalten ließ.
Langsam drehte sie sich um, sodass sie ihm in die Augen sehen konnte. Sie öffnete langsam den Mund und flüsterte.
„Gabe…“
Die Spannung zwischen ihnen war beinahe greifbar. Sie legte eine Hand auf seine Brust und hob das Kinn an. Ihre Augen wirkten noch größer, als er sie in Erinnerung hatte.
„Du…“, hauchte sie.
Mit einem schrillen erklang die Eieruhr neben dem Herd. Plötzlich war der Moment verflogen.
Taliv zog ihre Hand zurück und ging schnell an ihm vorbei zum Herd.
Verdammt, was war das gerade eben?!
Misstrauisch sah er ihr wieder zu und setzte sich an den Tisch. Er fühlte sich schuldig und wusste nicht wieso, schließlich waren er und Josie nicht mehr zusammen. Und doch, war ihm der Gedanke unangenehm. Vertrauensperson hatte Jophiel gesagt, ob sie das damit meinte, dachte Gabe sarkastisch. Sie wechselten keine Worte mehr, bis es schließlich an der Tür klingelte. Taliv war gerade dabei die Nudeln abzugießen, und so drehte sie sich zu Gabe um.
„Würdest du vielleicht an die Tür gehen?“
Gabe nickte kurz und stand auf. Draußen stand Gabriel. Gabe öffnete die Tür.
„Wo sind die anderen?“
Gabriel zuckte mit den Schultern.
„Sie wollten ein Hotel suchen, oder so. Ich bin gekommen um dich zu fragen, wie es läuft. Fasst sie schon Vertrauen zu dir. Hat sie dir vielleicht schon von selbst etwas erzählt?“
Gabe grinste.
„Also erstens seid ihr erst seit acht Minuten weg, und so schnell bin ich nun auch wieder nicht mit dem Vertrauen aufbauen und zweitens, hm, es gibt eigentlich kein zweitens… Na ja, ich würde sagen, sie mag mich, aber sie hat noch nichts über das Amulett gesagt…“
Gabriel sah ihn verwundert an.
„Warum grinst du so?“
Gabe warf einen Blick über seine Schulter und sah, dass Taliv immer noch mit dem Essen beschäftigt war. Dann beugte er sich näher an ihn heran.
„Ich meine nur, dass ihr definitiv aufgefallen ist, wie gut aussehend ich doch bin…“, damit drehte er sich um und ging zurück in die Küche.
Taliv deckte gerade den Tisch und blickte auf.
„Wer war da?“
Gabe deutete mit dem Daumen über seine Schulter. „Gabriel.“
Gabe ging zum Herd, um die Soße zu probieren, und merkte, dass Taliv ihm auswich.
Er musste stark ein Grinsen unterdrücken, während er einen Löffel in den Topf steckte.
Als er ihn wieder herauszog war er rot und duftete nach Tomate. Er drehte sich mit dem Löffel in der Hand um und sah, dass Taliv ihn beobachte.
Mit einer langsamen Bewegung leckte er den Löffel ab und schaffte es sogar dabei zu grinsen.
Er ließ sie keine Sekunde aus den Augen und hob die Augenbrauen. Tatsächlich verfärbten sich ihr Wangen leicht rosa.
Dann bemerkte er einen Schemen, der sich hinter Taliv bewegte. Es war Gabriel, er stand nun ebenfalls in der Küche. Missbilligend schüttelte er den Kopf. Gabe musste lachen und tarnte es mit einem Husten.
Das wird noch lustig.
Als auch Michael und Jophiel wieder zurückkehrten war das Essen fertig. Sie aßen schweigend, aber Gabe merkte, dass Taliv ihm über den Tisch hinweg immer wieder Blicke zuwarf.
Und er bemerkte, dass Gabriel das auch bemerkte.
Sie schliefen diese Nacht im Hotel.
Zumindest die Engel schliefen im Hotel, Gabe sollte bei Taliv bleiben, um für ihre Sicherheit zu sorgen. Ja, klar…
Da Talivs Haus nur ein Schlafzimmer hatte, musste Gabe auf dem Sofa schlafen.
Er verfluchte die anderen, die jetzt in einem 4 Sterne Hotel am Rande der Stadt schliefen.
Irgendwie war ihm Talivs Haus unheimlich, auch im Wohnzimmer hingen überall Zeichnungen von Schlangen und Echsen, und an den Wänden waren sogar ein paar ausgestopfte Schlangen zu bewundern. Es war ein komisches Hobby für ein knapp zwanzig jähriges Mädchen.
Aber, na ja, er hatte auch nicht gerade die normalsten Hobbys.
Wenn andere Jugendliche was trinken waren, hatte Gabe meistens ein paar Vampiren das Herz durchstoßen. Er hatte wirklich kein Recht zu meckern.
Es war zwei Uhr nachts und Gabe lag unter einer dünne Steppdecke und fragte sich, wie lange Michael eigentlich vorhatte, dass Gabe zu Taliv „Vertrauen aufbauen“ sollte.
Und was würde mit ihr passieren nachdem sie hatten, was sie wollten?
Am nächsten Morgen wurde er vom Geruch frischer Waffeln geweckt. Er konnte sich kaum noch an seinen Traum erinnern, irgendetwas mit Schlangen und Mädchen … und Josie.
Verschlafen schlurfte er in die Küche, als er auf dem Weg an einem Spiegel vorbei kam sah er, dass seine Haare in alle Richtungen abstanden.
Sie waren ziemlich viel gewachsen seit er die Akademie verlassen hatte.
Vielleicht sollte er Taliv nach einem Friseur fragen…
„Morgen“, nuschelte er, als er Taliv am Tisch sitzen sah, eine Zeitung vor ihr aufgeschlagen.
Sie blickte auf, eine Tasse Kaffee in der Hand. „Morgen.“
Er schlurfte weiter zur Kaffemaschine und nahm sich eine Tasse, die neben der Maschine stand. Hinter sich hörte er Musik aus dem Radio.
Mit einer Tasse setzte Gabe sich an den Tisch.
Taliv las in ihrer Zeitung, was Gabe dazu nutzte sie anzusehen. Sie war wirklich hübsch.
Sie hatte ihre Haare zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden, aus dem sich eine Strähne gelöst hatte, die ihr jetzt ins Gesicht fiel.
Gabe fiel jetzt erst auf, was für lange Wimpern sie hatte. Sie umrahmten ihre Rehbraunen Augen, die wie immer riesig wirkten.
Mit einer unbewussten Geste strich sie sich die Strähne hinters Ohr. Diese Geste erinnerte ihn schmerzlich an Josie und er sah weg.
Er sah aus dem Fenster, und in der Spiegelung erkannte er, dass Taliv nun ihn ansah.
Sie waren schon ein lustiges Pärchen…
„Wie hast du geschlafen?“
Er drehte seinen Kopf zurück und sah sie an.
„Hm?“
Sie lächelte.
„Träumer… Wie du geschlafen hast, hab ich gefragt?“
Er zuckte mit den Schultern.
„Ach ganz gut. So…Allein…“
Er sah wieder aus dem Fenster.
„Woran denkst du?“
Er drehte sich wieder ihr zu.
„Ich weiß nicht…“, er drehte gedankenverloren den Ring an seinem Finger.
Sie sah auf seine Hände und dann wieder ihm in die Augen.
„Wie geht es ihr?“
Plötzlich sah er Taliv klar vor sich.
„Wen meinst du?“
Sie nickte mit dem Kinn in Richtung seiner Hand. „Deiner, ähm, Verlobten, Frau,
Freundin…Derjenigen zu der dieser Ring gehört.“ Er hob die Hand und sah sich seinen Verlobungsring an.
„Ach, nein, ich habe keine Freundin, nicht mehr… Aber es geht ihr bestimmt gut …“
Sie sah ihn mitfühlend an. Dann stand sie auf und setzte sich auf den Stuhl neben ihn.
„Willst du darüber reden? Wie war denn ihr Name?“ Sie legte eine Hand auf seinen Arm.
Er ballte die Hand zur Faust und kniff die Augen zusammen. Sie nahm seine Faust in ihre Hände und strich mit dem Daumen über seine Fingerknöchel. Langsam entspannte er sich.
„Ihr Name ist Josie. Wir haben uns vor dreieinhalb Jahren kennen gelernt. Vor ungefähr einem Jahr habe ich ihr einen Antrag gemacht, und vor ca. acht Monaten wurde sie dann schwanger…
Aber vor drei Monaten habe wir uns dann gestritten, und ich glaube sie hat Schluss gemacht, ich weiß um ehrlich zu sein nicht, ob sie denkt ich habe Schluss gemacht, aber meiner Meinung nach hat sie Schluss gemacht. Jetzt lebt sie bei einer guten Bekannten von uns. Ich habe sie vor ein paar Tagen zuletzt gesehen, und da ging es ihr glaub ich ziemlich gut. Was aus unserem Kind wird weiß ich nicht, aber das werden wir schon sehen…
Ich weiß auch nicht warum ich dir das alles erzähle…“, er hatte sehr leise geredet, und Taliv hatte ihm schweigend zugehört.
Jetzt zog sie ihre Hände zurück und sah ihn an.
Es lag sehr viel Mitgefühl in ihrem Blick, aber auch etwas anderes. Gabe brauchte einen Moment um zu erkennen, was es war.
Triumph.
War er sich sicher, dass es da war?
Warum sollte Taliv sich darüber freuen, was ihm widerfahren war? Er schüttelte den Kopf und wischte damit auch alle Gedanken an Josie zur Seite. „Wird es eine Tochter oder ein Sohn?“
Gabe zog empört die Stirn kraus.
„Ein Sohn natürlich, ich zeuge ausschließlich Söhne! Aber warum fragst du?“
„Nur so. Weißt du, ich kam heute Nacht am Wohnzimmer vorbei, und da hast du immer wieder gesagt „Josie, du darfst ihr nicht vertrauen, du darfst ihr nicht vertrauen“. Und da hab ich mich natürlich gefragt, wen du meintest…“
Gabe runzelte die Stirn, er wusste auch nicht, wenn er mit ihr gemeint haben könnte.
Schließlich zuckte er mit den Schultern.
„Keine Ahnung, was ich da gesagt habe… Ist doch auch egal. Also, was hast du heute vor? Du schienst mir mehr der Mensch zu sein, der draußen ist.
Willst du vielleicht auf Safari gehen, oder so?“
Sie lachte auf. „Auf Safari? Nicht ganz. Mein Job ist es, Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten, beziehungsweise, Reptilien zu beobachten.“
Gabe hob die Augenbrauen.
„‘Tschuldige, T, aber das klingt ganz schön langweilig… Den ganzen Tag einer Schlange dabei zu zuschauen, wie sie eine einzige Maus erwischt… Willst du nicht lieber was Lustiges machen?“
Sie kniff die Lippen zusammen.
„Du weißt schon, dass das mein Job ist. Also ich verdiene damit das Geld, von dem ich den Kaffe bezahle, den du gerade trinkst…
Ich habe einen Lehrstuhl an der Universität von Bourke. Ich bekomme dafür Forschungsgelder, damit ich, wie war das, einer Schlange dabei zuschaue, wie sie eine einzige Maus erwischt.
Dank meinen Forschungen bekommen die Mediziner hier Gegengifte und können Leben retten!“
Gabe überlegte, wie er diese Situation noch retten konnte.
„Picknick! Das ist der Kompromiss! Wir machen ein Picknick! Du kannst Schlangen beobachten und ich kann essen. Das ist die ideale Lösung.
Mann, ich bin genial! Also, was hältst du davon?“ Gabe sah, dass sie versuchte ein Grinsen zu unterdrücken.
„Also gut, G, wir machen ein Picknick!“
Taliv stand auf und holte ein paar Sachen aus dem Kühlschrank.
„Würdest du bitte ein paar Sandwiches machen, ich hole solange meine Ausrüstung…“, mit diesen Worten verschwand sie in den Flur.
Kurz darauf hörte er Schritte auf der Treppe. Entschlossen machte Gabe sich daran Toasts mit Käse, Gurken und Salami zu belegen, als er Schritte hinter sich hörte.
„Gabriel, ich muss mit dir reden“, es war Gabriel.
Er wunderte sich nicht im Geringsten, dass der Engel hier irgendwie hereingekommen war.
Gabe drehte sich mit einem Sandwich in der Hand um. Dann zuckte er mit den Schultern.
Gabriel führte ihn auf die Terrasse.
Er wies auf die Bank, die an der Hauswand stand. Gabe ließ sich nieder, und biss herzhaft von seinem Sandwich ab.
„Gabriel, ich habe dir etwas verheimlicht. Weißt du von der Prophezeiung, die so alt ist, wie die Welt selbst? Ich weiß, dass Chilali Josephine das Buch zum Geburtstag geschenkt hatte, kurz bevor wir drei in den Himmel aufgestiegen sind. Habt ihr darin gelesen?“
Er sah ihn durchdringend an. Etwas verlegen schüttelte Gabe den Kopf.
„Nun, dann muss ich dir das wichtigste einmal zusammenfassen.“
Gabriel zog ein dünnes schwarzes Buch aus der Tasche. Er schlug eine Seite auf, in der ein Lesezeichen steckte und las vor:
Doch fern ab all jener Kriege begann ein Erzengel ein falsches Spiel, er verriet die seinen, in dem er mit den Halbdämonen ein Bündnis einging.
Man beschloss, dass der Erzengel, welcher niemand anderes als Gabriel war, hinab zur Erde gehen und eine wahres Kind zeugen solle, und dessen Zukunft die Entstehung einer neuen Rasse sein sollte.
Es musste ein wahres Kind eines Erzengels sein, damit das Kind dieses Kindes auch die Kräfte der Engel behielt. Eine neue Rasse, eine Kreuzung aus Nephilim und Halbdämonen soll auferstehen und die Menschheit unterjochen, so war der Plan.
Und er schien perfekt.
Doch ausgerechnet Luzifer erfuhr von den
Plänen und wollte sie zu seinen Gunsten nutzen.
Und so kehrte er noch vor der Ausführung durch den Verräter auf die Erde zurück, suchte sich eine Frau bei den Germanen und zeugte mit ihr einen Sohn, legte ihm das Schicksal auf, das wahre Kind des Erzengels zu finden und an sich zu binden.
Doch obwohl Luzifer zu einem Dämonen Fürsten geworden war, so war seine wahre Natur immer noch die eines Erzengels und so wuchs sein Sohn nach den Lehren der Nephilim auf.
Zwei Monate später kehrte Gabriel nun auf
die Erde zurück, fand eine Frau, die ihm eine Tochter gebären
sollte, eine wahre Tochter, welche die Frucht der Veränderung
hervor bringen sollte.
Doch ohne das Wissen des Bruders legte auch hier Luzifer eine ganz andere Zukunft, verknüpfte ihr Schicksal unlöslich mit dem seines eigenen Sohnes, sorgte dafür, dass sie, wenn die Zeit gekommen war, zueinander finden würden und dass die Frucht, welche dieser Verbindung entspringen würde, den Plänen Gabriels und der Dämonen Fürsten widersprechen würde.
So vergingen die Jahre, der Sohn Luzifers,
als auch die Tochter Gabriels gingen ihre Wege, getrennt
voneinander, kämpften im Namen ihrer Ahnen, ihrer Herkunft und
wussten nicht von ihrem Schicksal. Und ebenso ahnte niemand etwas
davon, außer vielleicht die Propheten der Menschen und auch wenn
sie es niederschrieben, so glaubte niemand an eine solche
Begebenheit, an eine solche Zukunft.
Die Kämpfe zwischen Gut und Böse zogen sich
über die Jahrhunderte und Jahrtausende hin, bis in die heutige
Zeit. Der stille Krieg zwischen Nephilim und Halbdämonen, Himmel
und Hölle fand seinen erneuten Höhepunkt im heutigen New
York.
Hier lebten auch die beiden wahren Kinder,
jene, welche das Schicksal zu einem Leben bestimmt hatte, welches
ihnen viel Leid, Schmerz und Verzweiflung gebracht hatte und
bringen würde.
Es tauchten immer wieder Artefakte und
Bücher aus den vergangenen Zeiten auf, die Schriften der Propheten
begannen Wahrheit zu sprechen und die Oberhäupter der Halbwesen
begannen aufzuwachen und zu erkennen, dass dort Dinge in Gang
waren, die so nicht geplant und vorausgesehen
wurden.
Die Menschen selbst ahnten noch immer
nichts von dem Krieg um sie, lebten weiterhin für sich selbst und
wurden doch mitten hinein gezogen in die Kämpfe. Die Kirche
versuchte weiterhin zu verbergen, dass es diese Wesen wirklich gab,
sahen sie doch aus wie jeder andere.
„Nun, Gabriel, du bist der Sohn Luzifers, dein Kind wird das Dämonenkind sein. Doch ich bemerkte erst vor kurzem ein Problem, wie du vielleicht denkst, handelt es sich bei „Gabriels Tochter“ um Josephine. Was du allerdings nicht weißt, ist, dass ich noch eine weitere Tochter auf der Erde habe.
Sie wurde sechs Monate vor Josephine geboren.
Die Prophezeiung sagt leider nicht genau, welche meiner Töchter, die Mutter des Dämonenkindes werden wird…“
Er wirkte nachdenklich.
Gabe spürte, dass das noch nicht Alles war.
„Und warum suchen wir nicht nach deiner ersten Tochter und sehen, ob sie als potentielle Mutter in Frage käme?“
Gabriel schloss die Augen und seufzte.
„Wir haben sie schon gefunden.
Taliv ist meine Tochter.“