THAT’S NOT HER
Thinkin’ I might not recognize that girl out on the floor
I must admit she looks just like someone I used to know
[…]
But that’s not her!
Ich schüttelte den Kopf und sah das kleine Bündel in meinen Armen an.
Ich war gerade so nah dran dir zu verzeihen, Gabriel. Aber ich weiß einfach nicht mehr, was ich von dir halten soll. Ich kämpfte gegen die Tränen an und gewann.
Da hörte ich wie die Tür aufging und Maël ins Zimmer trat.
„Jo!“
Er kam auf mich zugerannt.
„Das ist sie also? Ach, ist die süß!“
Er ging neben meinem Bett in die Hocke und strich Gabriella über die Wange.
„Ein kleiner Engel. Du wirst bestimmt einer großartige Mutter…“
Er sah mich mit einem breiten Lächeln an.
Dann sah er mich genauer an und runzelte die Stirn. „Hey, was ist los?“
Er sah das Handy auf meinem Schoß.
„Schlechte Neuigkeiten?“
Er nahm meine Hand. Ich lächelte gezwungen.
„Es ist nichts… Es ist nur…“
Ich hörte mich so weinerlich an, dass ich schlucken musste. Die Zeit nutzte Maël, kletterte über meine Beine und setzte sich neben mich aufs Bett.
Dann legte er mir einen Arm um die Schulter.
Ich lehnte mich an ihn.
„Es… Ich habe mit Gabe gesprochen, und erst dachte ich, dass alles wieder so werden könnte wie früher, aber dann habe ich eine Frau gehört. Eine andere als die, die mich morgens um 6 angerufen hatte“, sagte ich, als ich die wortlose Frage in Maëls Augen sah. Ich spürte wie der Damm zu brechen drohte, aber ich wollte nicht wegen Gabe weinen. Nicht schon wieder.
„Maël ich weiß einfach nicht, ich war darauf nicht vorbereitet, und hab wahrscheinlich wieder mal über reagiert, aber ich, ach, keine Ahnung!“
Maël lächelte mich an.
„Was?“
Ich klang etwas grantiger als ich beabsichtigt hatte. Er zuckte nur mit den Schultern.
„Wenn es dir hilft, kann ich ja mal mit ihm reden. So nach dem Motto: Hör auf meine Freundin morgens aus dem Bett zu klingeln, du hattest deine Chance. Du hast es vergeigt, jetzt bin ich dran. Wehe, du rufst sie noch einmal an! Würde das helfen?“
Ich konnte nichts dagegen tun. Ich musste ebenfalls lachen. Ich würde gern mal sehen, wie die beiden aufeinander treffen, auch wenn ich nicht so sicher bin, auf wen ich mein Geld setzten würde. Vermutlich auf Gabe.
Das sagte ich Maël aber nicht. Er wäre nur beleidigt.
„Und was würde Calia dazu sagen, dass auf einmal ich deine Freundin bin?“
Bei der Erwähnung ihres Namens zuckte er
zusammen und sah mich böse an.
Calia und er waren in gewisser Weise verlobt. Bei Feen läuft das zwar irgendwie anders ab, aber wenn Calia von ihrem Auftrag aus Spanien zurückkam würden die beiden vermutlich heiraten.
Ziemlich sicher sogar. Schade nur, dass Maël sie nicht wirklich leiden konnte.
Aber gegen eine arrangierte Feen-Hochzeit wehrt man sich lieber nicht, wenn man seinem Leben nicht ein jähes Ende bereiten möchte.
Maël seufzte und sah auf Gabriella hinunter.
„Wie heißt der kleine Sonnenschein hier
eigentlich?“
Ich lächelte.
„Gabriella. Nach ihrem Großvater. Und nur nach ihm“, fügte ich auf Maëls Blick hinzu.
Er nickte sah mich aber zweifelnd an.
„Hallo, Sunny. Wir geht es dir? Du bist aber süß. Dir werden die anderen Babys bestimmt scharenweise zu Boden liegen. Aber deine Mutter und ich wollen nicht, dass du bis spät nachts wegbleibst, ist das klar? Vor elf bist du zuhause, und Jungs auf dem Zimmer sind auch verboten.
Guck mich nicht so an. Ich weiß, du willst nur Spaß haben, ich versteh das, ich war auch mal jung, aber trotzdem: Regeln sind Regeln.“
Ich verdrehte die Augen.
Gabriella hob vollkommen unbeeindruckt ein kleines Fäustchen und Maël griff danach.
Sie hielt sich an seinem Finger fest. Er lachte und lies sie machen. Plötzlich zuckte er zurück.
Ich sah ihn erschrocken an.
„Was ist passiert?“
Er schüttelte den Kopf.
„Ich weiß nicht. Es hat sich angefühlt, wie ein kleiner Stromschlag, hm… Sieh doch! Waren ihre Haare vorhin auch schon so lang?“
Ich sah auf Gabriella herunter. Ich war mir nicht sicher, aber ich glaube Maël hatte Recht. Gabriellas Haare schienen kaum merklich länger geworden zu sein. Ich strich ihr über den Kopf.
„Was war das?“ Maël zuckte mit den Schultern. „Vielleicht weiß Chi etwas darüber, ich hole sie, du wartest hier.“
Ich sah ihm nach und sah dann auf Gabriella herunter. Ich hatte so viele Prophezeiungen über sie gelesen, aber nirgends kam so etwas vor…
Nach ein paar Minuten betraten Chi und Maël wieder mein Zimmer.
Chi kam mit besorgtem Blick auf mich zu.
„Maël sagte etwas von einem Energiestoß. Hast du etwas davon gespürt, Josephine?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Vielleicht haben wir irgendetwas in einer Prophezeiung übersehen…“, sie murmelte, während sie in einem kleinen schwarzen Buch blätterte, dass sie in der Hand hielt. Maël sah mich an.
„Es hat ja nicht wirklich weh getan, also ist es ja auch nicht so schlimm, wenn sie einem hin und wieder einen Schlag verpasst…“
Ich sah ihn dankbar an. Er nahm das ziemlich locker, dass mein Kind ein Dämon-Engel Mischwesen, mit gelegentlicher Stromschlaggefahr war.
„Aha! Ich glaube ich habe einen Hinweis gefunden!
In Daimonos Kind vereinen sich die Mächte des Himmels und der Hölle. Ihre Kräfte gleichen sich aus; wenn der Dämon in ihm sich regt, tut dies auch der Engel; Er opfert seinen Körper um des anderen [Körper] zu schützen. Versteht ihr?“
Sie sah uns erwartungsvoll an. Ich sah verstohlen zu Maël, der genauso ratlos wirkte wie ich.
„Ähm, um ehrlich zu sein, nein, ich verstehe nicht:“ Chi seufzte und klappte das Buch zu.
„Nun, ein Dämon tut Böses, und ein Engel Gutes. Soweit ist das klar. Also, wenn der Dämon >sich regt< dann tut er etwas Schlechtes. Wir wissen doch, dass das Dämonen-Kind Lebensenergie aussaugen kann. Was ist, wenn sie genau das gerade bei Maël getan hat. Sie hat ihm ein kleines bisschen seiner Lebensenergie genommen. Keine Angst, es war wohl nur eine so kleine Menge, dass er nicht einmal gemerkt hat, dass er schwächer geworden sein müsste. Und normalerweise, wenn ein Dämon das tut, dann verwenden sie die Energie, indem sie sie auf ihr Opfer zurückschleudern. Zusammen mit ein wenig der eigenen Energie. Natürlich benötigen Dämonen eigentlich viel mehr Energie. Aber in unserem Fall hier, hat der Engel in ihr eingegriffen und Maël beschützt. Er hat die gestohlene Lebensenergie auf sich selbst zurück-
zurückgeschleudert – dadurch ist sie etwas gealtert. Die einzige Frage, die jetzt noch bleibt, ist, wie viel Energie das Mädchen entziehen kann, und wie oft sie das tun wird. Aber um das herauszufinden müssen wir wohl einfach abwarten…“
Ich sah noch einmal auf Gabriella hinunter. Meine Kleine soll Menschen die Lebensenergie entziehen?
Ich hatte erst mal ein wenig geschlafen, aber sobald ich aufgewacht war, hatte ich in der Akademie angerufen.
„Mari? Oh mein Gott, du glaubst es nicht! Ich bin Mutter!“
Am anderen Ende kreischte Marissa wild ins Telefon.
„Wirklich“, quietschte sie.
„Oh, Schatz, das ist ja fantastisch! Das werde ich gleich den anderen erzählen.“
Ich konnte sie rennen hören.
„Leute, Josies Baby ist jetzt da!“
Ich hörte aufgeregte Stimmen. Auf einmal war Bel am Telefon.
„Herzlichen Glückwunsch! Geht es ihr, ähm, ihm gut?“
Ich lachte.
„Es ist ein Sie!“
Ich hörte wie J.D. aufjaulte. Bel lachte.
„J.D. hat mit Shannon um 20 Dollar gewettet, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird…
Und er hat natürlich verloren.
Er hat glaub ich noch nie eine Wette gewonnen…“ Ich grinste.
„Ich schalte dich auf Lautsprecher, ok? Hallo, Josie“, rief Shannon. Meine Augen brannten, ich hatte sie alle so lange nicht gesehen.
„Sagt mal, Leute, wollt ihr nicht vielleicht vorbeikommen? Ich würde mich so freuen! Ich bezahl auch den Flug!“
Ich wartete gespannt.
„Natürlich“, hörte ich Marissa rufen. Auch die anderen stimmten zu.
„Super! Wann fahrt ihr los? Sofort? Oh bitte, sagt ihr fahrt sofort los!“
Ich war total aufgeregt. Ich konnte sie unisono lachen hören.
„Na wir beeilen uns, ok. Also wir sehen uns. Ciao, Süße. Du musst uns alles erzählen, wenn wir da sind, du warst schließlich plötzlich einfach so weg“ Ich verabschiedete mich und legte auf. Ich hatte kurz Schuldgefühle, denn ich hatte kein einziges Mal angerufen nach meiner überstürzten Abreise.
Ich verdrängte den Gedanken. Sie würden wirklich alle hier her kommen. Die ganze Akademie. Na ja, nicht das ganze aber auf Gabe mit seinen Launen konnte ich gerade verzichten.
Das versuchte ich mir zumindest einzureden…
Ich durfte zwar einerseits das Bett, auf Chilalis Anweisung hin, nicht verlassen, aber andererseits war ich viel zu aufgeregt um still sitzen zu können. Ich freute mich total darauf, die anderen wieder zu sehen. Ich hatte noch ein wenig geschlafen, war aber so gegen 2 Uhr morgens wieder wach geworden. Gabriella lag am anderen Ende des Zimmers in einer Wiege, die Maël extra für sie angefertigt hatte.
Für Feen typisch war unglaublich geschickt mit Werkzeugen. Die Wiege war aus einfachem Birkenholz, aber die Verzierungen ließen sie sündhaft teuer aussehen. Um die ganze Wiege rankten sich geschnitzte Blätter und kleine Feen. Auch ein paar Engel waren dabei. Es war wirklich unheimlich schön anzusehen. Gabriella gab keinen Laut von sich, also stand ich besorgt auf, und ging zu ihr. Erinnerungen an Berichten über den Plötzlichen Kindstod huschten durch meine Gedanken und ich lief ein wenig schneller.
Sie lag friedlich, den rechten Daumen im Mund, da und schlief. Ich atmete erleichtert auf. Hieß es nicht immer, dass Babys NIEMALS nachts schlafen würden? Ich wollte beinahe, dass sie aufwachte, und mich beschäftigte.
Ach, streichen wir das Beinahe.
Während ich sie so ansah, drehte sie sich auf die Seite, sodass sie nun mir zugewandt war.
Ich beugte mich herunter, um ihr über den Kopf zu streichen, doch Zentimeter bevor ich sie berührte schlug sie die Augen auf.
Mir lief es kalt den Rücken herunter, und ich wusste nicht wieso. Ganz still lag sie da und sah mich an. Dann streckte sie eine Hand aus.
Ich hob sie aus der Wiege und drückte sie an mich. Sie klammerte sich sofort fest, wie ein Äffchen.
Ich strich ihr übers Haar.
Auf einmal spürte ich ein Ziehen in meiner Brust. Irgendetwas wurde von dort über meinen Arm zu ihrem Kopf gezogen. Sie macht es schon wieder.
Sie entzog mir Energie. Ich fühlte mich etwas müde, aber als ich sah, dass ihre Haare schon wieder länger geworden waren, war ich hellwach.
Sofort lief ich zur Tür, Gabriella immer noch auf dem Arm, und trat auf den Flur hinaus.
Mit der Faust hämmerte ich an Chilalis Tür. Aus irgendeinem Grund schloss sie nachts immer ihre Tür ab. Nur diese Tür besaß überhaupt ein Schloss. Alle anderen Türen im Haus hatten nicht mal das. Ich hörte Geräusche, und schließlich wurde die Tür behutsam geöffnet. Chilali streckte ihren Kopf heraus. Ihre Haare waren ungekämmt, aber ansonsten sah sie so aus, wie immer.
Als sie mich erkannte, wirkte sie verwirrt, als sie auf Gabriella hinabblickte fuhr sie erschrocken zurück. „Ist sie . . . schon wieder…?“
Ich nickte.
Sie trat wieder einen Schritt vor.
Nun legte sie ebenfalls eine Hand auf Gabriellas Kopf und sah mich an.
„Was glaubst du, Chi, wie alt wäre sie jetzt, so vom Aussehen her?“
Chi sah auf die Kleine herunter. Sie zog ein wenig die Stirn in Falten.
„Ich würde sagen, so circa 3 Monate. Wieso fragst du?”
Ich nickte nur.
„Du Chi, was, wenn sie jeden Tag Energie benötigt… Sie würde rasend schnell altern. Die anderen werden mir ja sicher nicht mal glauben, dass sie mein neugeborenes Kind ist“, ich lachte halbherzig.
Das Ganze machte mich ziemlich nervös.
„Let’s wait and see, würde ich sagen…“
Ich runzelte die Stirn. Das klang so gar nicht nach der Chilali, die ich kannte. Ich entzog Gabriella Chilalis Hand und sah sie weiterhin forschend an. Chilali hob eine Augenbraue.
„Josie, was ist los?“ Ich legte schützend einen Arm um Gabriella und zog mit dem anderen ein Messer. „Wer bist du?“ Chilali hob abwehrend die Hände. „Josie, ich bin’s. Was ist los? Leg doch um Himmels Willen dieses Ding da weg!“ Ich kniff die Augen zusammen.
„Du bist nicht Chilali. Chilali hat mich in den ganzen letzten Wochen und Monaten noch NIE Josie genannt, egal wie oft ich sie darum gebeten habe. Und Chilali würde auch niemals so ein Anglizismen-Mischmasch wie „Let’s wait and see“ sagen. Chilali ist was das betrifft ziemlich altmodisch. Also, ich frage noch einmal: WER bist du!“
Chilalis Augen wurden schwarz und sie lächelte. „Hut ab, Josie. Ich hätte nicht gedacht, dass du es bemerkst… Also gib mir einfach das Kind, und wir lassen dich in Ruhe. Ach, und wo wir gerade dabei sind könntest du uns das Amulett auch noch gleich dazulegen. Wenn’s geht bald, in Ordnung?“
Ich hielt den Dämon mit dem Messer auf Abstand. „Ich bin doch kein Drive-Through! Du kannst dir deine Bestellung sonst wohin stecken, und jetzt sag mir, wo ist die echte Chilali?“
Chilali lachte nur.
„Chilali can’t come to the phone right now…”
Ich versuchte an ihr vorbei ins Zimmer zu sehen. „Wenn du ihr etwas angetan hast, dann schwöre ich, bei Gott, dass du eine ganz neue Bedeutung des Wortes Todesqualen erfahren wirst.“
Der Dämon sah mich gelangweilt an.
„Das ist Alles? Eine Drohung? Tut mir leid, aber irgendwie fühle ich mich nicht sonderlich gefährdet. Das könnte daran liegen, dass ich das Wort Todesqualen praktisch erfunden habe…“
Der Dämon verwandelte sich.
Die blonden Haare fielen ihm büschelweise aus.
Die Nähte von Chilalis Kleid platzten, als sein Körper sich ausdehnte. Seine Nase wurde länger, seine Augen schmaler.
Es stank bestialisch nach Schwefel und der Dämon lachte. Seine Ohren wurden spitzer und länger, sodass sie aussahen wie die eines Kojoten.
Seine Haut wurde braun und ledrig, und schließlich wuchsen ihm noch zwei Hörner auf der Stirn.
Ich erkannte ihn aus einer Prophezeiung, die ich gelesen hatte. Ich hatte seinen Namen vergessen, aber er war ein, nein, DER Dämon der Pestilenz.
Er konnte Menschen innerhalb von wenigen Stunden an faulenden Wunden sterben lassen…
„Darf ich mich vorstellen. Ich habe zwar viele Namen, aber dieses Jahrhundert bevorzuge ich den Namen Vepar.“
Er streckte eine Hand nach Gabriella aus.
„Komm schon, Josie, gib sie mir. Wir werden sie so oder so bekommen. Du weißt, wie die Prophezeiung um das Dämonenkind endet.
Ich presste Gabriella noch fester an mich. Er rollte mit den Augen und ging in die Knie. Dann sprang er auf mich los.
Maël wacht auf. Er hatte einen komischen Traum gehabt, und nun, da er wach ist, verspürt er ein Ziehen. Er weiß nicht, was das bedeuten soll.
Dann kommen die Kopfschmerzen.
Eine junge Frau, mit langen braunen Haaren.
Sie steht in einem Gang.
Auf dem einen Arm ein Kind. In der freien Hand
eine Klinge.
Sie blitzt.
Vor ihr steht ein Ungetüm. Große Hörner zieren
seine Stirn.
Er schnaubt.
Die Frau hat Angst. Das Ungetüm lacht.
Er springt nach vorn.
Die Frau weicht aus. Das Kind weint.
Es hebt eine Hand.
Er hat wieder eine Vision. Gehetzt steht er auf. Dieses Mal gibt es keinen Zweifel, was die Bilder bedeuten. Mit einem Satz ist er zur Tür hinaus.
Er rennt. Nirgends brennt ein Licht.
Alle Türen sind verschlossen.
Wieder Kopfschmerzen.
Er presst die Handballen gegen seine Augen.
Dann sinkt er in die Knie.
Die Frau liegt auf dem Boden. Schützend hat sie
eine Hand um das Kind gelegt.
Sie stöhnt.
Das Ungetüm baut sich vor ihr auf. Er holt zum
Schlag aus.
Sie schreit.
Die Bilder bewegen sich immer schneller in Maëls Kopf. Er steht auf und rennt weiter.
Er steht vor Chilalis Haus.
Die Tür ist offen. Wie immer.
Er hört einen Schrei. Zwei Stufen auf einmal nehmend sprintet er nach oben.
Mit einem Satz ist er zwischen dem Dämon und Josephine.
Auf einmal stand Maël über mir.
Ich hatte ihn gar nicht kommen sehen.
Er war einfach da. Er streckte die Hand aus und ein grüner Lichtblitz versengte Vepar’s Haut.
Vepar brüllte vor Schmerz und fiel auf die Knie. Maël ließ die Hand sinken, und Vepar nutzte die Gelegenheit. Er sprang auf Maël zu.
Ich schrie auf. Maël wurde zu Boden gerissen, Vepar auf ihm. Vepar schlug auf Maëls Gesicht ein bis ich ein Knacken hörte. Maël stöhnte.
Er blutete sehr stark. Es war alles so schnell gegangen, sodass ich erst jetzt reagierte.
Ich setzte Gabriella neben mich auf den Boden.
Sie hatte mittlerweile wieder aufgehört zu weinen. Ich versuchte aufzustehen. Meine Rippen taten weh, aber es fühlte sich nicht an, als wären sie gebrochen. Ich nahm meinen Dolch fest in die Hand und rammte Vepar den Dolch genau zwischen die Schulterblätter.
Er grunzte und drehte sich zu mir um. Gerade als er zum Schlag ausholte sprang Maël ihm auf den Rücken. Vepar wirbelte wieder herum.
„Ihr seid lästiger als ein Haufen kopfloser Hühner.“ Er schnaubte und schlug mit der einen Hand nach mir und mit der anderen langte er über seine Schulter.
Maël wurde abgeworfen.
Ich wich dem Schlag aus und ging in die Hocke. Vepar sog scharf die Luft ein und atmete aus.
Dabei blies er einen grünlichen Nebel aus.
Als der Nebel meine Haut berührte begann sie zu brennen. Tränen schossen mir in die Augen und ich keuchte.
Ich sah zu Gabriella, aber sie schien unbeeindruckt von diesem ätzenden Nebel zu sein.
Inzwischen wurde das Brennen immer schlimmer und ich sah, dass sich auf meiner Haut Blasen bildeten. Maël hatte hinter Vepar gestanden und war verschont geblieben.
Ich wälzte mich auf dem Boden und wollte plötzlich einfach nur sterben.
Der Tod schien mir eine wunderbare Erlösung zu sein und…
Diese Gedanken kamen nicht von mir. Panisch sah ich zu Vepar auf. Er lächelte und drehte sich dann zu Maël um. Meine Haut stand immer noch in Flammen, aber ich wollte Maël helfen.
Er wich immer weiter zurück, bis Vepar ihn schließlich an eine Wand gedrängt hatte. Ich sah, dass mein Dolch immer noch unbemerkt zwischen Vepars Schulterblättern steckte.
Mit einem kräftigen Ruck griff ich danach.
Vepar schien es nicht mal zu bemerken. Er holte zu einem Schlag aus, der Maël den Kopf von den Schultern gerissen hätte, wenn dieser nicht dank seiner Feen-Bedingten Schnelligkeit ausgewichen wäre. So schlug Vepar nur ein Loch in die Wand. Maël hatte sich unter Vepar Arm vorbei geduckt und stand jetzt neben mir.
Der Dämon drehte sich um, und ich wusste plötzlich, dass wir keine Chance hatten.
Er war einfach zu stark. Fieberhaft überlegte ich, wie ich uns alle sicher hier heraus bringen könnte. Mir fiel einfach keine Lösung ein.
Aber mir wurde die Entscheidung abgenommen
„Ich sehe, ihr wollt nicht kooperieren. Na gut, für heute verschwinde ich, aber ich hoffe ihr wisst, dass ihr Glück habt noch am Leben zu sein. Ich komme bald wieder, vielleicht bist du bis dann einsichtiger geworden. Du weißt doch schließlich wer am Ende gewinnen wird. So steht es doch geschrieben, nicht wahr?“
Ich griff nach Gabriella und presste sie wieder schützend an mich. Vepar warf noch einmal einen Blick auf Maël dann schnippte er und verschwand in einer Rauchsäule. Kaum war Vepar verschwunden gaben Maëls Knie nach und er sank zu Boden.
Er hatte mir selbst gesagt, dass er kein Nahkämpfer war. Seine Stärke lag im Bogenschießen.
Ich ging neben Maël in die Hocke.
Er sah erbärmlich aus. Seine Nase war offensichtlich gebrochen und seine Lippe und Schläfe bluteten.
Ich wollte ihn berühren aber ich hatte Angst, dass es weh tun würde. Maël spuckte ein wenig Blut aus. Dann hob er eine Hand und legte sie an seine Schläfe.
Grüner Nebel bewegte sich von Maëls Fingerspitzen zu seiner Wunde und drang in sie ein. Ich konnte sehen wie die Haut sich wieder schloss, und die Blutung stoppte. Das Gleiche wiederholte er auch mit seiner Nase und seiner Lippe.
Ich sah ihn mitleidig und unendlich dankbar zugleich an.
„Woher wusstest du eigentlich, dass wir in Schwierigkeiten steckten?“
Er zuckte mit den Schultern.
„Es war einfach so ein Gefühl, schätze ich. Hauptsache ist, dass es euch beiden gut geht.“
Maël machte das oft. Seine Antworten waren selten hilfreich, aber ich hatte mich daran gewöhnt.
„Ich muss sagen, Jo, du bist echt aus der Übung. Wenn man den Geschichten, die du immer erzählst, glauben darf, dann hatte ich echt mehr erwartet. Ts, ts.“
Er sah mich mit gespielter Herablassung an.
Ich hoffte zumindest, dass sie gespielt war…
Als er keine Anstalten machte aufzustehen, rollte ich mit den Augen und half ihm hoch.
Ich sah ihn an, und lachte. Dann umarmte ich ihn. „Danke“, flüsterte ich, als er völlig perplex meine Umarmung erwiderte.
„Also weißt du auch nicht, wo Chilali sein könnte.“ Maël und ich saßen in meinem Zimmer.
Ich hatte Gabriella ins Bett gebracht, bald würde es dämmern. Und ich machte mir wirklich Sorgen um Chi.
„Ich denke wir haben keine Andere Wahl, als das ganze Haus nach ihr abzusuchen…“
Maël nickte also standen wir auf.
Ich war nicht müde, und er scheinbar auch nicht.
Nach einer Stunde hatten wir Chilali immer noch nicht gefunden. Also weiteten wir die Suche auf die ganze Stadt aus. Ich machte mir ziemliche Sorgen, und wäre Maël nicht gewesen, wäre ich vermutlich panisch im Kreis gerannt.
Wo zum Teufel steckst du Chilali?!
Chilali hob stolz ihr Kinn.
„Also Luzifer, du weißt worum ich dich bitten möchte. Hör auf Josephine und ihre Tochter mit deinen Dämonen zu belästigen.“
Sie sah ihn durchdringend an. Luzifer lachte, aber es lag keine Freude darin.
„Glaubst du wirklich, ich würde meine Dämonen der Hölle schicken um sie zu suchen?
Glaubst du, Josephine könnte die Dämonen, die ich eigens dafür ausgewählt habe sie zu suchen und zu finden innerhalb weniger Minuten besiegen? Glaubst du etwa, dass ich nichts Besseres zu tun habe, als immer und immer wieder Dämonen auf ihre Fährte zu setzten?
Nein, das glaubst du nicht.
Ich weiß wo Josephine ist.
Immer.
Ich brauche sie nicht suchen zu lassen.
Man kann nichts suchen, von dem man weiß, wo es sich befindet. Du weißt genauso gut wie ich, dass all diese „Attacken“ nur eine Ablenkung sind. Josephine würde misstrauisch werden, wenn ich nicht mehr nach ihr suchen ließe.
Ich tue nur, was sie von mir erwartet.
Doch letzten Endes ist all ihr Widerstand völlig bedeutungslos. Du und ich, wir haben beide die Prophezeiung gelesen, und wir wissen beide, dass sie früher oder später freiwillig zu mir kommen wird. Alles was ich tun muss, ist Geduld haben.
Sie wird mein sein. Und weder du noch ich können das ändern.“
Chilali trat einen Schritt näher an seinen Thron heran.
„Du tust so siegessicher, aber wie all das hier enden wird, das weiß niemand. Ja, es steht geschrieben, dass Josephine zu dir kommen wird. Verdammt, es steht sogar geschrieben, dass Gabriel zu dir kommen wird. Aber dennoch, wir wissen nicht, was dann passiert. Jede Prophezeiung dieser Welt endet an diesem Tag. Also pass lieber auf, ob du weiterhin so überzeugt von deinem Triumph bist…“
Luzifer war aufgestanden.
„Nun, liebe Chilali, mir scheint, du hast unsere Abmachung vergessen. Nun, das kann passieren nach den vielen Tausend Jahren.
Was du allerdings niemals vergessen solltest ist, wie du mit mir umzugehen hast. Vergiss das niemals! Auf die Knie, oder ich nehme dir gleich jetzt und hier, was ich dir damals gab.“
Seine Stimme war ruhig, keine Regung zeigte sich auf seinem makellosen Gesicht.
Trotzig schob Chilali das Kinn vor.
Luzifer hob abschätzend eine Augenbraue.
„Aah!“
Ein Schmerz schlimmer als alles was sie bisher erlitten hatte durchfuhr Chilali.
Es war als drückte man ihr zwei heiße Eisen in die Augenhöhlen. Sie drückte sich die Handballen auf ihre Augen. Ihr Stolz verhinderte, dass sie wimmerte „Tu, was ich von dir verlange, und ich höre auf.“ Nun entfuhr ihr doch ein kurzes Stöhnen und sie sank zu Boden. Sie blickte auf und hatte Angst blind zu sein, doch nichts. Ihre Augen bluteten nicht und waren vollkommen intakt.
Es war alles nur in ihrem Kopf.
Unterdrückte Wut lag in ihrem Blick, als sie zu Luzifer hoch starrte.
„Nun geh! Tu, was ich dir auftrug.“
Chilali blinzelte und Luzifer war verschwunden, genauso wie der Schmerz.
Maël legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Keine Sorge, wir finden sie schon, aber fürs erste musst du schlafen. Du bist viel zu erschöpft um jetzt weiter zu machen, das sehe ich doch.“
Er sah mir tief in die Augen. Maël kannte mich einfach zu gut.
„Na schön. Auch wenn ich vermutlich gar nicht schlafen kann vor Sorge…“
Wir gingen zurück zu Chilalis Haus. Nachdem ich die Tür geöffnet hatte zögerte ich. Ich wollte mich gerade von ihm verabschieden, als ich jemanden auf der Bank unter dem Baum sitzen sah.
Es war Chilali. Ich rannte auf sie zu.
3 Meter vor ihr blieb ich stehen. Sie sah müde aus. Sie hob nur leicht den Kopf um mich anzusehen. Dann lächelte sie.
Aber es wirkte nur halbherzig.
„Chi! Wo warst du denn nur, wir haben alles auf den Kopf gestellt, um dich zu finden!“
Sie hob eine Hand. Sie zitterte leicht.
„Das ist eine lange Geschichte, und ich möchte einfach nur schlafen gehen, in Ordnung. Vertrau mir, Josephine.“
Ich blickte mich ratlos zu Maël um, der inzwischen auch eingetreten war.
Er zuckte nur mit den Schultern. Also gut, dann vertraue ich dir mal Chilali, aber pass auf, was du tust…
Nach einer gefühlten halben Stunde Schlaf weckte mich Chilali. Sie war besser als jeder Wecker. Pünktlich auf die Minute.
Ich streckte mich und sah sie fragend an.
„Hast du etwa schon wieder vergessen, dass heute deine Freunde aus der Akademie anreisen wollten“, sagte sie mit einem Lächeln.
Natürlich hatte ich es nicht vergessen!
Ich sprang auf. Ich war unglaublich aufgeregt, ich hatte sie alle eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Ich ging hinüber zu Gabriellas Bettchen und hob sie heraus. Sie sah mich aus verschlafenen Augen an. „Zeit aufzustehen, mein Schatz. Deine Patenfamilie kommt zu Besuch!“
Sie schloss wieder die Augen. Ein bisschen mehr Begeisterung bitte!
Also gut, dann bin ich eben für uns beide aufgeregt. Ich legte sie auf meinen Arm und ging zu meinem Schrank. Als ich ihn geöffnet hatte fiel mein Blick auf die rechte Seite.
Dort lagen ordentlich gefaltet meine Jeans. Oh Gott, ich habe schon so lange keine Jeans mehr getragen. Immer nur diese Umstandsmode.
Wird Zeit, dass ich das wieder mache. Ich nahm die oberste Hose, vielleicht war es nur meine Einbildung, aber sie fühlte sich verstaubt an, und dazu ein einfaches schwarzes Top.
Beinahe hätte ich es vergessen, aber ich schnallte mir auch noch einen handlichen Dolch um dir rechte Wade. Einfach über die Jeans.
Hier in Esmeras war es nicht verwunderlich bewaffnet durch die Gegend zu laufen.
Gabriella zog ich ein hübsches blaues Kleidchen an, und ging mit ihr zum Frühstück.
Ich hatte mich gerade unten an den Tisch zu Chilali gesetzt, als Gabriella in meinen Armen seufzte. Ich sah auf sie herab und bemerkte, dass sie eine Hand nach mir ausstreckte.
„Spätzchen willst du mir schon wieder einen Schlag versetzen?“
Ich fühle mich schlecht, aber ich hielt sie mit ausgestreckten Armen von mir.
„Du Chi, glaubst du, sie kann auch anderen Dingen Energie entziehen, als bloß Menschen?“
Chilali zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht, Josephine, aber einen Versuch ist es wert.“
Sie deutete auf die Darganie. Der Baum stand keine drei Meter entfernt. Ich stand auf. Dann drehte ich Gabriella so, dass sie die Rinde mit ihren kleinen Fingern berühren konnte. Sie seufzte noch einmal. Ich starrte die ganze Zeit auf ihre Haare um genau mitzubekommen, wann sie sich veränderte.
Dann sah ich, wie ihre blonden Löckchen ein wenig länger wurden.
Ich nahm sie wieder in die Arme. Dort wo ihre Hand gelegen hatte war die Rinde etwas dunkler. Ansonsten erkannte ich, natürlich, keinen Unterschied an der Darganie.
Also konnte sie auch anderen Dingen Energie entziehen. Damit würde ich noch ein bisschen experimentieren müssen.
„So, nun sag Josephine, wann wollten deine Freunde heute noch mal kommen?“
Meine Miene hellte sich auf.
„Oh mein Gott, stimmt, das hätte ich beinahe vergessen! Ich wollte Mari anrufen, und sie fragen. Warte ich hole kurz mein Handy, nimm Gabriella so lange, ja?“
Aber ich ließ ihr keine Zeit Nein zu sagen, denn da hatte sie Gabriella schon im Arm.
Nach ein paar Minuten kam ich mit meinem Handy zurück. Ich wählte die vertraute Nummer.
Kein Anschluss unter dieser Nummer.
Verwirrt blickte ich auf mein Handy.
Kein Empfangsbalken.
Ich streckte die Hand aus und versuchte dem offensichtlichen Funkloch zu entkommen. Aber so sehr ich auch herum wedelte, Empfang bekam ich keinen. Fragend sah ich zu Chilali, die wie immer wissend lächelte.
Dieser Blick hatte nichts überhebliches, und trotzdem hasste ich es, wenn sie mich so ansah. Es bedeutete, dass sie etwas verstanden hatte, was mir noch nicht klar geworden war.
„Na los, Chi, was mache ich falsch. Ich konnte doch immer von hier telefonieren. Was ist jetzt anders?“ Sie hob die Augenbrauen und sah auf Gabriella in ihren Armen herunter.
Ich trat näher an die beiden heran. Ich stand nah genug, dass ich Gabriella über die Haare streichen könnte. Chilali sah mich ermutigend an und nickte in Richtung des Handys in meiner Hand. Ich sah darauf herunter.
Kein Balken Empfang.
Chilali winkte mich zu sich heran und reichte mir Gabriella. Ich setzte sie auf meine Hüfte und sah wieder auf mein Handy. Voller Empfang.
„Chilali, was ist hier los?“
Nun lächelte sie wieder dieses Lächeln.
„Ich habe mir schon Gedanken über dieses Thema gemacht, als du noch mit ihr schwanger warst.
Auch damals konntest du ohne Probleme telefonieren, was sonst niemand hier kann.
Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber ich glaube Gabriella ist dein eigener kleiner Satellit. Normalerweise werden alle elektromagnetischen Wellen in und über Esmeras durch Zauberglanz absorbiert, damit Esmeras nicht auf dem Radar erscheint. Aber irgendwie scheint diese kleine hier ihre eigenen Strahlen auszusenden.
Ich weiß sonst keine andere Erklärung…
Also, wenn du telefonieren willst, stell sicher, dass du Gabriella in der Nähe hast“, sie lacht wieder.
„Mach dich nicht darüber lustig, dass meine Tochter ein Satellit ist. Und überhaupt, wieso passiert das ausgerechnet meiner Tochter? Reicht es nicht, dass sie das Dämonenkind, oh Pardon,
Dämonenmädchen, ist? Was kommt als nächstes. Erzählst du mir, dass sie auch der neue Messias ist?“ Ich hob herausfordernd eine Augenbraue, aber Chilali sagte natürlich nichts dergleichen.
Gott sei Dank. Wo waren wir, bevor meine Tochter zu einem Satelliten wurde…
Ach ja!
„So, dann kann ich ja jetzt telefonieren.“
Ich wählte noch einmal Marissas Nummer und wartete. Es klingelte. Braver, kleiner Satellit.
Nach dem fünften Tuten nahm Mari ab.
„Hallo, hier ich, wer da?“
Ein breites Grinsen zog sich übe mein Gesicht.
Ich konnte es gar nicht erwarten, dass ich sie endlich wieder sah.
„Mari, ich bin’s! Ich wollte nur fragen, wann ihr eigentlich kommen wolltet. Wir holen euch dann ab.“
Ich wartete.
„Ach, ihr müsst uns nicht abholen. Ein bisschen Bewegung tut James‘ Plauze auch mal gut.
Seit Wochen schon lässt er sein Training schleifen, weil keine wirklichen Missionen mehr anstehen… Aber ihr könnt uns am Raphael-Tor abholen, wenn ihr wollt. Unser Flug bordet jetzt.
Voraussichtliche Ankunft ist in circa 6 Stunden. Ich würde sagen, so in 8 Stunden oder was könnten wir es ans Raphael-Tor schaffen, ist das in Ordnung?“ Acht Stunden… Das war noch so lange hin. Aber ich konnte mir gut vorstellen, dass J.D. einfach nur stundenlang vor dem Fernseher saß und Chips in sich rein fraß.
„Ja, klar, das geht auch, aber beeilt euch, okay?“
„Wir fliegen, oh warte, das machen wir ja wirklich, Mist, jetzt wollte ich mal Tatum aus Scream zitieren und dann geht es nicht wirklich. Weißt du noch die Szene wo Sidney allein zuhause ist und Angst hat und Tatum ganz schnell kommen soll, ist dir eigentlich mal aufgefallen, dass die beiden Jungennamen haben, ist das nicht…“, ich wusste, dass Marissa es liebte über Horrorfilme zu reden, das war irgendwie ein neues Hobby von ihr, aber sie würde jetzt auch die nächste halbe Stunde nicht mehr damit aufhören, also:
„Hey Mari, euer Flug! Beeil dich sonst kommst du gar nicht mehr heute an!“
Am Ende der Leitung war es kurz still. „Oh, du hast Recht. Also ich mach mich dann mal auf den Weg. Bis nachher! Hab dich lieb!“
Und damit legte sie auf.
Noch acht Stunden… Was sollte ich denn die ganze Zeit machen?
„Chi, sie brauchen noch acht Stunden bis sie am Raphaels-Tor auf uns warten. Acht Stunden! Das halte ich nicht aus, ich hole Maël. Der soll mich gefälligst beschäftigen.“
Damit drehte ich mich um und ging in Richtung Tür. Chilali sah mir einfach nur nach und griff dann schließlich nach ihrer Tasse und nahm einen kleinen Schluck. Dabei las sie in einem alten Buch. Alles wie immer.
„So, Gabriella, jetzt siehst du zum ersten Mal die Welt draußen. Bist du aufgeregt? Ich schon.“
Ich öffnete die Tür und trat hinaus ins Licht. Schon hörte ich das übliche Stimmengewirr, das vom Marktplatz her wehte. Zielstrebig ging ich vorwärts und schlängelte mich durch die Menge.
Dabei drückte ich Gabriella fest an mich.
Um mich herum war der übliche Zauber, den ich schon gar nicht mehr bemerkte.
Eine Fee ritt auf einem Schecken vorbei und streute Blüten. Zwischen meinen Füßen huschten Katzen, Hunde und Frettchen vorbei.
Ich kam an einer Bäckerei vorbei aus der es herrlich duftete, und mir fiel auf, dass ich mein Frühstück auf Chilalis Tisch hatte stehen lassen.
Viele Läden säumten hier die Straße und ich blickte auf die Auslage. Das meiste kannte ich bereits, ich ging schließlich sehr oft hier entlang zu Maëls Haus. Ich bog von der Hauptstraße ab nach rechts in eine Seitengasse.
Am Ende der Gasse kam eine andere große Straße, aber dieses hier war gänzlich anders.
Ich war jetzt im Feen-Garten-Bezirk.
Die Straße war nicht gepflastert sondern festgestampfte Erde. Über meinem Kopf hingen überall Girlanden, Wäscheleinen und Efeuranken, die von einer Häuserseite zur anderen über den Weg gespannt waren.
Die Häuser waren keine Steinhäuser wie in Chilalis Bezirk, sondern Holzhäuser.
Die Verkleidung der Häuserfronten bildeten ganze Rindenstücke. Haushohe und –breite Rindenstücke. Die Fenster waren aus Buntglas.
Auf beiden Seiten des Weges wuchsen Büsche, Blumen und auch vereinzelt Weinreben.
Ich hörte Vogelgezwitscher und ein paar kleine Schmetterlinge kreuzten meinen Weg.
Der Feen-Garten-Bezirk war wirklich wundervoll. Ich hatte mich immer gefragt, wieso Chilali in Raphaels Stadtbezirk wohnte und nicht hier, wo sie hier doch viel besser hinein passte, auch wenn sie keine Fee war.
Ich ging zielstrebig durch die Gassen und stand schließlich vor einem Haus.
Es sah von außen nicht viel anders aus, als alle anderen, mit dem Unterschied, dass ich wusste, wie dieses Haus von innen aussieht.
Ich verlagerte Gabriella auf meinen einen Arm und klopfte mit dem anderen.
„Maël! Mach schon auf!“
Ich hörte Schritte, und die Tür wurde geöffnet. Allerdings nicht von Maël.
Es war Calia.
„Oh, hallo, Calia. Ich dachte du kommst noch nicht so früh wieder zurück nach Hause…“
Calia war offensichtlich eine Fee.
Sie hatte hell-violettes Haar, das zu einem hübschen Flechtgebilde auf ihren Kopf frisiert war. Ihre Ohren liefen spitz zu und ihre Lippen waren angesichts meines Auftauchens zu einem Strich zusammengepresst.
Auch ihre Augen, so schön wie das karibische Meer, hätten Pizza tiefkühlen können.
„Ähm, ich freu mich dich zu sehen, ist Maël da? Ich wollte mich mit ihm treffen.“
Ihre Augen wurden düster.
„Ja, mein Verlobter ist oben in seinem Zimmer. Aber er lässt mich nicht zu ihm rein, vielleicht ist er auch schon durchs Fenster geflohen. Vielleicht lässt er dich ja rein.“
Der letzte Satz ätzte mir förmlich die Haut ab.
Tja, sie war offensichtlich beleidigt und eifersüchtig. Mir blieben jetzt demnach zwei Möglichkeiten.
Erstens: Ich ignoriere ihren Hass auf mich und gehe zu Maël ins Zimmer, und lasse damit vermutlich Verdammnis über meine ganze Familie kommen. Oder
Zweitens: Ich lies es gut sein, und versuchte Maëls Fenster von außen zu erreichen und half zur Flucht.
Das Problem bei letzterem war, das ich ein kleines Baby auf dem Arm hatte, und deshalb nicht einfach über die Dächer klettern konnte.
Andererseits…
Calia hasst mich doch eh schon, was machte es da aus, wenn ich jetzt Maël besuchen ging… Zielstrebig trat ich an Calia vorbei durch die Tür. „Ich geh ihn dann mal oben besuchen. Hättest du Lust uns ein paar Sandwiches zu machen, ich sterbe vor Hunger?“
Calia sog gereizt die Luft ein.
„Oder auch nicht, ich bin sicher Maël hat noch was zu essen für mich da oben. Bis dann, Calia!“
Ich eilte an der wilden Furie vorbei die Treppe rauf. Schade nur, dass es mir Spaß machte sie zu reizen…
Als ich die Treppen nach oben gegangen war stand ich vor Maëls Tür.
Nur war diese normalerweise nie geschlossen. Maël mochte enge Räume nicht.
Vielleicht war er auch klaustrophob…
Oder es lag einfach in der Natur von Feen.
Wer weiß, ich könnte ihn ja mal fragen. Ich klopfte vorsichtig, aber es kam keine Antwort.
„Maël? Ich bin’s Josie. Und Gabriella. Sie ist auch hier. Willst du uns nicht herein lassen?“
Immer noch keine Antwort. Vielleicht hatte Calia ja Recht gehabt und er war bereits geflohen…
Ich versuchte den Türgriff zu drehen, aber in diesem Moment öffnete sich die Tür. Maël sah sich vorsichtig um als hätte er Angst, dass Calia ihn sehen könnte. Eigentlich gar nicht mal so abwegig…
Dann packte er mich am Ellbogen und zog mich in sein Zimmer. Lautlos schloss er die Tür und drehte sich zu mir um. Dann lächelte er.
„Hey.“
Ich sah mich um. Es war alles wie immer.
Das Bett stand an der rechten Wand, an der linken war ein bequemes Sofa mit grünem Bezug und unter dem Fenster stand eine Truhe, in die ich niemals gucken durfte. Sie war aus einfachem Holz aber mit vielen Verzierungen, und einem großen
Vorhängeschloss. Wo er den Schlüssel aufbewahrte wusste ich nicht, aber es ging mich ja eigentlich auch nichts an. Er stellte sich vor ich und nahem mir Gabriella aus dem Arm.
„Du hast die kleine den arktischen Temperaturen meiner Verlobten ausgesetzt? Wie konntest du, sie kriegt bestimmt eine Erkältung!“
Ich sah ihn an.
„Ich wusste nicht, dass sie schon wieder nach Esmeras zurückgekommen war. Und ich bin hier, weil du mich acht Stunden unterhalten sollst, bis meine Familie aus New York hier ankommt. Warum ist Calia denn so gereizt? Was hast du gemacht?“
Er sah mich beleidigt an.
„Ich habe gar nichts gemacht! Sie ist einfach heute Morgen rein geschneit und hat mich gefragt, mit wem ich die ganze Nacht durch die Stadt gelaufen bin. Sie hat uns wohl gesehen, als wir Chilali gesucht haben, und ich konnte sie nur mit Mühe und Not überzeugen, dass sie dich nicht aus verletzter Ehre absticht. Und dass du dann hier auch noch mit Kind auftauchst hat es dann wohl nicht gerade besser gemacht. Sie denkt ich bin ihr untreu gewesen und habe mir dafür ausgerechnet auch noch eine alleinerziehende Nephilim-Mutter ausgesucht. Eine schlimmere Schande scheint es für sie nicht zu geben. Also bleib ich jetzt so lange hier oben, bis sie sich beruhigt hat und mir zuhört. Allerdings, wie du weißt leben wir Feen verdammt lange. Wir sind die besten Stur Köpfe, weil wir einfach so lange warten, bis die, denen wir widersprechen sterben, und voila wir haben Recht… Glaub mir, das kann dauern.“
Ich zuckte die Schultern und setzte mich auf sein Bett. Er setzte sich mit Gabriella auf dem Arm neben mich.
„Nun, was machen wir denn jetzt die nächsten acht Stunden? Da könnten wir echt viel machen, wenn nicht im Erdgeschoss mein privater Zerberus säße…“
Er ließ den Kopf hängen. Gabriella hob einen Arm und tatschte Maël im Gesicht rum.
Ich musste lachen, als er es einfach über sich ergehen ließ.
„Sie sieht schon wieder älter aus als gestern Abend. Wie alt würdest du sie jetzt schätzen?“
Ich sah auf meine Tochter hinab.
Ich legte den Kopf eine Seite und schob die Unterlippe vor.
„Tja, so in etwa 4/5 Monate, oder?“
Maël nickte.
„Ungefähr ja, wieso fragst du?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich hab nur überlegt, wie lange es dauert bis sie älter ist als ich, wenn sie weiter so schnell wächst… Dann kann sie sagen, dass sie meine Mutter ist, und nicht umgekehrt. Das wäre strange.“
Maël gab mir die Kleine zurück und stand auf. Er stellte sich vor das Fenster und sah hinaus.
Dann drehte er sich zu mir um und grinste.
„Was hältst du davon, wenn wir uns ein schönes Picknick im Wald machen und meine eiskalte Verlobte hier sitzen lassen? Wir müssten nur irgendwie aus dem Fenster klettern, aber das sollte kein Problem sein für eine Nephilim und ein … nun ja, für mich!“
Er hob fragend die Arme.
„Und?“
Ich sah hinab auf meine Tochter und zurück zu Maël. Ich zuckte die Schultern und nickte.
„Warum nicht?“
Er lachte und öffnete das Fenster.
Dann streckte er den Kopf raus und sah runter.
„Gar nicht mal so tief… Am besten springen wir auf das Nachbardach, das liegt etwas tiefer und dann sehen wir weiter.“
„Du weißt schon, dass wir auch einfach unter Calias wütenden Blicken durch die Haustür gehen könnten, oder?“
Er seufzte.
„Schon, aber so macht es doch viel mehr Spaß! Außerdem soll meine Verlobte nicht denken, dass ich weich werde. Sie ist im Unrecht und das soll sie auch merken.“
Ich trat neben ihn und sah auf das Dach. Es war wirklich nicht weit weg, aber ich war nicht mehr in Topform und hatte Gabriella dabei. Zweifelnd sah ich zu Maël rüber.
„Du zuerst!“
Er atmete tief durch dann stellte er sich auf den Fenstersims. Er ließ einmal die Schultern kreisen und sprang. Als er auf dem Dach unter uns ankam rollte er sich mehr schlecht als recht ab. Ich lachte. „Das war ja unglaublich elegant, Herzchen!“
Er sah hoch.
„Ich will dich mal sehen!“
Ich kletterte noch vorsichtiger auf den Sims und balancierte Gabriella auf dem Arm.
War ich eine schlechte Mutter, weil ich mit ihr aus dem 3 Stock auf ein zweistöckiges Haus sprang? Dann überlegte ich es mir anders und nahm Maëls Decke von seinem Bett.
Ich wickelte Gabriella vorsichtig in das Laken und ließ sie langsam aus dem Fenster runter zu Maël. Er nahm sie aus dem provisorischen Gurt und gab mir einen Daumenhoch. Ich zog die Decke zurück. Gabriella hatte nicht einmal gewimmert.
Sie war echt tapfer. Oder sie schlief gerade…
Dann kletterte ich wieder auf den Sims und sprang ohne weiter darüber nachzudenken.
Auch ich rollte mich ab, als ich aufkam.
Ich stand auf und machte eine Pose
„Tadaa!“
Maël klatsche und sagte:
„Nun ich würde sagen ich gebe dir 9,3 Punkte.
0,7 Punkte Abzug weil du eine Angeberin bist und sonst vermutlich total abhebst.“
Ich schmollte und nahm ihm Gabriella wieder ab. „Das war mindestens eine 9,5. Einfach schon weil es meine Idee war!“
Maël knuffte mich in die Schulter.
„Deine Idee? Ich muss schon sagen, seit wann war es denn deine Idee?“
Ich drehte mich um.
„Nein, auf so ein Niveau lassen wir uns nicht herab, nicht wahr Gabriella?“
Ich lief vorsichtig über das Dach uns suchte nach einem sicheren Weg von diesem Dach herunter zu kommen. Ich beugte mich über die Dachkante, aber es war zu hoch um zu springen.
Zumindest mit Gabriella. Ich sah wieder zurück zu Maël, aber er war verschwunden.
Suchend blickte ich mich nach ihm um.
Wo war er denn?
„Kommst du jetzt, Jo, oder nicht!“
Das kam von unten.
Ich sah hinunter zur Straße und tatsächlich dort stand er.
„Wie bist du denn da runter gekommen?“
Er nickte von sich aus nach rechts.
Ich blickte nach links.
Dort war eine Leiter.
Ernsthaft?
Eine Leiter?
Wer baut eine Leiter, die vom Dach zur Straße führt?
Ich seufzte resigniert und ging zur Leiter.
Als ich unten neben Maël stand schüttelte ich den Kopf.
„Wer baut eine Leiter vom Dach bis zur Straße?“ Maël zuckte die Schultern.
„Verrücktes Völkchen diese Feen…“
Das war alles was er dazu sagte.
Na von mir aus.
Zielstrebig gingen wir in Richtung Marktplatz.
Wir brauchten schließlich erst mal Proviant um ein Picknick zu machen.
„Du, Jo, warum holen wir nicht noch eine Decke und was zu Essen aus Chilalis Haus?
Warum müssen wir das ganze Zeug neu kaufen, wenn ihr Haus keine zwei Blöcke entfernt ist?“
Das war allerdings ein berechtigter Einwand.
Ich wägte ab.
„Na gut, wir holen das Zeug von Chi, wir haben sowieso noch ewig Zeit…“
Er nahm mir Gabriella ab und wir schlenderten Richtung Chilalis Haus.
„So ein hübsches Paar. Sieh nur wie süß sie zusammen aussehen…“, ich hörte Gemurmel und sah mich um.
Woher kamen denn diese Stimmen?
Ich sah zu Maël, der gerade Gabriella durchs Haar strich.
„Hey, dir ist schon klar, dass wenn, irgendjemand, der von Calias und deiner Verlobung weiß, uns so sieht, wirklich denken muss, dass du fremdgehst. Das ist ja ätzend.
Kaum sehen die Leute einen Mann und eine Frau mit einem Kind denken sie „Oh, so eine schöne Familie“. Ich meine, ich find das ja auch sehr rührend, aber wieso sehen sie keine emanzipierte zwanzigjährige, die alleinerziehend mit ihrem besten Freund und ihrer Tochter durch Esmeras läuft?
Das ist so konservativ!“
Maël lachte. Ich sah ihn böse an.
„Was?“
Er sah mich immer noch belustigt an und schüttelte den Kopf.
„Ich liebe es, wenn du dich völlig grundlos über irgendwelche Dinge aufregst, die du eh nicht ändern kannst. Eines Tages vielleicht, aber heute müssen wir halt allen Spionen meiner Verlobten
entkommen.“
Nach knapp einer Stunde hatten wir endlich unser Picknick. Im Wald außerhalb von Esmeras, auf einer schönen Wiese, die mit herrlich duftenden Blumen bewachsen war.
Gabriella saß in meinem Schoß und kaute auf ihrem Daumen rum.
Maël war währenddessen akribisch damit beschäftigt einen Blumenkranz aus Gänseblümchen zu machen. Aber sobald er mehr als 3 Blumen mit einander verknotete fiel die erste Blüte wieder ab. Ich schaute ihm nun schon eine ganze Weile zu, aber er ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Heimlich pflückte ich auch ein paar Gänseblümchen und begann meinen eigenen Kranz.
Nach 10 Minuten war ich fertig und legte ihn Gabriella um den Kopf.
Sie sah wirklich wunderhübsch damit aus.
Und falls das überhaupt möglich war, auch noch süßer. Sie sah mich aus großen Augen an.
„Ja, Schätzchen, du bist wirklich die hübscheste. Da bin ich mir ganz sicher. Maël guck doch mal, wie niedlich sie aussieht.“
Maël blickte auf und sah den Kranz um ihren Kopf. Jetzt sah es so aus als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Ich klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
„Ist doch nicht so schlimm, du kannst ihr ja einfach ein Armband machen, bei ihren kleinen Ärmchen brauchst du dafür nicht mehr als 3 Blüten.
Du kannst das, ich glaub an dich.“
Da lächelte er und machte sich wieder ans Werk.
Es ist fast, als säße ich mit zwei kleinen Kindern hier…
Ich nahm mir einen Apfel und schnitt ihn vorsichtig in kleine Stücke.
Gabriella streckte fordernd die Hand aus und wollte offensichtlich auch mal probieren.
„Hey Maël, du weißt sowas doch bestimmt. Ich weiß ich bin eine unvorbereitete Teen-Mom und so, aber darf Gabriella schon Apfel essen?“
Maël blickte wieder von seiner Beschäftigung auf und sah mich geschockt an.
„Du willst ihr jetzt schon Apfel zu essen geben? Teufel, nein! Ihr Magen ist noch gar nicht bereit dafür. Lass das mal schön bleiben. Sonst kriegt die kleine Sunny hier ganz große Probleme…“
Ich zuckte mit den Schultern und steckte mir auch das letzte Stück Apfel in den Mund.
„Ok.“
„Und du wolltest mir kein Stück von deinem Apfel abgeben?“
„Du hast ja nicht gefragt!“
„Ich dachte, dass man einfach aus Höflichkeit anbietet!“
„Wenn du Apfel willst, dann schneid ich halt noch einen!“
„Ich will doch eigentlich keinen Apfel, es geht mir ums Prinzip!“
„Du weißt schon, wie merkwürdig sich das anhört, und das es das Privileg der Frauen ist, zu sagen, „es geht mir ums Prinzip!“, oder?“
Maël musste lachen und ich gleich mit.
Es war wunderbar einen Freund wie ihn zu haben, der mich zum Lachen brachte, und mit dem ich die Zeit genoss.
„Weißt du Maël, du bist wirklich mein bester Freund. Und wenn wir auf einem sinkenden Schiff wären, und es nur eine Schwimmweste gäbe, na dann … würde ich dich ganz doll vermissen und sehr oft an dich denken.“
Ich grinste und er verdrehte die Augen.
Ich sah auf meine Uhr. Um kurz vor sechs wollten sie da sein, jetzt war es bald zwölf.
Immer noch sechs Stunden tot zu schlagen.
Maël war mein Blick auf die Uhr natürlich nicht entgangen.
„Und, wie lange noch?“
Ich sagte es ihm.
Er sah mich an und schien zu überlegen.
„Weißt du, wen wir so lange Zeit haben, würde sich auch ein Ausflug nach Frankreich in irgendeine Stadt lohnen, denkst du nicht?“
Ich überlegte.
Warum eigentlich nicht?
Ich war jetzt so lange hier in Esmeras, da würde ein bisschen Abwechslung doch bestimmt gut tun…
„Na gut, von mir aus schon. Dann würde ich sagen, wir packen zusammen und gehen los.“
Maël war schon dabei das Essen in den Korb zu packen. Ich half ihm mit der einen Hand, während ich Gabriella mit der anderen stützte.
„Hast du schon einen Plan, wohin wir genau wollen? Wir könnten es mit ein bisschen Eile sogar bis nach Paris schaffen, denke ich…“
Ich sah ihn stirnrunzelnd an.
„Was ist bei dir ein bisschen Eile?
Weißt du, ich war nur einmal in Paris, und würde es schon gern mal genauer sehen, aber nicht in einer 20 Minuten Speed-Tour. Dann tendiere ich ja eher dafür, dass wir uns ein kleines französisches Dorf suchen, und uns dort die Zeit vertreiben…“
Ich ließ den Vorschlag lose im Raum –stimmt nicht es war eine Blumenwiese- hängen und wartete.
Maël schien zu überlegen.
„Hm, du hast Recht, Paris muss man eigentlich länger genießen, als in so kurzer Zeit, das holen wir aber nach, ja?“
Ich sah ihn an und lächelte.
„Klar machen wir das!“
Maël hörte auf damit das Essen einzupacken und nahm mir Gabriella ab. Er hob sie auf Augenhöhe und sah sie an.
„Na, Sunny, was meinst du, wo gehen wir hin?“
Sie sah ihn an und strampelte. Dann begann sie zu weinen. Maël nahm sie sofort in den Arm und wiegte sie hin und her.
„Shhh, Sunny, alles gut, was ist denn los?“
Er sah mich fragend an und ich zuckte mit den Schultern. Sie schrie und weinte ohne Luft zu holen. Ich sah mich verwirrt um und da sah ich sie.
Hinter Maël: Kleine Bakra-Dämonen.
Bakras waren ähnlich wie diese Raptoren aus Jurassic Park.
Allein waren sie keine große Gefahr, aber sie jagten immer in Rudeln. Sie waren in etwa so groß wie Menschen, und hatten grüne, schuppige Haut. Insgesamt sahen sie sogar aus wie die Raptoren aus Jurassic Park. Sie kamen langsam näher, trauten sich aber anscheinend nicht, die Lichtung zu betreten. Rasch blickte ich mich nach weiteren um, da sie einen normalerweise einkreisten.
Sie schienen uns wohl erst jetzt bemerkt zu haben, denn noch waren sie ein ungeordneter, geifernder Haufen. Das würde sich aber bald ändern, wie ich aus Erfahrung wusste.
Oh, ich wünschte Gabe wäre hier.
Der konnte immer besser gegen Bakras kämpfen als ich. Außerdem war ich nur notdürftig bewaffnet. Meine Schwangerschaft/Mein Urlaub bei Chilali, hatte meine Routine völlig zerstört, und ich hatte begonnen – zum ersten Mal seit über 10 Jahren - das Haus ohne ausreichende Waffen zu verlassen.
In Esmeras fühlte ich mich so sicher… Ich konnte wohl kaum erwarten, dass Gabe wieder wie magisch vom Himmel fällt und die Dämonen davonjagt.
Das klappte einmal, aber nicht zweimal.
Es war keine Sekunde vergangen, seit ich die Dämonen entdeckt hatte, auch wenn es mir wie Ewigkeiten vorkam.
Ich sprang auf und zog Maël unsanft auf die Beine. „Lauf!“
Er war verwirrt, bis er die Dämonen hinter seinem Rücken sah. Ich sah, wie auch bei ihm die Gedanken rasten.
Bleiben oder fliehen?
Das fragte ich mich auch gerade, aber dann sah ich Gabriella. Einer von uns musste sie in Sicherheit bringen.
Und da Maël sie nun mal gerade trug…
„Renn weg! Bring sie in Sicherheit! Sofort!“
Ich wartete nicht auf seine Antwort sondern rannte nach rechts.
Ich hörte, wie er mir etwas nachrief:
„Mach diese Pflaumen zu Mus!“
Ich lachte, dabei klatschte und schrie ich um die Aufmerksamkeit der Dämonen auf mich zu lenken. Es funktionierte. Wie auf ein geheimes Signal hin, ruckten all ihre Köpfe in meine Richtung.
Dann begannen sie zu rennen. Genau in meine Richtung.