ON THE HUNT

You might run but we’re right behind
You might fly but not too high
We’d rather die than let you to hide
You are so precious we know your price
Be afraid of us we are cold as ice
That’s why you should stay in the sky
Hey innocent angel

[…]

I’m gonna cut your wings

Die Bakras brüllten und verteilten sich.

Aus dem Augenwinkel, sah ich Maël der die Lichtung in die andere Richtung verließ.

Ich war wirklich dankbar dafür, dass ich an meinen Dolch heute Morgen gedacht hatte und zog ihn schnell aus seiner Scheide. Ich versuchte mich zu erinnern, was man mir beigebracht hatte.

Wie bekämpfte man allein ein Rudel Dämonen? War es wegrennen und sie einzeln erledigen, oder warten bis sie einen anspringen und ihnen dann einen Hieb versetzen?

Shit, hätte ich doch nicht so viel Zeit im Archiv verbracht!

All das Training konnte doch nicht umsonst gewesen sein!

Ich entschied mich für weglaufen.

Zumindest ein bisschen. Ich rannte so schnell ich konnte in Richtung Wald und versuchte auf einen Baum zu klettern.

Verdammt, ich war so lange nicht mehr geklettert, meine Armmuskeln waren vermutlich nur noch Pudding. Ich hörte die Kampfschreie der Bakras in meinem Nacken.

Scheiße, scheiße, scheiße, Josie, streng dich an!

Du bist jetzt nicht mehr allein, du hast Verantwortung! Ich dachte an Gabriella und versuchte es noch einmal.

Diesmal klappte es. Gerade rechtzeitig, denn ein Bakra biss dorthin, wo eine Sekunde zuvor noch mein Bein gewesen war.

Keuchend saß ich auf einem Ast und sah, wie die Bakras sich um den Baum zingelten.

Das war nicht fair! Jetzt sah ich erst, wie viele das waren. Mindestens ein halbes Dutzend, wenn nicht sogar 8-9.

„Ich bin allein, ihr feigen Säcke! Kämpft einzeln gegen mich, das ist fair!“

Natürlich war den Dämonen Fairness relativ egal. Einer der Bakras versuchte ebenfalls an meinem Baum hochzuklettern, aber ich stach ihm in die Nase, sobald er in Reichweite war.

Er grunzte bloß und ließ sich wieder fallen.

Die anderen begannen nun auch an der Rinde zu schaben. Lange würde ich hier oben nicht mehr ausharren können…

Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich war wirklich so blöd!

Ich hatte vollkommen vergessen, dass ich keine normale Nephilim mehr war

Ich konnte verdammt noch mal fliegen! Jetzt musste ich nur noch einen Weg aus dem Wald finden, in den ich dummerweise gerannt war, denn die Baumkronen über mir waren so dicht, dass ich keine Chance hatte, durch sie hindurch zu fliegen.

Ich atmete tief durch und dann sprang ich vom Ast herunter. Ich kam knapp neben einem der Bakras auf und konnte mich nur durch eine Rolle retten.

Dann rannte ich so schnell, wie ich noch nie zuvor gerannt war.

Als ich auf der Lichtung ankam zitterten meine Beine und drohte unter mir wegzubrechen.

Mein Herz schlug so schnell als wollte es zerspringen und mein Kopf war so heiß…

Plötzlich war ich froh, wie schnell ich meine Flügel hervorrufen konnte, denn schon als ich noch an sie dachte erschienen sie, und mit letzter Kraft stieß ich mich in die Lüfte.

Unter mir sah ich, wie die Bakras ebenfalls auf der Lichtung standen und nach oben schauten.

„Haha, da guckt ihr was?“

Ich freute mich so sehr, dass ich das Zischen erst im letzten Moment hörte. Ich drehte gerade den Kopf, als sich auch schon ein Lederdämon auf mich stürzte. Von der Wucht des Aufpralls begann ich zu taumeln, um nicht zu sagen stürzen, und ich sank metertief ab.

Ich konzentrierte mich auf den Schmerz an meiner Schläfe um einen klaren Kopf zu bekommen und suchte den Himmel nach meinem Angreifer ab.

Ich hatte es zwar nicht bemerkt, aber der Dolch war immer noch in meiner Rechten.

Ich hielt ihn drohend in Richtung des Dämons. „Noch kannst du fliehen. Ich erzähl’s auch keinem! Ich schwöre!“

Der Dämon lachte bloß und kam näher.

Ich spürte wie ich stressbedingte Kopfschmerzen bekam. Dass aber auch immer alles auf einmal passieren musste!

Die Bakras hatten mich ja nicht morgen jagen können, oder dieser Kerl hier hatte ja nicht ein zwei Stunden später von zuhause losgehen können…

Das war wohl Murphys Gesetzt at it‘s best.

Wenn ich doch nur eine größere Klinge dabei hätte. Ich ließ meinen Kopf kreisen, atmete tief durch und stürzte mich auf den Lederdämon.

Hoch war die Wahrscheinlichkeit allerdings nicht, einen Lederdämon ohne ein Engelsschwert zu besiegen.

Aber was sollte ich sonst tun.

Der Dämon kratzte um sich, sobald ich ihm nur zu nahe kam, und ich musste all meine Übung ausnutzen um ihm immer wieder auszuweichen. Mein größter Schwachpunkt waren meine Flügel, denn sie waren ein großes Ziel und ein Loch würde mich in die Tiefe reißen.

Und der Dämon wusste das auch. Er streckte seine krallenbesetzte Klaue aus und versuchte mich zu treffen, diesen Moment nutzte ich und stieß ihm meinen Dolch tief in den Arm.

Mit etwas Kraft war es ein glatter Durchstoß.

Der Dämon brüllte und versuchte seinen Arm zurückzuziehen, aber ich ließ nicht locker.

Als ich meinen Dolch endlich wieder aus seinem Arm zog, war dieser blutverschmiert und hing schlaff herunter.

Ich musste eine Sehne erwischt haben oder so.

Er hatte seine Augen zu Schlitzen verengt und sah mich hasserfüllt an.

„Dafür wirst du büßen, Nephilim-Schlampe!“

Ich sah ihn nur verächtlich an und winkte ihn mit einem Fingerzeig näher heranzukommen.

„Ich bin bereit, also“, aber er ließ mich nicht ausreden, sondern machte einfach einen Satz vorwärts.

Er fauchte und biss mir in die Schulter.

Ich schrie und schlug nach ihm.

Mein Dolch schlitzte ihm dabei einen Riss in seinen Flügel und er schlug verzweifelt mit dem unverletzten Flügel um nicht abzustürzen.

Dann hatte er sich wieder gefangen und krallte sich in mein Bein. Dann ließ er sich fallen und zog mich mit sich. Ich legte all meine Kraft in die gleichmäßigen Schläge meiner Flügel.

Trotzdem sanken wir langsam aber sicher ab.

Egal.

Langsam aber sicher war immer noch besser als schnell und unsicher, nicht wahr?

Er schlug nach mir und krallte sich immer tiefer in meine Wade. Ich keuchte und spürte, wie ich langsam verschwommen sah.

Wenn ich nicht bald eine Kraftrune aufmalte würde ich das Bewusstsein verlieren, da war ich mir sicher. Ich versuchte mich loszureißen und strampelte wild mit dem anderen Bein, das er nicht fest umklammert hielt.

„Lass mich los, du verdammter arrgh!“, ich hatte ihn mit dem Fuß an der Schläfe getroffen und er schüttelte benommen den Kopf.

Den Moment nutzte ich und riss mich los. Triumphierend schraubte ich mich schnell in die Höhe und sah, wie der Dämon wie ein Stein zu Boden raste.

Unten hatten die Bakras unseren Kampf verfolgt und schienen nur darauf gewartet zu haben, dass einer von uns fiele und sie doch noch ein gutes Mittagessen hätten. Sie hatten geduldig auf diesen Moment gewartet und kaum, dass der Dämon auf den Boden aufschlug stürzten sie sich auch schon auf ihn und begruben ihn unter sich.

Ich sah nur noch kurz einen blutverschmierten Arm, der sich nach oben reckte bis ein Bakra in eben jenen Arm biss. Angewidert wandte ich mich ab und flog so schnell es ging zurück nach Esmeras.

Meine Schulter protestierte bei jedem Flügelschlag und mein Bein fühlte sich an, als würde es zerfließen, aber Alles in Allem hatte ich es noch glimpflich aus diesem Kampf geschafft.

Ich wusste nicht, ob Maël mit Gabriela zu sich nach Hause gerannt war oder doch zu Chilali.

Aber irgendwie glaubte ich nicht, dass er freiwillig seiner Verlobten über den Weg laufen wollte.

Also steuerte ich Chilalis Haus an.

Aus der Luft war es wirklich einfach zu erkennen. Nicht viele Häuser hatten ein Loch im Dach, durch das ein längst ausgestorbener Baum gewachsen kam. Ich wetter Elvis hatte auf der Graceland Ranch auch sowas…

(Hatte er nicht. Zumindest nicht, als ich mit Gabe dort war…)

Ich landete vor ihrer Haustür und ließ meine Flügel verschwinden.

Dann trat ich ein. In der Eingangshalle war niemand, also ging ich die Stufen hoch und betrat mein Zimmer. Dort auf dem Bett saß Maël und hatte die schlafende Gabriella im Arm.

Er sah auf und Erleichterung spiegelte sich in seinem Gesicht. Ich humpelte auf ihn zu und lächelte.

„Alles in Ordnung bei dir, du humpelst ja“, er flüsterte um die Kleine nicht zu wecken.

Ich nickte, aber anstatt, dass ich mich neben ihn setzt ging ich zu meinem Schrank und öffnete eine Schublade. Dort drin lag meine Yara und ich zeichnete mir so schnell es ging eine Kraftrune auf den Unterarm, und zwei Heilrunen auf die Wunden. Sie begannen sofort zu heilen und ich drehte mich zu Maël um.

Die Kraftrune hatte auf mich immer eine ähnliche Wirkung wie Alkohol.

Ich fühlte mich etwas schwindelig und trotzdem fähig Bäume auszureißen.

Natürlich konnte ich noch grade laufen und sehen, aber lustig war es trotzdem immer noch, und ich würde es ja öfter machen, weil’s so spaßig ist, aber der Preis ist einfach zu hoch.

Wie beim Alkohol ist der Kater danach echt eine Plage und trotzdem nicht Grund genug, vollends damit aufzuhören.

Ich setzte mich neben Maël und strich Gabriella über den Kopf.

„Ist sie nicht einfach zauberhaft. Mit drei Monaten fängt sie schon an uns vor Dämonen zu warnen…“ Ich lachte und es war nur halb sarkastisch.

Maël zog einen Arm unter Gabriella hervor und nahm meine Hand.

„Geht s dir auch wirklich gut. Ich habe mir echt Sorgen gemacht und war kurz davor wieder zurück zu rennen um dich zu retten. Gut, dass es nicht nötig war.“

Ich drückte seine Hand.

„Du musst dir keine Sorgen machen. Ich bin schließlich ein Nephilim. Und dass ich immer noch lebe ist entweder ein Zeichen dafür, dass ich unglaublich gut bin, oder meine Freunde einfach unglaublich gut auf mich aufpassen. Vermutlich beides. Auf jeden Fall das erste ist sicher“, ich lachte. Maël verdrehte nur die Augen.

„Wenn ich jedes Mal, dass du dich selbst lobst 10 Cent bekäme, wäre ich jetzt reich. Wie kann man nur so von sich eingenommen sein?“

Er sah mich eindringlich an.

„War das eine ernstgemeinte Frage? Die Frage ist doch eher, wie man so toll wie ich sein kann, und nicht selbstverliebt wird…“

Cha-Ching.“, murmelte Maël.

„Wie lange schläft sie schon?“

Ich strich Gabriella übers Haar und lächelte. Maël zuckte mit den Schultern.

„So etwa 10 Minuten. Es war eigentlich erstaunlich leicht, sie zum Schlafen zu bringen. Nicht wie alle immer sagen…“

Ich nickte.

„Das habe ich auch schon gedacht. Irgendwie schläft sie die Nächte, ich korrigiere, die Nacht durch und das auch noch wie ein Stein. Ich dachte Babys schlafen niemals regelmäßig.

Aber das Dämonenkind ist ja auch nicht einfach irgendein Baby, nicht wahr meine Kleine?

Hey Maël, ich finde wir sollten mit Calia reden, und ihr ganz deutlich machen, dass wir nichts weiter sind, als Freunde. Denkst du nicht auch?“

Maël sah mich zweifelnd an.

„Ich weiß nicht, sie wird mir eh nicht glauben. Welchen Sinn hat es dann, sich mi ihr anzulegen…“ Ich schüttelte genervt mit dem Kopf und seufzte. „Na schön, tun wir, was du sagst, ist wohl besser so. Du kennst Calia ja schließlich besser als ich, oh halt warte, tust du nicht… Aber wenn ich nachts von einer rachsüchtigen Horde Feen aus dem Bett gezerrt werde, bist du verantwortlich!“

Ich sah zu Maël, aber der massierte sich die Schläfen.

„Was?!“ bellte ich.

Er sah mich an und seufzte.

„Zuerst dachte ich, es liegt an deiner Schwangerschaft, dass du so streitsüchtig bist, aber da das ja nun auch vorbei ist, glaub ich, dass du einfach launisch bist. Du bist sogar so launisch, dass selbst deine Launen Launen haben…“

Ich sah ihn böse an. Was meinte er damit.

Ich war gerne zickig, das hatte ihn früher doch auch nie gestört. Er hatte wohl gehofft, dass das mit der Schwangerschaft dann vorbei wäre.

Aber ich wollte heute nicht mit Maël streiten, schließlich waren es noch 6 Stunden, oder so.

Ich lachte gekünstelt.

„Du weißt, dass ich das nicht so gemeint habe. Das war doch nur ein Scherz, ich will mich ja gar nicht einmischen. Was ihr Feen da treibt ist nicht meine Sache, richtig?“

Er sah mich an und schien nachzudenken.

Er wusste ganz sicher, dass ich eigentlich nur nicht mit ihm streiten wollte. Aber er sagte nichts und lächelte nur.

„Natürlich wusste ich, dass es nur ein Scherz war… Also, was machen wir jetzt den Rest des Tages?“

Ich überlegte. Mensch, normalerweise hatte ich das Gefühl, das mir die Zeit davon rennt und jetzt fühlt es sich an, als sei sie stehen geblieben…

Ich wippte mit dem Kopf von links nach rechts und wieder zurück.

„Hm… Ich hab wirklich keine Ahnung.“

Ich war wohl ziemlich anstrengend gewesen, besonders die letzte Stunde, als ich etwa alle zehn Minuten auf die Uhr gesehen hatte, aber Maël hatte mich heldenhaft ausgehalten und nun war es soweit. Wir standen am Raphaels-Tor und warteten. Immer wieder stellte ich mich auf die Zehnspitzen und versuchte einen Blick über die Menge zu erhaschen. Wo bleibt ihr denn Leute?

Und dann sah ich sie. Marissa hatte Shannon an die Hand genommen, während J.D. hinter ihnen das ganze Gepäck schleppte.

Ich musste lachen und quietschte, als ich auf sie zu rannte. Viel zu lange hatte ich meine Familie nicht gesehen! Auch Marissa hatte mich jetzt entdeckt.

Sie redete mit Shannon, die sich suchend umblickte, und mich schließlich entdeckte, wie ich wie eine Irre auf sie zu rannte.

Ich schloss die beiden in die Arme und quietschte in den höchsten Oktaven.

Wir Mädchen hüpften alle auf und ab, und dann ging ich um sie herum und nahm auch J.D. in meine Arme. Dann hörte ich wie Marissa hinter mir wieder aufschrie und sah, dass Maël mit Gabriella auf dem Arm angelaufen kam.

„Oh Gott, ist sie das?! Natürlich, sie sieht ja wirklich aus wie Gabe!“

Marissa und Shannon waren so abgelenkt von dem Baby, dass sie weder bemerkten, dass mein Baby viel zu groß für ein Neugeborenes war, noch den Mann zur Kenntnis nahmen, der selbiges trug.

Ich stellte mich neben Maël.

„Leute, das hier ist mein Freund Maël. Bester Freund“, fügte ich auf einen fragenden Blick Marissas hinzu.

Sie schien ein wenig erleichtert darüber zu sein, ich würde sie später fragen, wieso…

J.D. nickte Maël zu, wie es nur Kerle zur Begrüßung können. Marissa schüttelte ihm die Hand und Shannon winkte.

„Du bist eine, äh, ein Fee, oder?“

Maël nickte und lachte.

„Stimmt schon, es heißt eine Fee, auch wenn ich ganz sicher bin ein Mann zu sein… Tja, ich kann’s nicht ändern. Wollen wir zu Chilali gehen, dann könnt ihr euch ganz ungestört unterhalten und gegenseitig auf den neusten Stand kommen, und so…“

Die Mädchen nickten. Ich nahm Maël Gabriella ab und wir gingen los.

Auf dem Weg erläuterte Maël meinen Freunden die wichtigsten Bauten an denen wir vorbeikamen, denn auch sie waren nie zuvor in Esmeras gewesen.

Ich hörte nicht zu, ich hatte diese Tour auch schon mit ihm gemacht.

So hatte ich Maël ja auch kennen gelernt. Damals war ich ziellos durch die Gegend geirrt und schließlich zufällig im Feen-Garten-Bezirk rausgekommen. Die pure Schönheit dort hatte mich völlig in ihren Bann geschlagen, sodass ich eine Fee mit langen schwarzen Haaren praktisch umrannte. Und ihr zu allem Überfluss auch noch auf die Haare trat.

Sie hatte aber auch echt lange Haare gehabt!

Leider gab sie sich mit meiner Entschuldigung nicht zufrieden und nörgelte mich an.

Von dem Lärm musste Maël angelockt worden sein, denn er kam einfach auf uns zu und erklärte der Fee, dass ich mich mit ihm hier hatte treffen wollen, leider aber schon bei meiner Geburt von einem Hexer verflucht worden war, und somit beinahe nichts mehr sehen konnte. Feen und Hexer hatten schon eine lange Fehde, deren Ursprung schon niemand mehr wusste.

Die beiden empörten sich ein paar Minuten über das verachtenswerte Wesen aller Hexer und nach ein paar Minuten schien die Fee schon vergessen zu haben, warum sie überhaupt stehen geblieben war. Sie verabschiedete sich und ging. Dann stellte Maël sich vor und erklärte sich damit, dass er immer schon Jungfrauen in Not helfen musste.

Die Jungfrau nahm er allerdings zurück, als er meinen Babybauch sah. Danach hatten wir uns immer wieder getroffen und tja, jetzt hatte ich einen besten Freund.

So einfach geht das.

Schließlich standen wir vor Chilalis Tür und traten ein. Chilali war allerdings nicht in der Eingangshalle. Also gingen wir die Treppe hoch in mein Zimmer. Dort setzten wir uns alle auf das Kingsize Bett.

„Also, Josie, jetzt erzähl uns doch mal, wie ist es dir hier so ergangen?“

Ich erzählte ihnen von meinem Unterricht bei Chilali, meiner Bekanntschaft mit Maël und Gabriellas Geburt und natürlich ihr besonderes Schicksal. Sie hatten mir gespannt zugehört, aber bei meiner letzten Enthüllung schlug Marissa erschrocken die Hände vor den Mund.

„Deine Tochter ist das Dämonenkind? Alleinerziehende Mutter reicht dir nicht, du musst also auch noch einen Dämon haben. Dir reicht der normale Wahnsinn echt nicht…“

Sie lachte und ich knuffte sie freundschaftlich in die Seite.

„Hey! Ich hab mir das nicht ausgesucht, ja! Ich würde sie auch genauso lieben, wenn sie kein Dämon wäre, ist das klar.“

Ich gab Gabriella einen Kuss auf die Stirn.

„Aber dann erzähl ihr doch, wies bei euch in der City so läuft…“

Marissa begann zu erzählen.

„Hm, seit du und Gabriel weg seid, haben wir natürlich mehr zu tun, aber eigentlich ist es trotzdem ziemlich entspannt gewesen. Ihr habt die Dämonen offensichtlich mit euch mit genommen…

Ach so, ich habe völlig vergessen, falls du dich fragst, wo Bel ist, die musste kurzfristig in New York bleiben. Eigentlich hatten wir ja geplant, dass ein Freund von Bel aus Washington für uns die Stellung in der City hält, solange wir nicht da sind, aber er wurde von einem Plenka angegriffen und liegt in der Notaufnahme.

Schreckliche Geschichte. Vor allem, da er schon in NYC war, als es passierte, das bedeutet eine Menge Papierkram für Bel.

Die Arme. Tja, aber ansonsten…“

Sie zuckte mit den Schultern.

Ich seufzte.

Das war zwar schlimm, aber leider keine Seltenheit. Es war ja allgemein bekannt, dass Nephilim nicht sehr alt werden… Und das obwohl wir doch die Kinder der unsterblichen Engel sind…

Ironie wie sehr ich dich liebe.

Mir war aufgefallen, dass Marissa und J.D. sich kaum gegenseitig anschauten und befürchtete schon Böses…

Vielleicht war unsere Akademie ja verflucht und immer wenn zwei Nephilim sich verlieben und glücklich werden wollen, zerstreiten sie sich…

Kann ja sein.

„Ich hole uns was zu trinken, Shannon, hilfst du mir?“

Ich sah Shannon fragend an. Sie sah zu den anderen, zuckte mit den Schultern und folgte mir.

Als wir außer Hörweite waren fragte ich sie nach Marissa und J.D. Sie seufzte.

„Tja, also es ging ja eigentlich ganz gut zwischen den beiden, aber dann in den letzten Wochen haben sie aufgehört miteinander zu reden.

Irgendwann hatten sie sich dann nichts mehr zu sagen, und sie haben beschlossen, doch lieber Freunde zu bleiben. So hat Marissa es mir jedenfalls erklärt. Keine Ahnung ob J.D. das auch so sieht…“ Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich meine, ich hatte auch schon Freunde, mit denen es mir ähnlich ergangen ist, aber es machte mich traurig, dass es Marissa und J.D. auch passiert war.

Ich konnte nur hoffen, dass sie diese

Beziehungsprobleme nicht bei der Jagd ablenkten. Ich beugte mich zu Shannon runter und flüsterte ihr verschwörerisch ins Ohr.

„Und wie läuft’s bei deinem kleinen Talent? Wie viel Energie kannst du denn jetzt schon umwandeln?“

Sie grinste und bedeutete mir ihr zu folgen.

Wir standen in der Küche und ich suchte trotz der vielen Wochen immer noch nach dem Kühlschrank. Den gab es hier natürlich nicht.

Nicht ohne Strom. Shannon ging zum Kamin an der einen Wand und nahm den Kessel.

An einer anderen Wand ragte ein Wasserhahn aus dem Stein.

Daneben war ein Hebel. Eine Wasserpumpe.

Diese Küche war wirklich mittelalterlich. Ich hatte Chilali mal gefragt, warum sie nicht einfach Magie benutzten um den Strom zu ersetzen, aber sie meinte, dass sie die Küche so mochte, wie sie war. Erst als ich Maëls Küche gesehen hatte, merkte ich, dass nur Chilali an dieser Altertümlichkeit festhielt. Die Feen benutzten nämlich Magie, um Wasser aus den Pflanzen und der Luft zu ziehen.

Wasserpumpen war dort nicht nötig. Etwas unsicher stellte Shannon jetzt den Kessel unter den Wasserhahn und versuchte den Hebel vorsichtig zu bewegen. Als sie den Dreh raus hatte murmelte sie angestrengt:

„Für Wasserdruck braucht man doch keinen Strom, wieso muss ich also pumpen…“

Ich lachte und stellte mich geduldig hinter sie.

Sie hievte den Kessel wieder auf den Kesselhalter im Kamin und kniete sich dann vor die Holzscheite. Sie schloss die Augen, legte die Handflächen aneinander, atmete aus und hielt die Handflächen über das Feuer.

Da sah ich, wie Funken aus ihren Fingerspitzen sprühten und die Scheite entbrannten.

Sie drehte sich zu mir um und lächelte.

„Ich habe geübt! Ich kann jetzt auch Energie speichern und muss sie nicht sofort wieder abgeben, das habe ich gerade getan. Es ist wie ein Vorrat in mir drin, und ich kann ihn immer wieder auffüllen, wenn ich Energie aus Feuer ziehe oder so. Beeindruckend, nicht?“

Ich nickte. Die kleine Shannon wurde wirklich immer besser darin. Da kam mir eine Idee.

„Hey, Shay, Süße, sag mal, du weißt ja, meine Kleine ist das Dämonenkind, das ist zwar alles wunderbar, aber es gibt einen Haken.

Sie entzieht jeden Morgen Energie. Und dann wird sie älter. Gestern hat sie Maël ein wenig Lebensenergie entzogen, und heute Morgen hat sie sich an einem Baum bedient.

Vielleicht könntest du ihr von jetzt an jeden Tag ein wenig Energie aus deinem Vorrat geben. Dann müssten wir uns nicht darum sorgen, woher sie sie nimmt. Also, machst du es?“

Shannon schien kurz zu überlegen, dann nickte sie. „Ok. Hoffentlich funktioniert das so…“

Ich zuckte mit den Schultern. Wer weiß. Es klappt bestimmt. Was soll schon passieren?