HARD NIGHT

Oh, here comes the flood

we will say goodbye to flesh and blood

If I die, the seas will silence, the day will turn to night It'll be those who can't believe that you survived.
Your almost home

„Also gut, du setzt dich jetzt da hin, ich kümmer mich darum.“

Was mich jedoch wirklich verwunderte war, dass er mir wirklich gehorchte.

Er setzte sich ins Gras und hob das T-Shirt an.

Mein Herz begann wild zu klopfen, als ich mich neben ihn kniete und eine Hand auf seinen Bauch legte.

Er zuckte unter meiner Berührung leicht zurück.

So als hätte ich kalte Hände.

Und wahrscheinlich war es auch so.

Wieso sollte er auch sonst zucken?

Was erhoffst du dir hier eigentlich, Josie, he?

Ich betrachtete seine Wunde und seufzte.

Ich hatte keine Probleme damit Blut oder andere Körperflüssigkeiten, wie Eiter zu sehen.

Aber deswegen war es trotzdem kein schöner Anblick.

Er gab mir ein Taschentuch und ich wischte den Rand der Wunde sauber.

Dabei spürte ich die Muskeln, die sich unter seiner Haut befanden.

Natürlich hätte ich auch einfach eine Heilrune auf seine Haut malen können und basta, aber dann hätte ich riskiert, dass sich Fremdkörper unter seiner neu gebildeten Haut befanden und eine Entzündung hervorrufen würde.

Deswegen machte ich meine Arbeit lieber gründlicher und sah mir die Wunde genauer an.

Als ich anfing, auch leicht in die Wunde hinein zu tupfen lenkte ich ihn ab, indem ich mit ihm sprach: „Also ich finde, es ist Zeit, dass ich erfahre wer du bist, Pri…(In letzter Sekunde würgte ich das Wort Prinz Charming ab und versuchte diesen Ausrutscher einfach mit meinem nächsten Satz zu überspielen…Mein Gott, wie peinlich!).

Ich würde dir ja die Hand geben, aber die sieht grade nicht so appetitlich aus… Ich bin Josie, und du heißt?“

Bei meinem Versprecher hatte er kurz die Augenbrauen hoch gezogen und sprach nun mit der gleichen atemberaubenden Stimme wie vorhin: „Freut mich dich kennen zu lernen Josie. Ich heiße Gabe.“ (Wie mir später auffiel hatten wir uns beide nur mit unserem Spitznamen vorgestellt. Lustig, nicht?)

Was für ein Name. Gabe. Der ist garantiert die Abkürzung für irgendwas…

Ach, wisst ihr eigentlich, was eine Yara ist? Eigentlich sieht eine Yara aus wie eine normale Feder, was Sinn macht, denn Yara bedeutet, soweit ich weiß, Feder auf Arabisch.

Es heißt alle Yaras sind Flügelfedern von Engeln. Ich habe keine Ahnung ob das stimmt, aber ich weiß, dass man mit ihnen Runen auf die Haut oder auch andere Gegenstände malen kann und diese Runen sind magisch, weil die Tinte ein niemals endender Vorrat an Engelsblut ist, so sagt man.

Sie hinterlässt eine Rote Linie.

Es sieht wirklich aus wie Blut.

Ob das stimmt?

Keine Ahnung, aber so lange es funktioniert…

Ach ja, nach einiger Zeit gehen die Runen dann wieder weg.

Wie als würde sich das Engelsblut mit dem normalen Blut vermischen, und langsam fortgespült. Das nur mal so nebenbei…

Während ich da so an seiner Wunde herum nestelte spürte ich, wie er mich musterte.

Ich war es aber überhaupt nicht gewöhnt, dass mir dabei ein mulmiges Gefühl durch die Adern kroch. Ich war es gewöhnt, dass sich Jungs nach mir umdrehten, oder unreif auch mal pfiffen, aber das hier war anders.

Ich wollte unbedingt, dass ich ihm gefiel. Dabei fand ich es doch absolut abscheulich, wie er mit den Mädchen umging.

Ich wollte von ihm akzeptiert werden.

Wollte, dass … ich weiß auch nicht.

Aber all diese Gedanken konnten mich trotzdem nicht davon ablenken, meine Arbeit gründlich zu machen.

Einer meiner Lehrer in der Grundschule hatte mir einmal den Satz „Es ist leicht etwas zu zerstören, schwer ist es etwas zu bauen.“ beigebracht.

Seit diesem Tag wollte ich Krankenschwester werden.

Ich konnte ja nicht ahnen, dass meine Bestimmung sich mehr auf den ersten Teil beziehen würde.

Aber ich habe trotzdem immer versucht, möglichst viel mit Heilkunde zu tun zu haben.

Ich wollte sogar ein Medizinstudium anfangen, aber dann habe ich den Auftrag bekommen, einen Werwolf, der eine Metzgerei leitet zu beschatten und im Notfall zu eliminieren.

Und so startete meine Karriere hinter der Frisch Fleisch Theke.

Andrew, mein damaliger Chef, sagte, er habe noch nie ein Mädchen gesehen, das so fest zuhauen kann. Tja, und das Schicksal wollte es, das meine „zuhauende Hand“ das letzte sein sollte, was er in seinen Leben gesehen hat.

Lange Rede kurzer Sinn, ich habe meine ganze Energie in das Verbinden von Gabes Wunde gelegt. Als ich dann schließlich noch eine Heilrune darauf gemalt hatte, ließ ich mich erschöpft zurück fallen. So lag ich da. Meine Beine unter mir schräg zur Seite hin gefaltet auf dem Rücken liegend, und die Sterne beobachtend.

Es war ein wundervoller Anblick.

Und dann schob Gabe sein Gesicht in mein Blickfeld.

Ich konnte mein Spiegelbild in seinen Augen erkennen.

Und ich sah, dass ich scheußlich aussah. Ich runzelte die Stirn.

Mein Haar war verklebt von Jackies Blut, ich hatte dunkle Ringe unter den Augen und mein Kajal hatte sich in flüssigen Eyeliner verwandelt, der verschmiert über meinen Dunklen Ringen lag.

Ich sah vermutlich zum anbeißen aus…

Oh Gott, ist das peinlich.

Ich schloss die Augen, um mich nicht länger sehen zu müssen. Während ich mit geschlossenen Augen und gerunzelter Stirn so da lag begann Gabe zu sprechen.

Doch selbst, als seine Stimme die Stille der New Yorker Nacht, natürlich war es nicht komplett Still, ich meine wir sind hier in New York, die Stadt, die niemals schläft!, durchbrach öffnete ich sie nicht. „Ist dir nicht kalt? Ich würde dir ja meine Jacke geben, aber da ich keine bei mir habe…“

Ich konnte selbst mit geschlossenen Augen fühlen, dass er grinste. Durch ein unangenehm klebendes Gefühl an meiner Seite erinnerte ich mich wieder, das ich auch verletzt war.

Ich öffnete schnell die Augen, und wollte schon nach meiner Yara, die neben mir im Gras lag, greifen, als Gabe mich am Handgelenk packte und sagte:

„Jetzt bin ich dran.“

Etwas wiederwillig hob ich mein Top an und warf selbst erst mal einen Blick auf die Wunde.

Wie hatte ich das nur ausblenden können? Oh Gott, die sah ja zum fürchten aus!

Die Wundränder begannen schon zu verkrusten und dadurch, dass die Leber betroffen war floss auch etwas Galle aus der Verletzung.

Gabe stieß einen leisen Pfiff aus und murmelte „Respekt, die ist ja noch fieser als meine.“

Als ich Gabe so beobachtete wie er an meiner Wunde rum hantierte, wie zuvor ich es bei seiner getan hatte, merkte ich, dass er seinen rechten Arm überhaupt nicht benutzten.

Er schonte ihn.

Das bedeutete, dass mein geschultes Auge recht gehabt, und er wohl wirklich ausgekugelt war.

Toll! Wir konnten daraus ja ein Spiel machen.

Ich eine Wunde, dann du eine Wunde…

Kaum zu glauben, der Kampf hatte nicht länger als 2 Minuten gedauert, aber trotzdem hatten wir beide einige Flickerei nötig.

Plötzlich überkam mich ein unbeschreiblich starker Brechreiz.

Ich hatte zwei Möglichkeiten: a) ich kotze Gabe seinen schönen Kopf voll, oder b) ich wende mich mal schnell ab, und rette sein Styling.

Natürlich entschied ich mich für letzteres. (Natürlich!).

Ich lehnte mich auf die Seite und robbte von Gabe weg.

Er hatte die Hand mit der Yara immer noch in der Luft, und blickte mir verwundert nach.

Und da überkam es mich.

Es war schmerzhafter Weise hauptsächlich Galle, denn ich hatte heute Abend noch nichts gegessen… Ich spürte, wie Gabe mir die Haare aus dem Gesicht hielt. In seinen Augen lag nicht die leiseste Spur von Ekel.

Vielleicht was er doch kein so übler Typ…

„Also es ist mir noch nie passiert, dass ein Mädchen meine Anwesenheit so abstoßend findet, dass sie sich gleich übergeben muss“, er grinste.

Okay, er war doch ein arroganter Idiot.

Ich nahm mir ein Taschentuch aus der Tasche und wischte mir den Mund ab.

Ich musste ein ziemlich erbärmliches Bild abgeben… Währenddessen wandte Gabe sich schon wieder meiner Verletzung zu.

Der beißende Geruch meines eigenen Erbrochenen stieg mir in die Nase.

Eine neue Welle der Übelkeit drohte mich zu überkommen.

Ich legte mir selbst eine kühle Hand auf die Stirn. Aus Ermanglung an anderweitiger Unterhaltung bertachtete ich Gabe.

Er hatte die Stirn angestrengt gerunzelt und in seinem Blick lag höchste Konzentration.

Ich warf noch einmal einen Blick auf mein Top, um sicher zu gehen, dass alles noch da war, wo es hingehörte.

Ich wollte ihm auf keinen Fall jetzt schon einen zu tiefen Einblick in mein Leben geben.

Andererseits fummelte er grade an meiner Leber herum.

Viel tiefer kann er ja gar nicht in mein Leben blicken.

Auf einmal knallte er meine Yara schimpfend auf den Boden und trat neben mich.

Er legte meinen Arm um seine Schultern und half mir auf.

Ich stand etwas wackelig, aber ich stand.

Ein stechender Schmerz jagte durch meinen Körper. Resigniert sagte er „Es tut mir echt leid, aber ich kann diese Wunde nicht schließen“, er klang, als ob ihn das zutiefst frustrieren würde,

“Ich befürchte du hast schon zu viel Flüssigkeit verloren, und ich bringe dich jetzt in meine Akademie, und dort werden wir dir helfen.“

Wer wir war wollte er mir wohl nicht sagen.

Er wartete meine Antwort gar nicht ab, sondern schleifte mich neben sich her.

Sein rechter Arm hing immer noch stark verrenkt an seiner anderen Seite.

„Wir sollten uns vorher noch um deinen Arm kümmern. Wenn du nicht aufpasst, kann es sein, dass du ihn nie wieder benutzen kannst. Ich kann doch kurz“, aber er ließ mich nicht ausreden.

Er sah mir in die Augen und ging dann weiter.

Mich schleifte er einfach mit.

Immer wieder kam mir der Gedanke, wie ich diese schwere Verletzung nicht hatte bemerken können… Aber als ich Gabe so von der Seite her heimlich beobachtete war die Antwort klar.

Gabe hatte eine so unglaublich starke Aura, wie sie mir noch nie bei einem Anderen Menschen begegnet war.

Auch jetzt, da ich auf kurzer Distanz zu ihm war vergaß ich immer wieder meine Gedanken.

Seine Aura fegte sie einfach weg.

Es war als ob… Schon wieder!

Ich hab vergessen, was ich denken wollte.

Ich richtete meine Gedanken wieder auf das Geschehen um mich herum.

Ich hing unter Gabes Arm, und während wir so daher wankten kam mir der Gedanke, dass wir aussehen müssten wie ein Pärchen das sich in einer Disko einen hinter die Binde gegossen hatte. Natürlich wurde der Eindruck auf den zweiten Blick dadurch ruiniert, dass wir beide blutverschmiert und mit Messern in der Hand durch die New Yorker Innenstadt torkelten.

„Wie kommt es, dass ich dich noch nie zuvor getroffen habe und wir dann ausgerechnet beide das gleiche Ziel hatten“, er blickte mich von der Seite her interessiert an.

Leider nicht die Art von Interesse, die ich gern gesehen hätte… Was denke ich hier eigentlich! Mann, ich muss das echt vergessen.

Ich sah ihn mit leicht verschwommenen Blick an, und versuchte in seinen stahlgrauen Augen zu ergründen, ob er die Frage ernst oder doch nur rhetorisch gemeint hatte.

Als er mich ebenfalls ansah, merkte ich, dass dies eine ernst gemeinte Frage gewesen war.

Doch grade als ich den Mund öffnen und ihm eine Antwort geben wollte merkte ich, wie mich eine neue Welle der Übelkeit überkam.

Ich drehte mich blitzschnell zur Seite und würgte. Mit einem verzerrten „Oh Scheiße!“ spukte ich eine weitere Ladung Erbrochenes auf den Asphalt.

Hier in der Innenstadt war das kein Problem.

Es kam oft vor, dass die Leute nach einem Kneipen Besuch ihr Essen nicht bei sich behalten konnten. Irgendwer würde das schon wegmachen…

Als ich mich hustend wieder aufrichtete, bemerkte ich, dass Gabe mich besorgt und mitleidig ansah. „Wir sollten dich schnell behandeln“, murmelte er und zog mich am Arm in Richtung Columbus Ave. Da fiel mir auf, dass ich ja gar nicht wusste, wo wir hingingen.

„Wo gehen wir denn eigentlich hin?“

Er antwortete mir, während er seinen Schritt und somit auch meinen beschleunigte.

„Wir gehen zu unsere Akademie. Es ist in der Columbus Ecke 96. Wahrscheinlich ist es dir nie aufgefallen, weil wir einen sehr wirksamen Zauberglanz um es herum gesponnen haben… Mit Zauberglanz sieht es einfach aus, wie ein Warenlager. Tja, und ohne sieht es eigentlich auch aus, wie ein Warenlager… Hm, aber von innen ist es anders! Na ja, du wirst schon sehen.“

Er ging mittlerweile so schnell, dass ich nicht mehr mithalten konnte.

Während er mich so neben sich her schleifte schien er seine ganze Umwelt völlig auszublenden.

Plötzlich begann er zu singen!

Aber nur ganz leise.

So, als wäre er allein und ich würde nicht an ihm dranhängen.

Er sang ein Lied, das ich nicht kannte, dass mir aber doch vertraut war.

Ich konnte die Sprache nicht verstehen…

Es war vermutlich Latein.

Darin war ich nie gut gewesen.

Den einzigen Satz, den mein Lehrer mir vermitteln konnte war

„Manus manum lavat“. – Eine Hand wäscht die Andere.

Seine Stimme klang etwas heiser, aber nicht weniger schön.

Es war, als lauschte ich einer Geschichte, die ich verstand, auch ohne, dass ich die Wörter kannte.

Doch eines konnte ich nicht unterdrücken. Vor meinem Geistigen Auge sah ich immer wieder einen Engel.

Seine Flügel brannten und sein Gesicht war so voller Leid verzerrt, dass man die einstige Schönheit nur schwerlich erkennen konnte.

Dicke schwarze Wolken stiegen von seinen Flügeln auf.

Das Schwarz bildete einen extremen Kontrast zu den weißen Federn. Es tat mir unglaublich in der Seele weh, ihn so leiden zu sehen…

Nein, es war nicht meine Seele.

Es war etwas anderes, das mir sagte, dass diese Szene falsch war.

Sie durfte nicht sein!

Jemand musste etwas dagegen unternehmen.

Aber ich spürte schon, dass diese Szene sich vor lange Zeit abgespielt hatte.

Es war zu spät, um daran noch etwas zu ändern. Und dann fiel mir etwas Neues auf:

Hinter dem Engel waren sieben andere Gestalten. Sie waren in gleißendes Licht getaucht.

An ihrer Front stand ein einzelner.

Er hatte etwas erhoben das wohl ein Schwert war.

Es hatte starke Ähnlichkeit mit den Engelsschwertern.

Nur war es länger und heller.

Und dann begriff ich, dass dieses Bild wohl nichts anderes war, als die Abbildung des Höllensturzes. Der Tag an dem Luzifer von Michael und den anderen sechs Erzengeln hinab in die Hölle gestoßen worden war.

Es gab viele Versionen dieser Szene, doch keine hatte mich so berührt wie diese.

Auf jedem anderen Bild war Luzifer als ein Verräter dargestellt, den es freute, dass er die Hölle regieren durfte.

Doch auf diesem Bild machte es doch sehr den Anschein, dass Luzifer am liebsten geblieben wäre.

Aber wie kann es sein, dass ich dieses Bild hier vor mir sehe.

Ich meine, alles was Gabe tut ist singen!

Und doch spüre ich, dass das was hier grade geschieht wichtig ist.

Es passiert nicht ohne Grund.

Es passt alles zusammen.

Ich weiß nur noch nicht, was meine Rolle in diesem Spiel ist…

Aber ich denke, das werde ich noch erfahren. Gerade als das Bild immer mehr an Schärfe gewann, hörte Gabe auf zu singen.

Ich blinzelte und das Bild war verschwunden.

Gabe blickte mich an und schien mich doch nicht zu sehen.

Hatte er dasselbe gesehen wie ich?

War er in Trance gewesen?

Tja, das müssen wir später klären.

Denn erneut spürte ich, wie mir schwindelig wurde. Ich würde wohl nicht mehr lang bei Bewusstsein bleiben.

Mein Sichtfeld wurde immer enger.

Grauer Nebel zog sich immer weiter über meine Augen. Zuerst war es nur außen, doch es kroch immer weiter nach innen.

Wir hatten nur ein Problem: Gabe hatte nur einen Arm.

Das hieß, selbst wenn er mich hätte tragen wollen, und auch das ist nicht klar, dann könnte er das schon rein praktisch nicht.

Wie schade.

Das hieß für mich wachbleiben!

Ich versuchte mit aller Kraft zu verhindern, dass mein Bewusstsein abdriftete.

Was war noch mal ein Weg gewesen, um bei Bewusstsein zu bleiben.

Schäfchen zählen war‘s nicht…

Ach ja!

Ich versuchte krampfhaft mich an die Formeln verschiedener Stoffe zu erinnern.

NH3 war Ammoniak. Okay, NaOH war Natronlauge. Wie geht das denn weiter…

Während ich so den Chemie Unterricht aus meiner achten Klasse zu rekapitulieren suchte entschied ich mich, dass Gabe das recht hatte von meiner Schwäche zu erfahren.

„Äh, Gabe? Ich glaube ich werde bald ohnmächtig. Wir sollten uns also beeilen, um zur Akademie zu kommen“, meine Stimme wurde immer schleppender.

Meine Zunge fühlte sich unglaublich schwer an.

Ich müsste nur die Augen schließen, und ein anderer würde für mich sorgen.

Augen…

Graue Augen…

Ich sah sie vor mir.

Sie blickten auf mich herab.

Woher kam das denn?

Ich hörte ein Geräusch, das wie das Krächzen einer Eule klang.

Aber der Laut veränderte sich immer mehr und schließlich hörte ich meinen Namen.

„Josie? Josie! Bitte nicht jetzt! Ich kann dich nicht tragen…“

Mein Blick klärte sich ein wenig.

Ich bemerkte, dass ich auf dem Rücken lag.

Mit dem Gesicht zum Sternenhimmel.

Meine Schultern fühlten sich eiskalt an.

Kein Wunder.

Ich lag auf der Straße.

Stöhnend setzte ich mich auf.

Es war lediglich Gabes schnellen Reaktionen zu verdanken, dass unsere Köpfe nicht zusammen knallten.

Wir werden es ja wohl schaffen auch noch die letzten 5 Blöcke zu gehen.

Warum war ich denn nur so geschwächt?

So hatte ich mich noch nie gefühlt…

Und mit jeder Minute, die verging fühlte ich mich schlechter.

Mir blieb wohl nur eins. Ich brauchte eine Kraftrune. Und ich wusste, dass ich das morgen bereuen würde. Kraftrunen übernahmen nämlich einfach ein bisschen der Energie, die man am nächsten haben würde.

Man fühlte sich danach immer wie gerädert.

Aber ich hatte ja scheinbar keine Wahl.

Ich zückte meine Yara und platzierte sie direkt über meiner Pulsschlagader.

Gabe sah mir gelassen zu, als ich mir mit einem eleganten schlenker diese relativ einfache Rune einritzte.

Als ich fertig war wurde das leichte Brennen, das man immer nach einem Runen Tattoo spürte von der Macht der Kraftrune überspielt.

Ich fühlte mich großartig.

Ich hätte einen Bären stemmen können.

Zumindest fühlte ich mich so. Gabe nickte mir bewundernd zu.

„Joah, das war ein guter Einfall. Aber wenn du dich morgen noch schlimmer fühlst, dann gib nicht mir die Schuld“, er grinste schon wieder.

Seine weißen Zähne strahlten mich an.

Ich lächelte sarkastisch zurück.

„Werd ich schon nicht“, murmelte ich, als ich mich fertig aufrichtete und einfach schon mal Richtung Columbus Ave lief.

Im Laufschritt kam Gabe mir hinterher.

Während wir so in Richtung Akademie trabten fiel mir auf, dass ich keine Ahnung hatte wer eigentlich sonst noch so in der Akademie lebte.

Das war eine Wissenslücke, die es zu stopfen galt, bevor wir dort ankamen!

„Hey Gabe, wer wohnt denn sonst noch so in der Akademie? Ich meine, wenn da so ein Supermodel herumläuft, dann will ich das vorher wissen!“

Was redete ich denn da?

Als ob es ihn anginge, wie ich mich in der Gegenwart anderer Mädchen fühlte.

Mit einem breiten Grinsen, das wohl vom einen bis zum anderen Ohr reichte sah er mich an.

„Hast wohl Angst, Marissa könnte dir Konkurrenz machen? Glaub mir Mari, ist eigentlich eine zahme Hauslöwin. Aber ich zeig dir vorher mein Zimmer, falls du dich in meine Arme stürzen und ausheulen willst. Ich bin der beste Seelenklempner den du hier finden wirst. Keiner versteht es so wie ich mit Mädchen umzugehen…“

Sein Tonfall war beinahe ernst.

Er brach in ein selbstgefälliges Lachen aus.

Okay, streichen wir das ernst.

„Nein, aber mal ernsthaft“, er grinste immer noch, „In meiner Akademie wohnen mit mir 5 Leute: Marissa, von der hab ich schon erzählt.

Dann hätten wir noch J.D. Nenn‘ ihn niemals James Damian! Er wird dich wahrscheinlich köpfen.

Ach ja, Marissa‘s Schwester Shannon.

Sie ist die jüngste von uns. Sie ist erst 10 Jahre alt, aber ich glaube sie ist die machtvollste…

Und letzte, abgesehen von mir, ist unsere Mentorin Belasca. Aber alle nennen sie einfach Bel.

Aber ähnlich wie bei J.D. solltest du dich hüten sie Bela zu nennen. Sie kriegt dann immer die Krise, weil sie unglaublich genervt davon ist, das der Name aus einem Buch stammt, um das alle einen riesen Hype machen. Solltest du es dann auch noch mit zwei „l“ schreiben, dann bist du des Todes…

Tja, und dann wäre da ja noch Crispy.

Das ist Shannon‘s Frettchen.

Sie hat ihn total verzogen. Er badet nur noch in Wasser, dessen Temperatur über 35° aber unter 38° liegt.

Ach, wundere dich nicht, wenn er dich anfaucht oder beißt.

Das ist seine Art Liebe zu zeigen.

Zumindest bei Menschen, die nicht Shannon sind. Zu ihr ist er richtig nett.

Wir haben alle schon versucht, ihn ausversehen mal aus dem Fenster zu werfen. Aber das Viech ist zäher, als es aussieht…“, er lachte glucksend und wir gingen weiter.

Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen.

Von der plötzlichen Bewegung überrascht lief ich ausversehen 2 Meter allein weiter.

Ich sah ihn verwirrt an, als ich zurück ging.

„Wo wohnst du denn eigentlich“, fragte er mich, und es schien, als würde es ihn selbst überraschen, dass er das noch nicht gefragt hatte.

Ich verstand zwar nicht die Dringlichkeit mit der er mich ansah, aber ich antwortete trotzdem.

„Nun ich wohne in einem Apartment in der Avenue of the Americas.“, Ich war mir durchaus bewusst, dass das eine teure Gegend war,

„Mein Freund bezahlt die Wohnung. Als eine Art Alimente.“ Er sah mich geschockt an.

„Du bekommst Alimente. Aber wie kannst du denn jetzt schon geschieden sein“, er sah aus, als hätte ich gesagt, ich käme vom Mond.

„Na ja, ich sagte doch eine Art Alimente. Benni und ich waren so gut wie verlobt, und sein Vater mochte mich so sehr, dass er dachte, wenn er mich weiterhin finanziell unterstützt, dann kämen sein Sohn und ich vielleicht doch noch zusammen.

Tja, und seitdem bezahlt mir Mr. Katzen mein Apartment inklusive Verpflegung und Taschengeld…“, ich ließ es lässig klingen, obwohl ich mich immer noch nicht von dem Schock erholt hatte, als ich meinen ersten Kontoauszug abgeholt hatte.

Auch für mich war es unglaublich.

„Mr. Katzen? DER Mr. Katzen?! Der Mann besitzt mehr Geld, als ein Drittel der Europäischen Bevölkerung zusammen! Und du bist mit seinem Sohn befreundet!“

Ich war nicht sicher, aber er klang, als ob er sich bedroht durch Benni fühlen würde.

Na ja und ein bisschen eifersüchtig.

Aber ob auf mich oder auf Benni konnte ich nicht sagen. Das Thema war mir etwas peinlich.

Um mich abzulenken sah ich auf ein Straßenschild, und erkannte, dass es noch ungefähr ein halber Kilometer bis zur Columbus Ave sein musste.

Und tatsächlich.

Nach 2 Minuten bogen wir in die 96.Straße ein.

Wir hielten vor einem Lagerhaus mit der Hausnummer 106. Und ja, es sah sowie mit, als auch ohne Zauberglanz aus wie ein Warenlager…

Wir gingen die Fünf Stufen zur Eingangstür – oder sollte ich besser sagen Pforte?- hinauf und Gabe zog einen Schlüssel aus seiner Hosentasche.

Ich hatte irgendwie erwartet, dass es so ein altertümlicher Eisenschlüssel sein würde, weiß auch nicht wieso…

Aber stattdessen war es ein zierlicher kleiner Metallschlüssel. Tatsächlich war das dazu gehörige Schlüsselloch ebenfalls so winzig, das ich es vorerst gar nicht hatte finden können.

Gut versteckt unter einem Türklopfer war es gewesen.

Als Gabe den Schlüssel herumdrehte und man das Schloss klicken hörte schlug mein Herz in freudiger Erwartung. Ich wusste auch nicht wieso.

Aber es war, als würde ich nach langer Abwesenheit wieder zurück nach Hause kommen…

Nur das ich das Zuhause bis dahin noch nie gesehen hatte…

Die große Eichentür schwang nach innen auf.

Völlig geräuschlos.

Ich hatte erwartet, dass die Angeln sich quietschend gegen die Bewegung wehren würden, aber alles blieb ruhig.

Gabe lies mir den Vortritt und so ging ich gespannt hinein.