TIME FLIES
I wish time was a
little more slow
But it’s not just come through my
spot
Let the memories flow
Haven’t you noticed how time
flies?
Man sometimes I feel old
Haven’t you noticed how time
flies?
Can’t believe how much I’ve
grown
Haven’t you noticed how time
flies?
Man sometimes I feel old
Haven’t you noticed how time
flies?
Nach zehn Minuten hatten wir Tee gekocht und gingen wieder zurück in mein Zimmer.
Die drei hatten sich nicht wirklich bewegt und saßen immer noch auf meinem Bett. Ich reichte jedem von ihnen eine Tasse und setzte mich zu ihnen.
Ich hielt die dampfende Tasse einfach nur in der Hand und träumte.
Ich war in meiner Gedankenwelt, als Marissa etwas murmelte.
„Ich wünschte Gabe wäre jetzt auch hier. Dann wären wir alle wieder zusammen. Und er würde sein Kind sehen.“
Ich sah sie traurig an. Manchmal wünschte ich auch, Gabe bei mir zu haben, aber dann auch wieder nicht. „Es ist wirklich schade, dass ihr beiden euch gestritten habt. Glaubst du nicht, dass ihr euch vielleicht wieder vertragt?“
Das war J.D. Ich sah ihn zweifelnd an.
„Ich möchte nicht wie diese Mädchen sein, über die ich mich im Fernsehen immer beschwere. Sie haben einen wirklich gutaussehenden Freund, der aber leider fremd geht. Als sie das dann herausfinden trennen sie sich zwar kurzzeitig von ihm, tun dann aber wieder alles um ihn zurückzuerobern.
Nur, damit er sie wieder betrügt, während der beste Freund des Mädchens in sie verliebt ist, sie das aber gar nicht merkt, da sie total auf ihre „Große Liebe“ fixiert ist. Wollt ihr, dass ich so ein Mädchen bin? Nein, mit Gabe und mir ist es aus. Er wird Gabriella jedes zweite Wochenende sehen und gut ist.“ Shannon sah traurig aus und Maël hob die Hand, als hätte er eine Frage.
„Aber was, wenn dein bester Freund dich gar nicht liebt, sondern auch noch selbst verlobt ist. Was passiert dann? Könntest du es dann noch einmal probieren?“
Ich lachte und winkte ab.
„Keine Chance!“
Marissa schien nachgedacht zu haben.
„Bist du dir sicher, dass Gabe dich betrogen hat? Das passt doch so gar nicht zu ihm. Das hätte der Gabe den wir kennen niemals getan. Ihr wart doch so glücklich zusammen. Hat er es dir selbst gesagt?“ Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte nicht darüber reden, aber jetzt war es zu spät.
Ich musste mich damit auseinandersetzten und das nachdem ich es so schön in einer Kiste meines Gehirns hatte verstauben lassen.
„Nun, er hat mir nicht gebeichtet mich betrogen zu haben. Aber es spielt keine Rolle, denn er hat mir gesagt, dass er mich nicht mehr liebt. Das ist mir Grund genug. Da lasse ich Gabriella lieber von einem liebevollen Patchwork-Vater aufziehen, als von einem Vater, der ihre Mutter nicht liebt. Bitte versteht das.“
Ich wusste nicht ob sie es verstanden, denn keiner antwortete mir.
Die nächsten Wochen mit meinen Freunden, meiner Familie, flogen geradezu an mir vorbei.
Es waren wie Episoden in einer Soap.
Einmal, Gabriella war wohl gerade drei, so genau konnte man das ja bei ihr nicht bestimmen, las ich ihr aus einem Kinderbuch vor, das Maël und ich für sie gekauft hatten. Ich saß mit Gabriella in den Armen auf meinem Bett und Maël war neben uns eingeschlafen. In letzter Zeit musste er viele Aufträge außerhalb von Esmeras erledigen und ich sah ihn manchmal tagelang nicht.
Aber er kam immer lieber zu mir, als zu Calia, so richtig warm waren die beiden nämlich nicht geworden. In dem Buch ging es um die Jahreszeiten. Das Bild vom Herbst mit den vielen bunten Blättern gefiel Gabriella ganz besonders gut. Trotzdem fiel es ihr schwer zu begreifen.
„Du, Mama, warum gibt es denn hier zuhause keinen Herbst? Hier ist immer Frühling. Wieso?“
Es war komisch, denn für sie war Esmeras Zuhause. Nicht New York. Die Heimat ihrer Eltern.
„Nun, Honey, hier in Esmeras ist überall Magie. Und die sorgt dafür, dass es niemals kalt wird. Aber du hast Recht, es ist schade, dass wir keinen richtigen Sommer hier haben. Vielleicht nimmt Maël uns ja mal mit auf einen seiner Aufträge und dann sehen wir uns den englischen Sommer an. Dort ist es nämlich immer Herbst, und das ganz ohne Magie.“ Gabriella kicherte. Sie streckte eine Hand nach Maël aus und nahm seine Hand.
Aber er schlief zu fest um es zu bemerken.
„Darauf freue ich mich schon, Mama.“
Oder als Maël und ich mein Zimmer umräumten. Wir hatten Gabriella ein neues Bett gekauft, und wollten es nun an die Wand neben das Fenster stellen. Als wir aber die Wiege, die Maël ihr gebaut hatte verschoben, sahen wir, dass dahinter an die Wand gemalt worden war.
Mit Wachsmalstift waren dort drei Menschen zu sehen. Maël, Gabriella und ich.
Sie hielt uns beiden an den Händen. Über dem Bild stand in unförmigen Buchstaben
„Meine Familie: Papa, Mama, Ich“
Mir stiegen Tränen in die Augen und ich nahm Maëls Hand.
„Wenn Calia das sieht glaubt sie mir niemals, dass Gabriella nicht meine Tochter ist.“
Ich lächelte.
„Wann sollen wir es ihr sagen“, fragte ich ihn.
Ich wollte diese Entscheidung nicht alleine treffen. „Nun, wir müssen es ihr sagen. Aber nicht heute. Das hat noch Zeit. Bei ihrer momentanen Wachstumsquote noch etwa drei Tage. Dann ist sie alt genug.“
Ich hörte die Belustigung in seiner Stimme.
Ich wusste, dass er Recht hatte. Aber mit der Erklärung würden Fragen kommen. Fragen, die ich nicht beantworten konnte, Fragen über einen Vater, den sie noch nie gesehen hatte.
Gabriella wurde immer schneller immer älter.
Bald wurde es Zeit, sie in eine Akademie zu schicken, damit sie lernte, was es bedeutete ein Nephilim zu sein.
Natürlich gab es hier in Esmeras die größte Akademie der Welt, aber ich war skeptisch.
Mir wäre es lieber gewesen sie in eine kleine französische Akademie zu bringen oder gleich nach New York, aber erstens würde Maël nicht
mitkommen können, ohne es sich noch mehr mit seiner Frau zu verscherzen, und zweitens brauchte Chilali mich hier um ihren Job zu übernehmen.
Also doch die Akademie hier.
Eines Morgens nahm ich Gabriella an der Hand und führte sie die lebensfrohen Straßen Esmeras entlang. Sie im Gegensatz zu mir, war immer noch fasziniert von all der Magie um sie herum.
Ihr Mund stand weit offen und ihre Augen leuchteten.
Dann standen wir vor einem großen Gebäude.
Die riesige Pforte stand offen und wir traten ein. Drinnen war es kühl und Gabriella drückte ängstlich meine Hand. Wir mussten nicht lange warten.
Schon kam ein junger Mann auf uns zu.
Er hatte kurzgeschorene schwarze Haare und trug die traditionelle Kampfmontur der Nephilim.
Er war nicht viel größer als ich.
„Ja? Was kann ich für sie tun?“
Ich deutete auf meine Tochter.
„Das ist meine Tochter Gabriella. Ich würde sie bitten, dass sie mit ihrer Ausbildung beginnen.“
Der Mann fragte nicht nach ihrem Vater, zu häufig kam es vor, dass Elternteile verstarben.
„Hat sie schon Kampferfahrung?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein. Sie müssen ganz vorne mit ihr anfangen. Es gibt nur ein Problem. Sie ist … anders. Sie hat ein unglaublich schnelles Wachstum. Ich hoffe, das stellt kein Problem dar. Sollten sie sich allerdings nicht in der Lage sehen, sie zu unterrichten, verstehe ich das, dann werde ich sie zuhause ausbilden. Geben sie mir einfach bitte Bescheid.“
Der Mann nickte. Er streckte Gabriella eine Hand entgegen. Sie sah fragend zu mir auf.
„Geh mit ihm mit. Ich muss dann los.“
Sie warf mir einen letzten Blick zu, dann ergriff sie die Hand des Mannes.
„Mein Name ist Michail. Du sprichst mich aber mit Meister oder Sir an, ist das klar?“
Sie nickte und er führte sie durch eine Tür an der Seite fort. Es war komisch sie so gehen zu lassen. Aber man musste seine Kinder früh genug von sich trennen, damit sie stark würden und auf eigenen Beinen stehen konnten.
Auch Disziplin war wichtig, ohne sie lief hier gar nichts. Ein undisziplinierter Nephilim ist eine Gefahr für seine Gefährten.
Das lernten unsere Kinder ebenfalls sehr schnell. So waren die Regeln.
Am Anfang war es schwer für Gabriella sich einzufinden, denn durch ihr ständiges Wachsen, war sie immer die älteste ihre Trainingsgruppe.
Das änderte sich, als ein neues Mädchen in die Schule kam. Ihre Eltern waren bei einem Brand ums Leben gekommen.
Ihre Eltern waren zwar ausgebildete Nephilim gewesen, hatten jedoch ihre Tochter nie in eine Akademie geschickt. Auf der Beerdigung ihrer Eltern hat sie dann auch ein paar Nephilim kennen gelernt, die ihr ein Zuhause in Esmeras schmackhaft gemacht hatten.
Einzige Bedingung: Sie musste so schnell wie möglich nach holen, was sie von ihrer Ausbildung versäum hatte.
Ihr Name war Marie.
Sie war 8 Jahre alt und lebte bei einem alten Nephilim-Ehepaar.
Das Ehepaar war eine Legende unter den Nephilim, denn, ihr könnt es euch bestimmt denken, Nephilim werden selten alt genug um sich zur Ruhe zu setzten und dann noch seltener zusammen mit ihrem Lebenspartner. Eines Nachmittags kam Gabriella mit Marie nach Hause und stellte sie mir vor.
Die kleine war niedlich. Sie hatte schulterlanges, blondes Haar und blaue Augen.
Sie war ein wenig schüchtern aber sehr freundlich. „Mama, das ist meine neue Freundin Marie. Sie ist neu in der Schule, und sie ist auch älter als die anderen.“ Von da an, kam Marie fast jeden Tag zu uns. Die beiden spielten oft zusammen und waren bald unzertrennlich.
Nach vier Wochen, Gabriella war etwa sieben Jahre alt, räumte ich gerade meinen Koffer auf, als ich etwas entdeckte. In einer der Außentaschen meiner Reisetasche fand ich ein Stück Papier. Es war der Brief, den Gabe mir an dem Tag geschrieben hatte, als ich die Akademie verlassen hatte.
Er war ein wenig zerknittert, aber nicht schlimm. Ich starrte auf seine Handschrift.
Josephine.
Sollte ich ihn aufmachen?
Ich war allein. Maël war in Belgien. Gabriella in der Schule. Eine gut Gelegenheit, nicht?
Ich zückte einen Dolch und öffnete den Brief.
Josie, Ich schreibe dir das hier in der Hoffnung, dass du mir zuhörst und meine Version der Geschichte verstehst.
Es stimmt, vor 6 Monaten haben Cadence und ich angefangen uns Briefe zu schreiben.
Sie hat herausgefunden wo ich wohne, wir hatten uns Jahre nicht gesehen. Sie schrieb es sei etwas passiert und sie bräuchte meine Hilfe.
Also traf ich mit ihr an einem vereinbarten Ort.
Sie bat mich allein zu kommen und niemandem davon zu erzählen. Als ich sie dann traf, erzählte sie mir, dass es Schwierigkeiten mit ihrem Arsch von Vater gab. Als sie weggerannt war hatte er sie in Ruhe gelassen. Aber dann änderte er seine Meinung scheinbar und schickte einen Detektiv um sie zu finden.
Er fand sie auch. Er brachte sie zu ihrem Vater. Dieser hatte eingewilligt seine Tochter an einen Hexer zu verkaufen.
Aber Cadence konnte fliehen, bevor sie sie zu dem Hexer bringen konnten. Nun wollte sie, dass ich ihr half heraus zu finden was dieser Mann von ihr wollte. Ich fand es für sie heraus:
Der Typ war ihr leiblicher Vater. Ihre Mutter hatte eine Affäre gehabt und sie war das Ergebnis.
Ob ihr Stief-Vater davon gewusst hatte,
wissen wir nicht, aber es erklärt sein
verabscheuungswürdiges Verhalten ihr gegenüber. Jedenfalls, während dieser ganzen Geschichte haben wir uns immer wieder heimlich getroffen, immer auf der Hut vor den Spitzel des Hexers.
Als der Hexer aber herausfand, dass ich Cadence half drohte er auch mir, alle zu verletzten, die ich liebe, sollte ich Cadence weiterhin helfen.
Darum habe ich versucht es auch vor dir geheim zu halten, ich wollte dich nicht gefährden.
Dann eines Tages konnten wir den Hexer ausfindig machen und töten.
(Das klingt einfacher als es war.)
Doch während all dieser Zeit war es für Cady schwer einzusehen, warum wir nicht zusammen sein sollten. Ich habe ihr nicht von dir erzählt um sie nicht zu verletzten, schließlich solltet ihr beiden euch ja niemals kennen lernen…
Ich wollte ihr nicht noch eine Abfuhr erteilen, aber ich wollte ihr auch keine falschen Hoffnungen machen. Darum wollte ich mich mit ihr in Esmeras treffen „um über unsere Zukunft zu reden“.
Aber bevor ich zu unserem Treffen gehen konnte, nahmen Gabriel und Michael mich mit zum Consilium Angelo.
Ich hatte keine Gelegenheit mehr, mich mit Cady zu unterhalten. Und dann antwortete sie nicht mehr auf meine Briefe. Offensichtlich beleidigt.
Und dann mussten wir diese drei Monate untertauchen. Während dieser Monate hat Cady mir zwar geschrieben, aber ich habe diese Briefe nie bekommen. Und dann hat sie wohl einfach beschlossen uns zu besuchen, wie du wohl gemerkt hast… es tut mir so leid, all diese Missverständnisse müssen dir das Gefühl gegeben haben, dass ich dich nicht liebe, aber da irrst du dich.
Ich hoffe du verstehst. Ich bin mit den Engeln auf der Suche nach dem letzten Teil des Ma’lak.
Wünsch mir Glück.
Ich passe auf dich auf.
Gabriel
Ich hatte gar nicht gemerkt, wie ich angefangen hatte zu weinen. Ich wollte ihm so dringend glauben, wollte mir sicher sein, dass er mich nicht anlog. Aber ich war mir einfach nicht sicher.
Wenn Gabe mich immer noch liebte, warum sagte er dann das Gegenteil?
Darüber musste ich erst einmal nachdenken.
Ich saß unter der Darganie, als ich hörte, wie Gabriella nach Hause kam.
„Mama! Heute haben wir gelernt, wie man Wunden mit Runen heilt. Das hat ganz schön weh getan, weil wir ja erst mal Wunden zum heilen brauchten!“
Sie war ganz aufgeregt. Ja, ja die alte Schule. Schneiden und heilen.
Das hatten wir öfters machen müssen.
Manchmal nur, um unseren Willen unter Beweis zu stellen. Vielleicht war es ja doch Zeit, dass die alten Regeln ein wenig verändert wurden…
„Du siehst aber kerngesund aus, also bist du bestimmt ein Meister im Runen zeichnen. Nicht wahr?“
Sie hob stolz das Kinn.
„Das glaube ich auch. Meister Michail sagt auch, dass ich ein Naturtalent bin. Ist das nicht toll?“
Ich nickte und breitete die Arme aus.
Sofort umarmte sie mich. Ich konnte so viel versuchen sie auf gewisser Distanz zu halten, wie ich wollte, aber sie nahm es mir nicht übel suchte meinen Kontakt beinahe noch mehr als vorher. Vielleicht war ich auch einfach nur inkonsequent. „Puh, du stinkst ganz schön. Ab ins Bad mit dir!“ Ich scheuchte sie in den ersten Stock und ließ ihr ein Bad ein.
„Mit Erdbeershampoo so wie immer, nicht?“
Sie nickte und hüpfte aufgedreht um mich herum. „Schätzchen, hast du heute schon deine Energie genommen?“
Ich hob fragend die Augenbrauen. Sie kicherte schuldbewusst und schüttelte den Kopf. Sofort ging ich auf Abstand.
Mittlerweile brauchte sie immer mehr Energie und es war nun mehr als ein einfacher Stromschlag. Einmal war sie krank und zuhause geblieben. Ich hatte sie in mein Bett gelegt, und ehe ich mich versah hatte sie mir einen so starken Schlag versetzt, dass es mich von den Füßen warf. Seitdem schickte ich sie jeden Morgen zu Shannon, die mit Marissa in einer Pension ganz in der Nähe wohnte.
J.D. war nach Hause zurückgeflogen um mit Bel zuhause die Stellung zu halten.
„Na dann aber mal los. Geh zu Tante Shay und hol dir deine Energie. Und fass niemanden mehr an, bevor du sie nicht hast, ja? Versprich es mir!“
Es war ein Wunder, dass sie keinen Mitschüler angefasst hatte. Kinder waren noch gefährdeter, da sie weniger Energie als Erwachsene hatten,
auch wenn man es eher andersherum vermutet hätte.
Als Gabriella zurückkam war das Wasser natürlich kalt und ich ließ ihr ein neues Bad ein.
Ich legte mich auf mein Bett und las ein wenig. Fertig gebadet kam Gabriella mit nassen Haaren zu mir und kuschelte sich an mich.
Bald war sie erschöpft eingeschlafen.
Da hörte ich ein Klopfen an der Tür.
Der Türgriff drehte sich und Chilali trat ein.
„Chi, was ist? Du siehst aufgeregt aus.“
Chilali wich meinem Blick aus.
„Du musst wissen, Josephine, dass ich keine andere Wahl habe. Aber ich möchte, dass du weißt, warum ich das hier tue. Einst, vor sehr, sehr langer Zeit war ich ein Engel.“
Sie sah mich immer noch nicht an. Ich sah sie an. Das passte. Irgendwie.
„Aber als Luzifer am zweiten Tag nach Gottes letzter Schöpfung den Krieg der Engel auslöste, ließ ich mich mitreißen. Ich revoltierte und fiel auf die Erde. Damals entsandt Michael, anstelle von Gott, der ja schlief, seine treuesten Engel, um alle Revoluzzer zu richten.
Er duldete keinen Ungehorsam. Wer konnte schloss sich Luzifer an, denn er gewährte Schutz. So entstanden auch die ersten Dämonen. Denn kein Engel des Herrn ertrug das Leid, das er in der Hölle sieht, ohne, dass seine Seele verfault und sein Geist zerrüttet“, ich unterbrach sie.
„Aber es kann doch nicht sein, dass jeder Dämon eigentlich ein Engel ist, das geht doch nicht!“
Sie seufzte nur.
„Es stimmt. Nicht jeder Dämon ist ein Engel. Aber sie alle stammen von den Gefallenen Engeln ab.
Sie sind die neuen Generationen. Durch und durch Dämon. Einzig Luzifer hat sein Erbe als Engel behalten. Nun, diejenigen, die nicht zu Luzifer gingen versteckten sich. So wie ich es tat.
Aber sie fanden mich. Sie waren sehr gut in dem was sie taten. Doch der Zufall wollte es, dass ausgerechnet Anael mich fand. Er war mein Freund, als wir noch im Himmel lebten. Er sah mich an, und ich wusste, er war hin und her gerissen.
Schließlich schlug er mir einen Handel vor.
Er würde mir all meine Kräfte nehmen, zusammen mit meinem Augenlicht. Dafür aber ließe er mir meine Unsterblichkeit, damit ich ewig bereuen würde, für das, was ich getan hatte.
In meiner Verzweiflung stimmte ich ihm zu.
Es schien keinen anderen Weg zu geben. Damals wusste ich nicht, was es bedeutete blind zu sein. Denn sobald er mir alles genommen hatte, brach meine Welt zusammen.
Ich hatte mir ausgemalt, wie es sein würde, nichts zu sehen. Aber ich hatte keine Vorstellung, wie es wirklich sein würde, wie sich herausstellte.
Ich zerbrach beinahe daran. Ich hatte die Schöpfung meines Vaters gesehen, sie war die letzte Verbindung, die ich noch zu ihm hatte.
Ich war so unglücklich.
Ich versuchte mir das Leben zu nehmen, aber nichts funktionierte.
Ich stach mir ein Messer in die Brust, zündete mich an, band mir Gewichte um die Beine und sprang ins Meer, doch ich konnte nicht sterben.
Und dann geschah es. Gerade als ich von einer Klippe springen wollte, hielt mich jemand auf.
Es war Luzifer. Er hielt meine Hand und sagte mir, dass er mich erlösen könnte. Oder er gab mir mein Augenlicht zurück und ich müsste nur einen einfachen Auftrag für ihn erledigen. Ich weiß, jeder kluge Mensch hätte sein Angebot ausgeschlagen, denn er ist schließlich der Teufel, und keiner seiner Aufträge ist einfach.
Aber ich war viel zu verzweifelt um noch einen klaren Gedanken zu fassen.
Also stimmte ich zu, und erhielt mein Augenlicht. Nun, den einfachen Auftrag, den er mir erteilte verstand ich damals nicht einmal wirklich.
Er sagte, irgendwann würde sein Sohn geboren werden. Sein Sohn und Gabriels Tochter würden ein Kind bekommen. Meine Aufgabe war es dieses Kind und seine Mutter zu ihm zu bringen, wenn er es befahl. Viele tausend Jahre habe ich nach den beiden gesucht, denn immer wieder drohte er mir, sein Geschenk zurück zu nehmen.
Richtig schwer wurde es für mich erst, als ich dich und Gabriel kennen lernte. Aber es ist wie ich schon sagte. Ich habe keine Wahl.“
Endlich sah sie mir in die Augen und ich erkannte tiefes Bedauern darin. Sie stand immer noch mit dem Rücken zur Tür.
Ich warf einen Blick auf Gabriella die auf meinem Bett schlief. Ich wusste, dass Chilali mich mit Leichtigkeit würde überwinden können.
Diese Aussichtslosigkeit gefiel mir gar nicht. „Josephine, bitte. Begleite mich freiwillig. Ich will dich nicht dort hinunter zerren, wie einen Feind. Vertrau mir, ich bin sicher, dass dir nichts Schlimmes passieren wird.“
Ich sah, dass sie keineswegs sicher war, aber ich hatte keine Alternative. Ich ging hinüber zu meinem Bett. Vorsichtig hob ich Gabriella auf meine Arme. Mittlerweile war sie eigentlich schon zu alt dafür, aber andererseits war sie es auch wieder nicht.
Sie blinzelte und sah mich verschlafen an.
„Mama, was ist los?“ Ich gab ihr einen Kuss.
„Alles gut, mein Schatz, vertrau mir, alles wird gut. Schlaf weiter.“
Mit einem Vertrauen im Blick, das es mir noch schwerer machte, schloss sie wieder die Augen und legte ihren Kopf an meine Stirn.
Chilali kam zu mir und nahm meine beiden Handgelenke. Als sie ihre Hände wieder zurückzog waren sie durch eine dünne Kette verbunden.
Sie sah mich entschuldigend an, dann nahm sie meine Hand und führte mich aus dem Zimmer heraus. Heraus aus dem Haus des gefallenen Engels und hinein in die Höhle des Löwen auch bekannt als Hölle.
Ein Treffen mit meinem Schwiegervater.
Das fehlte mir gerade noch.