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Jutta Söntgen und Elisabeth Dirks saßen auf der harten Bank im Flur vor dem Büro des Staatsanwalts. Jutta hielt Elisabeths Hand. Sie hatte die Freundin angerufen und ihr gesagt, was geschehen war. Elisabeth war sofort nach Düsseldorf gefahren. Ihre Augen waren gerötet.
Elisabeth blickte auf, als die hohe Tür geöffnet wurde und Bandisch herauskam. Bandisch stutzte kurz, dann trat er auf die beiden Frauen zu und gab ihnen die Hand.
»Warum hat man meinen Vater verhaftet?«, fragte Elisabeth.
Bandisch seufzte, dann setzte er sich neben Elisabeth.
»Ihr Vater ist nicht verhaftet, er wurde nicht einmal vorläufig festgenommen, sondern nur vorgeführt. Zunächst!«, sagte Bandisch, einem Einwand Elisabeths zuvorkommend. »Es kann aber durchaus sein, dass der Staatsanwalt noch einen Haftbefehl gegen Ihren Vater beantragen wird.« Grimmig sah er auf die Tür, hinter der Dattner, Deugius, die Beamten der Mordkommission und Oberstaatsanwalt Landauer seit nunmehr zwei Stunden zusammensaßen.
»Aber warum? Jutta sagte, es handele sich um Mord!«
»Das ist richtig.«
»Mein Vater hat niemanden ermordet.«
»Das wird sich herausstellen. Zumindest aber scheint Ihr Vater es sich in den Kopf gesetzt zu haben, den Rächer zu spielen. Er hat sich einen vorbestraften Schläger engagiert. Mit dem hat er einen Mann namens Konrad Thiemann aufgesucht. Der Schläger hat diesen Thiemann krankenhausreif geprügelt, um ihm den Namen seines Komplizen zu entlocken.«
Bandisch sah Jutta an. »Des Komplizen, den Herr Dattner sehr wohl an der Stimme wiedererkannt, dessen Identität er uns gegenüber aber nicht bestätigt hat.«
Bandischs Hals schwoll an, und seine funkelnden Augen verrieten seinen Ärger. »Dummerweise bin ich es gewesen, der so unvorsichtig war und beiläufig den Namen dieses Thiemann erwähnt hat.«
Bandisch wandte sich erneut an Elisabeth. »Vorgestern Abend haben Ihr Vater und dieser Schläger den anderen Mann nicht angetroffen. Und als sie ihn gestern Morgen aufsuchen wollten, fanden sie ihn tot vor, so jedenfalls lautet ihre Aussage. Statt die Polizei zu benachrichtigen, haben Ihr Vater und der andere sich vom Tatort entfernt, sodass der Tote erst gestern Abend entdeckt wurde. Inzwischen steht fest, dass er sich nicht selber erhängt hat. Er wurde erdrosselt und erst nach Eintritt des Todes aufgehängt, um einen Selbstmord vorzutäuschen. Thiemann belastet Ihren Vater schwer, Frau Dirks.«
»Wer ist dieser Thiemann?«, fragte Jutta.
»Er und Hanke haben Herrn Dattner vor zwei Wochen überfallen. Thiemann hat ein Geständnis abgelegt. Er hat auch ausgesagt, dass Hanke am ersten Überfall auf Herrn Dattner und an dem Mord an Max beteiligt gewesen war. Aber er wusste nichts über die anderen Tatbeteiligten. Hanke hat wohlweislich geschwiegen.«
»Ich glaube nicht, dass mein Vater diesen Menschen getötet hat!«, wiederholte Elisabeth.
»Ich bin mir da nicht so sicher«, sagte Bandisch.
»Wird man ihn tatsächlich verhaften und einsperren?«
Bandisch hob die Schultern. »Dieser Schläger, er heißt Vogel, ist ein Profi. Er gibt Herrn Dattner ein Alibi, und Dattner gibt ihm ein Alibi. Wenn sie dabei bleiben ...«
»Dann ist ja alles gut«, meinte Elisabeth erleichtert.
»Nichts ist gut. Gar nichts. Wenn seine Aussage stimmt, läuft ein Mörder frei herum, der offenbar dabei ist, Klarschiff zu machen. Ihr Vater hat Vogel weggeschickt. Was einerseits vernünftig ist. Andererseits steht er jetzt ohne Schutz da.«
»Brehm ist wieder da«, sagte Jutta.
»Na ja«, Bandisch stand auf. »Ich muss wieder hinein. Kümmern Sie sich um Ihren Vater, Frau Dirks. Er braucht jemanden, der auf ihn aufpasst.«
Jutta schüttelte bekümmert den Kopf. »Sie muss wieder nach Hause. Ihr Mann, und das Kind ...«
Bandisch hob hilflos die Schultern.