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Oberkommissar Gerd Heubel war sauer.

»Wenn Sie es schon nicht mehr für nötig halten, an den Einsatzbesprechungen teilzunehmen, können Sie sich wenigstens entschuldigen«, sagte er laut.

Bandischs Kollegen grinsten oder beschäftigen sich intensiv, ja nach Temperament, mit ihren Unterlagen. Heubel stand vor Bandischs Schreibtisch.

»Ich hatte Ihnen gestern gesagt, dass ich Dattners Fahrer abfangen wollte. Ich wollte der Erste sein, der ihm sagt, was mit Dattner geschehen ist.«

»Und?«

»Er wusste es noch nicht.«

»Ich meine — ist etwas bei dem Gespräch herausgekommen?«

Bandisch klappte sein Notizbuch auf und rückte die Brille zurecht. »Brehm hat anscheinend wieder ein unwiderlegbares Alibi. Ihm ist ein dicklicher Mann mittleren Alters aufgefallen, der einige Male aus einem braunen Toyota Kombi heraus das Haus mit Dattners Geschäft beobachtet hat. In dem Toyota lagen Anstreicherutensilien.«

»Sehr verdächtig«, bemerkte Heubel übelgelaunt.

»Der Mann hat ein paarmal in der Straße gestanden. Immer genau gegenüber dem Eingang zu dem Haus mit Dattners Geschäft. Das Morddezernat kann genug Leute auf die Beine bringen, die in der Gegend herumfragen können, ob irgendwo gerade renoviert wird.«

»Das Morddezernat ist nicht interessiert, jedenfalls nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

»Heißt das ...«

»Genau. Die Mordkommission steigt ein, wenn Sie die Männer haben. Oder einen von ihnen.«

Bandisch kratzte sich am Kopf. Er hatte fest damit gerechnet, den Fall abgeben zu müssen.

»Jetzt haben Sie doch, was Sie wollen. Aber glücklich sehen Sie nicht aus«, sagte Heubel. »Was werden Sie jetzt unternehmen? Ich kann Ihnen keine Leute geben, die einen ganzen Straßenblock abklappern, damit Sie einen Anstreicher finden, der irgendwo ein Büro renoviert. «

»Das ist es ja gerade. In der Gegend gibt es sehr wenige Wohnungen. Nur Firmen und Büros. Die beauftragen Anstreicherfirmen, wenn sie Arbeiten zu vergeben haben, und nicht einen Alleinunternehmer oder Schwarzarbeiter.«

»Haben Sie sonst noch Ansatzpunkte?«

»Ich frage beim Amt für öffentliche Ordnung nach. Vielleicht hat der Toyota irgendwann einen Strafzettel bekommen.«

»Gut. Befragen Sie auch die übrigen Mieter des Hauses.«

»Ich werde auch mit seinem Schwiegersohn und seinen Stammtischfreunden sprechen.«

Heubel setzte sich endlich. »Was versprechen Sie sich davon? Ich habe in der Akte gelesen. Dattners Freunde sind keine halbseidenen Typen. Ein Autohändler einer der größten —, ein sehr angesehener Immobilienmakler, ein Textilgroßhändler ...«

»Ein Anwalt und ein Augenarzt, ich weiß. Ich werde die Samthandschuhe anziehen.«

»Spotten Sie ruhig. Ich weiß immer noch nicht, was Sie sich davon versprechen ...«

»Wenn es dieselben Täter oder Tatbeteiligten waren wie im Mordfall Max Dattner, gibt es vielleicht irgendwo einen Hinweis, der dem 1. K bisher entgangen ist.«

»Sie verrennen sich da in eine fixe Idee, Bandisch. Ich will Ihnen nicht dreinreden, ich möchte Sie nur davon abhalten, eine Dummheit zu begehen. Die Beute von damals ist nicht wieder aufgetaucht. Das waren Berufsverbrecher, denen eine Panne passiert ist, als sie den jungen Dattner umbrachten. Als Profis wussten sie, dass sie die Beute nicht anrühren durften. Immerhin haben sie außer Edelsteinen auch Gold erbeutet, ungefähr zwei Kilogramm. Die waren nach damaligem Kurs etwa 60 000 Mark wert. Immerhin.«

»Es ist nicht die fehlende Beute, die mich stört. Jedenfalls nicht allein.«

»So? Was denn?«, fragte Heubel ungeduldig.

»Ich sprach gestern schon darüber. Der Mord war unsinnig. Die Täter waren Profis, das haben Sie selbst gesagt. Profis verlieren nicht bei einer falschen Bewegung die Nerven. Profis töten nur, wenn es aus ihrer Sicht unumgänglich erscheint.«

Heubel machte eine ungeduldige Handbewegung. »Jetzt widersprechen Sie sich, Bandisch. Die Kerle am Freitag waren Stümper, Dilettanten.«

»Das glaube ich auch«, gab Bandisch zu. Seine Stimme klang sanft. »Wenn es keinen Zusammenhang zwischen den beiden Überfällen gibt, müssen die neuen Täter die Sache vorher ausbaldowert haben. Dabei haben sie ihre Nasen gezeigt. Und deshalb will ich mit jedem sprechen, der regelmäßig mit Dattner zusammenkommt.«

»Sagen Sie nachher bloß nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt, Herr Bandisch ...«