9

Sie fuhr ruckartig und schnitt die Kurven. Joschs Hand kroch über ihre Schulter, dann spürte sie seine Finger im Nacken.

»Dein Vater wollte mich umbringen. Willst du das auch?«

»Sag so etwas nicht!« Sie nahm das Gas etwas zurück und verriss das Lenkrad, als ihr ein Lastwagen mit aufgeblendeten Scheinwerfern entgegenkam. »So ein Idiot!«, fauchte sie. Ruhiger fuhr sie weiter, und als sie in die Bundesstraße einbog, die von Norden her in die Stadt führte, hielt sie sich genau an die vorgeschriebene Geschwindigkeit.

»Warum musstest du ihn so reizen?«, fragte sie nach einer Weile.

Das Spiel seiner Finger in ihrem Nacken hörte kurz auf. »Meine Haut ist nicht so dick, wie du denkst«, antwortete er ruhig.

Sie legte den Kopf zurück, womit sie ihn aufforderte, sie weiter zu streicheln.

»Mir liegt nichts daran, dich und deinen Vater auseinanderzubringen«, sagte er. »Von mir aus lass mich an der nächsten Ecke aussteigen und fahr zurück.«

»Es hat nichts mit dir zu tun.«

»Da hatte ich aber einen anderen Eindruck.«

»Du bist allenfalls der Auslöser.«

»Er ist auch ein armes Schwein, weißt du das?«

»Nein, das weiß ich nicht.«

»Warum hast du es so lange bei ihm ausgehalten? Wie alt bist du eigentlich?«

»Einundzwanzig.«

»Mein Gott. Ich bin mit siebzehn von zu Haus weggegangen.«

»Wie hast du denn das Abi geschafft?«

»Mein Alter wollte, dass ich es mache. Er hätte alles dafür hergegeben. Ich brauchte nur ein paar Mark für Essen und so.«

»Wo hast du denn gewohnt? Unter einer Brücke?«

»Bei einer Freundin. Sie war vierunddreißig.«

»Oh!« »Was hat das zu bedeuten, das Oh?«

»Sie war doppelt so alt wie du!«

»Wow, bist du immer so gut im Rechnen?«

»Du redest drumherum!«

»Sie war eine sehr nette, sehr verständnisvolle und sehr gut aussehende Frau. Ich war rettungslos in sie verliebt. Mein Vater übrigens auch.«

Beate musste lachen. »Und?«

»Er hatte keine Chance bei ihr. Sie mochte nichts Verstohlenes oder Heimliches. In Oldenburg war sie als Nutte verschrien.«

»Und? War sie eine?«

»Was ist eine Nutte? Eine, die Geld nimmt? Eine, die es mit mehreren treibt? Nichts von beidem traf zu, während wir zusammen waren.«

»Wie ging es zu Ende?«, fragte Beate.

Josch sah aus dem Fenster, während sie über die Brücke fuhr und die Lichterkuppel über der Stadt sein blasses Gesicht bläulich färbte.

»Ich weiß es nicht mehr«, antwortete er undeutlich. »Es ging einfach vorbei. Vielleicht dachte sie, ich brauche sie nicht mehr, als ich das Abi hatte.«

»Brauchtest du sie noch?«

»Woher soll ich das wissen?«, gab er zurück.

»Brauchst du mich? Entschuldige«, sagte sie schnell. »Ich hätte das nicht fragen dürfen. Es ist unfair.«

»Mach dir keine Gedanken. Ich möchte mit dir schlafen.«

»Und ich mit dir«, sagte sie ernst.