25

Kalle Hanke sprang die Treppen zu seiner winzigen Mansardenwohnung hinauf. Er fühlte sich beschwingt und nicht so zerschlagen wie sonst nach vier Stunden Gemüsekisten schleppen. Heute Morgen wollte er nicht schlafen. Er würde gleich in die Stadt gehen, irgendwo in einem Café frühstücken und dabei Flugpläne und Prospekte studieren. Er wollte feststellen, ob heute noch eine Maschine nach Palma flog.

Heute noch.

Dieser Gedanke war ihm während der Plackerei gekommen und hatte sich in seinem Hirn festgefressen. Am Mittag würde er das Geld bekommen. Und das Flugticket. Weshalb sollte er warten? Er hatte sich lange genug geschunden. Der Überfall auf den alten Juwelenhändler war in die Hose gegangen. Voriges Jahr hatte ihn so eine dumme Pute angezeigt, und er hatte wieder acht Monate wegen Zuhälterei aufgebrummt bekommen, von denen er sechs Monate hatte abreißen müssen, weil die Bewährungszeit für einen älteren Straferlass noch nicht abgelaufen war. Er musste raus. An die Sonne. In Palma rannten die Hühner nur so rum und warteten darauf, dass einer sie betreute, ihnen die Laufereien abnahm und so. Er wusste Bescheid.

Er stellte seine Tasche ab, die heute leer war. Sonst hatte er immer ein paar Sachen abgestaubt, Bananen, Orangen, Auberginen. Heute nichts mehr. Er fischte den Schlüssel aus der Tasche und steckte ihn ins Schlüsselloch. Er stieß die Tür auf und beförderte die Tasche mit einem Fußtritt über die Schwelle.

Er sah die Bewegung unter der Treppe zum Speicher nicht, er spürte nur einen Luftzug, und dann legte sich eine Schlinge um seinen Hals, die sofort mit unbarmherziger Gewalt zugezogen wurde.

Seine Lungen blähten sich vergeblich. Er wollte nach hinten austreten, sein Fuß stieß jedoch ins Leere. Er spürte, wie er hochgehoben und wie eine Puppe über die Türschwelle geschwungen wurde. Das Seil schnitt tief in seine Haut. Er tastete nach hinten, bekam einen Finger zu fassen, und er versuchte, diesen Finger abzubiegen. Schon erschienen feurige Kreise vor seinen Augen, und in seinen Ohren rauschte das Blut, sodass er die Stimme nicht sofort verstand, die heisere Worte ausstieß. Der Zug der Schlinge lockerte sich ein wenig. Gierig sog er die Luft ein. Er keuchte und würgte dabei, und er krümmte sich zusammen.

»Mit wem hast du über mich gesprochen?«, knurrte die Stimme.

»Mit niemandem, Ehrenwort!« Hanke versuchte, seine Finger zwischen Seil und Hals zu schieben, doch sofort wurde die Schlinge wieder angezogen, und er verhielt sich still, hoffend, den Mann hinter sich durch Wohlverhalten gnädig zu stimmen. »Bitte, ich will Ihnen doch keine ...« Die Stimme versagte ihm.

»Du bist eine Ratte! Hast du etwa geglaubt, du kannst mich erpressen, weil du dachtest, ich kann dich nicht finden? Du hättest daran denken sollen, dass dein Freund Tito deinen Namen kennt und dass du unter Bewährungsaufsicht stehst und deshalb einen angemeldeten Wohnsitz vorweisen musst.

Der Mann hinter Hanke zog die Schlinge ruckartig weiter an. Hanke zappelte, aber weil er die Lungen noch voll Luft hatte, verhielt er sich reglos.

»Du hast gedacht, ich bin auf einen bezahlten Mörder angewiesen, der die Drecksarbeit für mich macht. Das ist ein Irrtum, du Ratte! Ich kann immer noch selbst tun, was getan werden muss. Damals, das konnte ich nicht selbst tun ...«

Der Mörder hatte die Tür mit einem Fußtritt geschlossen. Jetzt schleppte er sein halb bewusstloses Opfer in den niedrigen, düsteren Mansardenraum hinein, wobei er sich umsah.

»Aber einer Ratte den Hals umdrehen, das kann ich noch allein ...«Er keuchte, als er seinem Opfer ein Knie in den Rücken stieß und die Schlinge mit aller Kraft zuzog.