HEISE: E-Books: Streit um das Ausleihen elektronischer Bücher
In der Hamburger Zentralbücherei ist der Fortschritt sichtbar.
In den hellen Räumen mit kleiner Cafeteria herrscht emsige
Betriebsamkeit. Kunden scannen ihre Bücher zum Ausleihen ein oder
legen sie zur Rückgabe selbst auf ein Förderband. Hinter einer
Glaswand laufen die Bücher dann vor aller Augen auf den Bändern an
ihren Bestimmungsort. Viel hat sich getan in den letzten Jahren bei
den Büchereien. Doch bei einem weiteren Versuch, Neuland zu
betreten, knirscht es: Die Verleihe von E-Books.
13.000 E-Books haben die Hamburger Bücherhallen zur Zeit im
Angebot, sie lassen sich online ausleihen und können dann auf
E-Book-Readern, Tablets oder Smartphones gelesen werden. Auch wenn
viele der Titel nicht gerade Bestseller sind, die Idee kommt
an.
"Als wir 2007 anfingen hatten wir vor allem Schüler im
Visier", sagt Sven Instinske, Bereichsleiter für Internet und
E-Service der Hamburger Bücherhallen. Doch nun nutzen vor allem
viele ältere Menschen die sogenannte Onleihe. Sie müssen nicht in
die Bücherei kommen und können auf den elektronischen Lesegeräten
auch gut die Schriftgröße einstellen, erklärt Instinske. Und das
alles nur gegen eine Mitgliedsgebühr. Die Zuwachsraten sind
beachtlich. In diesem Jahr erwartet er 160.000 Ausleihen – fast
doppelt so viel wie im Vorjahr. Und wenn es nach ihm ginge, würde
die Bücherei noch viel mehr anbieten.
Doch das geht nicht so einfach. Einige Verlage sehen die
Ausleihe von E-Books durch Büchereien sehr kritisch. Matthias
Ulmer, Geschäftsführender Gesellschafter des Eugen-Ulmer-Verlags in
Stuttgart und im Vorstand des Börsenverein des Deutschen
Buchhandels, etwa fürchtet, dass eine ungebremste Ausleihe von
E-Books den Verlagen massiv schadet. "Wenn ich drei Quellen vor mir
habe, den Kauf eines E-Books beim Verlag, das illegale Beschaffen
auf einer Piraterie-Plattform oder als dritte Variante das
kostenlose Beschaffen bei einer Bücherei, da ist es ja logisch, was
man macht", sagt Ulmer der dpa.
Bisher sei es den Verlagen vor allem um den Verkauf, also den
Download, von E-Books gegangen. Das Ausleihen von Büchern habe bis
vor drei Jahren kaum eine Rolle gespielt. Dies habe sich mit dem
Cloud-Computing, der Verlagerung von Daten und Aktivitäten ins
Netz, geändert. "Und den Verlagen ist klar geworden, dass letztlich
gerade beim E-Book wie bei keinem anderen Objekt es eigentlich
irrelevant ist, ob ich das Buch besitze oder nur den Zugriff darauf
habe", sagt Ulmer.
"Das bedeutet natürlich, dass wir unsere Geschäftsmodelle
entsprechend umstellen. Wir werden nicht mehr den Download von
E-Books als das zentrale Geschäftsmodell machen, sondern wir werden
den Zugriff auf E-Books organisieren." Dafür gibt es verschiedene
Modelle. Ulmer denkt etwa an den Filmverleih durch Apple über
iTunes. Dort könne man die Bücher für 1,99 oder 2,99 Euro zum
Ausleihen anbieten. Oder man biete Viellesern eine Flatrate je nach
Sparte an, etwa für Krimis.
"Doch diese Modelle stehen und fallen damit, dass es keine
Konkurrenz für exakt das Gleiche kostenlos gibt." Ulmer hatte
deshalb den Bibliotheken verschiedene Modelle vorgeschlagen. So
könnten die Büchereien E-Books bestimmten Zielgruppen wie ärmeren
Haushalten, Migranten oder Jugendlichen umsonst anbieten. Doch das
hätten Bibliotheken mit dem Hinweis abgelehnt, die Verlage wollten
sie auf eine "soziale Suppenküche" reduzieren.
Im Augenblick liegen die Gespräche zwischen Verlegern und
Bibliotheken auf Eis. Die Verlage arbeiten weiter an neuen
Geschäftsmodellen. Der Großhändler Amazon bietet seinen
Premiumkunden bereits ein Buch im Monat umsonst zum Ausleihen an.
Mehrere Verlage haben sich zu der "mobilen Bibliothek" Skoobe
zusammengeschlossen. Bisher hat Skoobe 13.000 Titel im Angebot; bis
Ende des Jahres sollen es 20.000 sein, die Kunden für einen
monatlichen Festbetrag ausleihen können.
Skoobe-Geschäftsführer Christian Damke sieht die Konkurrenz
durch Büchereien gelassen. "Jedes legale Angebot ist gut", sagt er.
Die Büchereien hätten eine andere Zielgruppe und ein anderes
Modell. So konzentriere sich Skoobe auf Smartphones und Tablets und
nicht auf klassische E-Book-Reader. (Thomas Müller, dpa) /
(jk)