'Leseprobe' oder Raubkopie?
DIENSTAG, 29. MAI 2012

Was sagst du einem jungen Autor, der seinen
Beitrag gelöscht haben will.
Ich hatte den Fall kürzlich. Keine Drohungen, keinen
Moraltrief, einfach nur: 'Leute, ich muss von was leben ... ' Vor
die Frage gestellt, habe ich ihn tatsächlich gelöscht. Ich habe ihn
aber auch gefragt, ob er nicht denkt, dass er sich dadurch mehr
schadet als nützt.
Was hat er geantwortet?
Gerade die jungen Autoren - ein anderer hätte uns kaum
gefunden! - sind unsicher in dieser Frage. Er hat ja zugegeben,
dass er selbst Downloads macht, nur eben keine Bücher. Diesem Autor
war sehr bewusst, dass er auf den jugendlichen Teil seines
Publikums verzichtet, wenn er seine Sachen nicht freigibt.
Worauf habt ihr euch geeinigt?
Er wird uns sein Buch zum Upload anbieten, wenn seine
Verkaufszahlen zurückgehen. Im Augenblick läuft es gut für ihn.
Aber wenn das Interesse nachlässt, dann kann so eine Leseprobe ohne
Frage seine Bekanntheit auffrischen.
'Leseprobe' nennst du das. Andere würden es
'Raubkopie' nennen!
Von einer Seite wie vorablesen.de unterscheidet uns wenig!
Deren Angebot ist mit dem Verlag abgesprochen, klar. Aber auf
dieselbe Weise nutzen viele Leser das Piratenangebot. Runtergeladen
wird erstmal sehr viel. Dann lesen die Nutzer rein. Zu Ende gelesen
wird nur das, was wirklich interessiert. So gesehen bieten wir eine
Art translegale Leseprobe an.
Glaubst du wirklich, dass ein Downloader von
Ebooks später zum Käufer wird?
Ein Autor kann sich den Vorableseseiten ja verweigern. Das ist
sein gutes Recht! Tut er sich einen Gefallen damit? Ist das nicht
sein Ruin, wenn er Einzige ist? Wir bieten ein riesiges - zugegeben
- bedenkenlos illegales Angebot an eBooks. Ein Beispiel ist der
Lyx-Verlag, der mit seinen Schreibteams gut bei uns vertreten ist.
Dieser Verlag verteilt in großem Stil - ob er es will oder nicht -
Leseproben. Wir haben genau sein Publikum! Kann sich irgendein
konkurrierender Mystery-Verlag erlauben, bei uns nicht präsent zu
sein? Ich glaube, nicht.
Ihr zwingt die Verlage aber zu ihrem
Glück!
Das Problem der Verlage sind nicht die Piraten - das Problem
der Verlage ist deren Publikum. Uns Buchpiraten gibt es doch schon
zehn Jahre und länger. Das waren anfangs und lange Zeit
10-Mann-Tauschboards. Diese - das kannst du mir glauben! - hat
wenig von uns unterschieden. Jetzt reden alle über uns. Sind wir
besser geworden? Sind wir anders geworden? Nein, das Publikum hat
uns zu dem gemacht, was wir sind! Wir sind ein Werkzeug, ein
ziemlich verrostetes sogar, dass jetzt einen neuen Zweck erfüllt.
So ist das!
Das Publikum hat keine Moral - was wollt ihr
machen!?
Spotte nur! Ich sage, die Leser haben die Nase voll von
solchen Buchpreisen! Sie wollen endlich als Leser, nicht nur als
Käufer verstanden werden. Genauso, wie sie das eBook entdeckt
haben, stürmen sie die 'Mängel'buchläden. Die Verlage haben den
Draht überspannt: eBooks, die teuerer als Taschenbücher sind,
DRM-Schutz - das haben nicht wir erfunden, sondern die Buchverlage.
Wir haben nicht Verkehrszeichen umgedreht, damit die Verlage in
diese Sackgasse fahren. Das waren schon deren Fahranfänger, die da
reingefahren sind!
Sehen das die Autoren auch so, was denkst
du?
Die netznahen Autoren sicherlich. Sie sehen die Buchhandlungen
als überlebt. Sie machen sich Gedanken, was danach kommt.