Was kommt, wenn es kommt,
Spiegelbest?
MONTAG, 16. APRIL 2012

Denken wir den Gedanken - für die Bücher - mal
weiter: Alles ist digital. Alles, was digital ist, steht frei im
Netz.
Ja, es ist vernünftig, die Wirklichkeit zu bemühen. In der
ganzen Diskussion wird vergessen, dass viele Dinge, über die
gestritten wird, längst nicht mehr wegzudenken sind. Da fliegen
wolkennah Satzfetzen hin und her. Das zeigt nur, wie wenig
Wirklichkeit die Wortführer mit dem Netz teilen. 'Die Ebooks
verkaufen sich schlecht' - wenn ich das schon hören. Mich wundert,
dass überhaupt Ebooks verkauft werden! Wer sich der Zukunft so
oberflächig nähert, wird bereits in der Gegenwart abgehängt.
Denken wir den Ansatz mal für die Content
Industrie.
Ganz klar, die Content Industrie wird nicht mehr über den
Content allein Geld machen können. Oder sagen wir so, es wird
radikal neue Ideen erfordern. Texte für sich und einzeln sind
kommerziell nicht mehr vermittelbar bei einem gleichzeitigen freien
Angebot. Flatrates werden kommen. Es wird immer vergessen, dass
gerade unsere Nutzer - ich rede hier von den Ebooks - oft gebildet
und gut bei Kasse sind. Ich vermute mal, käme eine vernünftige
Flatrate - wir Buchpiraten könnten den Laden dicht machen. Es geht
unseren Nutzern, wenn sie zu uns kommen, nicht darum Geld zu
sparen. Wir haben einfach die größte Menge Lesestoff. Wie bieten
bereits eine Art Flatrate.
Ist das denn nicht alles ferne
Zukunftsmusik?
Überhaupt nicht. In Amerika wird jetzt für Zeitschriften eine
Flatrate eingeführt. Für $ 9,99 kann du die maßgebenden
Zeitschriften digital lesen. Wer geht dann noch zu den Piraten?
Amazon hat kürzlich erfolgreich gegen das Preiskartell der großen
Verlage geklagt. Dass Amazon eine Flatrate will, ist schon lange
bekannt. Radikal neu für die Autoren ist dabei, dass die
Aufmerksamkeit der Leser abgerechnet wird. Nicht das Werk als
Einheit.
Was wird sich also für die Autoren
verändern?
Die Autoren werden Schöpfer und Anbieter des Contents sein.
Die Content Industrie ist bereits Geschichte. Kann sein, dass
Verlage zu Agenten werden. Wie in US. Damit ist ihre Rolle aber
eine völlig andere geworden. Auch wenn der Name gleich
bleibt.
Die Autoren werden die Gewinner sein?
Nicht alle Autoren. Die Bestsellerautoren, die mit großem
Geldeinsatz die nicht beworbenen Autoren aus dem Buchhandel
drängen, werden die Verlierer sein. Für mich ändert die Abrechnung
von Lesezeiteinheiten das Schreiben radikal. Wie bei uns Piraten
kann ein Leser jedes Buch probelesen. Die Bestseller, die ihm die
Verlage nahebringen, aber auch die Geheimtips, die ihm die Gemeinde
empfiehlt. Jeder Leser kann sich einen Eindruck verschaffen. Es
reicht nicht mehr, den Vertreter mit einer Flasche Wein in die
Buchhandlung zu schicken. Alle Bücher stehen auf einem riesigen
digitalen Regal nebeneinander. Kumpelige Vertreter und verkniffene
Buchhändlerinnen gibt es nicht mehr.
Dann wird ein Autor sich um seine Fangemeinde
kümmern müssen!
Einige Verlage haben das schon begriffen. Bemerkenswert ist,
dass wir nur Abuses von traditionellen Verlagen bekommen. Vom
Lyx-Verlag, den wir nun wirklich gut abdecken, kommen keine Abuses.
Die haben erkannt, dass sie anders rechnen müssen. Sie
verlieren durch uns höchstens 5 % ihrer Leser: Sie gewinnen aber -
ohne Kosten - DIE große Bühne des digitalen Lesens. Ich denke,
nicht alle Bücher, die eingereicht werden, kommen tatsächlich aus
der Szene.
Gut, die Szene tritt an die Stelle des
Buchhandels. Da werden es die Lautsprecher unter den Autoren nicht
schwer, haben die Rehfüßigen von der Wiese zu trampeln.
Das Schreiben und das 'Veräußern' von Schreiben waren immer
zwei Dinge, die nicht zusammenpassen müssen. Dennoch darfst du
nicht vergessen, dass die Szene auch als Sprachrohr funktioniert.
Sie wird das 'Marketing' für den Autor übernehmen. Die Wege zu den
Fans sind im Netz kürzer geworden. Es reichen auch weniger Fans, um
einen Anfang zu machen. Zumal das Publizieren keine Kosten
verursacht. Die neue Macht werden die Leser sein - nicht die
Käufer. Es wird viel mehr Autoren geben, aber auch gleiche
Chancen für jeden.