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Nach meinem Besuch bei den Kramers fuhr ich direkt in die Tiefgarage in Sutton Place, vorbei an den aufblitzenden Kameras, ging in die Wohnung und stopfte ein paar Sachen in eine Reisetasche.
Ich setzte mir die größte Sonnenbrille auf, die ich finden konnte, und fuhr mit dem Fahrstuhl zurück in die Garage. Diesmal nahm ich das Auto meiner Mutter, um die Medienmeute zu täuschen.
Dann brauste ich mit Schwung aus der Garage, betete zu Gott, dass ich keinen Unfall verursachen würde, und bog sofort in die Fifty-seventh Street ein. Ich fuhr die First Avenue bis zur Ninety-sixth Street hinauf und versuchte im Rückspiegel zu beobachten, ob mir jemand folgte. Ich wollte verhindern, dass jemand eine Ahnung bekam, wohin ich fahren wollte.
Natürlich konnte ich nicht ganz sicher sein, aber jedenfalls war weit und breit kein Medienfahrzeug zu sehen, als ich rechts in die Ninety-sixth Street einbog und bis zum FDR Drive North fuhr. Der Franklin Delano Roosevelt Drive. Das brachte mich auf Elliott. Ein unangenehmer Gedanke ging mir durch den Kopf. Sollte Mack wirklich diese Verbrechen verübt haben und geschnappt werden, dann würde es monatelange öffentliche Aufmerksamkeit und einen oder mehrere Prozesse geben. Elliott hatte eine Menge hochkarätiger Kunden. Sicherlich liebte er Mom, aber würde er in Kauf nehmen, sich mit dieser Art von Rummel in der Öffentlichkeit abgeben zu müssen? Würde er wollen, dass ihr Bild in der Klatschpresse zu sehen wäre, wenn es zum Prozess kam? Im Moment trat er noch als ihr Beschützer auf, doch würde das auch so bleiben? Würde Dad noch leben, und es käme zu dieser Situation, so würde er ganz gewiss felsenfest hinter Mack stehen und Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um eine gute Verteidigung aufzubauen, die seine Schuldunfähigkeit beweisen würde.
Ich dachte an Elliotts zu oft erzählte Anekdote über FDR – dass er eine Republikanerin als Begleitung an seiner Seite wählte, als Eleanor nicht da war, weil es keine Demokratin im Hyde Park gab, die er als ihm gesellschaftlich ebenbürtig empfunden hätte.
Ich fragte mich, was wohl FDR oder Elliott davon halten würden, die Mutter eines verurteilten Serienmörders an ihrer Seite zu haben? Fast schon konnte ich mir vorstellen, wie Elliott am Ende Mom vorschlagen würde, sie sollten besser nur gute Freunde bleiben.
Als ich in den zu jeder Tageszeit üblen Verkehr durch die Bronx geriet, versuchte ich, nicht mehr daran zu denken und mich auf das Fahren zu konzentrieren. Als ich nur noch im Kriechtempo vorankam, rief ich in Falmouth an und konnte noch einen Platz auf der letzten Fähre nach Martha’s Vineyard reservieren. Dann buchte ich ein Zimmer im Vineyard Hotel in Chappaquiddick. Danach schaltete ich mein Handy aus. Ich wollte mit niemandem mehr reden und auch von niemandem mehr angerufen werden.
Es ging auf halb zehn zu, als ich die Insel und das Hotel erreichte. Nachdem ich mein Zimmer bezogen hatte, fühlte ich mich erschöpft, aber immer noch ruhelos. Ich ging hinunter in die Bar, aß einen Hamburger und trank zwei Gläser Rotwein. Dann nahm ich gegen jede medizinische Vernunft eine von den Schlaftabletten, die ich in Moms Nachtschränkchen gefunden hatte, und ging zu Bett.
Ich schlief zwölf Stunden durch.