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Dr. David Andrews hatte sein Haus in Greenwich nicht mehr verlassen, seitdem der Anruf von Leesey eingegangen war. Er hatte kaum noch geschlafen und war mittlerweile nur noch ein hagerer Schatten jenes Mannes, der er vor dem Verschwinden seiner Tochter gewesen war. Tag und Nacht hielt er Wache am Telefon, griff sofort nach dem ersten Klingeln danach, wenn jemand anrief. Er nahm das schnurlose Empfangsteil stets mit, wenn er das Zimmer wechselte. Wenn er abends zu Bett ging, legte er es neben sich auf das Kopfkissen.

Wenn ihn tatsächlich jemand anrief, schnitt er das Gespräch immer nach wenigen Sätzen ab und erklärte, er wolle unbedingt die Leitung frei halten, falls Leesey wieder anrufe.

Seine langjährige Haushälterin, die gewöhnlich nach dem Mittagessen nach Hause ging, blieb jetzt bis zum Abend und versuchte, Dr. Andrews dazu zu bewegen, etwas zu essen, und sei es auch nur eine Tasse Suppe oder Kaffee und ein Sandwich. Er hatte seinen Freunden eingeschärft, er wünsche nicht, dass sie ihn anriefen und seine Telefonleitung besetzt hielten, und er verbat allen, vorbeizukommen und nach ihm zu sehen. »Es geht mir besser, wenn ich mich nicht gezwungen fühle, ein Gespräch in Gang zu halten«, erklärte er ihnen.

 

Am Samstagmorgen fuhr Gregg Andrews mit Zach Winters zum Büro der Bezirksstaatsanwaltschaft, doch als Ahearn Zach in seinem Beisein befragte, musste er erleben, dass sich seine Geschichte, wonach er Leesey in den schwarzen Mercedes-Geländewagen habe einsteigen sehen, allmählich in nichts auflöste. Zach hatte gesagt, er habe sich etwa eine halbe Stunde lang in der Nähe des Clubs aufgehalten, doch die Angestellten des Woodshed, die nur wenige Minuten nach Leesey gegangen waren, hatten alle ausgesagt, ihn nicht auf der Straße gesehen zu haben. Er gab zu, ein regelmäßiger Trinker zu sein, der einmal aus dem Woodshed rausgeschmissen worden sei, als er versucht habe, bei den Gästen zu schnorren. Außerdem gab er zu, dass er auf den Besitzer Nick DeMarco sauer war, weil er ihn hatte rausschmeißen lassen, und er wusste, dass Nick einen schwarzen Mercedes-Geländewagen fuhr.

Das Verhör zog sich hin, und danach nahm Gregg Zach mit und setzte ihn wieder dort ab, wo er ihn aufgegabelt hatte. Erschöpft fuhr er nach Hause, legte sich sofort schlafen und wachte erst am Sonntagmorgen um neun Uhr auf. Er stellte fest, dass sein Kopf wieder klar war, duschte, zog sich an und fuhr nach Greenwich.

Die Veränderung, die mit seinem Vater vor sich gegangen war in der einen Woche, die er ihn nicht gesehen hatte, war schockierend. Die Haushälterin seines Vaters, Annie Potters, die sonst nie am Sonntag kam, war ebenfalls da. »Er will nichts essen«, flüsterte sie Gregg zu. »Es ist elf Uhr, und er hat seit gestern keinen Bissen angerührt.«

»Würden Sie für uns beide Frühstück machen, Annie?«, bat Gregg. »Dann werde ich sehen, was sich machen lässt.«

Nachdem er ihn begrüßt hatte, war sein Vater sofort zu seinem Ruhesessel im Wohnzimmer zurückgekehrt, das schnurlose Telefon in Reichweite neben sich. Gregg ging nun auch ins Wohnzimmer und setzte sich in den Sessel, der dem seines Vaters am nächsten stand. »Hör zu, Dad, ich bin jetzt die ganzen letzten Nächte auf der Suche nach Leesey durch die Straßen gelaufen. Ich kann einfach nicht mehr, und du kannst auch nicht mehr so weitermachen! Wir helfen Leesey überhaupt nicht damit, und wir machen uns nur selbst kaputt. Ich war im Büro der Bezirksstaatsanwaltschaft. Es gibt absolut nichts, was Larry Ahearn und seine Leute nicht unternehmen würden, um Leesey zu finden. Ich möchte, dass du jetzt aufstehst und etwas isst, und danach werden wir einen Spaziergang machen. Es ist ein schöner Tag draußen.« Er stand auf und beugte sich hinunter, um seinen Vater zu umarmen. »Du weißt, dass ich recht habe.«

Dr. David Andrews nickte, doch dann brach er in Tränen aus. Gregg drückte ihn an sich. »Dad, ich weiß, ich weiß. Jetzt komm, und lass das Telefon hier. Wenn es klingelt, werden wir es schon hören.«

Mit Erleichterung sah er zu, wie sein Vater die Hälfte der Portion Rühreier aß, die Annie ihm serviert hatte. Gregg knabberte an einer Scheibe Toast und trank seine zweite Tasse Kaffee, als das Telefon klingelte. Sein Vater sprang vom Stuhl auf und rannte ins Wohnzimmer, doch bevor er das Telefon erreichte, sprang der Anrufbeantworter an.

Es war Leesey, unverkennbar. »Daddy, Daddy«, rief sie verzweifelt, »hilf mir. Bitte, Daddy, er sagt, er will mich umbringen.«

Die Verbindung wurde unterbrochen, als Leesey zu schluchzen begann.

Dr. David Andrews stürzte sich auf das Telefon und hielt es ans Ohr, doch er hörte nur noch das Freizeichen. Seine Knie gaben nach, doch Gregg war rechtzeitig bei ihm und half ihm in seinen Ruhesessel.

Gregg fühlte gerade seinem Vater den Puls, als das Telefon erneut klingelte. Larry Ahearn war dran.

»Gregg, das war Leeseys Stimme, nicht wahr?«

Gregg drückte auf den Lautsprecherknopf, damit sein Vater mithören konnte. »Larry, sie war es, daran gibt es keinen Zweifel.«

»Gregg, sie ist noch am Leben, und wir werden sie finden. Das schwöre ich dir.«

Dr. David Andrews nahm Gregg das Telefon aus der Hand. Mit heiserer Stimme rief er hinein: »Sie müssen sie finden, Larry! Sie haben es doch gehört. Derjenige, der sie in seiner Gewalt hat, wird sie umbringen! In Gottes Namen, finden Sie sie, bevor es zu spät ist!«

Warte, bis du schlaefst
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