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Bruce Galbraith setzte sich am Ende eines Arbeitstags stets noch einmal mit seiner Sekretärin in Verbindung. Im Gegensatz zu den meisten Menschen in seiner Umgebung trug er nicht permanent seinen BlackBerry mit sich herum und schaltete auch öfter sein Handy aus. »Zu viel Ablenkung für meinen Geschmack«, pflegte er bei diesbezüglichen Fragen zu erklären. »Es ist, als ob man einem Jongleur zuschaut, der mit zu vielen Bällen auf einmal hantiert.«

Zweiunddreißig Jahre alt, von durchschnittlicher Körpergröße, mit rotblonden Haaren und einer randlosen Brille auf der Nase, witzelte er gelegentlich, er sei so durchschnittlich, dass er von keiner Überwachungskamera registriert würde. Auf der anderen Seite war er auch nicht so bescheiden, dass er nicht genau gewusst hätte, was seinen Wert ausmachte. Er war ein hervorragender Geschäftsmann, und seine Kollegen attestierten ihm eine geradezu übersinnliche Fähigkeit, die Trends auf dem Immobilienmarkt vorauszusehen.

Infolgedessen hatte Bruce Galbraith den Wert des Familienunternehmens so sehr vervielfacht, dass ihm sein sechzigjähriger Vater irgendwann einfach die Führung des Ganzen übergeben hatte. Anlässlich seines Abschiedsdinners hatte sein Vater gesagt: »Bruce, ich ziehe meinen Hut vor dir. Du bist ein guter Sohn und ein viel besserer Geschäftsmann, als ich es je gewesen bin, und ich war auch nicht von schlechten Eltern. Nun, mach du nur weiter so und vermehre unser Vermögen, während ich mich darum bemühen werde, mein Golf-Handicap zu verbessern.«

Am Mittwoch befand sich Bruce in Arizona, als er seinen täglichen Spätnachmittagsanruf bei seiner Sekretärin machte. Sie berichtete ihm, dass eine gewisse Carolyn MacKenzie angerufen und die Nachricht hinterlassen habe, dass Mack sich wieder gemeldet hätte und ob Bruce sie bitte zurückrufen würde.

Carolyn MacKenzie? Macks kleine Schwester? Das waren Namen, die er nur ungern hörte.

Bruce war gerade in seine Suite in dem Hotel in Scottsdale zurückgekehrt, dessen Besitzer er war. Kopfschüttelnd ging er zur Minibar hinüber und holte sich ein kaltes Bier. Es war zwar erst vier Uhr, aber er war fast den ganzen Tag draußen in der Hitze unterwegs gewesen und hatte es sich verdient, befand er.

Er machte es sich in dem großen Sessel vor dem fast die ganze Wand ausfüllenden Fenster bequem, das auf die Wüste hinausging. Zu jeder anderen Zeit war dies seine Lieblingsaussicht, doch in diesem Augenblick sah er nur die Studentenwohnung, die er sich mit Charles MacKenzie und Nick DeMarco geteilt hatte, und es ging ihm wieder durch den Kopf, was sich dort abgespielt hatte.

Ich will Macks Schwester nicht sehen, dachte er. Das ist jetzt alles zehn Jahre her, und selbst damals wussten Macks Eltern genau, dass wir nie sehr eng befreundet waren. Er hat mich nie zum Essen bei seinen Eltern in Sutton Place eingeladen, dabei hat er Nick dauernd mitgenommen. Mack ist nicht mal auf die Idee gekommen, dass ich vielleicht auch Lust haben könnte mitzugehen. Für ihn war ich nur ein nicht weiter störender Typ, der zufällig in der gleichen Wohnung wohnte wie er.

Nick, der große Frauenheld; Mack, den immer jeder für den nettesten Kerl auf der Welt hielt. So nett, dass er sich sogar entschuldigt hat, als er mich knapp geschlagen hat, als es darum ging, unter die zehn besten Absolventen unseres Jahrgangs zu kommen. Ich werde nie Dads Blick vergessen, als ich ihm gebeichtet habe, dass ich es nicht geschafft hatte. Vier Generationen an der Columbia University, und ich war der Erste, der nicht unter den zehn besten Absolventen war. Ach, und Barbara, mein Gott, wie war ich damals in sie verliebt. Ich habe sie angebetet … Doch sie hat mich nicht einmal eines Blickes gewürdigt.

Bruce legte den Kopf in den Nacken und trank sein Bier aus. Ich werde Carolyn anrufen müssen, dachte er. Aber ich werde ihr das sagen, was ich schon ihren Eltern gesagt habe. Mack und ich haben zwar zusammen gewohnt, aber wir haben nicht viel miteinander zu tun gehabt. An dem Tag, an dem er verschwunden ist, habe ich ihn nicht mal gesehen. Ich bin aus dem Haus gegangen, bevor er und Nick aufgestanden sind. Also lass mich in Ruhe, kleine Schwester.

Er stand auf. Vergiss es, sagte er sich. Es ist nicht wichtig. Das Zitat, das ihm jedes Mal einfiel, wenn er an Mack denken musste, geriet ihm auch jetzt wieder in den Sinn. Ihm war bewusst, dass der Wortlaut nicht ganz stimmte, aber für ihn passte es dennoch: »Doch dies war in einem andren Land, und außerdem – der König ist tot.«

Er ging zurück zum Telefon, nahm den Hörer auf und wählte. Als sich seine Frau meldete, hellte sich seine Miene beim Klang ihrer Stimme sofort auf. »Hi, Barb«, sagte er. »Wie geht’s dir, Liebling? Und wie geht’s den Kindern?«

Warte, bis du schlaefst
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