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Am frühen Samstagmorgen rief Gregg Andrews Larry Ahearn auf seinem Handy an. Seine Worte überschlugen sich fast, als er berichtete, jemand habe gesehen, wie Leesey in der Nacht ihres Verschwindens in einen schwarzen Mercedes-Geländewagen eingestiegen sei. »Und sie kannte den Fahrer«, sagte er aufgeregt. Seine Stimme klang angestrengt und heiser. »Er hat sie beim Namen gerufen, und sie ist sofort eingestiegen.«
In den elf oder zwölf Tagen, seit Leesey als vermisst gemeldet wurde, hatte Ahearn nicht mehr als vier Stunden pro Nacht geschlafen. Als sein Handy klingelte, lag er im Bett und war vor lauter Erschöpfung in einen tiefen Schlaf gesunken. Er versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen, und sah auf den Wecker. »Gregg, es ist halb fünf. Wo bist du denn?«
»Ich bin auf dem Weg in meine Wohnung. Ich habe einen gewissen Zach Winters im Auto, den ich auf der Straße angetroffen habe. Er ist betrunken. Ich werde ihn in meiner Wohnung seinen Rausch ausschlafen lassen und ihn dann zu euch bringen, damit ihr mit ihm sprechen könnt. Ich bin überzeugt, dass er nicht mehr weiß als das, was ich dir schon gesagt habe, aber das ist unsere erste richtige Spur. Was ist mit diesem Nachtclubbesitzer, der Leesey an seinen Tisch eingeladen hat? Was fährt der für einen Wagen?«
Nick DeMarco fuhr einen Geländewagen in jener Nacht, dachte Ahearn. Er hat uns erzählt, er sei mit diesem Wagen gefahren, weil er seine Golfschläger dabeihatte. Ich weiß nicht mehr, ob er etwas über die Farbe des Wagens gesagt hat. Er war jetzt vollkommen wach, schlüpfte aus dem Bett, ging hinaus auf den Flur und machte die Schlafzimmertür hinter sich zu. »DeMarco besitzt mindestens drei verschiedene Fahrzeuge«, sagte er vorsichtig. »Wir werden herausfinden, ob sein Geländewagen ein schwarzer Mercedes ist. Nach meiner Erinnerung ist es einer. Gregg, wir werden auch diesen Zeugen unter die Lupe nehmen müssen. Du sagtest, sein Name sei Zach Winters?«
»Ja, das ist richtig.«
»Gut, wir werden ihn überprüfen. Sei vorsichtig, wenn du ihn mit in deine Wohnung nimmst. Klingt so, als ob das ein Penner ist.«
»Ist er auch. Aber das ist mir egal. Vielleicht kann er sich an noch mehr erinnern, wenn er aufwacht. Oh Gott!«
»Gregg, was ist?«
»Larry, ich schlafe fast ein. Um ein Haar hätte ich ein Taxi gerammt, das vor mir eingeschert ist. Wir sehen uns dann gegen zehn Uhr in deinem Büro.«
Ein Knacken bedeutete Ahearn, dass Gregg Andrews die Verbindung unterbrochen hatte.
Die Tür zum Schlafzimmer öffnete sich. Larrys Frau Sheila, die sich noch den Gürtel ihres Morgenmantels zuband, sagte gelassen: »Ich mach schon mal Kaffee, während du duschst.«
Eine Stunde später saß Larry in seinem Büro, zusammen mit Barrott und Gaylor. »Für mich klingt das nicht glaubwürdig«, sagte Barrott unverblümt.
Gaylor nickte. »Ich würde sagen, wenn es überhaupt stimmt, dass dieser Typ, wie hieß er gleich, Zach Winters, damals um diese Uhrzeit in der Nähe des Woodshed herumgelungert hat, dann war er vermutlich zu betrunken, um etwas zu sehen, geschweige denn zu hören. Jede Wette, dass der nur auf die Belohnung aus ist.«
»So sehe ich das auch«, pflichtete ihm Ahearn bei. »Aber lasst uns ihn erst mal überprüfen. Gregg sagte, er würde ihn gegen zehn Uhr hierher bringen.«
Gaylor blätterte in seinen Notizen. »Als DeMarco das erste Mal hier war, sagte er, er habe seinen Geländewagen in der Garage zu seinem Loft stehen, weil er am nächsten Morgen seine Golfschläger zum Flugzeug fahren musste.« Er sah Barrott und Ahearn an. »Sein Geländewagen ist tatsächlich ein schwarzer Mercedes«, sagte er knapp.
»Also könnte es sein, dass er nach Verlassen des Clubs in sein Loft gegangen ist, den Wagen geholt hat und dann zurückgefahren ist, um Leesey auf dem Heimweg abzufangen.« Ahearn hatte den Mund zu einem schmalen Strich zusammengepresst. »Ich glaube, es wird Zeit, dass wir DeMarco gehörig einheizen und gegenüber den Medien bekannt geben, dass er im Fall Leesey Andrews als Verdächtiger gilt.«
Barrott hatte die Akte MacKenzie geöffnet. »Hör dir das mal an, Larry. Als der Vater des Jungen zum ersten Mal hier war, um ihn als vermisst zu melden, haben sich die Kollegen Notizen darüber gemacht: ›Es gibt keinen Grund für Mack unterzutauchen. Es geht ihm blendend. Unter den zehn Besten seines Jahrgangs beim Collegeabschluss. Studiert Jura an der Duke University. Habe ihm einen Mercedes-Geländewagen zum Abschluss geschenkt. War völlig aus dem Häuschen darüber. Ist erst ein paar hundert Kilometer damit gefahren, als er verschwunden ist.‹«
»Ja und?«, fragte Ahearn.
»Er hat ihn in der Garage stehen lassen, als er verschwunden ist.«
»Hast du gefragt, welche Farbe er hat?«
»Er ist schwarz. Ich habe mich nur gefragt, ob es vielleicht immer noch Macks Lieblingsauto ist.«
»Was ist denn mit demjenigen passiert, den ihm sein Vater gekauft hat?«
»Keine Ahnung. Vielleicht weiß die Schwester etwas darüber.«
»Ruf sie an«, kommandierte Ahearn.
»Es ist noch nicht mal sechs Uhr«, warf Gaylor ein.
»Na und? Schließlich sind wir auch auf den Beinen«, sagte Barrott.
»Warte.« Ahearn hob die Hand. »Roy, hast du Carolyn MacKenzie gebeten, dir diesen Zettel zu geben, den ihr Bruder in die Kollekte geschmuggelt hat?«
»Sie hat ihn mir an dem Tag vor zwei Wochen gezeigt, als sie zu mir kam«, sagte Barrott etwas betreten. »Ich habe ihn ihr damals zurückgegeben. Es war ein unauffälliger Zettel, auf den zehn Wörter in Großbuchstaben gedruckt waren. Ich habe gedacht, dass es sowieso sinnlos sei, damit irgendwas zu versuchen. Wir haben keine Fingerabdrücke ihres Bruders in unserer Kartei. Ihr Onkel, der Pfarrer, mindestens ein Gottesdiensthelfer, Carolyn MacKenzie und ihre Mutter haben ihn in der Hand gehabt.«
»Vermutlich ist es sinnlos, aber ich möchte einen Beschlagnahmebeschluss dafür sowie für dieses Tonband, das sie dir neulich Abend nicht ausgehändigt hat. Und jetzt ruf Carolyn MacKenzie an und frag, was aus dem Wagen ihres Bruders geworden ist. Ich tippe darauf, dass sie ihn nach ein oder zwei Jahren verkauft haben.«
Barrott gestand sich ein, dass er eine gewisse Befriedigung dabei empfand, Carolyn MacKenzie so früh am Morgen zu wecken. Ihre Weigerung am Montagabend, ihm das Tonband zu übergeben, hatte ihn endgültig davon überzeugt, dass sie ihren Bruder schützte. Er war hochzufrieden, als sie sich schon nach dem ersten Klingeln meldete, was für ihn bedeutete, dass sie nicht gut geschlafen hatte. Das haben wir auch nicht, dachte er. Er sprach kurz mit ihr. Als er plötzlich eine erstaunte Miene machte, wussten Ahearn und Gaylor, dass er auf etwas Interessantes gestoßen war.
Als er das Gespräch beendet hatte, sagte Barrott: »Sie wird mit ihrem Anwalt sprechen. Wenn er einverstanden ist, wird sie uns das Tonband und den Zettel aushändigen. Ihr habt vielleicht gehört, wie ich ihr versichert habe, dass ihr Anwalt zustimmen wird.«
»Und was ist mit dem Wagen ihres Bruders?«
»Ihr werdet es nicht glauben. Er wurde ungefähr acht Monate nach Macks Verschwinden aus der Garage des Gebäudes gestohlen, in dem sich die Wohnung der MacKenzies befindet.«
»Was? Gestohlen?«, rief Gaylor aus.
»Wurden noch andere Fahrzeuge gestohlen?«, fragte Ahearn schnell.
»Nein. Das war das einzige. Die Garage ist nicht sehr groß. Der Typ, der Nachtdienst hatte, war in seinem Kabuff eingeschlafen. Bevor er wusste, wie ihm geschah, bekam er eine Tüte über den Kopf gestülpt, ein Klebeband über den Mund und wurde an den Stuhl gefesselt. Als er gefunden wurde, war der Wagen weg.«
Die drei Männer sahen sich an. »Wenn Mack seinen eigenen Wagen gestohlen hat, ist es natürlich durchaus möglich, dass er ihn immer noch fährt«, sagte Gaylor. »Mein Schwiegervater hat seinen Mercedes zwanzig Jahre gefahren.«
»Und wenn er ihn immer noch fährt und wenn die Geschichte des Penners stimmt, dann könnte es genauso gut sein, dass Leesey zu MacKenzie in den Wagen gestiegen ist, und nicht zu DeMarco«, sagte Larry Ahearn finster. »Na schön, wir werden uns erst mal diese Beschlagnahmebeschlüsse besorgen. Vielleicht ergibt sich irgendetwas aus dieser Aufnahme, die MacKenzie mit seiner Schauspiellehrerin gemacht hat.«