Km 0–heute

Und jetzt umarme ich meine Mutter, denn nichts und niemand kann uns für das entschädigen, was wir verloren haben. Auch die nicht, die für den Verlust verantwortlich oder direkt oder indirekt der Grund oder der Anlass für ihn sind. Denn letztendlich, wenn alles abgerechnet und klar zu erkennen ist, wer wem etwas genommen und warum er das getan hat, wenn Soll und Haben und die ganze doppelte Buchführung von Schuld und Groll exakt aufgelistet sind, bleibt doch nur eines, was wirklich zählt: sich wieder umarmen zu können und nicht mehr länger, auch nur für einen Augenblick, das große Glück zu vergessen, zu leben und zusammen sein zu dürfen.

Nach Hause zurück bin ich geflogen, bin in wenigen Stunden über ganz Italien hinweggeschwebt, mit dem Gesicht dicht am Fenster und dem Gefühl, die lange Halbinsel, die jetzt unter mir lag, auf der Hinfahrt gestreichelt zu haben.

Dann bin ich sofort zu meiner Mutter gefahren und habe ihr von Vito erzählt.

Sie hat mich angeschaut und nicht gleich etwas gesagt. Aber dann höre ich aus ihrem Mund:

»Er muss dir sehr gefehlt haben.«

Es sind die Worte, auf die ich dreißig Jahre lang gewartet habe, was mir aber erst jetzt, als sie sie ausspricht, bewusst wird. Ich nehme sie auf und berge sie in mir wie einen kostbaren Schatz.

»Und du? Hast du oft an Vito gedacht?«, frage ich sie dann.

Meine Mutter reagiert seltsam, streift die Hausschuhe von den nackten Füßen und verhakt die großen Zehen. Sie betrachtet sie lange.

»Jeden Abend, vor dem Einschlafen.«

Ich bleibe, um bei ihr zu übernachten. Es hat noch mal gefroren, und die Straßen sind glatt. Sie schläft auf dem Sofa ein, mit dem Kopf auf dem von Ruthi bestickten Kissen, ihren immer noch wunderschönen Mund leicht geöffnet. Sie zu betrachten tut mir fast weh, aber es ist ein guter Schmerz.

Und ich denke: Gerda schloft.

Gerda schläft.

Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme
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