Nachwort

Jetzt macht er uns auch noch die Kunst madig

Ich weiß, was Sie denken: »Na, schönen Dank auch, Chris, jetzt machst du uns auch noch die Kunst madig.«

Gern geschehen. Es war mir ein Vergnügen. Ursprünglich wollte ich nur einen Roman über die Farbe Blau schreiben. Ich weiß gar nicht mehr, wieso eigentlich. Wenn man mit einem derart vagen Konzept beginnt, muss man seinen Blickwinkel frühzeitig einengen, weil die Geschichte sonst schnell ausufert, also mussten während meiner Recherche schon sehr bald große Teile der historischen Zusammenhänge wegfallen, um Platz zu schaffen, damit ich mir was ausdenken konnte.

Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich mich jetzt fragen, was an dieser großen, blauen Lüge denn Wahres dran ist. Was ist wirklich passiert?

Die Charaktere der Figuren habe ich größtenteils Darstellungen von Leuten entnommen, die sie kannten, wobei viele Berichte über die Impressionisten aus Jean Renoirs Biografie über Pierre-Auguste Renoir (Mein Vater Auguste Renoir) stammen. Jean Renoir kehrte im Ersten Weltkrieg verwundet nach Paris zurück und blieb eine Weile bei seinem Vater, der ihm eine erstaunlich entschärfte Version seines Lebens erzählte. Jean Renoir erwähnt in seinem Buch »dieses kleine Mädchen, Margot«, das seinem Vater so sehr ans Herz gewachsen war und starb. Er wollte mehr über sie in Erfahrung bringen. Margot war keineswegs ein kleines Mädchen, wie man den Bildern von ihr unschwer entnehmen kann – seinen wichtigsten Werken der 1870er und 1880er Jahre, Moulin de la Galette und Frühstück der Ruderer, aber auch anderen Porträts. Allerdings ist Margot (Marguerite Legrand) in Wahrheit nicht das Mädchen auf der Schaukel. Ich habe sie wegen der ultramarinblauen Schleifen an ihrem Kleid für die Figur gewählt. Den Berichten seiner Freunde nach zu urteilen, war klar, dass Renoir in Margot verliebt war, und als sie starb (Dr. Gachet kam tatsächlich aus Auvers angereist, um sie zu behandeln.), verlor der Maler allen Mut und wanderte jahrelang umher, um schließlich nach Paris zurückzukehren und Aline Charigot zu heiraten, die »sein Ideal« war. Es ist kein Zufall, dass Renoirs Mädchen allesamt einen ähnlichen Gesichtsausdruck zu haben scheinen. Er suchte sie nach seinem Ideal aus. Im Buch seines Sohnes wird er zitiert: »Man muss nur seine Traumfrau finden und sie heiraten, dann kann man sie alle lieben.« Woraufhin er sagt: »Doch traue keinem Mann, den der Anblick hübscher Brüste nicht bewegt.«

Meine Darstellung von Les Professeurs ist inspiriert von einer anderen Figur, die in Renoirs Biografie beschrieben wird. Renoir berichtet von einem pensionierten Wissenschaftler, der im Maquis wohnte, einen Orden trug, den ihm der Staat verliehen hatte, und versuchte, Ratten und Mäuse so abzurichten, dass sie Wagenrennen aus dem Roman Ben Hur nachstellten. Der Roman erschien erst 1880, und Renoirs Bericht bezieht sich auf die 1890er Jahre, als Renoir mit Frau und Familie wieder auf dem Montmartre wohnte, aber ich habe die Rattenrennen von Le Professeur nach 1870 vorverlegt, damit sie mit dem Deutsch-Französischen Krieg zusammenfielen.

Briefe waren zum Verständnis der einzelnen Persönlichkeiten weniger hilfreich, als man annehmen sollte. Die meisten Briefe aus dieser Zeit sind förmlich und scheinen mit den Berichten der Künstler, die sie schrieben, nicht übereinzustimmen. Cézannes Briefe zeigen einen rücksichtsvollen, gebildeten Mann, fast zu höflich,während alle Berichte über ihn von seinem Drang berichten, sich selbst als Landei darzustellen, ungehobelt, unkultiviert, ohne Benehmen, der seine Suppe schlürfte und einen grellen, roten Gürtel trug, um herauszustellen, dass er ein Provenzale war. Die Vermutung liegt nah, dass er diese Rolle spielte, um die Erwartungen der Pariser zu erfüllen. Während die Briefe zwischen Vincent van Gogh und seinem Bruder Theo den tiefen, analytischen Ansatz zeigen, mit dem Vincent die Malerei betrachtete, eine kalkulierte Methode, die auf der Leinwand wie Wahnsinn wirkte, zeigen sie doch auch den Schmerz, den Vincent litt und den er mit seiner Arbeit zu verdrängen suchte, als er fern von Paris weilte.

In den Briefen von Henri Toulouse-Lautrec findet sich absolut überhaupt nichts, was auf einen sittenlosen Lebenswandel in Paris hindeuten würde. Er war ein ernster und pflichtbewusster Sohn und Enkel, der stets nach Hause berichtete, wie hart er arbeitete, dass seine Gesundheit Fortschritte machte und wann er das nächste Mal nach Hause kommen wollte. Und doch galt er in Paris als Inbegriff des bon vivant: Es gibt Fotos von ihm, auf denen er den Clown mimt, als Geisha verkleidet, als Chorknabe, als Samurai, oder wenn er seine Gemälde im Atelier einer splitternackten Prostituierten namens Mireille vorführt (die er tatsächlich am liebsten hatte, vermutlich weil sie tatsächlich kleiner war als er). Er wohnte wochenlang in Bordellen und war eine Institution in den Tanzsälen und Cabarets von Montmartre und Pigalle, einschließlich des berühmten Moulin Rouge. Der Bericht darüber, dass er jemanden zum Duell forderte, weil dieser Vincent van Goghs Malerei kritisiert hatte, entspricht der Wahrheit und wurde von mehreren anwesenden Freunden bestätigt. Er besuchte tatsächlich mit Vincent das Atelier Cormon, gemeinsam mit Émile Bernard, und sie alle bewunderten die Impressionisten. Jean Renoirs Biografie seines Vaters spricht sehr liebevoll von Toulouse-Lautrec. Gabrielle, Jean Renoirs Kindermädchen und Modell seines Vaters, nannte Lautrec stets den »kleinen Gentleman«. Nirgends jedoch fand ich das depressive, liebeskranke Opfer, das John Huston in seinem Film Moulin Rouge aus dem Jahr 1952 zeigt. Henri Toulouse-Lautrec trank tatsächlich exzessiv und starb im Alter von sechsunddreißig Jahren an Komplikationen infolge seines übermäßigen Alkoholkonsums, aber es scheint, als hätte er nicht getrunken, weil er deprimiert war oder sich selbst bemitleidete, sondern weil er einfach gern betrunken war. Angesichts seiner Vorlieben kann es wohl als kleines Wunder gelten, dass er nicht an der Syphilis starb. Apropos – Manet, Seurat, Theo van Gogh und Gauguin starben alle tatsächlich wie beschrieben an der Syphilis, wobei sich offenbar keine ihrer Ehefrauen mit der Krankheit ansteckte und alle ein stattliches Alter erreichten. Es war Johanna van Gogh, Theos Frau, die Vincents Bilder förderte, verteidigte und wild entschlossen hütete, und wahrscheinlich ist sie dafür verantwortlich, dass wir überhaupt schon mal von diesem Maler gehört haben, wenn es auch nicht den Anschein hat, als wäre sie mit Vincent zu Lebzeiten gut ausgekommen.

Während die meisten Szenen in diesem Buch meiner Phantasie entsprungen sind, einschließlich all dessen, was zwischen Lucien und Henri geschieht, sind doch viele Szenen von realen Ereignissen inspiriert. Monet ging tatsächlich zum Gare Saint-Lazare, stellte sich als »der Maler Monet« vor und überredete den Bahnhofsvorsteher, alle Lokomotiven gleichzeitig unter Dampf zu setzen, damit er sie malen konnte. Und er hat seine Frau Camille tatsächlich auf ihrem Totenbett gemalt, um diesen ganz bestimmten Blauton einzufangen, den sie annahm. Fährt man nach Giverny und besucht das Lichtlabor, das Monet dort angelegt hat, ahnt man noch heute den dunklen Karpfen, versteckt unter den Seerosen, fast unsichtbar, bis auf den hellen Strich seiner Rückenflosse. Monet und seine Malerfreunde Renoir und Bazille besuchten wirklich den Salon des Refusés und sahen dort Manets Frühstück im Grünen, und obwohl Manet sich nie selbst zu den Impressionisten zählte, betrachteten sie ihn doch als »ihren Ursprung«, und Monet und seine Freunde taten nach Manets Tod alles, um den französischen Staat dazu zu bewegen, Das Frühstück im Grünen und Olympia zu kaufen und im Louvre aufzuhängen.

Zwar war Berthe Morisot eine besonders begabte Malerin und gehörte der ursprünglichen Gruppe der Impressionisten an (und sie heiratete tatsächlich Manets Bruder Èugene), doch finden sich keinerlei Hinweise darauf, dass Manet etwas anderes als eine tugendhafte Beziehung zu ihr hatte, und diese Affäre ist gänzlich meine Erfindung. Ebenso gibt es keinerlei Beweise dafür, dass Manet eine Affäre mit dem Modell Victorine Meurent hatte, die für seine berühmtesten Bilder Modell saß. Susan Vreelands empfehlenswerte Sammlung Life Studies enthält eine Kurzgeschichte mit dem Titel »Olympia’s Look«, die eine interessante Konfrontation zwischen Madame Manet und Victorine behandelt, und auch ihre ausgezeichneten Romane über das Leben von Künstlern sind lesenswert, falls Sie sich für präzisere biografische Fiktion interessieren.

Es stimmt, dass Whistler und Manet sich kannten und sogar befreundet waren, doch wenn auch beide im berühmten Salon des Refusés ausstellten, wie im fünften Kapitel beschrieben, besuchte Whistler den Salon nicht. Er schickte sein Bild Mädchen in Weiß dorthin, das später in Symphonie in Weiß Nr. 1 umbenannt wurde. Whistler war damals in Biarritz und erholte sich von einer Bleivergiftung, die er dem Mädchen in Weiß zu verdanken hatte, und ertrank tatsächlich beinah, als er an einem Gemälde namens Die Blaue Welle arbeitete. Er wurde von einer Woge mitgerissen und von Fischern gerettet.

Whistler hatte wirklich eine rothaarige, irische Geliebte namens Joanna Hiffernan, die er vor seiner strengen Mutter versteckte, als diese ihn in London besuchte. Und er hat auch seinen Schwager durch die Scheibe eines Restaurants gestoßen, als dieser etwas gegen Jo sagte. Angeblich war Whistler eine Weile ziemlich verrückt, als er Jo an seiner Seite hatte. Und Joanna brannte tatsächlich mit Whistlers Freund Courbet durch und posierte für einige der berüchtigtsten und anzüglichsten Bilder, die damals entstanden. Und es stimmt auch, dass Courbet verarmt als Alkoholiker im Schweizer Exil starb. Whistler malte wirklich eine Weile nur bei Nacht, und seine Verleumdungsklage gegen den Kritiker John Ruskin, der über eines seiner Nachtstücke sagte, es sei, als »würde man der Öffentlichkeit einen Farbtopf ins Gesicht werfen«, stürzte den berühmten Kritiker in den Ruin. Schuld daran war nicht die Entschädigung, denn die betrug nur einen symbolischen Farthing, sondern die Anstrengungen und die Prozesskosten brachen Ruskin das Genick.

Es gab keine Boulangerie Lessard auf dem Montmartre und auch keinen Bäcker namens Père Lessard, aber es gab einen echten Bäcker namens Muyen, der seinen Laden in der Rue Voltaire nahe der École des Beaux-Arts hatte, und es stimmt, dass er die Werke der Impressionisten aufhängte und kaufte, um die Maler zu unterstützen. Während der Belagerung im Deutsch-Französischen Krieg stellte Muyen pâtés aus Rattenfleisch her, um seine Kunden zu versorgen. Er hat sogar eines von Pissarros Bildern verlost, wie ich es im dritten Kapitel beschreibe, und das Mädchen, das das Bild gewann, soll angeblich wirklich gefragt haben, ob es stattdessen eine Zimtschnecke haben könnte.

Da wir gerade von Pissarro reden – wenn man Berichte aus der impressionistischen und post-impressionistischen Zeit liest, findet man kein glühenderes Lob als das für Pissarro. Weniger bekannt als die anderen Impressionisten, auch heute noch und zu seiner Zeit auch weniger erfolgreich, war er doch fast allen ein Lehrer, Freund und Mentor. Er malte an der Seite von Cézanne, Gauguin, Monet, Renoir, Sisley und vermutlich einem guten Dutzend anderer. Als Ältester der Gruppe blieb er stets offen für neue Techniken und war der Einzige der ursprünglichen Impressionisten, der Seurat zum Pointillismus und den optischen Täuschungen folgte, obwohl Seurat altersmäßig sein Sohn hätte sein können.

Der gesamte Zeitrahmen dieser Geschichte wurde um jenen Julinachmittag 1890 herum konstruiert, an dem Vincent sich erschoss, und zwar aufgrund einer Tatsache, auf die ich zu Beginn meiner Recherchen stieß. Vincent van Gogh erschoss sich tatsächlich auf jenem Feld in Auvers, an dieser Kreuzung. Er schoss sich in die Brust, dann lief er eine Meile weit querfeldein zu Dr. Gachets Haus, um sich helfen zu lassen. Vincent und Theo wurden Seite an Seite in Sichtweite dieses Feldes in Auvers begraben. Ich habe an der Stelle gestanden und bin von dort zum Haus des Arztes gelaufen, das heutzutage ein Museum ist, und ich dachte: Was für ein Maler tut so was? Wer versucht, sich umzubringen, indem er sich in die Brust schießt, und läuft dann eine Meile, um ärztliche Hilfe zu suchen? Es klang einfach unglaubwürdig. Wer Vincents Briefe liest und sich seine letzten Bilder ansieht – Die Kirche von Auvers, Weizenfeld mit Krähen, Porträt der Adeline Ravoux (die Wirtstochter aus dem ersten Kapitel), Porträt des Dr. Gachet – , stellt fest, dass er es hier mit einem Künstler zu tun hat, der sich auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft und offensichtlich auf dem Weg der Besserung befindet. Sein Tod bleibt ein Mysterium, eine Tragödie, aber es finden sich Hinweise darauf, dass er wild entschlossen ein künstlerisches Niveau suchte, das nur er selbst nachvollziehen konnte, und darin scheint der Grund seiner Selbstkasteiung zu liegen. Woran orientiert man sich, wenn man etwas wagt, was noch nie jemand gewagt hat? Was für eine Art von Muse kann so etwas inspirieren? Genau.

Wenn man anfängt, über die Kunst und das Paris der 1890er Jahre zu schreiben, bieten sich einem schier unendliche Möglichkeiten. Innerhalb des zeitlichen Rahmens dieser Geschichte, zwischen den Jahren 1863 und 1891, hielten sich fast alle, die Rang und Namen hatten, in Paris auf, und nicht nur in Paris, sondern direkt auf dem Montmartre. Mark Twain, Claude Debussy, Erik Satie, Jules Verne, Oscar Wilde, Charles Baudelaire, Émile Zola, John Singer Sargent und so weiter und so weiter. Man bräuchte hundert Bücher, allein um die Geschichten der Maler zu erzählen, und so wurde die Entscheidung darüber, was und wen man weglassen sollte, eine größere Herausforderung als das Schreiben eines Romans über die Farbe Blau.

Wo, fragen Sie, bleibt Degas? Gustave Caillebotte? Mary Cassatt? Alfred Sisley? Warum so wenig über Cézanne? Ehrlich gesagt stellte sich mir in Cézannes Fall ein geographisches Problem – er mochte Paris nicht, und in der Zeit, in der die Geschichte spielt, wohnte er entweder in Aix-en-Provence oder in einem Dorf außerhalb von Paris und malte mit Pissarro. Cassatt war eine leidenschaftliche Sammlerin und begabte Malerin, doch wie Berthe Morisot, Eva Gonzalès und die anderen weiblichen Impressionisten beschränkte sie sich auf die Welt, die den Frauen damals vorbehalten war, was sich in ihren Bildern von Kindern und häuslichem Leben widerspiegelt. Die Konventionen verboten es ihr, sich in der demimonde zu bewegen, in der Sacré Bleu spielt. Auch Caillebotte war ein talentierter Maler, doch als Spross einer Bankiersfamilie leistete er seinen größten Beitrag zur der Gruppe, indem er eine Sammlung anlegte und Renoir, Monet und Cézanne als Mäzen förderte. Auch er (wie Frédéric Bazille) starb jung, und ich hatte das Gefühl, er gehörte nie so recht zur Gemeinschaft des Montmartre. Was Degas angeht, nun, Degas war unangenehm. Als ich anfing, mich für Kunst zu interessieren, wusste ich absolut nichts über die Künstler und sah mir nur die Bilder in den Museen an – die Biografien der Maler interessierten mich nicht weiter. Ich mag Degas’ Bilder und Skulpturen und habe inzwischen am College Fotografie studiert, doch jetzt, als Geschichtenerzähler auf der Suche nach potentiellen Figuren, kam er mir wie ein miesepetriger, unsympathischer Bursche vor, und über so jemanden wollte ich nicht schreiben. Also bekam er keine Rolle in meinem Buch. Siehst du, wärst du nicht so ein Blödmann gewesen, hättest du eine Sprechrolle bekommen, Degas, aber so? Nein. Und so gern ich die ganze Art-Nouveau-Bewegung erkundet hätte, die in den 1890ern in Paris begann und an der Toulouse-Lautrec beteiligt war – nun, das ist eine andere Geschichte.

Was die Historie und die mystischen Eigenschaften des ultramarinfarbenen Pigments angeht, basieren einige Details auf der Wahrheit, doch die meisten habe ich für diese Geschichte erfunden. Das Pigment war tatsächlich lange Zeit wertvoller als Gold, und damals galt es als Statussymbol, ein Gemälde in Auftrag zu geben, in dem es Verwendung fand. Die beiden Bilder von Michelangelo, die Lucien und Juliette sich in London ansehen, Die Grablegung Christi und das, was man als The Madonna Manchester bezeichnet, sind unvollendet, die blauen Bereiche unausgemalt, und beide hängen bis zum heutigen Tag in der National Gallery in London, doch ist es eher unwahrscheinlich, dass sie unvollendet blieben, weil der Maler das nötige Ultramarin nicht auftreiben konnte oder einfach zum nächsten Auftrag überging oder dass der Auftraggeber sich weigerte, den hohen Preis für die Farbe zu bezahlen. Die Physik von Licht und Farbe blieb so nah am Faktischen, wie es mir mit meinem eigenen Verständnis möglich war, aber ehrlich gesagt, ist die ganze Sache mit der Refraktion, der Absorption und den Streuungsaspekten, die zur Entstehung und Wahrnehmung der Farbe führen, nach wie vor eher verworren, also liegt es nicht an Ihnen, wenn Sie ebenfalls etwas verwirrt sind.

Zu guter Vorletzt ein Wort zu den Impressionisten.

Wie ich feststellen musste, besteht unter Akademikern und Kunstbegeisterten eine Tendenz, die Impressionisten mit ihren Blumenfeldern und ihren rotwangigen Mädchen als läppisch abzutun, als Futter für die Massen, und wenn man erst die tausendste Einkaufstasche mit Monets Lilienbild gesehen hat, ist das auch verständlich. Für Museen sind die Impressionisten Goldesel, denn die Ausstellungen bescheren den Museen stets einen wochen-, sogar monatelangen Besucheransturm, sodass man sie oft eher stirnrunzelnd betrachtet, nicht so sehr wegen der Maler selbst, sondern wegen der Massen, die die Bilder sehen wollen. Nimmt man die Impressionisten aus dem Kontext ihrer Zeit, scheinen sie nur »hübsche Bilder« zu malen. Und doch stellte der Impressionismus zu seiner Zeit einen Quantensprung in der Malerei und schließlich in der Kunst ganz allgemein dar. Die Künstler kamen aus allen Bereichen des Lebens, aus allen ökonomischen Schichten und hatten sehr unterschiedliche Vorstellungen von Gesellschaft und Kunst, doch allen gemein – das eine Element, das sie über die bloße Rebellion gegen die Tradition hinaus einte – war ihre Liebe zur Malerei. Ob es nun an der Erfindung der Fotografie lag, dem Umstand, dass aufgrund der industriellen Revolution die Mittelklasse an Einfluss gewann, oder einfach daran, dass Farbe in Tuben verfügbar wurde, was es dem Maler ermöglichte, sein Atelier zu verlassen und seine Welt und seine Zeit zu malen (was sich sowohl in der Technik als auch in der Philosophie ausdrückte, den Moment einzufangen) – das alles trug seinen Teil zum Erfolg der Impressionisten bei. Die Voraussetzung, der Kontext, war gegeben, und doch glaube ich, der Antrieb zu dieser Revolution lässt sich auf eine Gruppe von Leuten zurückführen, die ungeachtet ökonomischer und sozialer Ängste eine Idee verfolgten. Es spricht Mut aus diesen Bildern von stillen Teichen und rosigen Mädchen, ein Mut, der die nächste Generation inspirierte – von Toulouse-Lautrec, van Gogh, Gauguin bis hin zu Matisse und Picasso und somit bis zur modernen Kunst des 20. Jahrhunderts. Ich hoffe, das wurde in meinem düsteren, kleinen Märchen von der Farbe Blau deutlich.

Samuel Johnson sagte: »Man muss eine halbe Bibliothek durchblättern, bis man ein Buch zusammenhat«, aber leider stößt man bei der Recherche auf verdammt wenige brauchbare Bücher. Hier sind einige:

Wenn Sie sich für den Aufstieg des Impressionismus interessieren, versuchen Sie es mit The Private Lives of the Impressionists von Sue Roe (Harper Collins, 2006 – deutsch: »Das private Leben der Impressionisten«, Parthas Verlag, 2007). Was weitere Informationen zu Henri Toulouse-Lautrec angeht, so bietet der Taschen Verlag mit dem Band Toulouse-Lautrec von Gilles Néret, bearbeitet von Ingo F. Walther, eine schöne Sammlung von Gemälden und Fotografien, eingebunden in eine gut lesbare Biografie. Als weitere Lektüre zu Farben und ihrer Herkunft empfehle ich Color von Victoria Finlay (Random House, 2002 – deutsch »Das Geheimnis der Farben«, List Verlag, 2003), die abenteuerliche Geschichte einer Frau, die zu den Ursprungsorten der großen natürlichen Pigmente reist und im Zuge dessen interessante historische Hintergründe und Anekdoten erzählt, wobei sie sowohl die Wissenschaft als auch die Geografie der Farben zum Leben erweckt. Auch Philip Balls Bright Earth (University of Chicago Press, 2001) erkundet mit lyrischer Prosa die Geschichte und Wissenschaft der Farben hinsichtlich ihrer kunstgeschichtlichen Bedeutung.