VIERUNDDREISSIG

Symbol

Fergal stand hinter mir im Schatten der Kirche.

Wir brauchten keine Trauzeugen, weil das Gesetz die noch nicht vorschrieb. Laut Daniel hätte es genügt, einander ohne Anwesenheit eines Geistlichen im Schlafzimmer ewige Treue zu schwören und die Abmachung durch den Liebesakt zu besiegeln – was mir ziemlich verlockend erschien.

Doch er hatte mich lachend an sich gedrückt und gesagt, letztlich hätten wir das alles ja schon getan. »Das Versprechen bleibt das Gleiche, egal, wo wir es ablegen, aber mir erscheint es in der Kirche bindender.«

 

Einen Geistlichen aufzutreiben, war gar nicht so leicht gewesen, doch am Ende hatte Daniel über Freunde in der Nachbargemeinde einen gefunden, und Fergal hatte ihn nach seiner Rückkehr aus Lostwithiel geholt. So stand ich nun eine Stunde vor Sonnenaufgang bei Kerzenlicht in der St. Petroc’s Church, Fergal bei mir, während der Pfarrer mit Daniel alles Nötige in der Sakristei besprach.

Ich glättete nervös den Rock meines grünen Gewands.

»Hören Sie auf mit der Zappelei. Sie sehen wunderbar aus«, versuchte Fergal, mich zu beruhigen.

Ich verschränkte die Hände hinter dem Rücken und flüsterte Fergal zu: »Sie sind schon ganz schön lange da drin.«

»Angeblich sind Sie meine Schwester und Katholikin. Ich nehme an, das verzögert die Sache.«

»Aha.«

»Keine Sorge. Bei dem Lohn, den Daniel ihm bietet, behält der Pfarrer seine Missbilligung bestimmt für sich.«

»Wie Sie«, bemerkte ich.

»Wie bitte?«

Ich schüttelte den Kopf und murmelte: »Nichts.«

»Sie glauben also, dass ich Ihre Eheschließung mit Danny missbillige?«

»Ich glaube, Ihnen liegt Ihr Freund am Herzen«, antwortete ich mit einem Schulterzucken. »Sie wollen nicht, dass er erneut verletzt wird.«

»Ich will ihn an der Seite einer Frau sehen, die ihn so liebt, wie er es verdient, und den Wert des Mannes kennt, dessen Herz sie erobert hat. Hat er die in Ihnen gefunden?«

Ich nickte.

»Warum sollte ich dann etwas gegen Ihre Heirat haben?«

»Tut mir leid.«

»Sie ziehen voreilige Schlüsse. Wenn ich wirklich etwas gegen Ihre Verbindung hätte, wären Sie nicht hier.«

»Wo wäre ich? Am Grund des Brunnens vielleicht?«

»Höchstwahrscheinlich, aye.«

»Sie großer, furchteinflößender Mann«, neckte ich ihn mit leiser Stimme.

Er trat schmunzelnd neben mich, von wo aus er die Tür zur Sakristei besser im Auge hatte.

Die flackernden Kerzen waren mindestens einen Zentimeter heruntergebrannt, als Daniel mit dem Geistlichen, einem Mann mittleren Alters mit gebeugten Schultern, der noch nicht ganz wach wirkte, durch die Tür kam.

»Haben Sie einen Ring?«, fragte er Daniel, bevor die Zeremonie begann.

Daniel sah mich verlegen an und machte den Mund auf, doch ich schüttelte den Kopf, zog den Claddagh-Ring von meinem Finger und reichte ihn ihm.

Wie passend, dachte ich, Katrinas Ring für diesen Anlass zu verwenden. So war sie bei der Trauung doch noch an meiner Seite.

Der Pfarrer legte den Ring hüstelnd auf das aufgeschlagene Gebetbuch. »Da Mistress O’Cleary nicht sprechen kann, möchte ich sie bitten …«

»Sie heißt Ward«, korrigierte Daniel ihn. Der Geistliche hielt inne.

»Wie bitte?«

»Sie heißt Eva Ellen Ward«, wiederholte Daniel, »und an diesem Ort des Herrn hat sie eine Stimme. Hier sollte man nichts anderes als die Wahrheit sagen.« Er sah den Pfarrer an. »Und keine Angst vor Verrat haben.«

Der Geistliche nickte erst nach einer ganzen Weile. »Ja.« Dann wandte er sich mir zu. »Nun, Eva Ellen Ward, ist es Ihr Wunsch, mit diesem Manne den Bund fürs Leben zu schließen?«

Ich sah Daniel an, dankbar dafür, dass er mir die Möglichkeit verschafft hatte, die Worte laut auszusprechen. »Ja.«

»Dann lassen Sie uns beginnen.«

 

Der Ring, den ich bis dahin an der Rechten getragen hatte, war ungewohnt an meiner linken Hand. Immer wieder drehte ich daran, bis Daniel seine Finger mit den meinen verschränkte und sie nicht mehr losließ.

Wir wählten den längeren Weg zurück über die Felder, über denen gerade die Sonne aufging.

Daniel hatte recht behalten: Unser Treueschwur war mir in der Kirche sehr viel bindender erschienen als unter vier Augen. Die Zeremonie hallte noch in mir nach und ließ mich schweigen, bis Daniel leicht meine Hand drückte.

»Du wirkst geistesabwesend. Verrätst du mir, was du denkst?«

»Ich versuche, meine Gedanken zu ordnen.«

»Was gibt es da zu ordnen?«

»Ich frage mich, wie wir mit der Situation zurechtkommen werden.«

»Wie jedes andere Ehepaar. Warum?«

»Aber wir sind nicht wie jedes andere Ehepaar«, wandte ich ein. »Wir können keine Pläne für die Zukunft schmieden.«

»Warum nicht?«

»Wir können von Glück sagen, wenn es uns gelingt, miteinander zu Abend zu essen, ohne dass ich vorher verschwinde.«

»Das Leben ist nun einmal unsicher«, meinte Daniel mit einem Schulterzucken. »Wir dürfen uns von der Angst davor, was passieren könnte, nicht davon abhalten lassen, so zu leben, wie wir es uns wünschen.«

»Immerhin habe ich mich nicht in der Kirche in Luft aufgelöst.«

»Stimmt.« Er blieb stehen. »Und auch nicht auf der Sally

Mir war klar, dass seine Gedanken in die gleiche Richtung gingen wie die meinen.

»Das ist mir ebenfalls aufgefallen«, sagte ich. »Was geschieht, scheint an Trelowarth gebunden zu sein.« Ich erzählte ihm von der grauen Frau, die Jahre vor mir verschwunden war.

Daniel überlegte. »Wenn du Trelowarth verlassen würdest, wäre das wahrscheinlich das Ende deiner Zeitreisen.«

»Möglich, aber sicher weiß ich es nicht. Es ist nur eine Theorie.«

»Theorien kann man überprüfen. Wir sollten eine Weile nach Bristol oder Plymouth gehen. Du hast doch gesagt, du würdest immer zu dem Augenblick in deiner eigenen Zeit zurückkehren, an dem du verschwunden bist. Dann besteht keinerlei Gefahr. Wenn wir uns täuschen, kehrst du so zurück, als wären wir hiergeblieben. Aber wenn wir uns nicht täuschen …« Er musste den Satz nicht zu Ende führen.

»Nach einer einzigen Reise an einen anderen Ort können wir nicht sicher sein«, wandte ich ein. »Wir haben keine Garantie.«

»Richtig. Doch wir können das Experiment wiederholen. Ich würde gern mit dir anderswo leben, wenn du dann bei mir bliebest.«

Ich überlegte. Wir standen an der Stelle, an der sich dreihundert Jahre später der ummauerte Ruhige Garten mit Marks geliebten Rosen befinden würde, aber im Augenblick war hier lediglich eine Blumenwiese, auf der sich das Gras im Wind wiegte.

»Du würdest Trelowarth verlassen?«, fragte ich.

»Ich kann dem Duke of Ormonde und dem König an Bord der Sally genauso gut dienen wie von Land aus, möglicherweise sogar besser. Rebellionen enden alle irgendwann.« Mit einem Lächeln strich er mir das Haar aus dem Gesicht, das der Wind mir in die Stirn geweht hatte. »Ich habe auf jeden Fall vor, am Leben zu bleiben und zu sehen, wie die Sache ausgeht. Angeblich will King James, falls dieser Versuch, ihn auf den Thron zu bringen, fehlschlägt, den Duke of Ormonde zum spanischen Hof schicken, um Hilfe zu erbitten. Folglich würde der Duke dort Beistand gebrauchen können.«

»In Spanien.«

»Warst du da auch schon?«, fragte er belustigt.

»Ja.«

»Hat es dir gefallen?«

Ich hob das Kinn. »Sogar sehr.«

»Dann werden wir es Schritt für Schritt angehen. Lass uns in Bristol anfangen.«

Er zog mich näher zu sich heran, um mich zu küssen, und umfasste meine Taille. Dabei berührte meine Hand den Griff des Dolchs in seinem Gürtel.

Ich wich erstaunt zurück.

»Was ist?«, fragte Daniel.

Es war nicht dasselbe Messer. Dieses hatte einen Knochengriff und war gröber gearbeitet als das andere. »Du hast ein neues Messer«, stellte ich fest.

»Ja. Meinen Lieblingsdolch habe ich verlegt, aber das ist nicht wichtig. Wahrscheinlich ist er irgendwo auf der Sally

Sollte ich ihm sagen, wo er war? Das konnte ich nicht, weil er ihn dann aus der Höhle holen und Mark ihn nicht finden würde. Und was würde noch geschehen, wenn ich hier etwas veränderte?

»Eva?«

»Tut mir leid.«

Erst da fiel mir sein merkwürdiger Blick auf, und ich merkte, wie die Umgebung sich nach und nach auflöste.

Ich versuchte, mich an ihm festzuhalten, obwohl ich wusste, dass das nicht möglich war. »Es tut mir leid«, flüsterte ich.

Daniel schlang die Arme fester um mich und bewegte den Mund. Ich verstand nur noch ein leises Wort: »Warte.«

Dann wurde der Wind lauter und verebbte ebenso plötzlich wieder.

Tränen traten mir in die Augen.

Ich hatte geglaubt zu wissen, wie man mit Verlusten umging, aber einen solchen Schmerz erlebte ich zum ersten Mal. Noch nie im Leben hatte ich mich so allein gefühlt.