VIERUNDZWANZIG

Symbol

Was zum Teufel machst du da?« Fergals Worte schossen den Flur hinunter wie Pistolenkugeln, als er, in sein Hemd schlüpfend, auf uns zukam. Er war alles andere als erfreut darüber, aus dem Schlaf gerissen worden zu sein. »Ein Mann in seinem Zustand ist nun wirklich kein Anblick für eine Frau«, rügte er Daniel und nickte in Richtung des am Boden liegenden Jack. »Was hast du dir nur dabei gedacht, Danny, Eva zu dieser nachtschlafenden Zeit aus dem Bett zu holen?«

Ich wollte sagen, dass Daniel mich nicht geweckt hatte, doch Fergal sah nicht aus, als würde ihn das interessieren, und Daniel brauchte meinen Beistand nicht. Er bückte sich, um seinen Bruder hochzuhieven und ihn über die Schulter zu nehmen.

Fergal musterte Jack stirnrunzelnd. »Hat er wieder mal ausgiebig dem Rum zugesprochen?«

»Aye.«

»Und sich auf einen Kampf eingelassen …?«

Ich betrachtete Jack genauer. In der Dunkelheit waren mir die roten Flecken in seinem Gesicht entgangen.

»Ach«, meinte Daniel, »ich glaube, dabei ging es hauptsächlich um seinen Ruf. Die Verhaftung am helllichten Tag hat seinen Stolz verletzt – er hat im Spaniard wohl bewusst Streit gesucht, um zu beweisen, dass er kein Schwächling ist.«

»Im Augenblick sieht er nicht sehr stark aus.«

»Er hat den Kampf gewonnen«, bemerkte Daniel.

»Aufrecht stehend?«

Daniel schmunzelte. »Er hat sich auf den Beinen gehalten, bis wir die Treppe hochgestiegen sind. Hier ist er dann umgefallen.«

Das habe er mitbekommen, sagte Fergal. »Und euer Lachen auch. Was wäre, wenn Jack Eva gehört hätte?«

»Das hat er«, antwortete Daniel. »Tja, Pech.«

Fergal fluchte leise und straffte die Schultern, bevor er mit den Achseln zuckte. Schicksalsergeben meinte er: »Da kann man wohl nichts machen. Mit ein bisschen Glück erinnert er sich nicht mehr daran, wenn er aufwacht.« Er trat näher an Daniel heran und zog Jack zu sich herüber. »Ich bringe ihn in sein Zimmer«, erklärte er und tat Daniels Protest mit einer Handbewegung ab. »Du hast ihm schon genug geholfen.«

Wenn Fergal sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, nutzte es nichts, ihm zu widersprechen, also ließ Daniel ihn gehen und wandte sich mir zu.

»Es tut mir leid«, sagte ich.

»Sie haben nichts falsch gemacht. Und Fergal ist eigentlich nicht wütend, sondern nur …«

»Besorgt, ich weiß.«

Mir war so kalt, dass ich zitterte. Daniel, dem das auffiel, blickte an mir vorbei in mein Zimmer.

Stirnrunzelnd bemerkte er: »Sie haben kein Feuer.«

»Als ich schlafen ging, habe ich nicht gedacht, dass ich eines brauchen würde. Es wurde erst später kalt, und da war Fergal schon im Bett. Ich selbst kann leider nicht so gut mit der Zunderbüchse umgehen«, gestand ich. »Theoretisch weiß ich, wie es funktioniert, aber in der Praxis kriege ich es einfach nicht hin.«

»Es bedarf lediglich der Übung. Soll ich es Ihnen zeigen?«

Ich war hin und her gerissen. Einerseits fror ich, was deutlich zu sehen war, und wäre froh um ein Kaminfeuer gewesen. Doch wenn ich Ja sagte, würde er mein Zimmer betreten, und ich war in seiner Gegenwart schon hier auf dem Flur ziemlich nervös. Was würde erst im Schlafzimmer, in der Dunkelheit, passieren? Es blieb mir nichts anderes übrig, also antwortete ich: »Ja, bitte.«

Offenbar hatte Daniel im Spaniard ebenfalls Rum getrunken, denn ich roch den Alkohol in seinem Atem. Er ging zum Kamin, nahm die Zunderbüchse vom Sims und ging in die Hocke. Ich gesellte mich zu ihm.

Das Mondlicht, das durch das Fenster in der östlichen Wand drang, warf ein schräges Viereck aus fahlem Licht auf Daniels Hände.

Er nahm ein Stück Stoff aus der Büchse, legte es auf den Kamin und instruierte mich: »Halten Sie den Stahl so.« Er schob die Finger durch den ovalen Ring, bis er seine Knöchel erreichte, und schloss die Faust darum. »Nehmen Sie den Feuerstein in die andere Hand und schlagen Sie beides gegeneinander, so.« Der Stahl traf mit einem lauten, klingenden Geräusch auf den Stein und erzeugte einen einzigen Funken, der seitwärts wegsprang und sofort erlosch.

Daniel hielt mir seine Hand hin und streckte die Finger in dem Stahlring aus, sodass ich ihn abziehen konnte. »Versuchen Sie es.«

Ich zögerte. »Könnten nicht Sie …?«

»Man lernt besser, wenn man es selbst probiert«, beharrte er.

Als ich den Stahlring ergriff, war ich erstaunt, wie stark mein Körper auf die kurze Berührung unserer Finger reagierte.

Ich versuchte, Stahl und Stein so gegeneinanderzuschlagen, wie Daniel es mir gezeigt hatte, stellte mich jedoch ungeschickt an.

»Geduld«, sagte Daniel. »Es dauert seine Zeit.«

»Das merke ich.«

»Bald wird es Ihnen leicht von der Hand gehen«, tröstete er mich. Während ich mich weiter abmühte, fragte er: »Was verwenden Sie in Ihrer Zeit zum Feuermachen?«

»Streichhölzer.«

»Streichhölzer?«

»Ja, warum?«

»Damit würde ich eine Kanone abfeuern, aber für die Verwendung im Haus erachte ich Streichhölzer nicht als geeignet.«

Ich sah ihn verwirrt an. »Was verstehen Sie denn unter einem Streichholz?«

Er beschrieb es mir ausführlich. Jetzt begriff ich.

»Wir nennen das eine Lunte«, erklärte ich. »Ein Streichholz in meiner Zeit ist wie …« Wie hießen nur die streichholzähnlichen Stücke eng gewickelten Papiers, die sie zum Pfeifenanzünden verwendeten? »Ein Fidibus in der Ihren. Wie ein kleiner Fidibus. Am einen Ende ist das Ganze in Chemikalien getaucht, die sich entzünden, wenn man damit über eine raue Oberfläche streicht.«

»Ach. Fidibusse, die sich selbst entzünden«, überlegte er laut. »Und welche Chemikalien bewirken das?«

»Ich weiß es nicht … Aua!« Ich hatte mit dem Feuerstein meinen Daumen getroffen und hielt kurz die Luft an, bis der Schmerz abklang. »Sehen Sie? Ich bin ein hoffnungsloser Fall.«

Er musterte mich eine Weile schweigend, bevor er seine Hände um die meinen legte. Mit ruhiger Stimme versicherte er mir: »So schwierig ist es nicht.«

Bei seiner Berührung blieb mir wieder die Luft weg.

»Es erfordert Geduld, ja, aber …« Er schloss die Finger fester um die meinen und führte meine Hände für mich. »… aber alles, was im Leben etwas wert ist, erfordert das.«

Reiß dich zusammen, ermahnte ich mich, doch Daniels Nähe aktivierte alle meine Sinne. Er war in der Dunkelheit so dicht an mich herangerückt, dass unsere Schultern sich beinahe berührten, und als er weitersprach, spürte ich seine Lippen an meinem Ohr. »Wenn Sie ihnen die nötige Zeit geben, erzeugen Feuerstein und Stahl einen Funken. Sie können gar nicht anders.«

Feuerstein und Stahl waren nicht das Einzige in dem Raum, das Funken schlug. Ob Daniel merkte, welche Wirkung er auf mich hatte? Obwohl er tagsüber hin und wieder mit mir flirtete, war er zu sehr Gentleman, um das Spiel in meinem Schlafzimmer fortzusetzen.

Ich wusste, dass ich eine sehr schlechte Schülerin war. Trotzdem versuchte ich, mich auf die Aufgabe zu konzentrieren und die Reaktion meines Körpers auf Daniels Nähe zu ignorieren. Doch es hatte keinen Sinn. Ich spürte jeden seiner nach Rum und Pfeifentabak riechenden Atemzüge an meinem Haar, und mir war klar, dass ich ihm, wenn ich den Kopf ein wenig drehte, nahe genug wäre, um …

»Es geht doch«, sagte er.

Aus unseren miteinander verbundenen Händen ergoss sich eine Kaskade aus Funken über die Feuerstelle und auf das Stück Stoff, wo sie in der Dunkelheit glühten wie winzige Augen.

Daniel ließ mich los, beugte sich vor, wölbte die Finger um den Stoff und blies auf die Funken, die sein Gesicht rötlich erhellten. Plötzlich nahm das Licht eine goldene Farbe an und stieg wie durch Zauberhand als Flamme zwischen seinen Fingern auf.

»Sehen Sie? Es ist ganz einfach«, meinte er.

Er hielt ein Stück Holz an den Stoff, bis es Feuer fing, und legte es vorsichtig unter ein größeres Scheit.

Endlich fand ich meine Stimme wieder. »Und wie geht der Trick?«

»Es gibt keinen Trick, nur Geduld.«

Ich beobachtete ihn, wie er geübt das Feuer schürte, hier und dort ein Scheit bewegte und schließlich einen Schritt zurücktrat, um sein Werk zu begutachten. Obwohl wir uns nicht mehr berührten, glaubte ich, seine Hände auf den meinen noch zu spüren, und mein Herz pochte wie wild. Ich starrte ihn an wie ein verliebtes Schulmädchen.

Es ist ganz einfach, hatte er gesagt, und recht gehabt. Eine zufällige Begegnung und eine Berührung – mehr war nicht nötig, um einen Funken zu erzeugen, der zu einer Flamme wurde …

»Hier, versuchen Sie es selbst«, sagte Daniel, hielt mir einen Stecken hin und machte mir Platz. »Oder haben Sie Angst, sich die Finger zu verbrennen?«

Ich nahm den Stecken und stocherte im Feuer herum, bis die Flammen auf das größte Scheit übergriffen und blau daran entlangzüngelten.

Als Daniel mir einen anerkennenden Blick zuwarf, spiegelten sich die Flammen in seinen Augen.

Ich hätte lächeln und wegschauen sollen, aber meine Gefühle waren so stark, dass sie mich verrieten. Daniel reagierte verwirrt, dann veränderte sich seine Miene.

Das große Scheit sank knackend auf die kleineren darunter, und ich wandte mich bemüht nonchalant ab. »Nun …«, hob ich an.

»Das hätten wir«, sagte Daniel nach kurzem Schweigen und richtete sich auf.

Auch ich erhob mich, bevor er die Möglichkeit hatte, mir aufzuhelfen, weil ich keine weitere Berührung riskieren wollte. Mit gesenktem Blick murmelte ich: »Danke.« Dann verfing sich mein Fuß in der Decke, die ich immer noch um die Schultern trug, und ich stolperte.

Daniel brachte mich mit einer Hand wieder ins körperliche Gleichgewicht, innerlich jedoch vollends aus der Balance.

»Tut mir leid«, sagte ich, streckte instinktiv beide Arme aus und berührte seine Brust. Seine Finger schlossen sich um meine Ellbogen, und ich machte die Augen zu, damit er die Liebe darin nicht sah.

»Eva.«

Ich öffnete die Augen wieder, und wir blickten einander an. Verblüfft dachte ich: Er fühlt es auch. Mein Gott, er empfindet genauso wie ich.

Seine Berührung veränderte sich, und ich wurde unsicher. Obwohl ich mir wünschte, dass er mich küsste, hatte ich Angst davor.

Als seine Hände zu meinen Schultern wanderten, hielt ich den Atem an. Er ergriff die Enden der Decke, die heruntergerutscht waren, und wickelte mich vorsichtig wieder hinein.

Ich hatte das Gefühl, dass er etwas sagen wollte, doch am Ende nickte er nur und verabschiedete sich mit einem »Gute Nacht«.

Die Tür zu meinem Zimmer stand halb offen. Die Hand auf der Klinke, fragte er, über die Schulter gewandt: »Eva?«

»Ja?«, krächzte ich.

»Verschließen Sie die Tür.«

Dann zog er sie hinter sich zu. Ich schlang die Decke enger um den Leib und spürte eine Wärme, die nichts mit dem Feuer zu tun hatte.