26. KAPITEL
Toni tauchte mitten in der Schusslinie wieder auf. Yuri warf sie beide flach auf den Boden, als die Kugeln über ihnen zu regnen begannen. Sie sah sich schnell um. Corky und Tiffany hatten sich auf den Boden fallen lassen und wanden sich aus dem Weg.
Jedrek schoss auf Jack und Zoltan. Sie mussten gerade erst ins Studio geplatzt sein. Jack sprang hinter Stone Cauffyns Tisch, während Zoltan in die entgegengesetzte Richtung rannte und hinter einer unbemannten Kamera Schutz suchte. Der Kameramann hatte sich auf den Boden gekauert.
Jedreks Pistole gab einige leere Geräusche von sich. Mit einem Fluch warf er sie zur Seite und zog sein Schwert. Zoltan preschte vor, um sich ihm im Kampf zu stellen, während Jack zu Ian rannte und ihm einen Dolch in die Hand drückte.
»Halt!« Nadia rannte auf Jack zu, ihr eigenes Schwert erhoben.
Gleichzeitig stürzte Jack sich auf Nadia und zwang sie zum Rückzug.
»Nein!« Yuri kam ihr zu Hilfe.
Mit einer schnellen Bewegung trennte Jack Yuris Arm fast ab. Blut spritzte. Yuri fiel mit einem Kreischen zu Boden. Sofort wurde er zu Staub verwandelt und Jack wendete sich wieder Nadia zu.
Toni schluckte. Sie durfte sich von dieser Gewaltorgie jetzt nicht abschrecken lassen. Yuris Schwert lag noch auf dem Boden, sie musste es an sich nehmen. Sie richtete sich stolpernd auf, aber eine eisige Kälte warf sie auf den Boden zurück. Die vertraute eisige Welle ergoss sich durch sie und brachte ihren Körper dazu, zu erstarren.
Du kannst dich nicht bewegen. Jedreks Befehl hallte in ihrem Kopf wider.
Schnell sauste er auf sie zu. »Lasst alle eure Schwerter fallen!« Er richtete sein Schwert auf Tonis Herz.
Die scharfe Spitze, die scheinbar in der Luft ruhte, war kurz davor, sie zu töten. Ihr Körper konnte sich nicht rühren. Sie konnte nicht einmal den Kopf wenden. Aus dem Augenwinkel sah sie Ians entsetztes Gesicht.
Schwerter schepperten zu Boden. Jack und Zoltan ergaben sich.
Oh Gott, was, wenn Jedrek die beiden umbrachte? Was, wenn er Ian umbrachte? Nur weil sie nicht in der Lage war, auf der gleichen Ebene wie die zu funktionieren. Alte, vertraute Scham machte sich in ihr breit. Immer war sie unwürdig. Nie ganz gut genug.
»Fessel sie", befahl Jedrek.
Nadia wand Silberseil um Jacks Handgelenke.
Jedrek schlenderte gelassen zu ihnen hinüber. »Was soll ich mit euch beiden anstellen? Soll ich euch gleich umbringen? Giacomo, den berühmten Sohn von Casanova.« Er blieb vor Zoltan stehen. »Und der mächtige Meister des osteuropäischen Zirkels. Ich sollte euch beide an einen Laternenpfahl binden und es dem Sonnenaufgang überlassen, euch zu verbrennen.«
Toni bemerkte aus dem Augenwinkel, dass Ian das Silberseil um seine Brust und seine Handgelenke zerschnitten hatte. Er steckte sich etwas von dem Seil in seinen Sporran. Nadia hatte zu viel damit zu tun, die neuen Gefangenen zu fesseln, und Jedrek war zu sehr damit beschäftigt, sie zu verspotten, um es zu bemerken.
Sie musste Ian helfen. Seine arme Brust und seine Hände waren mit roten Striemen übersäht. Gott steh' ihr bei, sie konnte nicht hilflos hier liegen, während er versuchte, alle zu retten. Und wie konnte er irgendwen retten, wenn Jedrek die Kontrolle über die Situation behielt, indem er drohte, sie umzubringen? Sie musste irgendwie dagegen ankämpfen. Irgendwie musste es ihr gelingen, Jedreks Gedankenkontrolle zu durchbrechen.
Toni konzentrierte sich ganz auf Ian. Darauf, wie sehr sie ihn liebte. Wie sehr sie ihm helfen wollte. Ihre Finger zuckten. Sie blickte zu Jedrek und Nadia. Sie hatten ihr den Rücken zugewendet, während sie Jack und Zoltan quälten. Ihre Hand zuckte ungelenk zu den hölzernen Pflöcken in ihrem Gürtel. Langsam schloss sie eine Faust darum.
Sie drehte den Kopf und bemerkte, dass Ian sie beobachtete. Er nickte leicht.
Er zählte auf sie. Sie konzentrierte sich bis in die Fingerspitzen. Ihre Liebe zu Ian musste stärker sein als Jedreks Macht.
»Jedrek, hast du schon gemerkt, dass wir dich hereingelegt haben?«, fragte Ian, und Jedrek wirbelte zu ihm herum. »Dachtest du wirklich, wir würden dir die Wachdroge geben? In der Flasche war bloß ein Energy-Drink.«
Zornesröte trat auf Jedreks Gesicht. »Du bist des Todes, auf der Stelle!« Er rannte auf Ian zu, sein Schwert hoch in die Luft gestreckt.
Ian warf sich auf den Boden und griff nach Jacks Schwert, dann sprang er auf, um Jedreks ersten Schlag abzuwehren.
Da Jedreks Verstand ganz mit dem Kämpfen beschäftigt war, fiel es Toni leichter, seine Gedankenkontrolle abzuschütteln. Sie stand vorsichtig auf.
Ians Schwert blitzte, sauste hin und her. Er war Jedrek hoch überlegen. Mit einer raschen Bewegung seines Handgelenks ließ Ian Jedreks Schwert durch die Luft fliegen.
Der Meister wich zurück.
Mit seiner freien Hand zog Ian das Stück Silberseil aus seinem Sporran. »Nay, dieses Mal wirst du dich nicht davonteleportieren.« Er ließ sein Schwert fallen, sprang vor und wand das Seil um Jedrek. Er zog den Malcontent gegen seine Brust.
Jedrek wehrte sich und trat aus, aber Ian hielt ihn fest. »Jetzt, Toni!«
Als sie auf ihn zurannte, bemerkte sie den schockierten Blick auf Jedreks Gesicht. Eine einfache Sterbliche war kurz davor, ihn umzubringen.
Er griff sie mit einer Welle seiner Gedankenkraft an. Du stehst unter meiner Kontrolle. Lass sofort den Pflock fallen!
Ihre Hand zitterte. Eisige Macht ergoss sich in sie und drohte, sie auf der Stelle erstarren zu lassen. Sie zwang ihre Füße, sich voranzukämpfen. Er hatte keine Macht mehr über sie. Ein Schritt. Zwei.
Jedrek riss die Augen auf. »Nein! Du wirst mich fürchten! Du wirst die Macht der Angst spüren!«
»Ich zeige dir Angst, du Bastard!« Mit voller Wucht rammte sie ihm den Pflock durch sein Herz.
Sein Schrei verstummte, als sein Körper sich auflöste. Ihre Gedanken waren frei. Sie ließ den Pflock los. Er fiel auf einen Haufen Staub.
Ian warf das Silberseil fort. »Toni.« Er nahm sie in seine Arme. »Du warst unglaublich.«
Sie lehnte sich gegen ihn und schloss erleichtert die Augen. Jedrek war tot.
»Um dem Meister Freude zu bereiten, werde ich die Blondine umbringen", flüsterte eine Stimme hinter ihr. »Nein!« Ian riss Toni beiseite.
Sie bäumte sich auf, als der Dolch in ihre Seite eindrang. Starr vor Schreck sah sie zu, wie Ian Nadia packte, der es gelang, sich schnell genug zu teleportieren. Dann starrte Toni hinab auf den Dolch in ihrer Seite. Wie seltsam. Ein brennender Schmerz durchfuhr sie und riss sie hinab in die Bewusstlosigkeit.
****
Panik erfasst Ian. Er nahm Toni in seine Arme, und der Dolch schepperte zu Boden. Er konnte nicht sehr tief gesteckt haben. Ein gutes Zeichen. Aber sie verlor so viel Blut.
Er warf einen flehenden Blick in die Kamera. »Roman, Connor, wenn ihr mich hören könnt, kommt zu Romatech. Bitte.«
Die Tür flog auf, und Phineas, Dougal, Howard und Carlos kamen hereingerannt. Sie würden sich um die Geiseln kümmern, also teleportierte er sich zusammen mit Toni direkt zu Romatech.
»Laszlo!« Er raste ins Behandlungszimmer.
»Ich bin hier!« Laszlo öffnete die Tür für ihn. »Ich habe im Fernsehen gesehen, was passiert ist. Leg sie auf den Tisch.« Er eilte an die Spüle, um sich die Hände zu waschen.
Ian legte Toni auf dem Operationstisch ab. Roman tauchte auf, mit Shanna in seinem Arm, und neben ihm Connor, der Constantine trug.
»Oh, Gott sei Dank", atmete Ian erleichtert aus. »Sie - sie verliert so viel Blut.« Das Laken, auf dem sie lag, war bereits mit Blut getränkt.
Roman und Shanna rannten zur Spüle, um sich die Hände zu waschen, und Connor verschwand und tauchte mit Radinka wieder auf.
Laszlo zog sich ein Paar Operationshandschuhe an. »Es ist klar, dass sie vielleicht ins Krankenhaus muss?«
»Ja, natürlich.« Ian wusste nicht, wie er helfen sollte. Er zog Toni die Schuhe und Socken aus.
Mit einer Schere schnitt Laszlo ihr Polohemd auf. Ian löste ihren Gürtel und zog ihn unter ihr heraus.
»Ian, zurücktreten.« Roman zog sich mit einem Schnappen Handschuhe an.
»Ich darf sie nicht verlieren.« Ian zuckte zusammen, als Connor seinen Arm nahm und ihn zurückzog.
»Aus dem Weg, Ian. Lass sie ihre Arbeit erledigen.«
»Ist Toni schlimm verletzt?«, fragte Constantine mit zitternder Unterlippe.
»Sie wird wieder gesund", beruhigte Connor den Jungen.
»Wie geht es ihr?«, fragte Radinka.
»Sie wird wieder gesund", wiederholte Connor, als er ihr Tino übergab.
Radinka zwang sich zu einem Lächeln. »Natürlich wird sie das.« Sie eilte mit dem kleinen Jungen aus dem Zimmer. »Komm, wir warten draußen.«
Ian sah hilflos dabei zu, wie Toni auf dem Tisch lag und immer noch blutete. »Bei allen Heiligen, ich darf sie nicht verlieren.«
»Sie wird wieder gesund, Junge", murmelte Connor.
Ian drehte sich zu ihm um. »Ich liebe sie, und ich lasse nicht zu, dass du sie feuerst. Es ist mir egal, was in den Regeln steht.«
»Beruhige dich, Ian. Niemand will sie feuern. Wir haben im Fernsehen gesehen, was sie geschafft hat. Sie hat die Gedankenkontrolle eines Vampirs abgeschüttelt und einen bösartigen Mörder der Malcontents umgebracht. Das war einfach unglaublich für eine Sterbliche.«
»Sie ist unglaublich.« Ian sah zu Roman. »Du musst sie heilen!«
»Wir werden unser Bestes tun", sagte Roman ruhig, »die Wunde ist nur flach. Es wurden keine lebenswichtigen Organe verletzt.« Er blickte auf den Monitor, den Shanna angeschlossen hatte, um Tonis Vitalfunktionen zu zeigen. »Ihr Blutdruck ist sehr niedrig, aber das war zu erwarten.« Er warf einen blutigen Wattebausch in eine Metallpfanne.
Laszlo reichte ihm einen weiteren. »Wir könnten ihr eine Transfusion geben. Sie hat AB positiv.«
»Tut, was immer ihr tun müsst!«, verlangte Ian. »Hauptsache, sie bleibt am Leben!«
»Beruhige dich.« Shanna kam näher, in den Händen ein Tablett mit Wundauflagen und einer Flasche mit einer eklig aussehenden Flüssigkeit. »Du bist verbrannt. Lass mich dich versorgen.«
Ian winkte ab. »Ist doch egal. Ich heile während des Todesschlafes.«
»Ian", sagte Shanna scharf. »Diese Wunden müssen sauber heilen.«
Er stöhnte. »Schon gut.« Er ertrug die stechende Medizin, die sie auf seine Wunden auftrug. Es geschah ihm recht, denn er hatte Toni nicht ordentlich beschützt. Er war so erleichtert gewesen, sie wieder in seinen Armen zu halten, dass er Nadia gar nicht bemerkt hatte.
»Es ist alles meine Schuld.« Er betrachtete Toni auf dem Operationstisch. Sie sah so blass aus. »Ich habe sie nicht schnell genug aus dem Weg gezogen.«
»Wir haben es im Fernsehen gesehen", sagte Shanna. »Es war schrecklich. Alles ist so schnell passiert.«
»Aye", stimmte Connor zu. »Du hast alles gut gemacht, Ian. Die Malcontents haben etwa zehn Männer verloren, und wir keinen einzigen.«
Aber er hatte Toni nicht beschützen können. Ian sah sie traurig an. »Kannst du ihr helfen?«
»Wir versuchen es", beruhigte ihn Roman. »Aber wir sind keine Chirurgen.«
Laszlo nickte. »Wir mussten uns noch nie um innere Verletzungen kümmern. Vampire heilen auf natürliche Weise von innen.«
»Wegen unseres Vampirblutes.« Roman sah Laszlo an. »Ich habe mich schon immer gefragt, wie gut unser Blut heilen kann. Was, wenn wir ihr eine Transfusion Vampirblut geben statt das normale synthetische Blut?«
Laszlo drehte an einem Knopf seines Laborkittels. »Wir könnten ihr ein Betäubungsmittel geben, damit sie bewusstlos bleibt. Das könnte den Todesschlaf ausreichend simulieren, um das Vampirblut dazu zu bringen, sie von innen zu heilen.«
»Wollt ihr sie verwandeln?«, fragte Shanna. »Dazu sollten wir erst ihre Erlaubnis einholen.«
»Das würde sie nicht verwandeln", überlegte Roman. »Man müsste sie erst vollkommen ausbluten und in ein Vampirkoma versetzen. Und dann müsste sie von einem Vampir trinken und das Blut in sich aufnehmen. Bei dieser Methode bleibt sie sterblich, aber es wäre ein Versuch wert, ob das Vampirblut sie heilt.«
Auch Laszlo war einverstanden. »Es wäre sehr interessant, zu sehen, ob das funktioniert.«
Zweifelnd betrachtete Shanna die zwei Männer. »Ihr wollt an ihr Experimente durchführen? Wäre es nicht sicherer, sie ins Krankenhaus zu bringen?«
»Im Krankenhaus müsste sie sich einer Operation unterziehen", wendete Roman ein, »aber wenn unsere Theorie funktioniert, heilt sie auf natürliche Art, und dazu noch schnell.«
»Das stimmt.« Laszlo drehte weiter an einem Knopf. »Wir könnten ziemlich schnell sagen, ob es funktioniert oder nicht. Wenn nicht, können wir sie immer noch ins Krankenhaus bringen.«
»Dann lasst uns anfangen.« Ian trat neben den Operationstisch. »Ich gebe ihr mein Blut.«
»Wir müssen erst sichergehen, ob dein Blut kompatibel ist.« Laszlo betupfte Ians Arm mit einem Desinfektionsmittel.
»Sollte es. Ich trinke ständig AB positiv.«
»Das sehe ich.« Roman betrachtete die Bissspuren an Tonis Hals und sah Ian streng an.
»Ich - ich habe mich ihr nicht aufgezwungen.«
»Wie lange ist das her?« Laszlo säuberte Tonis Arm und führte eine Nadel ein.
»Etwa neun Stunden.« Als Ian einige verwirrte Blicke erntete, erklärte er sich. »Ich habe die Wachdroge genommen, damit wir ein wenig allein sein können.«
Für Connor war sein Geständnis eher ein Schock.
Roman und seine Frau sahen sich dagegen amüsiert an. »Na, da dein Blut von Toni selbst kommt, dürfte es perfekt passen.«
Laszlo rollte eine zweite Bahre neben den Operationstisch. »Leg dich hin.«
Ian legte sich, und schon bald wurde sein Blut direkt in Tonis Körper gepumpt. Roman und Laszlo kontrollierten alles akribisch, und Shanna überprüfte Tonis Vitalzeichen.
»Die Blutung hat aufgehört", flüsterte Roman.
Laszlos Knopf musste demnächst abgedreht werden. »Das ist ein gutes Zeichen.«
»Der Blutdruck ist immer noch zu niedrig", murmelte Shanna.
»Sir, ich glaube, das Gewebe schließt sich", rief Laszlo jetzt.
»Ja, es funktioniert", verkündete Roman zufrieden, »nähen wir sie zu.«
Dreißig Minuten später schritt der Heilungsprozess zügig voran, aber ihre Vitalzeichen machten weiterhin Probleme. Die Transfusion hatte Ian geschwächt und ausgehungert, deshalb lag er auf der Bahre und trank mehrere Flaschen synthetisches Blut. AB positiv, nur für den Fall, dass Toni noch mehr brauchte.
Ein lautes Jubeln kam aus dem Wartezimmer. Connors Mitteilung, dass Toni auf dem Weg der Besserung war, wurde mit Jubel aufgenommen.
Shanna schüttelte den Kopf. »Mit dem Feiern sollten wir noch warten. Sie hat Fieber.«
Ian sprach ein stummes Gebet für Toni, als er sich von der Bahre erhob. Connor hatte ihm ein marineblaues Polohemd aus dem Büro mitgebracht. Er zog es an und spähte aus der Tür, um zu sehen, wer sich im Wartezimmer befand.
Vor Überraschung sperrte er den Mund auf. Alle waren da. Jean-Luc und Heather aus Texas. Angus, Emma und Robby. Zoltan und Jack waren da. Ihre verbrannten Handgelenke hatte Laszlo verbunden. Auch Dougal war da, es ging ihm gut.
Phineas Schulter war ebenfalls verbunden.
Sofort ging Ian zu ihm. »Bist du verletzt worden?«
»Das ist nichts.« Phineas winkte ab. »Stan hat mich ein bisschen gepiekst, weiter nichts.«
»Hast du ihn erwischt?«
»Schön wär's.« Phineas verzog das Gesicht. »Als Carlos sich in einen Panther verwandelt hat, ist Stan durchgedreht und fortgerannt. Direkt auf den Parkplatz, und die Frauen da draußen haben ihn fast in Stücke gerissen, ehe es ihm gelungen ist, sich zu teleportieren.«
»Also lebt er noch.«
»Ja.« Phineas zuckte mit den Schultern und dann vor Schmerz zusammen. »Ich muss von jetzt an besser aufpassen.«
»Keine Sorge", sagte Dougal, »wir halten dir den Rücken frei.«
Ian entdeckte Carlos zwischen Sabrina und Teddy. Carlos musste sie wegen Toni angerufen haben.
Teddy grinste, als er Ian auf sie zukommen sah. »Hey, Mann, ich habe gehört, ihr habt wieder einmal das Böse besiegt.«
»Toni hat Jedrek umgebracht", erzählte Ian voller Stolz, »sie war fantastisch.«
»Sie hätte sterben können. Ich habe ihr gesagt, sie soll sich von euch... Vampiren fernhalten. Es ist bei euch nicht sicher.« Sabrina schien ihre Meinung über Vampire noch nicht geändert zu haben.
»Die Welt der Sterblichen ist auch gefährlich", wendete Carlos ein.
»Aber Toni hat nicht mit bösen Vampiren zu kämpfen", sagte Sabrina nachdrücklich. Sie starrte Ian wütend an. »Ich schwöre, wenn ihr etwas passiert, verklage ich dich. Ich werde...«
Sie hielt inne, als Constantine auf den Stuhl neben ihr kletterte. »Du liebe Zeit, kleiner Junge, wie kommst du hier herein? Was machst du hier bei diesen... Leuten?«
»Das sind meine Freunde", sagte Constantine. »Ich mache mir Sorgen wegen Toni.«
»Toni wird wieder gesund", sagte Ian zu dem kleinen Jungen. Er hoffte nur, dass es stimmte.
Constantine schenkte Ian eines seiner strahlenden engelsgleichen Lächeln. »Gut. Ich mag Toni.«
»Wer bist du?«, flüsterte Sabrina.
»Ich bin Constantine. Meine Mommy ist wie du, und mein Daddy ist ein Vampir.«
Sabrina riss die Augen vor Schreck weit auf. »Oh mein Gott.« Sie zuckte zusammen, als Tino ihren Arm berührte.
Constantine sah sie mit großen blauen Augen an. »Alles wird gut.«
Langsam verwandelte sich Sabrinas hasserfüllte Miene in ein zufriedenes Lächeln. Sie sah hinab zu Constantines Hand. »Was hast du gemacht?«
»Du hattest Schmerzen", sagte Tino. »Fühlst du dich jetzt besser?«
»Ja.« Sabrina machte vor Erstaunen große Augen. »Das tue ich.«
Das brachte Ian auf eine Idee. »Tino, würdest du gerne Toni besuchen?«
Constantine sprang auf seinem Stuhl auf. »Ja! Ich mag Toni.
Ian hob den kleinen Jungen in seine Arme. »Sie hat immer noch Schmerzen. Meinst du, du kannst dafür sorgen, dass es ihr besser geht?«
»Ich versuche es.«
Schon in der kurzen Zeit, die es brauchte, Constantine in das Behandlungszimmer zu tragen, stellte Ian fest, dass der Schmerz seiner Verbrennungen nachließ.
»Hi, Mommy! Hi, Daddy!« Constantine strahlte seine Eltern an.
»Liebe Güte.« Shanna nahm ihn Ian ab. »Ich dachte, du würdest schon schlafen.«
»Ich will Toni besuchen", verkündete Tino.
Shanna zögerte. »Sie fühlt sich nicht so gut, Schatz.«
Constantine schob seine Unterlippe vor. »Ich will ihr helfen. Ich mag Toni.«
»In Ordnung, Schatz.« Shanna setzte ihn auf die Bahre neben Toni.
Er streckte die Hand aus, um sie zu berühren, und zog sie dann wieder zurück. »Sie ist schlimm verletzt.« Er streckte sich neben ihr aus und legte seine kleinen Finger um ihre Hand.
»Seht euch das an.« Roman zeigte auf den Monitor mit ihren Vitalzeichen.
»Ihr Fieber sinkt", flüsterte Shanna.
Constantine gähnte, als er Toni ansah. »Sie wird so wie ich.« Seine Lider schlössen sich, und er glitt in den Schlaf hinab.
»Danke, Tino.« Ian streichelte mit der Hand über die blonden Locken des kleinen Jungen.
Toni würde gesund werden.
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Ganz allmählich wachte Toni auf, als würde sie aus einem tiefen dunklen Loch klettern.
»Schaut. Sie kommt zu sich.«
»Oh, Gott sei Dank.«
Sie hörte Carlos' Stimme und auch Sabrinas. Ihre Augenlider hoben sich flatternd. Die Gesichter ihrer Freunde schwebten über ihr, die Züge verschwommen und undeutlich. Sie entdeckte noch eine Gestalt am Fuß des Bettes. Ian? Sie blinzelte, versuchte, klar zu sehen. Was stimmte nicht mit ihren Augen?
»Hi, Toni", sagte die dritte Gestalt.
»Oh.« Sie schluckte ihre Enttäuschung hinunter. »Hi, Teddy.«
»Wie fühlst du dich, Menina?«, fragte Carlos.
»Es geht mir gut, glaube ich.« Sie hob eine Hand, um sich die Augen zu reiben. »Meine Augen brennen.«
»Das hatte ich befürchtet", sagte Sabrina. »Die wussten nicht, dass du Kontaktlinsen trägst.« Sie kramte in ihrer Handtasche und nahm einen kleinen Spiegel heraus.
Toni setzte sich auf.
»Vorsicht.« Carlos griff nach der Fernsteuerung für das Bett. »Lass mich das Bett für dich einstellen.« Mit einem Brummen hob sich die Rückenlehne des Bettes, um ihren Rücken zu stützen.
»Ich bin in einem Krankenhaus?«, fragte Toni verwirrt.
»Nein, im Behandlungszimmer von Romatech", erklärte Carlos ihr, »Ian hat dich hergebracht.«
Toni versuchte, den Handspiegel deutlich zu erkennen. Sie nahm eine Kontaktlinse heraus und gab sie Sabrina. »Wo ist Ian? Wie spät ist es?« Sie nahm die andere Kontaktlinse heraus.
»Kurz nach fünf.« Sabrina warf die Linsen in den Papierkorb.
»Morgens?« Toni blinzelte.
»Abends", sagte Teddy. »Du hast den ganzen Tag geschlafen.«
Irgendwas war merkwürdig. Toni sah Teddy an. Dann Carlos und Sabrina. Dann sah sie sich im Zimmer um. »Oh, du meine Güte.«
»Was ist los?« Sabrina war sofort an ihrer Seite.
»Meine Augen. Ich - ich kann alles sehen. Ohne Kontaktlinsen.« Sie gab Sabrina den Spiegel zurück und sah sich noch einmal im Zimmer um. Ihre Sehkraft war mehr als perfekt. Sie konnte das Kleingedruckte auf einem Poster, das an der anderen Seite des Raumes über der Spüle hing, lesen. Dort wurde beschrieben, wie man sich die Hände zu waschen hatte.
Sie merkte, dass Carlos und Sabrina sich besorgt ansahen. Irgendetwas stimmte nicht. Sie lüpfte das Laken und die Decke und sah an sich hinunter. Als sie das letzte Mal hingesehen hatte, hatte ein Dolch in ihrer Seite gesteckt. Sie berührte den Bereich vorsichtig, erwartete, Schmerzen zu spüren. Nichts.
Unter dem Laken zog sie das Krankenhaushemd hoch. Sie warf einen Blick auf ihre Flanke. Dort war eine blasse Narbe, kaum zu bemerken. Sie berührte die Narbe. Kein Schmerz, keine Empfindlichkeit. Und auch alle Bissspuren, mit denen ihr Oberkörper entstellt gewesen war, waren verschwunden.
In ihr machte sich Schrecken breit. Um so zu verheilen, musste sie wochenlang geschlafen haben. »Wie lange war ich weg? Lag ich im Koma?«
»Menina.« Carlos berührte ihren Arm. »Du bist letzte Nacht verwundet worden.«
»Letzte... aber das macht doch keinen Sinn.« Sie griff nach seiner Hand. »Erzähl mir, was passiert ist.«
Er zuckte zusammen. »Toni, entspann dich. Du brichst mir gleich die Knochen.«
Sie ließ seine Hand los. Langsam wurde ihr panisch zumute. »Ich habe dir wehgetan?«
Carlos öffnete und schloss seine Finger. »Du scheinst mir viel stärker geworden zu sein.«
»Oh mein Gott.« Sabrina wich zurück und riss die Augen auf.
»Erzählt mir vielleicht irgendwer, was passiert ist?« Toni griff nach dem Gitter neben ihrem Bett, damit sie sich setzen konnte. Sie drückte ein wenig dagegen, und es brach vollständig ab.
Sabrina keuchte erschreckt.
»Sie ist Superwoman!«, verkündete Teddy mit einem Grinsen.
»Was?«
»Oh nein.« Perfekte Sehkraft, superstark. War sie noch am Leben? Sie berührte ihre Zähne, um nachzufühlen, ob ihre Eckzähne spitzer geworden waren.
»Entspann dich, Menina.« Carlos tätschelte ihren Arm. »Du bist kein Vampir.«
Erleichtert atmete sie aus. »Oh, Gott sei Dank. Nicht, dass ich etwas gegen Vampire hätte. Ich mag sie wirklich gerne, und ich liebe Ian. Aber ich würde es wirklich schrecklich finden zu sterben, und nicht dabei zu sein. Ich meine, ich bin froh, dass ich noch lebe. Ich esse so gern.« Liebe Güte, sie plapperte wie ein Vollidiot daher. »Ich bin so verwirrt. Wie bin ich so schnell geheilt?«
In genau dem Augenblick kam Ian ins Zimmer, zwei Vasen voller Blumen in den Händen. Glücklich grinste er Toni an. »Du bist wach. Wie fühlst du dich?«
»Ich kann perfekt sehen.« Sie betrachtete ihn genau. Er sah toll aus in seinen Jeans und dem blauen Pullover, der zu seinen Augen passte.
»Das ist gut.« Er stellte die Vasen auf die Anrichte.
»Vorher konnte ich das nicht.«
»Was habt ihr mit ihr gemacht?«, verlangte Sabrina zu wissen. »Sie - sie hat das Bett mit ihren bloßen Händen in Stücke gerissen!«
»Sie ist Superwoman", fügte Teddy hinzu.
Ian betrachtete das abgebrochene Gitter auf dem Boden.
»Es war ein Unfall", sagte Toni, »ich habe es nicht mit Absicht gemacht. Ich habe nur etwas dagegen gedrückt, und schon...«
Ian nickte. »Wir dachten schon, dass so etwas passieren würde. Mit stärkeren Sinnen und Fähigkeiten war zu rechnen.«
Toni musste schlucken. »Was für Fähigkeiten?«
»Du wirst sehr stark sein und schneller als vorher.« Ian trat an ihre Seite. »Uns ist das erst durch Constantine klar geworden, als er gesagt hat, dass du so sein wirst wie er - sterblich, aber mit besonderen Fähigkeiten. Ich hoffe, es macht dir nichts aus.«
»Ausmachen?«, lachte Teddy. »Das ist doch so was von super! Toni ist wie die Sieben-Millionen-Dollar-Frau, nur ohne die Metallteile.«
Toni saß wie erstarrt da. Sie sah Sabrina an, und ihre Freundin erwiderte den Blick mit einem schockierten Gesichtsausdruck. »Wie - was habt ihr mit mir gemacht?«
»Wir haben dir eine Bluttransfusion gegeben.« Ian hockte sich auf die Fußkante des Bettes. »Von meinem Blut.«
»Ihr habt sie mit Vampirblut aufgefüllt?« Carlos schaute Ian verblüfft an.
»Astrein", flüsterte Teddy.
»Versucht ihr, sie in einen Vampir zu verwandeln?«, fragte Sabrina entsetzt.
»Nay.« Ian legte eine Hand auf Tonis Fuß. »Wir haben nur versucht, sie zu heilen. Seht ihr, Vampire heilen auf natürliche Weise während des Todesschlafes, das liegt an unserem Blut. Wir dachten, mein Blut kann Toni vielleicht heilen. Und das hat es auch. Irgendwie.« Er zuckte mit einer Schulter. »Constantine hat auch geholfen.«
Sabrina trat auf das Bett zu. »Dieser liebe kleine Junge hat geholfen, Toni zu heilen? Er - er hat mir auch geholfen.«
»Du hast Constantine kennengelernt?« Diese Nachricht freute Toni sehr.
Sabrina nickte. »Du hattest recht. Er ist ein ganz besonderes Kind.« Sie wendete sich an Ian am Fuße des Bettes. »Dann ist Toni immer noch sterblich?«
»Aye. Sie ist vollkommen normal, bis auf ein paar kleine Fähigkeiten. Wir sind uns nicht ganz sicher, welche Kräfte sie letztlich haben wird.«
Toni lehnte sich in ihrem Bett zurück. Würde sie schweben oder sich teleportieren können? »Ich - ich bin wirklich Superwoman?«
Ian lächelte. »Ich bin nur dankbar, dass ich dich nicht verloren habe. Noch nie im Leben habe ich vor etwas so große Angst gehabt.«
»Oh, Ian.« Sie streckte die Hand nach ihm aus, und er rutschte zu ihr, um ihre Hand zu nehmen und sie zu küssen. »Wie geht es dir? Du hattest so viele schlimme Brandwunden.«
»Alle geheilt.« Er beugte sich näher, um ihre Stirn zu küssen.
»Du musst hungrig sein.« Carlos winkte Teddy und Sabrina, mit ihm zu kommen. »Wir holen dir etwas zu essen.«
»Wir kommen wieder.« Sabrina sah sie besorgt an, ehe sie das Zimmer verließ.
Ian betrachtete sie von oben bis unten. »Wie fühlst du dich, Kleines?«
»Ich fühle mich großartig.« Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und umarmte ihn. »Ich bin so froh, dass alles vorbei ist.
Und ich liebe diese Blumen. Ich kann sie von hier aus riechen.«
»Aye, du hast jetzt schärfere Sinne. Die weißen Lilien sind von mir, und die roten Rosen sind von Vanda.«
»Vanda?«
Ian grinste. »Sie haben auf DVN gezeigt, wie du Jedrek Janow umgebracht hast. Du bist eine Heldin. Und Vanda ist besonders froh, dass er tot ist. Ich nehme an, sie hat eine schlimme Vergangenheit mit ihm. Wie dem auch sei, sie wollte, dass ich dir sage, dass sie sich in dir geirrt hat. Sie sagt, wir passen perfekt zueinander, und du solltest mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit bespringen.«
»Das hat sie gesagt?«
Ians Mundwinkel zuckten. »Na ja, der letzte Teil ist von mir.«
Toni schnaufte. »Ich bin froh, dass Vanda beschlossen hat, dass ich gut genug für dich bin. Das sollte ich auch sein, jetzt wo ich selber ein paar Vampirsuperkräfte habe. Es hat mich immer gestört, dass ihr Typen so wahnsinnig überlegen seid.«
»Toni, sag das nicht. Ich habe dich nie für weniger wert gehalten. Du warst immer mutig und furchtlos. Du hast deine Freundin vor ihrem gierigen Onkel gerettet. Und sieh dir an, was du letzte Nacht geschafft hast. Du hast dich gegen Jedreks Gedankenkontrolle durchgesetzt. Er hat verzweifelt versucht, dich davon abzuhalten, ihn zu pfählen, und du hast einfach immer weitergemacht. Es war unglaublich. Ich weiß nicht, wie du das geschafft hast.«
»Du weißt nicht, wie?« Sie berührte sein Gesicht. »Es war ganz einfach. Meine Liebe zu dir war stärker als sein Hass.«
Ian nahm ihre Hand und küsste sie. »Ich liebe dich, Toni. Ich bewundere und respektiere dich. Genau so, wie du bist. Du brauchst kein Vampirblut in den Adern, um etwas wert zu sein. Du bist schon immer Superwoman gewesen.«
Ihre Augen füllten sich mit einem Mal mit Tränen. »Ich bin es wert, geliebt zu werden.«
Ian drückte sanft ihre Hand. »Ich muss dir noch sagen, dass deine Fähigkeiten vielleicht nicht von Dauer sind. Unsere Körper regenerieren sich mit der Zeit selbst. Aber wenn du die Vampirkräfte behalten willst, teile ich mein Blut natürlich gerne mit dir.«
»Und ich meines mit dir.« Sie lächelte strahlend. »Solange unsere Liebe ewig ist, ist alles andere unwichtig.«
Er nahm sie in seine Arme. »Meine Liebe gehört dir für immer.«