13. KAPITEL

 

Eine heiße Dusche half Toni, die Kälte aus ihren Knochen zu vertreiben und die Schmerzen in ihrer angeschlagenen Hüfte zu lindern. Sie beugte sich vor, um ein Handtuch um ihre nassen Haare zu wickeln, und als sie sich aufrichtete, kam sie mit der Hüfte gegen den Badezimmerschrank.

»Au!« Sie betrachtete die Prellung, die sich zu einem prächtigen Lila verfärbt hatte, das gut zu dem Rot der Narben auf ihrem Oberkörper und ihren Brüsten passte.

»Toni!«

Als Ians Stimme in ihrem Schlafzimmer ertönte, zuckte Toni zusammen. Sie stieß mit der Hüfte gegen den Schrank. »Au! Verdammt!« Sie griff nach dem Handtuchhalter, um nicht hinzufallen.

»Toni, alles in Ordnung?« Ian hämmerte gegen die Tür. »Tut dir jemand weh? Soll ich mich reinteleportieren?«

»Nein!« Was machte er da draußen? »Ich... ich habe die ganze Verteidigungslinie der New York Giants hier drinnen. Oh ja, das fühlt sich so gut an! Zwei geschafft, bleiben noch acht.«

Schweigen. »Du machst Witze, oder?«

Sie schnaufte. »Brillant, Sherlock.«

»Komm da raus. Wir müssen reden.«

Nicht das schon wieder. »Ich habe keine Klamotten hier. Geh weg.«

»Ich kann die Augen schließen.«

Jetzt war sie es, die schwieg. »Ich glaube dir nicht.«

»Brillant, Sherlock.«

Blöder Kerl. Sie wickelte sich in ein Handtuch. »Geh weg.«

»Nein. Ich bin gekommen, um dich zu retten.«

»Vor was? Schimmel?«

»Ich gehe auf den Flur, damit du dich anziehen kannst. Bitte beeil dich.«

Sie hörte Schritte und wie eine Tür sich schloss. Sie spähte nach draußen. Das Schlafzimmer war leer.

Nach rechts und links spähend, eilte sie zu ihrer Kommode. »Warum nervst du mich? Ich bin außer Dienst.« Sie ließ das Handtuch fallen und zog schnell einen Slip an.

»Das hier kann nicht warten", sprach Ian vom Flur aus, »wir sind in Gefahr. Es geht um einen Auftragsmörder der Malcontents namens Jedrek Janow. Er ist der neue Meister des russisch-amerikanischen Zirkels in Brooklyn, also von den Bastarden, die dich angegriffen haben. Jedrek will Informationen über den Trank, der mich hat altern lassen, also wird er auf der Suche nach mir sein.«

Jeder Ärger, den Toni verspürt haben mochte, verflog und wurde durch einen Anflug von Angst ersetzt. Sie fasste hinter ihren Rücken, um ihren BH zu schließen. »Wie ernst ist die Lage?«

»Sehr ernst. Wenn er zum Stadthaus kommt, dann nicht allein. Er bringt andere Malcontents mit, und jeder hier, du eingeschlossen, wird attackiert.«

Eine Gänsehaut überzog ihren ganzen Körper. »Sie wissen von diesem Stadthaus? Ich dachte, das wäre geheim.« Verdammt, sie hatte gehofft, vor denen in Sicherheit zu sein.

»Romans Zuhause ist ein Geheimnis, aber dieses Haus war in der Vampirwelt immer bekannt. Roman hält jeden Frühling eine Konferenz bei Romatech ab, an der Zirkelmeister aus aller Welt teilnehmen. Sie übernachten immer hier, und Angus stellt die Sicherheitsleute. Bist du angezogen?«

Sie könnte wieder angegriffen werden? Lieber Gott, nein. Erinnerungen an jene Nacht drohten sie zu überwältigen. Nein, nicht noch einmal.

Vor ihr tauchte aus dem Nichts eine Gestalt auf, und Toni geriet völlig aus der Fassung.

Ian riss die Augen auf. »Toni.«

Sie fuchtelte mit den Händen vor ihrem Schlüpfer und ihrem BH. Verdammt! Ihre Unterwäsche bedeckte nicht viel. Und die Narben! Sie sah in sein Gesicht und beobachtete, wie der Ausdruck von Erschrecken zu völliger Fassungslosigkeit wechselte.

»Geh weg!« Sie kehrte ihm den Rücken zu. Verdammt, was war schlimmer? Fast nackt erwischt zu werden oder zu sehen, wie erschreckt ein Typ darauf reagierte?

»Toni, du hast überall Bisswunden.«

»Ich weiß. Ich war dabei, als es passiert ist.« Sie eilte an ihren Wandschrank und riss eine Jeans vom Bügel.

»Und dein Hüfte. Das ist eine richtig schlimme Prellung.«

»Hör auf, mich anzusehen!« Sie zog ihre Jeans an. »Ich bin auf einem Parkplatz hingefallen.«

»Beim psychiatrischen Krankenhaus Shady Oaks?«

Die Jeans rutschte ihr aus den Händen und ihre Knie hinab. »Woher...« Als sie seinen Blick nach unten wandern sah, zog sie ihre Jeans ruckartig wieder hoch. »Woher weißt du das?«

»Ich bin ein guter Detektiv.«

Blöder Kerl. Sie zog den Reißverschluss zu. »Du hast mir hinterher spioniert?«

»Ist das dein Koffer?«

Sie sprang zur Seite und versuchte, Distanz zwischen ihnen zu halten. »Was machst du da?«

Er öffnete den Koffer auf ihrer Kommode und begann, ihn mit ihrer Kleidung zu füllen. »Zieh dich jetzt fertig an.«

Sein befehlender Tonfall gefiel ihr überhaupt nicht. Und dass er ihr nachspioniert hatte auch nicht. Sie riss ein T-Shirt vom Bügel und zog es an. »In Ordnung. Ich ziehe mich an. Dann bleibt dir der ekelerregende Anblick meines Körpers erspart.«

Mit einer Handvoll Slips in seiner Faust hielt er inne. »Ich war wütend, als ich gesehen habe, dass diese Bastarde lauter Löcher in dich gebissen haben. Ich war nicht angeekelt. Dein Körper ist wunderschön.«

Wie konnte sie auf ihn wütend bleiben, wenn er solche Sachen sagte?

»Bitte beeil dich. Wir müssen los.«

»Und wohin gehen wir?« Sie rannte ins Badezimmer, nahm ihre Haarbürste, Zahnbürste, Kosmetiktasche und ihre Kontaktlinsen und warf sie in den Koffer.

»Ich bringe dich zu Romatech. Dort sind die Sicherheitsvorkehrungen sehr viel strenger. Dann kommen die Jungs und ich wieder hierher und kämpfen gegen die Bastarde, sollten sie auftauchen.«

Ihr gefiel der Gedanke, in Sicherheit zu sein, und der Gedanke daran, die Malcontents wiederzusehen, war ihr wirklich verhasst, aber trotzdem nervte sie an Ians Plan irgendetwas. Es gefiel ihr nicht, die schwache Jungfer in Nöten zu sein. Sie setzte sich auf ihr Bett und zog sich Socken an. »Ich werde mich nicht verstecken und euch das Kämpfen überlassen. Ich wurde angestellt, um zu kämpfen.«

Ian lächelte, als er die Kleider aus ihrem Wandschrank nahm und in ihren Koffer fallen ließ. »Du bist mutig, Kleines, und das weiß ich an dir zu schätzen, aber das ist nicht deine Schlacht.«

Normalerweise würde sie ihm zustimmen. Warum ihr Leben für einen Konflikt zwischen Vampiren riskieren? Aber in der Nacht, in der die Malcontents sie angegriffen hatten, war es zu ihrer eigenen Schlacht geworden. So sehr sie es hasste, ihnen noch einmal zu begegnen, sie musste es tun. Sie zog sich mit einem Ruck ihre Stiefel an. »Das ist mein Kampf. Ich werde mich nicht ängstlich zusammenkauern. Ich werde tun, wofür man mich bezahlt.«

Ian schloss den Reißverschluss des Koffers. »Kleines, du bist als Tagwache angestellt worden. Das bedeutet, du sollst unsere Feinde tagsüber bekämpfen, also die Sterblichen. Nachts hast du aus einem bestimmten Grund dienstfrei. Du kannst gegen einen vampirischen Feind nicht bestehen.«

»Neulich Nacht habe ich Phineas besiegt.«

»Glückssache.«

»Hör zu, Kleiner.« Sie marschierte auf ihn zu. »Ich bin gut. Ich bin verdammt gut. Brauchst du eine Vorführung?«

»Vielleicht brauchst du eine.« Er verschwand und tauchte eine Sekunde später hinter ihr auf und zog sie gegen seine Brust.

Sie reagierte schnell und rammte ihm den Ellenbogen gegen die Brust. Es war, als hätte sie gegen eine Steinmauer geschlagen.

Seine Hände legten sich an ihren Hals und ihr Gesicht, und seine Stimme war sanft an ihrem Ohr. »Das nächste Geräusch, das du hörst, ist das Brechen deines Halses.«

In ihr kochte die Wut. Verdammt noch mal, konnte man gegen sie denn nicht gewinnen? Die Erinnerung an den Angriff stürzte auf sie ein, überwältigte sie, ertränkte sie in Angst. Sie schüttelte den Kopf, versuchte, die Erinnerungen zu löschen, aber sie füllten ihre Gedanken und spielten sich minutiös noch einmal ab. Ein Schaudern ließ sie fast zusammenbrechen.

»Toni, es wird alles gut", flüsterte Ian.

»Nein!« Sie kämpfte gegen die Tränen an, aber je mehr sie es versuchte, desto mehr wallten die Gefühle in ihr hoch. Sie befreite sich von Ian und stolperte zurück. »Ich - ich hasse deine Art!«

Aschfahl wurde seine Haut im selben Moment. Sie presste eine Hand auf ihren Mund, selbst erschreckt von ihrem heftigen Ausbruch.

Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst, und in seinen Augen funkelte Schmerz. »Wenigstens bist du jetzt ehrlich.«

Sie breitete ihre Hände auf ihren vernarbten Rippen aus. »Sie haben auf mir herumgekaut, als wäre ich etwas zum Essen. Als wäre ich nicht menschlich. Ich war für die nur ein Stück Fleisch.« Tränen rollten ihre Wangen hinab, und sie wischte sie fort. »Ich konnte nicht gegen sie kämpfen. Sie haben meine Gedanken kontrolliert, und es hat sich angefühlt, als würden sie meine Seele zerquetschen.«

Seine Arme, die sich jetzt um sie schlössen, gaben ihr Halt. Sie verkrampfte sich, aber er hielt sie trotzdem fest. »Kleines, ich würde dir nie wehtun. Du kannst mir vertrauen.«

Langsam und bebend atmete sie ein und wieder aus. »Ich weiß.« Sie vergrub ihr Gesicht in seinem weichen Pullover und ließ seinen Duft in ihre Nase steigen. Er duftete sauber und zugleich ungemein erdig, süß und doch männlich.

Sanft streichelte er mit der Hand ihren Rücken. »Ich hoffe, ich treffe heute Nacht auf diese Bastarde. Ich würde sie nur zu gern aufspießen für das, was sie dir angetan haben.«

Sie legte ihre Wange gegen seine Schulter. Er verstand es immer noch nicht richtig. Sie wusste seinen Wunsch, sie zu beschützen, zu schätzen, aber sie wollte eigentlich keinen Beschützer vor den bösen Vampiren. Was sie wollte, war ein Weg, sich selbst zu schützen. Doch so einen Weg schien es nicht zu geben, bei all den übermenschlichen Fähigkeiten der Vampire. Und das störte sie am meisten - die Ungleichheit und die Ungerechtigkeit von allem.

»Ich wünschte, ich könnte dir den Hintern versohlen", flüsterte sie.

Ian lachte leise. »So ist es richtig.«

Sein weicher Pullover war ideal, um sich darin einzukuscheln. Er war überraschend warm und wunderbar fest. Als er sie losließ und einen Schritt zurücktrat, wollte sie sich ihm gleich wieder in die Arme werfen.

»Wir müssen los, Toni.« Er zog ihren Koffer von der Kommode.

Sie nahm ihren Mantel und ihre Handtasche. »Fährst du?«

»Wir teleportieren. Das ist schneller.« Er nahm den Koffer in eine Hand und streckte die andere nach ihr aus. »Du musst dich an mir festhalten.«

»Oh.« Kein Problem. Sie schlang die Arme um seinen Hals.

»Näher.« Sein Arm legte sich fest um ihre Taille.

Sie schmiegte sich gegen seine feste Brust. »So etwa?«

Er schloss kurz die Augen. »Aye.«

Als er seine Augen öffnete, stockte ihr Atem. »Was ist mit deinen Augen los? Die werden immer rot.«

»Das ist eine ganz normale Reaktion bei einem Vampir.«

»Das glaube ich nicht.« Sie betrachtete ihn. »Das passiert bei keinem der anderen Vampire.«

»Gut. Ich würde nur ungern einen meiner Freunde verprügeln müssen.«

»Wovon sprichst du?«

Er schenkte ihr ein beschämtes Lächeln. »Toni, wenn meine Augen rot werden, dann ist das, weil ich dich begehre.«

»Aber das passiert schon seit Tagen.«

»Aye, seit wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Aber mach dir deswegen keine Sorgen. Ich weiß, du hasst unsere Art.«

»Dich hasse ich nicht, Ian. Ich hasse keinen von den guten Vampiren. Vielleicht am Anfang, aber jetzt...«

Verstohlen betrachtete er sie. »Wie geht es dir jetzt?«

Eine Welle von Gefühlen, die sie übermannte, ließ ihr Tränen in die Augen steigen. »Ich - ich habe gerade viel im Kopf. Nicht nur dich, auch meine Freundin Sabrina. Ich mache mir so viele Sorgen... und ich bin so verwirrt.« Sie sollte sich nicht so sehr zu einem Vampir hingezogen fühlen.

»Sag mir, was los ist. Vielleicht kann ich helfen.«

Sie betrachtete sein gut aussehendes Gesicht und sah darin echte Sorge und echtes Mitgefühl. Sie wollte ihm vertrauen. Lieber Gott, sie wollte einfach für immer in seinen Armen bleiben. »Ich überlege es mir.«

»Gut. Halt dich fest, Kleines.« Er zog sie fest an sich, und alles wurde schwarz.

****

Sobald Ian sicher sein konnte, dass Toni gut beschützt in den Silberraum bei Romatech geleitet wurde, teleportierte er sich zusammen mit Dougal und Phineas zurück ins Stadthaus.

Als sie auf der hinteren Veranda auftauchten, hörten sie bereits das hohe Surren der Alarmanlage im Stadthaus. Sie zogen sofort ihre Schwerter. Es gab nur zwei Erklärungen für den Alarm - entweder war ein Sterblicher eingebrochen und hatte den Alarm nicht gehört, oder ein Vampir hatte sich ins Innere des Hauses teleportiert, ohne zu wissen, wie man die Alarmanlage ausschaltete.

Dougal entriegelte leise die Hintertür und ließ sie aufschwingen. Sie warteten mit gezogenen Schwertern darauf, dass jemand den Kopf zur Tür hineinstecken und nachsehen würde. Wenn es ein Malcontent war, würde sein Kopf nicht lange auf seinen Schultern sitzen.

Niemand fiel auf den Köder herein. Ian wollte das Haus betreten, aber Phineas zog ihn zurück.

»Dich wollen sie doch, Alter. Bleib zwischen uns.« Phineas betrat das Haus zuerst.

Die Küche war ein Saustall. Schränke und Schubladen standen offen, und ihr gesamter Inhalt war über die Anrichten verteilt.

»Sie müssen auf der Suche nach der Droge sein.« Dougal begann, die Kombination einzugeben, mit der man die Anlage ausstellte.

»Nay.« Ian hielt ihn auf. »Wenn wir sie ausstellen, verraten wir denen damit unsere Ankunft.«

Das stimmte natürlich. »Du hast recht, aber das Geräusch nervt.«

»Ja, klingt wie eine Katze auf Crack", murmelte Phineas. Er stellte sich neben die schwingende Tür. »Bereit?«

Ian nickte, und die drei Vampire sausten ins Foyer. Ein schneller Blick versicherte ihnen, dass die Eindringlinge sich nicht mehr im Erdgeschoss befanden. Auf dem Boden der Bibliothek lagen Bücher verstreut, und das Wohnzimmer war durchwühlt worden.

Sie sausten hinab in den Keller. Phineas Bett war aufgeschlitzt und die Särge zertrümmert.

»Mist.« Phineas betrachtete den zerbrochenen Bilderrahmen seiner Familie. »Wir kommen zu spät.«

»Wir sollten in Romans Arbeitszimmer nachsehen", schlug Ian vor. »Ich bin mir sicher, ihnen ist klar, dass er die Droge erfunden hat.«

»Wir gehen gemeinsam", meinte Dougal. »Zielt auf den Treppenabsatz im obersten Stock.«

Das Trio teleportierte sich auf den Absatz vor Romans Büro und Schlafzimmer. Die zwei Türen waren offen, und drinnen unterhielten sich Stimmen auf Russisch.

Vorsichtig schlich Ian sich auf die Tür des Arbeitszimmers zu und entdeckte Jedrek Janow, der an Romans Schreibtisch saß und an dem Computer herumfummelte. Der Malcontent fluchte und schlug mit der Faust auf die Tastatur. Dann begann er, die Schreibtischschubladen zu durchsuchen.

Dougal spähte in Romans Schlafzimmer und hob dann zwei Finger, um zwei Männer anzudeuten. Ian hob einen Finger. Es stand drei gegen drei. Mit Blickkontakt sprachen sich Ian, Dougal und Phineas ab.

Ian stürzte in das Arbeitszimmer und direkt auf Jedrek zu. Der Mörder hob seinen Blick und griff nach dem Schwert, das er auf dem Schreibtisch hatte liegen lassen. Bevor Ian zum tödlichen Schlag ansetzen konnte, teleportierte Jedrek sich.

Ians Schwert schlug durch den leeren Bürosessel. »Verdammter Mist.« Er wirbelte herum, um zu sehen, ob Jedrek sich hinter ihm materialisiert hatte.

Hatte er nicht. Der russische Zirkelmeister erschien im Schlafzimmer neben seinen Anhängern.

Ian bewegte sich auf sie zu, Dougal und Phineas an seiner Seite.

»Genau der Mann, nach dem ich gesucht habe", höhnte Jedrek. »Stasio, Yuri, packt den Mann in der Mitte.«

Die zwei Malcontents stürzten sich auf Ian, doch Dougal und Phineas schützten ihn gekonnt und verwickelten die beiden Malcontents in ein Duell. Ian fluchte innerlich darüber, wie ein hilfloser Welpe behandelt zu werden. Er hielt auf Jedrek zu, aber der Feigling verschwand sofort wieder.

Gerade in dem Moment, als Jedrek von hinten eine Hand um seinen Arm legte, wirbelte Ian herum. Ein Schwindelgefühl überkam ihn, und ihm wurde klar, dass Jedrek versuchte, sich mit ihm zu teleportieren. Er hieb mit dem Schwert nach Jedreks Arm, und der Mann keuchte vor Schmerz auf, ehe er allein verschwand.

»Du Feigling!«, brüllte Ian den leeren Fleck an.

Ein Schmerzensschrei lenkte Ians Aufmerksamkeit zurück auf die Schwertkämpfer. Phineas hatte den Torso seines Gegners aufgeschlitzt. Der Russe stolperte rückwärts, und Phineas rammte ihm sein Schwert in die Brust. Der Mann wurde grau und fiel dann zu einem Haufen Staub auf dem Boden zusammen.

Dougals Gegner schrie wütend auf, bevor er sich teleportierte. Dougal blieb fluchend zurück.

»Geschafft!« Phineas streckte sein Schwert in die Luft. »Habt ihr das gesehen? Ich war eine Killermaschine!«

Anerkennend klopfte Dougal ihm auf den Rücken. »Dein erster Treffer. Gratuliere.«

Phineas hob seine Hand, um bei beiden einzuschlagen. »Oh, yeah, Dr. Phang hat es wieder mal geschafft.«

Ian lächelte müde. Nach ein paar Jahrhunderten spürte er beim Umbringen eines Malcontents keine Aufregung mehr. Er ging zurück an den Schreibtisch und schaltete den Alarm aus. »Jedrek ist verletzt. Ich glaube nicht, dass er heute Nacht noch etwas versucht. Lasst uns zu Romatech zurückkehren.«

Roman und seine Familie waren fürs Erste in Sicherheit. Und Toni auch.

****

Sobald Jedrek Janow in seinem Büro in Brooklyn auftauchte, spürte er den Schmerz in seinem verletzten Arm. Er ließ sein Schwert auf den Boden fallen und legte eine Hand auf die Wunde. Blut quoll durch seine Finger und tropfte auf den teuren Orientteppich. »Verdammt.«

»Sir, Ihr blutet", sagte der Wachmann an seiner Tür.

»Brillant beobachtet, Trottel", knurrte Jedrek. »Hol Nadia her, sofort.«

»Ja, Meister.« Der Wachmann eilte davon.

Jedrek zog seinen zerfetzten und blutbeschmierten Pullover aus und warf ihn in den Mülleimer.

Der Wachmann kehrte mit Nadia im Schlepptau zurück. Sie blieb an der Türschwelle stehen und weigerte sich, ihn anzusehen.

Er wusste, dass sie wütend war. Es hatte ihr keinen Spaß gemacht, die Blonde umzubringen. »Hol Verbandszeug. Du wirst meine Wunde versorgen.«

Störrisch hob sie ihr Kinn. »Die wird während deines Todesschlafs heilen.«

»Das ist noch fünf Stunden hin, Schlampe. Bring mir das Verbandszeug, sofort.«

Sie schlich davon. Immer noch war sie viel zu temperamentvoll, doch bald hatte er ihren Willen gebrochen.

»Du.« Er warf dem Wachposten einen wütenden Blick zu. Sein Name war Stanislav, aber Jedrek nannte die Leute nicht gerne beim Namen. Es ließ sie glauben, dass man sie irgendwie mochte. »Gib mir dein Hemd.«

»Ja, Meister.« Stanislav knöpfte sein weißes Hemd auf.

Im selben Moment materialisierte sich eine Gestalt neben seinem Schreibtisch. Es war Yuri. Er steckte sein Schwert weg und vermied es, Jedrek direkt anzusehen.

»Wo ist Stasio?«, verlangte Jedrek zu wissen.

»Er - er ist tot", flüsterte Yuri.

»Dann hätte er besser kämpfen sollen.« Jedrek nahm das Hemd von Stanislav und wickelte es um die Wunde in seinem Unterarm. Die weiße Baumwolle wurde sofort blutgetränkt. »Wer hat ihn umgebracht? War es einer dieser verdammten Schotten?«

»Nein", antwortete Yuri, »es war der schwarze Vampir.«

»Schwarz?«, fragte Stanislav. »Ich frage mich...«

»Raus damit", knurrte Jedrek.

»Zu unserem Zirkel gehörte eine Weile ein Schwarzer", erklärte Stanislav. »Phineas McKinney. Alek hat ihn verwandelt, weil er ein Drogendealer war und Katya seine Hilfe dabei brauchte, Gift aus Nachtschatten herzustellen.«

Leider hatte die nun verstorbene Katya bei ihrem Versuch, Angus MacKay an Casimir auszuliefern, das gesamte Gift verbraucht. Jedrek hatte gehofft, hier im Büro noch mehr von der Droge zu finden, allerdings ohne Erfolg. »Wo ist dieser Phineas? Hätte ich heute Nacht etwas Nachtschatten gehabt, hätte ich Ian MacPhie betäuben und hierher zurückbringen können.«

»Ich habe Phineas über ein Jahr lang nicht gesehen.« Stanislav legte den Kopf zur Seite und konzentrierte sich. »Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, waren wir hier im Büro. Er hat gesagt, er sucht nach Katya, aber sie und Galina waren bereits in die Ukraine aufgebrochen.«

Jedrek kniff seine Augen zusammen. Er hatte die Wanzen aus diesem Büro entfernt, als Katya Meister gewesen war, und noch einmal, als er selbst zum Zirkelmeister aufgestiegen war. Irgendwer in diesem Zirkel spielte für beide Seiten. »Sieh dir die Fotos auf meinem Schreibtisch an. Es ist auch eines von dem schwarzen Vampir dabei, der für MacKay arbeitet.«

Stanislav blätterte durch die Fotos und hielt dann inne. »Das ist er. Phineas McKinney.«

Jedrek knirschte mit den Zähnen. »Und als Phineas hier im Büro war, hast du ihm da gesagt, wo Katya ist?«

Stanislav öffnete seinen Mund, um zu antworten, doch dann schloss er ihn mit einem Schnappen, als ihm klar wurde, was los war. Er schluckte hörbar.

»Was habe ich über Unfähigkeit gesagt?«, knurrte Jedrek.

Yuri zog sein Schwert und wartete auf einen Befehl.

Stanislav wich einen Schritt zurück. Sein Gesicht war blass geworden. »Ich dachte, er wäre auf unserer Seite. Er hat dabei geholfen, Gift herzustellen.«

Jedrek atmete tief ein. Stanislav duftete nach Angst wie das lieblichste Parfum. »Du bekommst eine einzige Gelegenheit, es wiedergutzumachen. Du wirst Phineas McKinney umbringen.«

»Natürlich.« Stanislav nickte begeistert. »Das wird mir ein Vergnügen sein.«

Yuri steckte mit einem enttäuschten Blick sein Schwert weg.

»Zuerst besorgst du mir aber einen Imbiss", befahl Jedrek. »Diese Wunde hat mich völlig ausgelaugt.«

»Ja, Meister. Sofort.« Stanislav ging, gerade als Nadia kam, in den Händen Verbandsmaterial und Pflaster. Misstrauisch näherte sie sich ihrem Meister.

»Du hast zu lange gebraucht.« Jedrek setzte sich auf den Rand seines Schreibtischs und hob seinen verwundeten Arm. »Verbinde ihn, so fest du kannst.«

»Ja, Meister.« Sie begann, die Gaze um seinen Unterarm abzurollen.

Er bemerkte die blauen Flecke an ihren Armen, wo er vor wenigen Stunden seine Finger in sie gepresst hatte. »Es macht mir Spaß, dir wehzutun.«

Ihre Hände zitterten, während sie seinen Arm verband. Gut, sie zeigte die angemessene Menge Angst. Er liebte es, anderen Angst einzujagen. Es gab ihm Macht über sie. Vor Angst verneigten die Leute sich vor ihren Göttern.

»Was ist mit der Droge?«, fragte Yuri. »Und Ian MacPhie?«

»Zuerst muss ich heilen.« Jedrek öffnete und schloss seine Hand. »Morgen schlagen wir wieder zu. Wir bekommen unsere Antworten. Und ein paar Vampire werden dabei sterben.«