9. KAPITEL

 

Ian bestellte ein Blier und eine Cola Light an der Bar.

»Ist Vanda da?« Er reichte Cora Lee einen Zehndollarschein.

»Da drüben. Klingt, als würde sie sich wieder aufregen.«

Mit einem Blick zur Bühne konnte er die Situation rasch einschätzen. Die Musik war verstummt, und die meisten weiblichen Vampire hatten sich um Vanda herum gescharrt, um zuzuhören, wie sie den Tänzer fertigmachte.

»Das ist hier kein Bordell!«, brüllte sie. »Du bist gefeuert!«

»Wieder ein Tänzer weniger.« Cora Lee fuchtelte mit den Armen in der Luft. »Huuhuu, Vanda! Ian ist hier!«

Im selben Moment drehten sich alle gleichzeitig um und starrten ihn an.

»Ist das Ian MacPhie?«, fragte eine der Frauen.

»Natürlich", rief Cora Lee. »Kommt und holt ihn euch!«

Die Menge setzte sich in Bewegung. Ian schluckte.

»Sieht aus, als würde dein Wunsch jetzt wahr werden. Heute Nacht wirst du bestimmt flachgelegt", flüsterte Cora Lee verschwörerisch.

»Ian", rief Pamela, »hier sind zwei Damen, die dich gern kennenlernen möchten.« Sie zeigte auf die Frauen in ihrer Begleitung.

»Wir haben ihn zuerst gesehen!«, rief irgendwer in der Menge, und sie alle preschten vor.

»Was zur Hölle...« Ian wich zurück gegen die Bar.

»Zurück!« Vanda nahm ihre Peitsche von ihrer Hüfte und schnalzte damit über den Köpfen der Frauen. »Ihr habt mich gehört! Stellt euch in Reihe und wartet, bis ihr dran seid!«

Die Frauen beeilten sich, sich anzustellen. Ian zuckte zusammen, als er sah, wie viel geschubst und geflucht wurde. Sie verhielten sich eher wie Wrestler als wie Ladys. Und es waren mehr als fünfzig.

Vanda grinste Ian an. »Ist das nicht toll? Das Profil, das ich dir geschrieben habe, war unglaublich! Einfach jede will mit dir ausgehen.«

»Ich kann nicht mit fünfzig Frauen in einer Nacht ausgehen.«

»Natürlich kannst du.« Sie schlang sich die Peitsche wieder um die Hüfte. »Das nennt sich Speed Dating.«

»Aber ich habe mich hier schon mit drei Frauen verabredet.«

Vanda winkte ab. »Die lassen wir einfach zuerst.« Sie wendete sich an Cora Lee. »Hast du einen Küchenwecker?«

»Jepp.« Cora Lee reichte ihr einen Timer.

Vanda stellte ihn auf den Tisch. »Wir geben jeder von ihnen fünf Minuten.«

»Das wird Stunden dauern.« Ian brachte seine Getränke an den Tisch.

»Hast du etwas Besseres vor?« Vanda betrachtete die Cola Light. »Was soll der sterbliche Drink?«

»Den habe ich Toni mitgebracht. Sie ist die neue Tagwache im Stadthaus.«

Vor Erstaunen riss Vanda die Augen auf. »Sie? Connor hat eine Frau eingestellt?«

Vor zwei Nächten war Ian noch genauso schockiert gewesen, aber jetzt wollte er sie verteidigen. »Sie ist eine ausgezeichnete Kämpferin.«

Zweifelnd schaute Vanda ihren alten Freund an. »Ich stelle mir eine Kampflesbe mit zusammengewachsenen Augenbrauen vor, die ständig Steroide schluckt.«

Ian versteifte sich. »Nay! Sie ist...«

»Hey, Ian!«, rief eine Frau durch den ganzen Club. »Was zum Teufel ist mit unserem Date? Wir haben gestern Nacht telefoniert. Weißt du nicht mehr?«

»Aye.« Er versuchte sich an den Klang ihrer Stimme zu erinnern. »Bist du Stormy?«

»Tempest.« Ihre Augen blitzten verärgert auf. »Und das hier sind Moonbeam und Cindy.« Sie deutete auf die Frauen neben ihr. »Wir haben gestern Nacht mit dir gesprochen. Wir haben die älteren Rechte!«

»Ihr dürft euch vorne anstellen", befahl Vanda. »Ian wird gleich anfangen.«

Er stöhnte. Worüber sollte er sich mit diesen Frauen unterhalten? »Warum sind das so viele?«

»Deins ist das beliebteste Profil auf ›Single in the City‹.« Vanda strahlte stolz. »Alle haben von dir gehört.«

Da fiel Ian etwas ein. »Darüber wollte ich noch mit dir reden. Connor ist sauer, weil du die Adresse und die Telefonnummer von Romans Stadthaus angegeben hast.«

»Connor ist ein alter Miesepeter. Die Frauen müssen sich doch irgendwie mit dir in Verbindung setzen können.«

»Das verstehe ich ja, aber aus Sicherheitsgründen ist es gefährlich, wenn so viele die genaue Adresse kennen. Wir wollen nicht, dass einige übereifrige Verehrerinnen versuchen einzubrechen, um mich zu sehen, besonders nicht tagsüber. Das wäre zu riskant«

»Okay, okay.« Vanda strubbelte ihre kurzen violetten Haare. »Ich nehme die Adresse raus.«

»Und die Telefonnummer auch. Sie können mir auf ›Single in the City‹ eine Nachricht hinterlassen.«

»In Ordnung.« Vanda legte die Stirn in Falten. »Aber du zierst dich zu sehr.«

»Hey, was geht?« Ein männlicher Vampir, in einen teuren Anzug gekleidet, kam auf sie zugeschlendert und zwinkerte der Reihe der wartenden Frauen zu. »Hallo, Ladys.«

»Hi, Gregori", antworteten sie im Chor.

Ian war beeindruckt. Kannte Gregori all diese Frauen?

»Was ist los?« Gregori gab Vanda einen Kuss auf die Wange. »Tanzen wir Polonaise?«

»Ian hat vor, heute eine Sitzung Speed Dating zu veranstalten.« Vanda senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Er sucht nach seiner wahren Liebe.«

»Ah.« Gregoris Augen funkelten, als er Ian betrachtete. »Soll ich sie für dich aufwärmen?«

Ian verzog das Gesicht. »Es ist schwierig genug, ein einziges Mal charmant zu sein, aber fünfzigmal hintereinander?«

»Das schaffst du schon, Alter. Sei einfach du selbst.«

Ian verzog sein Gesicht noch mehr.

»Vielleicht versuchst du es mit einem Lächeln. Du weißt, die Ladys lieben Männer mit Sinn für Humor.«

»Ich bin verdammt.«

»Entspann dich, Alter. Ich werde...« Gregori erstarrte. »Lieber Gott, sieh dir die an. Sie ist ein Engel.«

Als er Gregoris gebanntem Blick folgte, sah er sie. Toni. »Die gehört mir", platzte er heraus, ehe er sich zusammenreißen konnte. »Ich meine, sie ist meine Wache.«

Gregori schnaubte. »Ja, man sieht es sofort.«

»Ihr Aussehen hat damit nichts zu tun", fuhr Ian ihn an. »Sie ist eine ausgezeichnete Kämpferin, sie ist ausgesprochen mutig und klug.«

Oh.« Gregori sah Ian neugierig an. »Verstehe.«

Ian spürte, wie seine Wangen sich wärmten. Vielleicht war das etwas zu vehement gewesen. »Ehrlich gesagt, wüsste ich es zu schätzen, wenn du ein Auge auf sie hättest, während ich beschäftigt bin.«

»Klar. Kein Problem, Alter.«

Toni betrachtete die lange Reihe der Mädchen, während sie auf Ian zuging. »Ich dachte, du hättest nur drei Verabredungen.«

»Jetzt habe ich ein paar mehr", knurrte Ian, als er sich neben sie stellte. »Ich würde dir gern einige meiner Freunde vorstellen. Das hier ist Vanda. Sie ist die Managerin hier im Horny Devils.«

»Und schreibt faszinierende Profile", fügte Toni mit einem Lächeln hinzu. Sie streckte ihre Hand aus.

»Schön dich kennenzulernen.« Vanda schüttelte ihre Hand. »Ich arbeite gerade an einem weiteren Projekt, das Ian noch berühmter machen wird.«

Es wurde Zeit für Ian, Einspruch zu erheben. »Das ist wirklich nicht nötig.«

»Natürlich ist es das. Wir müssen deine wahre Liebe finden.« Vanda tätschelte ihm die Wange. »Ich sehe später noch mal nach dir.« Sie stolzierte zu ihrem Büro.

»Und das ist Gregori.« Ian zeigte auf den jungen Mann. »Er ist der Vizepräsident der Marketingabteilung bei Romatech.«

»Es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen.« Gregori nahm ihre Hand und küsste sie. »Ich habe schon von dir gehört. Meine Mutter, Radinka, hat mir erzählt, dass sie und Shanna dich morgen besuchen werden.«

»Oh, richtig.« Toni lächelte. »Sie kommen mit Howard, um ihm beim Babysitten zu helfen, während ich meine Abschlussklausur schreibe.«

Ian runzelte die Stirn über das Wort Babysitten.

»Alter, solltest du dich nicht langsam an die Arbeit machen?« Gregori neigte den Kopf in Richtung der langen Schlange aus Frauen.

Arbeit war das richtige Wort, dachte Ian. Mit Toni zu flirten hatte ihm Spaß gemacht, aber der Gedanke daran, all diese Frauen zu bezirzen, erschien ihm wie eine lästige Pflicht. »Ich brauche erst noch einen Drink.« Er setzte sich hin und genehmigte sich einen großen Schluck von seinem Blier.

Gregori zog einen Stuhl vom Tisch, damit Toni sich setzen konnte. »Welches College besuchst du?«

»NYU.« Sie setzte sich.

Direkt neben sie platzierte sich Gregori. »Da habe ich meinen MBA gemacht.«

»Ich habe meinen Bachelor in Wirtschaft.«

Ian fühlte sich allein gelassen und ungebildet und kippte noch mehr von seinem Blier hinunter. Verdammt, er hätte ihr selber den Stuhl hervorziehen sollen.

Ganz interessiert beugte Gregori sich zu ihr. »Hey, gibt es noch den alten Professor Hudgins? Klein, Glatze, trägt eine Fliege. Sieht aus und spricht wie Elmer Fudd. ›Heuteeee wollen wir über hohe Zinsraaaten bei Kreditkaaaarten sprechen‹.«

Toni lachte, und es klang wie Himmelsmusik. Gleichzeitig nahm Ian auch einen Unterton aus Grollen und Fluchen wahr. Die fünfzig Vampirfrauen waren sauer. Zweifellos gefiel es ihnen nicht, warten zu müssen, während er mit einer Sterblichen redete.

Endlich hörte sie auf zu lachen und sah Ian an. »Gregori kann wirklich gut Leute nachmachen. Er ist echt lustig.«

»Ich habe dir einen Drink mitgebracht.« Das war ja wirklich geschmeidig, rügte er sich selbst.

»Danke.« Toni nahm einen Schluck.

»Worauf zum Henker wartest du noch?«, rief Tempest vom Anfang der langen Schlange.

Ian stöhnte innerlich auf.

»Die Eingeborenen werden langsam rastlos", bemerkte Toni. Sie warf einen Blick auf die Bar und sprang plötzlich auf, als zwei Frauen sich in den Club teleportierten.

»Alles in Ordnung?«, fragte Ian besorgt.

Sie setzte sich wieder. »Ich bin wohl nur... nervös, hier zu sein.«

»Tanz mit mir", schlug Gregori vor. »Ich sage dem DJ, sie soll sich wieder an die Arbeit machen.« Er bewegte sich auf die Tanzfläche zu.

Toni sah ihm nach. »Ist Gregori ein Vampir?«

»Aye, noch sehr jung. Er wurde nach der Erfindung des synthetischen Blutes verwandelt, also ist er ganz Flaschenkind.«

Toni verzog das Gesicht, als die laute hämmernde Musik losging. »Oh Gott, nein. Disco?«

»Gregori steht drauf. Bleibst du bei ihm, bis du nach Hause gehen willst?«

»Ich kann auf mich selber aufpassen.«

»Toni.« Ian beugte sich vor. »Hinter dir stehen fünfzig Vampirfrauen, die dich alle mit ihren Blicken zu töten versuchen. Bitte bleib bei Gregori.«

Sie warf einen Blick über ihre Schulter. »Okay, ich verstehe, was du meinst. Ich werde dann wohl mal... abhotten gehen.«

Sie stand auf und strich den Hauch von einem Rock glatt. »Viel Glück mit deinen Dates. Auch wenn ich sagen muss, du verschwendest deine Zeit.«

Mit hoch erhobenem Kopf stolzierte sie an den wütend starrenden Frauen vorbei, wie ein Engel, der den düsteren Mächten furchtlos entgegentritt. Aber warum hielt sie seine Verabredungen für Zeitverschwendung? Glaubte sie, es war unmöglich für ihn, die wahre Liebe zu finden?

»Hey!«, rief Tempest. »Können wir endlich anfangen?«

»Aye, lasst uns anfangen.« Ian stellte den Timer ein.

Ohne Vorwarnung rannte Tempest vor, schlang ihm die Arme um den Hals und küsste ihn auf die Wange.

Ian löste sich aus ihrem Griff. »Setz dich doch, bitte.«

»Klar.« Sie kletterte auf seinen Schoß.

»Was machst du da?«

»Sitzen.« Sie fuhr mit ihren schwarz lackierten Fingernägeln seine Brust hinab. »Weißt du, warum man mich Tempest nennt? Weil ich wild bin wie ein Orkan.«

»Ich dachte, wir könnten uns erst ein wenig unterhalten. Die Ruhe vor dem Sturm, verstehst du?«

Demonstrativ riss sie ihm das Lederband aus den Haaren und kratzte an seiner Kopfhaut. »Warum schickst du die anderen Mädchen nicht nach Hause?« Sie packte seine Haare. »Wir könnten schöne wilde Sachen zusammen machen.«

»Ich kenne dich doch gar nicht.« Er löste ihre Finger.

»Was gibt es da zu wissen?« Sie knabberte an seinem Hals.

»Na ja, ähm, womit verdienst du deinen Lebensunterhalt?«

Ihr Lachen war leise und kehlig. »Ich lebe nicht, Dummerchen. Ich bin untot.«

»Aye, aber wir müssen trotzdem unsere Rechnungen bezahlen.«

»Wenn ich etwas brauche, nehme ich es mir einfach.« Sie schnappte nach seinem Ohr. »Und gerade jetzt brauche ich dich.«

»Was soll das heißen, du nimmst es?«

»Ich nehme mir Zeug von Sterblichen. Geld, Kleidung und so.«

»Du bestiehlst sie?«

Mit einem ungeduldigen Schnaufen lehnte sie sich zurück. »Es ist nicht Stehlen, wenn die es nie merken. Es ist so was von einfach mit deren Gedanken zu spielen. Im Moment wohne ich gratis in dieser tollen Anlage, weil der Manager glaubt, ich zahle Miete.«

Warum hatte er geglaubt, alle Vampire waren wie er selbst? »Ich fürchte, wir passen nicht zusammen.«

»Was soll das heißen?«

Er hob sie hoch, stand auf und stellte sie auf dem Boden ab. »Es war nett, dich kennenzulernen.«

»Du lässt mich einfach stehen?«, kreischte sie. »Niemand lässt mich einfach stehen!« Sie schleuderte ihm den Rest von Tonis Cola ins Gesicht und stapfte dann leise fluchend davon.

Ian trocknete sich das Gesicht mit einer Cocktailserviette ab. Eine geschafft, blieben noch neunundvierzig. Vielleicht hatte Toni recht und er verschwendete wirklich seine Zeit. Er sah zur Tanzfläche. Gregori wackelte mit den Hüften und zeigte mit einem Finger auf und ab. Mit einem Lachen machte Toni es ihm nach.

Ian seufzte und winkte sein zweites Date heran.

Eine hübsche Blondine glitt auf ihn zu. »Hi, erinnerst du dich? Ich bin Moonbeam.«

»Wie geht es dir?« Er setzte sich und startete den Timer neu.

Moonbeam setzte sich ihm gegenüber. »Also, ich sollte dir wohl etwas von mir erzählen. Ich bin Wassermann.«

»Wie nett.«

»Ich wurde 1950 geboren. Mein Name war Mary. Langweilig, ich weiß. Meine Eltern waren echt total spießig. Ich bin weggelaufen, als ich sechzehn war, um gegen den Krieg zu demonstrieren. Ich hasse den Krieg echt total.«

Das war wohl kein guter Augenblick, um zu erwähnen, dass er ein Krieger war. Ian bemerkte, dass Gregori Toni im Kreis herumwirbelte.

»Ich bin nach San Francisco gegangen, ist ja klar.« Moonbeam fummelte an den Perlen um ihren Hals. »Damals ist dort einfach alles passiert, weißt du.«

»Was ist passiert?«

»Einfach alles, Mensch. Flower Power. Make love, not war. Ich bin echt total gegen jede Art von Gewalt.«

»Dann würdest du nie einen Sterblichen manipulieren oder ihn betrügen, um daraus Gewinn zu schlagen?«

»Lieber Gott, nein. Das wäre echt total schlecht für mein Karma.«

Ian nickte. Diese hatte vielleicht Potenzial. Wenigstens schienen ihre Moralvorstellungen zu stimmen.

»Also, da war ich total drauf auf echt gutem Acid und in einer echt total guten Orgie, als dieser Typ wie aus dem Nichts auftaucht und mich in den Hals beißt. Ich war echt total geknickt, auf einmal tot aufzuwachen.«

Ian blinzelte. »Verstehe.« Sein Blick wanderte zurück zu Toni. Hin und wieder, wenn jemand sich teleportierte, wirbelte sie wie ein Blitz herum. War sie so schreckhaft oder hatte sie Angst vor Teleportation? In dem Fall sollte er sie lieber nach Hause fahren. Der Gedanke, so dem Club zu entkommen, erschien ihm ausgezeichnet.

Der Timer klingelte, und er merkte, dass Moonbeam immer noch redete. Er stand auf. »Ich fürchte, deine Zeit ist abgelaufen.«

»Okay. Peace.« Sie umarmte ihn und glitt davon.

Ian bedeutete Cindy vorzutreten. Sie begann einen langen Vortrag über ihre letzten zweihundertdreizehn Liebhaber, während Ians Aufmerksamkeit zurück zur Tanzfläche wanderte. Die Musik wurde langsamer, und Gregori nahm Toni in seine Arme. Verdammt, Gregori sollte auf sie aufpassen, nicht sie zerfleischen.

Nach zwei weiteren Gesprächen schlenderte Vanda auf ihn zu. Sie grinste dabei. »Geschafft! Alles ist vorbereitet.«

Voller böser Vorahnungen erhob sich Ian. »Was hast du gemacht?«

»Sieh mich nicht so besorgt an. Es wird toll. Morgen Nacht, um Mitternacht, kommt Corky Courrant hierher!«

»Der Barrakuda?« Jeder wusste, dass die Reporterin von »Live mit den Untoten" bösartig war. »Warum kommt sie hierher?«

»Um dich zu interviewen!«, verkündete Vanda.

Ian trat einen Schritt zurück. »Vanda, nein. Zum Teufel, nein.«

»Das wird lustig! Vertrau mir.«

Er schüttelte den Kopf. »Dabei kann nichts Gutes herauskommen. Die Frau ist ein Monster.«

»Sei nicht so ein Weichei!« Vanda piekste ihn in die Brust. »Corkys Show wird auf der ganzen Welt übertragen. Jeder Vampir auf Erden wird dich sehen. Und meinen Club. Das ist brillant!«

»Was ist brillant?« Gregori kam mit Toni auf sie zu.

»Ian macht mit bei ›Live mit den Untoten‹. Sie kommen morgen, um ihn zu interviewen", prahlte Vanda.

»Du kommst ins Fernsehen?« Toni blickte Ian erstaunt an.

»Auf DVN", erklärte Vanda.

»Digital Vampire Network", fügte Ian hinzu. »Wir empfangen es im Stadthaus. Aber ich mache bestimmt nicht bei der Sendung mit.«

»Natürlich wirst du", zischte Vanda. »Ich habe stundenlang dafür gearbeitet. Alles ist abgemacht.«

»Pass mit Corky Courrant bloß auf", warnte Gregori ihn.

»Wer ist das?«, wollte Toni wissen.

»Der Star der Show.« Gregori breitete sein Hände vor seiner Brust aus. »Sie hat die riesigsten" - Ian stieß ihm seinen Ellenbogen in die Rippen - »Werbeblöcke", beendete Gregori seinen Satz.

»Möchtest du nach Hause?«, fragte Ian Toni. »Ich kann dich fahren.«

Vanda packte ihn am Arm. »Du gehst nirgendwo hin. Alle diese Frauen warten auf ihre Chance, sich mit dir zu unterhalten.«

»Ich kann Toni teleportieren", bot Gregori an.

»Aber vielleicht will sie nicht teleportiert werden", protestierte Ian.

»Ich komme schon klar.« Toni lächelte ihn ermutigend an. »Ich kann es kaum abwarten, dich im Fernsehen zu sehen.«

Ian seufzte. Vielleicht sollte er die Sache durchziehen. Er wollte weder Vanda noch Toni enttäuschen. Und wie schlimm konnte es schon werden? »Gregori, kann ich unter vier Augen mit dir sprechen?«

»Klar.« Gregori ging ein Stück mit ihm. »Was ist los?«

»Ich - äh - ich dachte, du könntest mir vielleicht einen Rat geben.«

»Läuft es nicht so gut mit deinen Dates?«, flüsterte Gregori.

»Es fühlt sich an wie Vorstellungsgespräche. Ich fühle einfach keine Verbindung zu denen.« Nicht so wie mit Toni.

Gregori legte Ian eine Hand auf die Schulter. »Alter, du schaffst das schon. Du musstest den Ladys jahrhundertelang jede Nacht eine Ration Blut abschwatzen.«

Ian seufzte. »Dabei habe ich mich nie sehr geschickt angestellt. Das hat auch niemand erwartet. Ich habe so jung ausgesehen, auch wenn ich mich innerlich alt gefühlt habe. Und jetzt sehe ich äußerlich älter aus, fühle mich aber wie ein grüner Junge. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

»Du musst einfach an deinen Kommunikationsfähigkeiten arbeiten. Erstens: Trainiere, ein guter Zuhörer zu sein. Frauen reden gern über ihre Gefühle. Selbst wenn es total langweilig ist, musst du nicken und weiter zuhören.«

»Okay.«

»Du solltest immer mit Phrasen wie ›Wie interessant, erzähl mir mehr‹ antworten.«

»Wie interessant", wiederholte Ian. »Erzähl mir mehr.«

»Genau so. Was auch gut kommt: ›Du hast vollkommen recht. Wie klug von dir.‹ Frauen mögen es, wenn man ihnen wegen ihrer Intelligenz Komplimente macht.«

»Okay.« Ian wiederholte die Phrasen »Danke.« Er ging mit Gregori an den Tisch zurück. Vanda war bereits in ihr Büro abgerauscht.

»Gute Nacht, Ian.« Toni lächelte ihn schüchtern an.

»Gute Nacht, Toni.« Mein Gott, er wollte sie so gern berühren. Sie noch einmal küssen.

Gregori klopfte ihm auf die Schulter. »Bis später, Alter. Gehen wir, Toni.« Er führte sie auf die Tanzfläche.

Mit einem resignierten Lächeln bedeutete Ian seinem nächsten Date vorzutreten.

»Hi, ich bin Amy.«

»Bitte setz dich doch.« Ian sah hinüber zu Gregori. Er hielt Toni eng an sich gedrückt. Das war nötig, wenn man sich mit einem Sterblichen teleportierte, aber dadurch wurde der Anblick nicht gerade erträglicher.

»Mensch, als ich dein Bild im Internet gesehen hab, dachte ich schon, du bist echt sexy", setzte Amy an, »aber ich schwöre es dir, in echt siehst du noch viel besser aus!«

»Wie interessant", murmelte Ian. »Erzähl mir mehr.« Verdammt, Toni legte ihre Arme um Gregoris Hals.

»Du willst, dass ich dir erzähle, wie gut du aussiehst?«, fragte Amy. »Ist das nicht etwas eitel?«

»Du hast vollkommen recht. Wie klug von dir.«

»Du Ekel! Ich bin raus.« Sie stapfte davon.

Stöhnend ergab er sich in sein Schicksal. Diese höllische Nacht würde nie ein Ende nehmen.

****

Toni und Gregori kamen auf der hinteren Veranda des Stadthauses an, und sie benutzte ihren Spezialschlüssel, um die Alarmanlage auszuschalten und die Tür zu öffnen. Er wünschte ihr eine gute Nacht und teleportierte sich dann zurück ins Horny Devils, um weiterzutanzen. Es war seltsam, aber sie hatte im Vampirnachtclub wirklich Spaß gehabt.

Im Gegensatz zu Ian, der todunglücklich ausgesehen hatte. Sie gab es nicht gern zu, aber einem Teil von ihr hatte dieses Elend gefallen. Seine Theorie, dass nur ein Vampir ihn verstehen konnte, war so was von falsch. Diese dumpfbackigen Blutsauger waren nicht gut genug für ihn.

Sie eilte die Treppe hinauf und in ihr Schlafzimmer, um den Überwachungskameras zu entgehen. Dort ließ sie ihre Handtasche auf ihr Bett fallen und rief Carlos an. »Wo bist du gerade?«

»Ich bin seit fünf Minuten wieder in meiner Wohnung", antwortete er. »Ich sehe mir gerade den Monitor an, der mit deiner Kamera verbunden ist. Er ist ein paar Sekunden lang schwarz geworden.«

»Das lag an der Teleportation. Ist das der Beweis, den wir brauchen?«

»Nein. Es sah einfach so aus, als hätte die Kamera ausgesetzt. Also ist das, was ich jetzt sehe, dein luxuriöses Schlafzimmer?«

»Ja.« Toni nahm die Kamera von ihrer Weste und schaltete sie aus.

»Hey!«, protestierte Carlos durch das Telefon. »Ich wollte eine Führung durch das Haus.«

»Und ich will zu Bett.« Sie legte die Kamera in eine Schublade ihrer Kommode. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich einen der Vampire beim Teleportieren erwischt habe, weil die immer ohne Vorwarnung aufgetaucht sind. Es war echt frustrierend.« Allerdings nicht so frustrierend, wie dabei zuzusehen, wie diese gruseligen Vampirfrauen sich Ian an den Hals warfen.

»Ich weiß es auch nicht", antwortete Carlos. »Ich muss mir das Band noch einmal ansehen.«

»Wenn es nicht funktioniert hat, habe ich noch eine Idee.« Toni öffnete den Schrank gegenüber von ihrem Bett. Darin befand sich ein Fernseher, den sie bisher noch nicht angeschaltet hatte. »Die Vampire haben ihren eigenen Fernsehsender namens DVN.«

»Wirklich? Auf welcher Frequenz liegt der?«

»Ich weiß es nicht.« Sie schaltete den Fernseher an. »Ich glaube, ich sehe gerade Werbung. Für etwas namens Vampos. Scheint ein Pfefferminzbonbon zu sein, gegen schlechten Atem nach dem Bluttrinken.«

Carlos lachte.

»Ich meine es ernst. Jetzt sehe ich eine Fledermaus, die mit den Flügeln flattert. Und darunter steht: ›DVN, Rund um die Uhr auf Sendung, weil irgendwo immer Nacht ist‹.«

»Klingt interessant. Ich versuche mal, die anzuzapfen.«

»Jetzt kommt eine Seifenoper. ›Wie der Vampir sich wendet‹. Wenn wir das aufzeichnen können, beweist das dann nicht, dass es Vampire gibt?«

»Nicht wirklich", sagte Carlos. »Es ist nicht ungewöhnlich, Vampire im Fernsehen der Sterblichen zu sehen.«

»Aber was ist mit der Werbung?«

»In der Werbung gibt es doch ständig sprechende Eidechsen und Höhlenmenschen. Das bedeutet nicht, dass es sie auch wirklich gibt.«

»Da bin ich anderer Ansicht. Ich bin schon mit ein paar Höhlenmenschen ausgegangen.« Sie stellte den Fernseher aus und fragte sich, wie es Ian wohl ging. Hatte er seine strahlende sternengekrönte Prinzessin schon gefunden? War sie so atemberaubend, dass er ihren Kuss schon vergessen hatte?

»Merda", murmelte Carlos. »Ich glaube nicht, dass die Aufnahmen aus dem Club uns irgendwas bringen. Jedes Mal wenn du dich zu einem teleportierenden Vampir umgedreht hast, ist das Bild verschwommen.«

»Verdammt.« Wie in aller Welt sollten sie beweisen, dass Vampire tatsächlich existierten?

»Und ich fürchte, wir haben noch ein Problem", fuhr Carlos fort. »Ich habe das Haus der Proctors gefunden.«

»Hast du? Was ist passiert?«

»Ich habe mit dem Dienstmädchen gesprochen, Maria. Sie kommt aus Kolumbien, und mein Spanisch ist zum Glück ganz gut. Sie hat gesagt, dein Anruf hat die Proctors sehr nervös gemacht.«

»Oh nein.« Toni warf ihre Stiefel in den Wandschrank. »Hat sie gesagt, ob es Sabrina gut geht?«

»Sie war in einem Schlafzimmer im oberen Stock eingesperrt. Maria hat sie zweimal gesehen, und beide Male hat sie geschlafen.«

»Ich fürchte, ihr Onkel setzt sie unter Drogen.«

»Das stimmt. Maria hat gesagt, er gibt ihr Haldol. Das ist ein starkes Antipsychotikum. Wirft normalerweise jeden um.«

»Das ist ja ganz schrecklich.« Toni begann, im Zimmer auf und ab zu gehen.

»Es wird noch schlimmer. Als ich gekommen bin, hatten die Proctors Sabrina schon irgendwo anders hingebracht. Maria hat mir erzählt, es war von einer Nervenheilanstalt die Rede.«

»Oh nein!« Toni ließ sich auf ihr Bett fallen. »Warum machen die das?«

»Ich weiß es nicht, aber du kannst darauf wetten, dass es etwas mit dem Geld zu tun hat, das Bri erben soll. Ich finde morgen mehr heraus, da habe ich ein Date mit Maria.«

»Ein Date? Aber bist du nicht...«

»Ich arbeite undercover", sagte Carlos. »Die Proctors geben Maria jeden Freitagabend frei, weil sie selber gern ausgehen. Also werde ich sie davon überzeugen, mich in Onkel Joes Arbeitszimmer zu lassen. Das dürfte nicht so schwer werden. Sie hasst ihn, weil er sie immer in den Hintern kneift, wenn seine Frau nicht hinsieht.«

»Oh, was für ein toller Kerl.«

»Ich rufe dich morgen Abend wieder an. Hoffentlich kann ich herausfinden, in welche Anstalt sie Sabrina gebracht haben.«

»Ich hoffe es auch. Danke, Carlos.« Toni legte auf. Arme Bri. Wenn sie wirklich in einer Irrenanstalt festsaß, musste sie so schnell wie möglich gerettet werden. Carlos würde helfen.

Toni atmete tief durch. Sie hatte ihre Großmutter im Stich gelassen, und seither nagten Schuldgefühle an ihr. Sabrina würde sie nicht im Stich lassen.

****

Jedrek Janow saß, die Füße auf dem Tisch, in seinem Sessel und sah DVN. Er konnte nicht glauben, wie viele Informationen einfach so in die Welt geschickt wurden. Die Nachrichtensprecherin der »Nightly News" hatte tatsächlich berichtet, dass die Vampire noch keine Ahnung hatten, wo sich der feindliche Kriegsherr Casimir aufhielt. Jedrek hoffte, Casimir sah zu. Der Teil mit dem feindlichen Kriegsherrn hätte ihm gefallen.

Dann kam eine Show namens »Live mit den Untoten", und eine gut bestückte Blondine verkündete, dass Roman Draganesti und seine sterbliche Frau im Mai ihr zweites Kind erwarteten.

Jedrek schnaubte. Wozu Spione bezahlen, wenn man so viel umsonst erfahren konnte? Leider begann jetzt eine dämliche Seifenoper. Er stellte den Fernseher aus und seine Füße wieder auf den Boden. Er nahm die Fotos, die Yuri ihm letzte Nacht gebracht hatte, zur Hand und blätterte sie durch.

Aus einer Ecke seines Büros kam ein Wimmern. Nadia weinte noch immer.

»Halts Maul. Ich kann mich bei deinem Geplärre nicht konzentrieren.«

Sie schniefte. »Ich vermisse meine Freunde.«

Natürlich tat sie das. Aber der erste Schritt dabei, diese Schlampe zu brechen, war Isolation. Er würde sie die ganze Nacht in der Ecke sitzen lassen. »Habe ich gesagt, du darfst sprechen?«

Tränen rollten ihr Gesicht hinab. »Ich habe solchen Hunger.«

Natürlich hatte sie den. Er hatte am frühen Abend etwas von einer sterblichen Gefangenen getrunken, die er sich ins Büro hatte bringen lassen, und Nadia hatte er gezwungen, dabei zuzusehen. Und selbst hungrig zu bleiben. »Ich habe Yuri gesagt, er soll mir einen neuen Snack bringen. Eine Blonde. Vielleicht lasse ich dich dieses Mal kosten.«

»Ja, bitte.«

»Und wenn du fertig getrunken hast, wirst du die Blonde umbringen, um mir eine Freude zu machen.«

Nadia wurde blass.

»Wenn du trinken willst, musst du sie umbringen.«

Ihre Schultern sackten zusammen. »Ja, Sir.«

»Das heißt: ja, Meister.«