23. KAPITEL
»Du siehst sehr gut aus.« Toni rückte seine schwarze Krawatte zurecht. Er war gerade in der Gasse hinter dem Haus der Proctors in Westchester aufgetaucht.
»Ich soll aber gruselig aussehen", murmelte er.
Sexy traf es besser. Toni fuhr mit den Fingern über seinen eleganten schwarzen Smoking. Sein schwarzes Satincape war rot gefüttert, und sein schwarzes Haar lockte sich in seinem Stehkragen. »Würde ich einen Vampirfilm drehen, ich würde dich sofort engagieren.«
Carlos räusperte sich. »Wenn ihr zwei damit fertig seid, euch gegenseitig zu bewundern, können wir anfangen.« Er ging auf die hintere Küchentür zu und klopfte leise an.
Das Hausmädchen sah aus dem Fenster und lächelte, als Carlos ihr zuwinkte. Sie öffnete die Tür und sprach in leisem Spanisch mit ihm. Er deutete auf Toni und Ian, und das Hausmädchen nickte.
»Maria lässt mich die Hintertreppe hochschleichen", sagte Carlos zu ihnen. »Ich sammle Bris Sachen zusammen und treffe euch dann hier unten. Sie sagt, der Doktor ist in der Bibliothek im vorderen Teil des Hauses.«
»Ich gehe ums Haus.« Ian verschwand in den Schatten.
Carlos schlich die Hintertreppe hinauf, und das Hausmädchen begleitete Toni in die Bibliothek.
Dr. Joe Proctor ging hinter seinem Schreibtisch auf und ab und telefonierte mit seinem Handy. »Hören Sie, Jenkins, Sie sollen der beste Privatdetektiv sein, den es gibt. Sagen Sie mir nicht, Sie können nicht einmal ein lausiges Mädchen finden.« Er hielt inne und rieb sich mit der Hand über den kahl werdenden Kopf. »Ja, mir ist klar, dass sie wahrscheinlich Hilfe hat. Es ist...« Er entdeckte Toni am Eingang zur Bibliothek. »Ich rufe Sie zurück.«
Er ließ das Telefon auf den Tisch fallen und ging auf Toni zu. »Wer sind Sie?«
»Ich bin Toni Davis, Sabrinas Mitbewohnerin.«
Erst zögerte er, doch dann setzte er ein breites Lächeln auf. »Toni, wie wunderbar, Sie kennenzulernen. Sie müssen sich furchtbare Sorgen um Sabrina machen. Ich versichere Ihnen, ich scheue keine Kosten, um sie zu finden. Sie wissen nicht zufällig etwas über ihr Verschwinden, oder doch?«
»Sie werden sie nie finden.«
Sein Lächeln verzog sich zu einer Grimasse. »Sie haben ihr geholfen zu entkommen, nicht?« Er ging zurück zu seinem Schreibtisch und nahm sein Telefon. »Ich übergebe Sie der Polizei. Sie können natürlich vermeiden, verhaftet zu werden, wenn Sie mir einfach sagen, wo Sabrina ist.«
»Machen Sie nur. Rufen Sie die Polizei. Ich würde gerne einige Verbrechen anzeigen. Mal sehen, zuerst wäre da medizinische Fehlbehandlung, weil Sie Bri Wahnvorstellungen attestiert haben, obwohl sie keine hatte.«
Er hob sein Kinn. »Jeder andere Psychiater würde meiner Diagnose zustimmen.«
»Und dann ist da noch die Unterschlagung ihres Treuhandvermögens, und dass Sie Bri zu Ihrer Gefangenen gemacht haben, damit Sie noch mehr von ihrem Geld stehlen können.«
Langsam klappte er sein Telefon zu. »Sie können nichts davon beweisen.«
Toni schlenderte auf ihn zu. »Wenn die Polizei erst einmal Nachforschungen über Ihre finanzielle Lage anstellt, wird das alles ans Licht kommen. Sie haben Sabrina gefangen gehalten. Sie haben ihren Verstand mit Medikamenten vergiftet. Sie haben versucht, ihr das Leben zu rauben.«
»Nein, nein.« Er wedelte mit einer Hand in der Luft. »Ich hätte sie nicht für immer eingesperrt. Ich brauchte nur etwas Geld, um ein paar Spielschulden zu begleichen.«
»Und danach noch mehr Spielschulden.«
Proctor kniff die Augen zusammen. »Diese Typen hätten mich umgebracht. Ich hatte keine Wahl.«
»Diese Typen sind das Geringste Ihrer Probleme. Haben Sie sich je gefragt, wie es Bri gelungen ist zu entkommen?«
Der Kerl wurde misstrauisch. »Natürlich habe ich mich das gefragt.«
»Sie haben sie eingesperrt, weil sie gesagt hat, dass es Vampire gibt. Aber nur ein Vampir konnte ihr dabei helfen zu entkommen.«
»Sie sind genauso wahnsinnig wie Sabrina.« Proctors Augen leuchteten auf. »Ich lasse Sie mit ihr zusammen einsperren.«
Toni lächelte. »Das können Sie gern versuchen. Aber zuerst möchte ich Ihnen noch jemanden vorstellen.« Sie hob ihre Hand, um Ian ein Zeichen zu geben, der draußen neben dem Fenster wartete.
Sein Körper materialisierte sich in der Mitte des Raumes.
Proctor keuchte erschreckt auf und stolperte zurück. »Was? Das - das ist ein Trick.«
Ian hob seine Arme und breitete sein Cape weit aus. »Du glaubst nicht an die Existenz der Untoten?«
Toni biss sich auf die Lippe, um nicht zu lachen. Ians gestellter transsilvanischer Akzent hatte immer noch einen schottischen Einschlag.
»Un-unmöglich", hauchte Proctor.
In Vampirgeschwindigkeit sauste Ian auf den Schreibtisch zu. Proctor stolperte zurück und prallte gegen das Regal.
»Du wirst an uns glauben.« Ian erhob sich in die Luft.
Toni zuckte zusammen, als er mit dem Kopf gegen die Decke stieß. Wenigstens sah Proctor wirklich verängstigt aus und duckte sich hinter seinen Schreibtisch. Sie fand ihn dagegen unglaublich niedlich.
Dann ließ sich der gruseligste aller Vampire auf den Tisch fallen. Seine Augen blitzten blau auf und seine Fangzähne sprangen hervor. Das war nicht sehr niedlich.
Proctor kauerte sich auf dem Boden zusammen und hob seine Arme in einer abwehrenden Geste. »Tu mir nicht weh. Bitte.«
Mit einem Fauchen warf Ian sein Cape über seine breiten Schultern zurück. Toni schwankte, so weich wurden ihre Knie. Liebe Güte, er war ganz im Monster-Modus, und sie konnte nur denken Beiß mich. Wie merkwürdig, dass der Angriff der Malcontents sie verschreckt und geekelt hatte, der Gedanke an Ians Biss ihr aber vor Vorfreude einen wohligen Schauer über die Haut laufen ließ.
Ihr Gesicht glühte, und ihr Körper glühte vor Erregung. Sie spürte, wie das Blut in ihren Adern rauschte. Es rauschte schneller und schneller, als müsste es aus ihr entkommen, als würde es nach ihm rufen.
Ian sah sich nach Toni um, und eine Welle der Lust riss sie fast von den Füßen. Sie keuchte, als das blaue Leuchten seiner Augen zu heißem Rot wurde. Oh Gott, er wusste, dass sie erregt war.
Schnell trat sie einen Schritt zurück und legte eine Hand an ihren Hals. Ihr Herz schlug wie wild. Ihre Schenkel pressten sich mit plötzlichem heißen Begehren zusammen. Liebe Güte, kein Wunder, dass ihm die Frauen jahrhundertelang freiwillig ihr Blut angeboten hatten.
Ian drehte sich zu Proctor um, der bebend auf dem Boden lag. Er streckte seinen rechten Arm aus, und Proctor zuckte zusammen, als hätte ihn eine unsichtbare Kraft geschlagen.
»Du bist unter meiner Kontrolle.« Ians Augen leuchteten intensiv blau, und Toni wusste plötzlich, dass er Gedankenkontrolle benutzte. »Du bist mir untergeben, und ich bin dein Meister.«
»Du bist mir untergeben, und ich bin dein Meister", flüsterte Proctor mit großen glasigen Augen.
Ian verzog das Gesicht. »Nay. Ich bin der Meister.«
»Du bist der Meister", echote Proctor.
Toni unterdrückte ein Grinsen. Ian war nicht sehr gut darin, ein böses Monster darzustellen. Kein Wunder, dass er ihr so gefiel.
»Höre zu und gehorche", befahl Ian, »du wirst Sabrina nie wieder bestehlen. Du wirst dich nicht mehr in ihr Leben einmischen. Du wirst ihr ein ehrenhafter Onkel sein. Verstanden?«
»Ja, Meister.«
Ian wendete sich an Toni. »Noch irgendwas?«
»Er soll die Polizei zurückrufen", flüsterte sie.
Ian streckte die Arme wieder aus. »Du wirst aufhören, nach Sabrina und Teddy zu suchen. Du wirst der Polizei sagen, dass alles ein Missverständnis war. Du wirst die korrekten Entlassungspapiere ausfüllen. Du wirst nie wieder spielen. Und du bezahlst deine Schulden aus deinen eigenen Ersparnissen ab.«
Proctor nickte. »Ja, Meister.«
Ian sprang vom Tisch und stellte sich neben den Doktor. »Du wirst niemandem von heute Nacht erzählen. Ich weiß, wo ich dich finden kann, Joseph Proctor.«
»Ja, Meister.«
»Seid ihr fertig?«, fragte Carlos von der Tür aus, die Arme voll mit Bris Besitztümern.
Das Hausmädchen sah Ian neugierig an.
»Eins noch.« Ian drehte sich noch einmal zu Proctor um. »Du wirst dein Hausmädchen ab jetzt mit Respekt behandeln.« Er legte seine Hand auf Proctors Kopf, und der Doktor sackte in sich zusammen und fiel in einen tiefen Schlaf.
»Danke, Señor.« Maria bekreuzigte sich und führte sie zur Hintertür. »Geht es Sabrina gut?«
»Ja", antwortete Toni, »danke für Ihre Hilfe.«
» Gracias. " Carlos küsste das Mädchen auf die Wange.
Maria kicherte, als sie die Tür hinter ihnen schloss.
»Du warst wunderbar!« Toni umarmte Ian. »Danke.«
Er lächelte und küsste ihre Stirn.
»Nehmt euch ein Zimmer", murmelte Carlos auf dem Weg zu seinem Wagen. Er schmiss Bris Sachen in den Kofferraum.
»Zoltan und Jack kommen noch vor Sonnenaufgang. Es gibt bei Romatech nicht genug Platz für alle, deshalb werden wir im Stadthaus schlafen.«
»Meinst du wirklich, ihr seid dort sicher?«, fragte Toni.
»Tagsüber schon", antwortete Ian. »Die Malcontents werden genauso tot sein wie wir. Und Howard verbringt den Tag dort. Carlos ebenfalls.«
»In Ordnung.« Toni blieb neben Carlos' Jaguar stehen. »Kommst du mit, Dracula?«
»Bis später, Kleines.« Ian verschwand.
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Doch sie sah ihn später nicht mehr. Nachdem Carlos und sie zurück zu Romatech gefahren waren und Sabrina und Teddy die guten Nachrichten überbracht hatten, wollte Bri sofort nach Hause gehen, um Vanderkitty zu sehen. Und dann, als sie endlich wieder alle in ihrer alten Studentenbude waren, hatten sie chinesisches Essen bestellt und gefeiert.
Howard hatte Carlos gebeten, sofort als Wachposten anzufangen, also hatte Carlos ein paar Sachen gepackt, die er ins Stadthaus mitnehmen wollte. Toni musste ebenfalls einiges einpacken. Der Gedanke, Bri allein zu lassen, gefiel ihr gar nicht, also hatte Teddy angeboten, über Nacht in ihrer Wohnung zu bleiben.
Es war zehn Uhr abends, als Carlos und Toni in Roman Draganestis Stadthaus auf der Upper East Side ankamen, und sie brauchten noch eine weitere halbe Stunde, bis Carlos jeden einzelnen Raum angesehen und bewundert hatte. Er wählte das Schlafzimmer neben Tonis.
»Das ist perfekt für mich, Menina.« Er fuhr mit der Hand anerkennend über das Holz und das schmiedeeiserne Fußteil des Bettes. »Ich liebe dieses spanische Dekor.«
»Ich glaube, das Zimmer hat einer spanischen Lady aus dem Mittelalter gehört, die Maria Consuela hieß", sagte Toni.
»Was ist mit ihr passiert?« Carlos hievte seinen Koffer auf die rotsamtene Tagesdecke.
Toni versuchte, sich daran zu erinnern, was Dougal ihr über den ehemaligen Harem erzählt hatte, als sie vor Kurzem eingezogen war. Der Gedanke an einen Harem hatte sie so beleidigt, dass sie nur mit halbem Ohr zugehört hatte. »Mein Zimmer gehörte einer Prinzessin aus dem Mittelalter namens Joanna. Sie und Maria Consuela waren nicht sehr begeistert davon, Mitbesitzerinnen des Horny Devils zu werden, also haben sie Vanda ihre Anteile verkauft und sind zurück nach Europa gezogen. London, glaube ich.«
Carlos öffnete seinen Koffer und begann, seine Kleidung auszupacken. »Ich muss dir danken, mein Mädchen. Das ist der bestmögliche Job für mich. Howard hat gesagt, sie nehmen sogar auf meine Seminare Rücksicht, damit ich meinen Master zu Ende machen kann.«
»Das ist toll.« Belustigt betrachtete sie den Haufen knapper Tangas, den Carlos auftürmte. Einer war gefleckt wie ein Leopard, ein anderer gestreift wie ein Tiger.
»Und sie nehmen auch auf meine Forschungsreisen Rücksicht. Ich könnte nie einen anderen Arbeitgeber finden, der so verständnisvoll ist.«
»Na ja, die Vampire wissen eben, wie sehr sie Sterbliche brauchen, denen sie vertrauen können.« Nicht, dass Carlos selber ganz sterblich war. Carlos Panterra. Toni schlug sich in Gedanken gegen die Stirn. Sie hätte es wissen müssen. Sie zuckte zusammen, als er noch etwas auf das Bett legte. Liebe Güte. Das waren die größten Nagelknipser, die sie je gesehen hatte.
»Es ist einfach wunderbar, Menina. Ich wollte immer, dass mein Geheimnis... na ja, geheim bleibt, weißt du. Aber in diesem Job kann ich einfach ich selber sein. Dass ich ein Formwandler bin, macht mich sogar noch wertvoller. Und ich habe auch noch ein Heim für meine Waisen gefunden.«
Toni lächelte. »Das freut mich sehr für sie. Und dich.«
Carlos kam um das Bett herum und umarmte sie. »Ich danke dir so sehr.«
»Ich danke dir, Carlos. Du bist immer ein großartiger Freund gewesen.« Sie widerstand dem Bedürfnis, ihn hinter den Ohren zu kraulen. Er schnurrte sowieso schon fast. »Du kannst dich jetzt erst mal eingewöhnen. Wir müssen vor Sonnenaufgang aufstehen, weißt du.« Sie ging zur Tür.
Er griff sich einen Stapel Kleidung und trat zu einer dunklen, reich mit Schnitzereien verzierten Kommode. »Was hast du jetzt vor, Menina? Bleibst du bei Ian, oder gehst du zurück zu Sabrina?«
Das war die Frage des Tages. Toni berührte den Herzanhänger an ihrer Brust. »Ich hoffe, es kommt nicht zum Entweder-oder. Und dass Sabrina sich noch an alles gewöhnt.«
Carlos nickte. »Manchmal muss man es einfach wagen zu glauben.«
Toni ging in ihr Schlafzimmer und wiederholte diese Worte vor sich hin. Wage es zu glauben. Sie liebte Bri, und sie liebte Ian. Sie musste einfach daran glauben, dass am Ende alles gut ausging.
Sie verschlief schon wieder am nächsten Morgen und wachte erst auf, als Carlos an ihre Tür trommelte.
»Ich komme gleich runter", rief sie ihm zu. Verdammt, verdammt, verdammt. Sie hasste diese frühen Morgen. Sie beeilte sich unter der Dusche und warf sich in ihre Uniform. Während sie die Treppe herunterrannte, nahm sie ihre Haare mit einem Zopfgummi zusammen und entdecke Zoltan Csakvar und Giacomo di Venezia, besser bekannt als Jack, die die Treppe heraufkamen.
»Bellissima, du bist so bezaubernd wie immer.« Jack verbeugte sich.
Mann, war der aufgeblasen. Toni wusste das Kompliment zu schätzen. Aber sie wusste auch, dass ihre Männeruniform sackförmig und hässlich war, und sie trug nur sehr wenig Make-up. »Zieht ihr Jungs euch für die Nacht - ich meine für den Tag - zurück?«
»Ja. Wir haben Gästezimmer im dritten Stock", sagte Zoltan. Durch sein Gähnen und seinen ungarischen Akzent war es schwer, ihn zu verstehen.
»Bellissima, siehst du persönlich nach mir?« Jacks braune Augen funkelten.
»Wenn du willst, natürlich.«
»Molto bene. Ciao, Bellissima.« Jack ging einen weiteren Treppenabsatz hinauf.
Zoltan stapfte hinter ihm her. »Du willst nackt schlafen, oder?«
Jack lachte in sich hinein.
Toni verdrehte die Augen und rannte die Treppe hinab. Hoffentlich war Ian noch wach. Im Foyer traf sie Dougal und Phineas, die auf dem Weg in den Keller waren.
Phineas gähnte. »Gute Nacht, Süße.«
»Gute Nacht. Oder Morgen.« Diese Kerle verwirrten sie. »Habt ihr Ian gesehen?«
»Ist schon im Bett.« Dougal schloss die Kellertür hinter sich.
Zu spät. Verdammt. Es war schwer, einen Freund zu haben, der die Friedhofsschicht arbeitete. Sie schleppte sich in die Küche.
»Guten Morgen.« Howard saß lächelnd am Küchentisch und kaute an einer Bärentatze.
Schon wieder Donuts? Wenn sie so weiteraß, würde sie bald wirklich so breit wie ein Bär sein. Sie bemerkte, dass Carlos sich etwas aus einer Schüssel in den Mund löffelte. Es sah ein wenig gesünder aus. »Was isst du? Brekkies?«
Howard prustete los vor Lachen, während Carlos sie ausdruckslos ansah.
Toni lächelte süß. »Ich habe gehört, die gibt es jetzt mit Spezialformel gegen Haarknäuel.«
»Es sind Frühstücksflocken.« Carlos zeigte ihr ohne eine Miene zu verziehen die Packung.
»Hmm. Special K für Kätzchen? Darf ich auch etwas davon naschen?« Sie holte sich eine Schüssel.
»Wenn du deine Krallen wieder einfährst", murrte Carlos.
»Tut mir leid.« Sie tätschelte ihm den Kopf. Sie wusste, dass sie eklig war. Aber das war die Enttäuschung darüber, dass sie Ian nicht mehr gesehen hatte. Es dauerte noch sehr, sehr lange, bis die Sonne unterging.
Nach dem Frühstück bot sie an, nach ihm zu sehen. »Ist er im obersten Stock?«
»Ja.« Howard trank seinen Tee aus. Ohne Zweifel mit einer Extraportion Honig. »Was meinst du, Carlos? Bist du bereit für eine Sitzung in Kampfkunst? Ich würde gern sehen, wie gut du kämpfen kannst.«
»Abgemacht.« Carlos und Howard gingen die Kellertreppe hinab, und Toni begab sich in den vierten Stock.
Sie atmete etwas schwerer, als sie das Arbeitszimmer im obersten Stockwerk erreicht hatte. Der Raum war dunkel, die Aluminiumläden verschlossen. Eine leere Flasche Blut stand in der Spüle der Bar. Ian musste noch einen Snack getrunken haben, ehe er schlafen ging.
Sie öffnete die Doppeltüren, die ins Schlafzimmer führten. Aus dem halb verschlossenen Badezimmer drang Licht.
»Du hast das Licht angelassen. Schäm dich.« Sie ging auf die linke Seite des Bettes.
Dort lag Ian in einem weißen T-Shirt und dem karierten Pyjama aus Flanell. Er hatte die beige Wildledertagesdecke zurückgeschlagen und sich auf die kühlen Baumwolllaken gelegt. Sein Haar war von seinem Lederband befreit und schuf einen dramatischen Kontrast auf den weißen Kissen.
Er lag in der Position, die er für seinen Todesschlaf immer einnahm. Flach auf dem Rücken, Füße gen Decke gereckt, Hände auf dem flachen Bauch gefaltet. Er hatte diese Position wahrscheinlich in den Jahrhunderten, die er in einem Sarg geschlafen hatte, verinnerlicht.
Toni stutzte, als sie den Bereich unter seinen gefalteten Händen betrachtete. In seiner Pyjamahose war eine deutliche Beule zu sehen. Sie beugte sich vor, um genauer hinzusehen. Liebe Güte, er war steif in seinen Todesschlaf gefallen. Noch steifer konnte man kaum werden.
Sie richtete sich auf und atmete tief durch. »Ungezogener Junge", flüsterte sie und sah ihm in sein attraktives Gesicht. Der Schatten von dunklen Barthaaren lag auf seinem kräftigen Kiefer. Seine schwarzen Wimpern waren so dicht. Sie könnte ihn glatt dafür hassen, wenn sie ihn nicht so sehr lieben würde. Sie streckte die Hand aus, um das niedliche Grübchen in seinem Kinn zu berühren.
Seine Augen öffneten sich plötzlich, und sie schrak zusammen. Eine Hand legte sich fest um ihr Handgelenk.
»Überraschung.« Er zog sie in seine Arme und rollte sie aufs Bett.