20. KAPITEL
Ian fluchte noch einmal und zog seinen Weihnachtsmannmantel wieder an. Er knöpfte ihn in Vampirgeschwindigkeit zu und stieg dann rasch in seine Stiefel.
Was für ein verdammt furchtbares Timing. Er wäre versucht gewesen, die Sache Connor oder Angus zu überlassen, aber der Alarm war von einem dringenden gedanklichen Hilferuf von Phineas ausgelöst worden. Ian hatte dem jungen Vampir beigebracht, wie man mit dem Schwert kämpfte. Er musste für Phineas da sein, egal, wie sehr er Toni begehrte. Und, lieber Gott, er begehrte sie.
Sie hatte sich vorgebeugt, um ihre roten Strumpfhosen wieder anzuziehen. Ihr langes blondes Haar war nach vorne gefallen und verbarg ihr gerötetes Gesicht halb. Sie richtete sich auf und warf ihr Haar zurück, während sie ihre Strumpfhosen über ihre Hüften zerrte. Bei allen Heiligen, ihm war noch nie klar gewesen, wie sexy es sein konnte, Kleidung anzuziehen.
»Verdammter Mist", flüsterte er.
»Ist es schlimm?« Sie schnappte sich ihren BH vom Boden.
»Aye. Es ist geradezu schmerzhaft. Ich bin hart wie ein Stein und explodiere gleich.« Er legte sein Schwert an.
Toni hielt inne. »Ich meinte den Angriff.«
Er blickte aus dem Fenster, das auf den Parkplatz hinausführte. Es schneite immer noch, also konnte man nur schlecht sehen. »Ich kann sie draußen hören, Phineas muss seine Runde gegangen sein.«
Er richtete seinen Bart, die Perücke und die Mütze. »Bleib hier. Ich komme wieder, so schnell ich kann.«
»Aber ich sollte helfen. Das ist mein Job.« Schnell streifte sie ihr rotes T-Shirt über.
»Bleib hier", wiederholte er. »Draußen sind jede Menge Vampire, die sich darum kümmern können.«
»Du glaubst, ich bin nicht stark genug, um einen Malcontent zu besiegen, oder?«
»Ehrlich gesagt, würde ich es lieber nicht herausfinden.« Er teleportierte sich auf den Parkplatz und fand dort im Schnee die Spuren von den anderen Vampiren, die über den Gehweg in die Wälder gerannt waren. Er hörte das Zusammenprallen von Schwertern in der Ferne. Sein eigenes Schwert angriffsbereit in der Hand, eilte er den Geräuschen entgegen.
Als er das Waldgebiet erreichte, wurde der Schneefall weniger, als würden die Schneeflocken von einem Segel über ihm eingefangen werden. Er entdeckte ein Dutzend Weihnachtsmänner auf einer Lichtung. Sie standen ruhig, und jeder von ihnen hatte eine dünne Schneeschicht auf Mütze und Schultern. Sie hatten einen Kreis um zwei Männer gebildet, die sich duellierten. Phineas und ein Malcontent, der ganz in Schwarz gekleidet war. Sie umkreisten einander langsam.
Zwei weitere Weihnachtsmänner hielten einen anderen Malcontent mit ihren Schwertern in Schach. Sie richteten die Spitze auf ihn, um jederzeit sein Herz treffen zu können.
Ian schloss sich dem Kreis der Weihnachtsmänner an. »Was ist passiert?«, flüsterte er dem Mann rechts von sich zu.
»Phineas hat seine Runden in den Wäldern gemacht", antwortete Robby MacKay, den Ian erst jetzt erkannte, »zwei Malcontents haben ihn angesprungen, und er hat um Hilfe gerufen. Wir haben den Alarm ausgelöst und sind hergerannt.«
Schwerter klangen blechern, als der Malcontent sich auf Phineas stürzte. Er parierte den Angriff und zwang den Malcontent zum Rückzug.
»Den da haben wir eingefangen.« Robby zeigte mit einer Kopfbewegung zu dem anderen Mann. »Der andere hat Phineas zu einem Duell herausgefordert, und er hat angenommen.«
Ian betrachtete das Duell eingehend und schätzte die Fähigkeiten der beiden Gegner ab. Sie schienen sich ebenbürtig, auch wenn er in dem Russen mehr Verzweiflung entdeckte.
»Verschwinden wir, Stanislav!«, rief der gefangene Malcontent. »Machen wir, dass wir hier wegkommen!«
»Sobald ich sehe, wie sich dein Körper teleportiert, steche ich dir ins Herz", warnte ihn einer seiner Wächter. Ian erkannte den französischen Akzent. Jean-Luc Echarpe.
»Zum Teufel damit", sagte der andere. Es war Angus. »Lass uns den Bastard aufspießen und der Sache ein Ende machen.«
»Ich bin unbewaffnet!«, rief der Gefangene.
»Vor zwei Minuten hattest du noch eine Waffe. Ehe du dein Schwert weggeworfen hast", wendete Angus ein. »Hör zu, Yuri. Aye, kein Grund, überrascht zu sein. Ich weiß, wer du bist. Es ist einfach eine Frage des Zeitmanagements. Wenn wir dich nicht jetzt umbringen, kommst du wieder, und wir müssen es später tun. Also schlachten wir dich lieber jetzt ab. Das spart uns allen eine Menge Zeit.«
Jean-Luc lachte leise. »Glaubst du, er wird dir zustimmen?«
»Wenn ihr so gut und so edel seid, wie ihr es immer behauptet", erwiderte Yuri, »dann werdet ihr nie einen unbewaffneten Mann umbringen.«
»Oh, ich hasse es, wenn die das sagen", knurrte Angus.
Jean-Luc drückte seine Schwertspitze gegen Yuris Hals. »Sei kein Feigling, Yuri. Nimm deine Waffe, und dann tragen wir es aus wie Männer.«
»Jetzt hast du ihm Angst gemacht", jammerte Angus. »Ich glaube, er hat sich in die Hosen gemacht.«
»Habe ich nicht!«, widersprach Yuri. »Stanislav, ich verschwinde auch ohne dich.«
Stanislav war mit Phineas beschäftigt. Beide Männer bewegten sich vorsichtig nach rechts, die Beine gebeugt, das Schwert bereit.
»Stan the man, du gehst unter", flüsterte Phineas. »Warum machst du das? Ich dachte immer, du wärest einigermaßen vernünftig. Du warst der Einzige von den Russen, mit dem ich mich unterhalten konnte.«
»Du hast mich hintergangen, du Bastard.« Stanislav rutschte auf dem Schnee aus und richtete sich geschickt wieder auf. »Du hast mich reingelegt, damit ich dir sage, wo Katya ist.«
»Sie war eine Schlampe, Stan. Hast du noch nicht gemerkt, dass du auf der falschen Seite bist? Du bist einer von den Bösen.«
»Verräter!« Stanislav griff an und schwenkte dabei sein Schwert in hohem Bogen.
Phineas blockierte jede seiner Bewegungen, und Stanislav fiel zurück. Er atmete schwer.
Phineas umkreiste ihn. »Du wirst nicht überleben, Stan.«
»Gehen wir!«, rief Yuri.
»Ich kann nicht!« Stanislav wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Jedrek bringt mich um, wenn ich Phineas nicht erledige.«
»Du steckst echt tief im Dreck.« Phineas kam auf ihn zu und riss ihm mit einer geschickten Bewegung das Schwert aus der Hand.
Stanislav wich zurück.
Phineas fuhr mit der Schwertspitze über Stanislavs Brust. »So wie ich es sehe, hast du drei Möglichkeiten. Du kannst dich von mir umbringen lassen, oder von Jedrek, oder du schließt dich uns an.«
»Moment mal.« Angus ging mit großen Schritten auf die beiden zu. »Ich habe ernsthafte Zweifel daran, ob wir diesem Bastard je vertrauen könnten.«
Stanislav verschwand. Ian drehte sich gerade rechtzeitig um, um auch Yuri verschwinden zu sehen.
»Merde", murmelte Jean-Luc.
Angus seufzte. »Na ja.« Er klopfte Phineas auf den Rücken. »Hast du gut gemacht.«
Phineas steckte nachdenklich sein Schwert zurück in die Scheide. »Ich hätte ihn umbringen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte. Aber ich...«
»Du wolltest nicht?«, fragte Angus. »Deshalb bist du einer von uns, Junge. Wir töten, wenn wir unbedingt müssen, aber es bereitet uns kein Vergnügen.«
»Aber er wird einfach immer wiederkommen", gab Phineas zu bedenken.
Angus legte ihm einen Arm um die Schultern. »Es wird immer böse Vampire geben, die umgebracht werden müssen. Ich habe über fünfhundert Jahre gelebt, und das hat sich nie geändert. Eines hat mir die Zeit beigebracht, und zwar, dass man sich nie damit beeilen muss, jemanden zu töten.«
»Aye, das stimmt", erklang Connors Stimme aus dem Kreis, »bringt man einen um, tauchen in der nächsten Nacht zwei andere auf.«
»Es ist eisig hier draußen", bemerkte Roman, »gehen wir zurück zur Party.«
Die Weihnachtsmänner gingen gemeinsam zurück zum Parkplatz. Ian steckte sein Schwert weg.
Robby beugte sich zu ihm. »Du solltest ihren Geruch von dir abwaschen, ehe Connor oder Angus etwas merken", flüsterte er, dann schlenderte er davon, um sich den anderen anzuschließen.
Daran hatte Ian gar nicht gedacht. Er wartete, bis alle Weihnachtsmänner Romatech betreten hatten, und sauste dann hinab in den Silberraum. In Vampirgeschwindigkeit duschte er und zog sich wieder an.
Er rannte die Treppe hinauf. Als er hinter sich ein Klingeln hörte, sah er sich um. Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich, und Toni trat heraus.
»Toni.« Er ging auf sie zu. So viel dazu, dass sie auf ihn hörte und im Konferenzzimmer blieb.
»Ian. Was machst du hier unten? Ich dachte, du wärest bei Phineas.«
»War ich, aber... was machst du hier unten?«
Sie senkte ihre Stimme. »Ich war im Foyer, um herauszufinden, was draußen passiert ist, als Emma MacKay mir zugeflüstert hat, dass ich mich für heute Abend lieber zurückziehen sollte. Sie ist einer der ganz oberen Bosse, also wollte ich ihr nicht widersprechen, aber ich hatte das Gefühl, sie weiß, was wir getan haben...«
»Vampire können sehr gut riechen. Ich habe die gleiche Warnung erhalten.«
Sie trat näher zu ihm. »Die können riechen, dass wir... du weißt schon?«
»Ich weiß es sehr gut. Leider haben es auch ein paar andere bemerkt.«
»Liebe Güte", murmelte sie, »kann man nicht ein kleines bisschen Privatsphäre bekommen?«
Ian grinste. »Hast du es so eilig, mit mir ins Bett zu kommen?
»Still.« Sie sah sich auf dem Flur um. »Ich will nicht, dass du Ärger bekommst. Und ich will nicht gefeuert werden. Ich will auf keinen Fall mein Gedächtnis verlieren, jetzt, wo wir... du weißt schon.«
»Beziehst du dich darauf, wie du über mein ganzes Gesicht gekommen bist?«
Musste er so deutlich werden? »Wir sollten nicht darüber reden.« Sie sah sich noch einmal auf dem Flur um.
»Wir sind allein, Kleines.«
Sie betrachtete die Decke. »Aber irgendwo hier sind Überwachungskameras.«
»Aye. Deshalb habe ich dich nicht in die Arme genommen.« Er verschränkte seine Arme vor der Brust. »Ich habe gerade eine kalte Dusche genommen, und die hat kein bisschen geholfen.«
»Oh, Ian.« Sie seufzte. »Ich weiß nicht, wo wir hinkönnten. Alle Schlafzimmer hier unten haben Kameras.«
»Ich überlege mir etwas. Es wird leichter, sobald Connor Roman zurück in sein Versteck gebracht hat. Und Jean-Luc gibt eine Party in Texas, also teleportieren sich im Laufe der Nacht viele der Gäste dorthin.«
»Das ist gut", gähnte Toni.
»Du bist müde. Geh schlafen, Kleines.« Als er ihr nachsah, wie sie den Silberraum betrat, wusste er, dass er sie nie mehr aufgeben konnte. Er war sich nicht sicher, wie er in ihren Plan, ein Waisenhaus und eine Schule zu leiten, passen würde. Aber er wusste, dass er sie genug liebte, um für ihre Träume jedes Opfer zu bringen. Irgendwie würden sie es schaffen.
Connor würde es nicht wagen, ihre Erinnerung zu löschen, wenn sie mit ihm verlobt war. Das war ein großer Schritt, aber in ihm leuchteten keine Warnsignale dagegen auf. Es fühlte sich einfach richtig an. Und aufregend.
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Am nächsten Morgen rief Toni Carlos an, um zu fragen, wie es Sabrina ging.
»Sie ist jetzt ganz wach", berichtete Carlos, »und voller Fragen. Sie will wissen, warum sie nicht nach Hause kann, und wie es dir gelungen ist, sie aus dem Krankenhaus zu befreien. Ich habe Teddy gebeten, den Mund zu halten, bis du eine Gelegenheit hattest, dich mit ihr zu unterhalten, aber er fängt immer wieder von Superhelden an.«
»Sag ihr, ich erkläre ihr alles heute Abend nach der Arbeit", sagte Toni. »Jedenfalls werde ich es versuchen.«
»Es gibt noch ein Problem", fuhr Carlos fort. »Die Lokalsender zeigen Bris Foto in den Nachrichtensendungen. Sie berichten von ihrer Entführung. Ich traue mich nicht, sie irgendwohin mitzunehmen, wo sie auffallen könnte.«
Toni zuckte zusammen. Sie konnten nicht für immer in einem Hotelzimmer versteckt bleiben.
»Ich dachte, wie könnten uns in diesem Nachtclub für Vampire treffen", schlug Carlos vor.
»Im Horny Devils? Warum?«
»Das ist ein Spitzenversteck. Kein Sterblicher würde dort je nach ihr suchen. Und ich bezweifle, dass ein Vampir die Polizei ruft, weil er sie erkannt hat. Außerdem ist es auch ein echt guter Ort, um Bri davon zu überzeugen, dass es Vampire wirklich gibt.«
»Ich weiß nicht.« Toni runzelte die Stirn. »Das könnte ihr auch eine Heidenangst einjagen.«
»Die einzigen männlichen Vampire dort sind die Stripper. Die werden harmlos wirken.« Carlos senkte seine Stimme. »Bri denkt immer noch, sie hat Wahnvorstellungen. Wir müssen ihr den Beweis liefern, dass sie recht hat, sonst kommt sie wieder zurück ins Irrenhaus.«
»Okay, okay. Ich bitte Ian, mich heute Abend hinzubringen. Wir treffen uns um halb sechs.« Sie legte auf.
Am frühen Nachmittag lieferte UPS für sie eine kleine blaue Schachtel von Tiffany's. Mit klopfendem Herzen zog Toni einen goldenen herzförmigen Anhänger an einer Goldkette heraus. Dazu gehörte noch eine Nachricht - All meine Liebe, Ian.
Er liebte sie. Sie konnte sich für den Rest des Tages auf kaum etwas anderes konzentrieren. Howard durfte allerdings nichts von Ians Geschenk erfahren, also steckte sie das Herz unter ihr Polohemd und ließ es zwischen ihren Brüsten ruhen.
Als die Sonne unterging, eilte sie in den Silberraum, um sich umzuziehen. »Danke, danke!« Sie grinste Ian an, während sie ins Badezimmer rannte, um sich umzuziehen.
»Wir müssen zum Horny Devils", rief sie ihm zu. Er war in der Küche und trank sein Frühstück. »Wir treffen uns da mit Carlos, Bri und Teddy.«
»Die gehen ins Horny Devils?«, fragte er. »Warum?«
»Damit wir Bri davon überzeugen können, dass sie nicht an Wahnvorstellungen leidet.« Sie zog ihre Jeans an und einen grünen Pullover, dann öffnete sie die Tür. »Kannst du mich dorthin teleportieren?«
»Aye.« Er zog sein Handy aus seinem Sporran. »Lass mich Vanda nur vorwarnen. Und ich muss Howard sagen, dass wir eine Weile fort sein werden.«
Fünf Minuten später kam Toni mit Ian in der Gasse vor dem Horny Devils an.
Carlos war mit Bri und Teddy bereits dort. Er zeigte auf den Türsteher. »Der Typ wollte uns nicht reinlassen.«
Bri sah Ian misstrauisch an. »Warum sind wir hier? Ich will nur nach Hause.«
»Wir können nicht zurück in die Wohnung, Bri", sagte Toni. »Dein Onkel sucht dort nach dir. Wir müssen dich eine Weile hier verstecken.«
Bri warf einen nervösen Blick zu dem riesigen Türsteher. »Wo sind wir hier?«
»Ich wette, das ist ihre geheime Bat-Höhle!«, rief Teddy.
»Es ist eher ein Nachtclub", erklärte Toni ihnen. »Vanda erwartet uns, richtig?«
»Aye", antwortete Ian. »Sie ist damit einverstanden, dass ihr euch im VIP-Raum versteckt. Sie hat sogar sterbliches Essen liefern lassen.«
»Sterblich?«, flüsterte Bri.
»Ich wusste es!« Teddy beugte sich näher zu ihr. »Er ist von einem anderen Planeten. Daher hat er auch seine Superkräfte.«
»Ich bin kein Superheld", knurrte Ian.
»Natürlich bist du einer!«, sagte Teddy nachdrücklich. »Du hast Superkräfte, Mann. Und ich werde dein Helfer.«
»Ian, wir müssen ihnen die Wahrheit sagen", sagte Toni.
Er legt die Stirn in Falten. »Bist du sicher, dass sie damit umgehen können?«
»Sabrina hat es verdient, zu wissen, dass sie von Anfang an recht hatte.« Carlos sah Sabrina an. »Menina, du hast nie unter Wahnvorstellungen gelitten.«
Bri schüttelte den Kopf. »Doch, ich habe mich geirrt. Vampire gibt es nicht.«
Ian sah Carlos an. »Du kennst also die Wahrheit?« Enttäuscht blickte Ian zu Toni. »Du solltest es niemandem verraten!«
»Carlos musste wissen, was los ist", sagte Toni. »Und außerdem weiß er, wie man ein Geheimnis für sich behält.«
Neugierig betrachtete Ian den jungen Mann. »Aye, das weiß er bestimmt.«
Carlos warf Ian einen verstohlenen Blick zu, ehe er sich wieder Sabrina zuwendete. » Menina, erinnerst du dich, wie du von blutrünstigen Vampiren angegriffen wurdest?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das habe ich mir nur eingebildet.«
»Du hast mich gebeten, in den Central Park zu gehen, um sie zu finden", sagte Toni. »Die gleichen Vampire haben auch mich angefallen.«
Bri keuchte. »Nein!«
»Ja. Ich bin angegriffen worden. Und ich wäre vielleicht gestorben, wenn nicht ein Typ mit einem Schwert gekommen wäre, um mich zu retten.«
»Hatte er auch Superkräfte?«, fragte Teddy.
»Ja", antwortete Toni, »er hat einen der Angreifer erstochen, und der ist zu Staub zerfallen. Die anderen zwei sind verschwunden. Dann hat der Typ mit dem Schwert mich zu Romatech teleportiert.«
»Ist das ein anderer Planet?«, fragte Teddy.
Genervt stöhnte Ian auf.
»Ich meine Romatech Industries. Sie stellen synthetisches Blut her. Connor, der Mann, der mich gerettet hat, erzählte mir, er sei ein guter Vampir.«
»Whoa", sagte Teddy, »ein guter Vampir?«
Bri schüttelte den Kopf. »So etwas gibt es nicht.«
»Doch, meine Liebe, die gibt es.« Toni sprach jetzt mit Nachdruck. »Genau wie Sterbliche gut und böse sein können, können auch Vampire gut oder böse sein.« Sie deutete auf Ian. »Er ist ein guter Vampir.«
Bri wich zurück, und in ihrer Miene breitete sich Schrecken aus. »Er ist einer von denen? Er beißt Menschen?«
»Nay.« Ian sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Ich trinke Blut aus Flaschen von Romatech.«
»Und du hast Superkräfte", fügte Teddy hinzu. »Das ist so was von cool. Und ich nehme an, ihr kämpft gegen die bösen Vampire?«
»Wir nennen sie Malcontents", erklärte Ian ihnen. »Sie selbst nennen sich ›Die Wahren‹.«
»Toni.« Bri stellte sich nahe zu ihr, damit sie flüstern konnte. »Warum gibst du dich ab mit... so was?«
»Ian ist einer von den Guten", flüsterte Toni zurück, »und ich arbeite für die, seit ich angegriffen wurde.«
»Warum? Haben sie dich in ihrer Macht?«
»Nein. Ich wollte einen Weg finden, zu beweisen, dass du recht hast. Du hattest nie Wahnvorstellungen, Bri. Dein Onkel hat dich gefangen gehalten und unter Drogen gesetzt, damit er dein Geld kontrollieren kann.«
»Aber er - er ist doch mein Onkel...«
Es war traurig mit anzusehen. Toni konnte dabei zusehen, wie Bri Schritt für Schritt alles klar wurde, so deutlich zeigten sich die Gefühle auf ihrem Gesicht. Unglauben, dann Schock, dann Angst, dann Wut.
Ihr Gesicht rötete sich. »Ich war nie krank.«
»Nein, Süße.« Toni legte ihr einen Arm um die Schultern.
Sie sah Ian misstrauisch an. »Und Vampire sind echt.« Sie schloss ihre Augen und schüttelte sich.
»Lasst uns reingehen", schlug Ian vor. »Hugo, die hier gehören zu mir.«
Mit einem Grunzen öffnete Hugo die Tür.
Ian schritt mit Carlos und Teddy hinein. Bri zögerte und hielt sich an Toni fest.
»Es ist schon okay", sagte Toni mit fester Stimme. »Das ist ein Nachtclub für Vampire.« Als Bri blass wurde, sprach sie schnell weiter. »Sie trinken alle aus Flaschen. Es ist vollkommen sicher für uns.«
Bri ließ sich von Toni hineinziehen. Sie wurden von hellen Lichtern und lauter Musik begrüßt. Bri blieb immer in Tonis Nähe, und ihr Blick wanderte nervös hin und her. Toni bemerkte die übliche Meute spärlich bekleideter Mädchen, die zur Musik auf und ab hüpften.
»Diese Mädchen sind heiß", sagte Teddy. »Sind das alles...?«
»Untote, ja.« Carlos sah sich neugierig um.
Die Mädchen kreischten, als ein Tänzer auf die Bühne stolziert kam, der wie ein Pirat gekleidet war. Er warf seinen Dreispitz in die Menge, und die Ladys prügelten sich fast, um das Souvenir für sich zu bekommen. Immer mehr Kleidung flog durch die Luft, bis der Tänzer nur noch in einem knappen Tanga dastand. Er drehte der Menge den Rücken zu, um ihr den Totenkopf mit den gekreuzten Knochen darunter zu zeigen, der auf seinen Hintern gedruckt war. Er kreiste aufreizend mit den Hüften.
»Oh je", flüsterte Sabrina.
»Er ist sehr talentiert", stimmte Toni zu.
»Ladys, kommt ihr?« Ian stand neben der Bürotür und sah sie mit einem durchdringenden Blick an. Carlos und Teddy warteten neben ihm.
»Wir kommen.« Toni zog Bri am Arm.
Sie sah zurück zu dem Tänzer. »Ich fühle mich schon viel besser.«
Toni lachte. »Schön, dich wiederzuhaben.« Sie schloss sich Ian vor Vandas Büro an, und er hob eine Augenbraue, als er sie ansah. Ihr Gesicht wurde warm. »Ich habe nur mal einen Blick riskiert.«
Als Ian jetzt anklopfte, zuckten seine Mundwinkel verdächtig.
Vanda begrüßte alle. »Kommt rein. Es ist alles bereit.«
»Danke für deine Hilfe", lächelte er Vanda freundlich an.
»Kein Problem.« Vandas strenger Blick passte gar nicht zu ihren Worten.
Toni hatte das Gefühl, dass ihr irgendetwas nicht gefiel. Als Ian alle vorstellte, huschte Vandas Blick kurz zu Bri und Teddy und blieb dann an Carlos hängen. Sie kniff misstrauisch die Augen zusammen.
Carlos lächelte milde. »Ich mag deinen Overall.«
»Danke.« Vanda rückte die Peitsche, die sie als Gürtel benutzte, zurecht. Sie öffnete eine Tür, die zu einer schmalen Treppe führte. »Das ist der Hintereingang. Ich nahm an, ihr wollt nicht dabei gesehen werden, wie ihr raufgeht.«
»Das stimmt.« Ian führte sie die Treppe hinauf.
Toni trat durch einen Vorhang aus Perlenketten und nahm eine durchsichtige Gardine zur Seite. »Du liebe Güte.«
»Wow", flüsterte Bri. »Ist das schön. Es sieht hier aus wie in Prinzessin Jasmins Boudoir.«
»Freut mich, dass es euch gefällt.« Vanda rauschte in den als Harem eingerichteten Raum. »Wie ihr seht, steht Essen und Trinken auf dem Tisch, und es gibt jede Menge großer Kissen, um sich auszuruhen.« Sie zeigte auf zwei Türen gegenüber. »Das ist das Badezimmer und das die Haupttreppe.«
»Es ist perfekt.« Toni ging hinüber zu dem geschnitzten Wandschirm. Sie konnte den Club unter ihnen sehen. »Danke, Vanda.«
Immer noch wirkte sie äußerst reserviert. »Ian ist ein guter Freund. Ich würde alles für ihn tun.«
»Ich auch.« Toni blickte zu ihrem Liebsten. Er war am Tisch mit den Erfrischungen und goss sich ein Glas Blier ein.
Vanda trat näher zu ihr. »Würdest du ihn aufgeben?«
Toni erstarrte. »Warum sollte ich?«
»Weil er eine echte Partnerin will", erklärte Vanda nachdrücklich, »eine, mit der er die Ewigkeit verbringen kann. Das kannst du nicht.«
»Ich weiß nicht, wie es mit uns beiden funktionieren wird", gab Toni zu, »aber ich weiß, dass ich ihn liebe.« Hinter ihnen erklang ein erschrecktes Keuchen.
»Du liebst einen Vampir?«, kreischte Sabrina.
Erschreckt zuckte Toni zusammen und drehte sich um. Die anderen starrten sie mitleidig und entsetzt zugleich an. Alle, bis auf Ian. Sein Blick war aufmerksam, und in seinen Augen spiegelten sich seine Gefühle wider.
Die Zeit für ein Geständnis war gekommen. »Ja, ich liebe Ian.«
Er ging auf sie zu, und auf seinen Lippen lag ein glückliches Lächeln.
Vanda war sauer. »Du hast gesagt, du willst auf jeden Fall einen Vampir.«
»Ich habe meine Meinung geändert.« Ian grinste jetzt, und die scharfen Spitzen seiner Eckzähne wurden sichtbar.
Sabrina presste eine Hand auf ihre Brust. »Toni, wie konntest du nur?«
»Wie konnte ich nicht?« Sie zog den Herzanhänger unter ihrem grünen Pullover hervor. Die goldene Kette und das Herz schimmerten in der sanften Deckenbeleuchtung. »Danke, dass du mir dein Herz geschickt hast.«
Ian hielt inne, sein Lächeln verblasste. »Das habe ich nicht geschickt.«
»Aber es ist heute Nachmittag angekommen, und dazu eine Nachricht, ›All meine Liebe‹.«
Mit einer schnellen Handbewegung riss Ian die Kette von ihrem Hals.
»Ian...« Toni keuchte, als er den Anhänger auf einen niedrigen Tisch legte und mit seiner Faust zertrümmerte.
Er hob ein kleines Metallteil auf.
»Das ist ein Peilsender", informierte Carlos.
Ian ließ das Teil auf den Boden fallen und zertrümmerte es mit seinem Absatz. »Ich hole sofort Phineas und Dougal, und wir teleportieren euch alle zu Romatech.« Er trat zurück und schloss kurz die Augen.
Toni wusste, dass er eine Gedanken-Nachricht schickte.
Sabrina klammerte sich an ihren Arm. »Wer - wer will uns denn folgen? Mein Onkel, oder die Polizei?«
»Schlimmer", murmelte Carlos.
Teddys Augen leuchteten auf. »Die bösen Mächte! Sie suchen uns heim!«
Unten im Club ertönten plötzlich Schüsse, und Schreie erfüllten die Luft.