Kapitel 25:

Angst & Schmerz

 

 


Die Plane knisterte vor dem herausgebrochenen Wandstück. Ein leichter Windzug ging durch den Bienenstock. Nur ein paar Tage waren vergangen, doch es hatte sich bereits einiges getan: Die Risse waren notdürftig verschlossen, alle Scherben und der Schutt beseitigt. Elysas und Lucies Zimmer hatte kaum Schaden genommen. Bloß die Deckenlampe und das Fensterglas schienen das Beben nicht überlebt zu haben. Die Mädchen waren bereits am gestrigen Tag eingezogen. Keine von ihnen hatte ein Wort der Begrüßung an Elysa gerichtet. Auch von Lucie schlug ihr weiterhin Feindseligkeit entgegen. Ein Grund, warum sich Elysa sofort in ihr Zimmer zurückgezogen hatte. Sie vermisste Calypso bereits und das, obwohl er sie sehr verletzt hatte. Elysa ließ sich auf der Kante ihres Bettes nieder.

Statt des großen Lampenschirms aus Milchglas baumelte jetzt lediglich die Glühbirne an der Decke. Das Bettzeug war erneuert worden. Auf den ersten Blick sah es nicht danach aus, als hätte ein gewaltiges Erdbeben den halben Bienenstock zerstört.

Doch jetzt, wo sie in die Realität zurückkehrte, fiel ihr noch etwas anderes auf. Darian war spurlos verschwunden. Als sie bei Calypso gewesen war, hatte er nicht einmal Kontakt zu ihr aufgenommen.

»Die anderen hatten recht!«

Elysa fuhr herum. Lauren stand schluchzend in der offenen Zimmertür. Klammerte sich an den Rahmen, als würde er ihr Halt geben. »Und dabei habe ich dich anfangs noch in Schutz genommen!«

»Was?«

Elysa lief einige Schritte in ihre Richtung. Seit sie Calypsos Trakt verlassen hatte, fühlte sie sich dünnhäutig und sensibel.

»Carol!« Lauren schniefte.

Elysas Kehle schnürte sich zu. »Lauren, wirklich, ich …«

»Was hat Calypso mit ihr gemacht?! Rück schon raus?! Hat er sie wegen dir ins Exil geschickt?« Ihre Stimmfarbe wurde schrill.

»Lauren …« Zu gern wollte sie ihr sagen, wo Carol wirklich war und dass es ihr gut ging.

»Dann sag mir, wo sie ist!« Die zierliche Person zitterte am ganzen Leib. Elysa schwieg. Ein kalter Klumpen befand sich an der Stelle, wo eigentlich ihr Herz sein sollte.

»Alle wussten, dass du lügst und betrügst, nur um an Calypso heranzukommen. Nur ich habe geglaubt …« Sie brach ab.

»Ich habe nichts mit Carols Verschwinden zu tun. Das schwöre ich dir.«

Lauren schniefte.

Als Schüsse erklangen, fuhren Elysa und Lauren herum. Es folgte Geschrei und herrische Rufe. Elysa hatte in ihrem Leben bisher nur ein einziges Mal etwas Derartiges gehört und das waren Platzpatronen während einer der Festlichkeiten in Wabe 21 gewesen. Diese Schüsse hier schallten wesentlich lauter.

Hastig spähte sie durch die offene Tür nach draußen. Schwere Stiefel donnerten über den Boden und kamen in ihre Richtung. Aus dem Schatten des Flurs schälten sich zwei Männer. Das, was sie trugen, ließ sich schwer beschreiben. Eine Art Panzer aus einem rot glänzenden Material, das ihren gesamten Körper bedeckte. Einzig der Helm erlaubte einen Blick auf das Gesicht dahinter, da er vorne mit einem durchsichtigen Visier versehen war. Ihre Mienen waren ernst und sie wirkten beinahe so beeindruckend wie die mächtigen Gewehre, die an einem Gurt über ihre Schulter hingen und schussbereit in ihren Händen lagen.

»Lauren!«, zischte Elysa, als sich das Mädchen etwas nach vorne beugte. Einem inneren Impuls folgend griff sie nach dem Arm der jungen Frau und zerrte sie in ihr Zimmer.

Zu spät.

»Hey! Stehen bleiben!«

Elysa warf die Tür ins Schloss. Sie atmete keuchend, vernahm dumpf, dass Lauren wieder zu weinen begonnen hatte. Hastig griff sie nach dem massiven Stuhl mit der breiten Rückenlehne, der vor ihrem Schminktisch stand, und verkeilte ihn vor der Tür. Keine Sekunde zu früh. Der Griff wurde mehrmals heruntergedrückt, stieß auf den Widerstand der Stuhllehne.

»Los! Aufmachen! Sonst breche ich die Tür auf!«

Irgendwo in den Räumlichkeiten erklangen abermals Schüsse. Lauren zitterte am ganzen Körper. Hastig blickte Elysa sich in dem kleinen Zimmer um. Keine Fluchtmöglichkeit.

Jemand hämmerte fest gegen die Tür. »Aufmachen!«

Lauren wimmerte. Ohne die andere Biene zu beachten, rannte Elysa zum Fenster, öffnete den Riegel und streckte den Kopf hinaus. Sie befanden sich natürlich zu weit oben, um hinabzuklettern, aber etwa ein Stück unterhalb des Fensters entdeckte sie einen schmalen Sims.

Rums.

Wieder wackelte die Tür bedrohlich. Ihre Stuhlbarrikade würde nicht mehr lange halten.

»Lauren! Komm!« Sie winkte sie zu sich, öffnete auch den zweiten Fensterflügel. Wenn sie auf den Sims gelangten, würden sie eventuell in ein anderes Zimmer flüchten können, während die Männer dieses durchsuchten. Kein perfekter Plan, aber immerhin ein Ausweg.

»Jetzt komm her, verdammt!«, rief Elysa.

Laurens Knie zitterten so sehr, dass Elysa fürchtete, sie würden jeden Moment unter ihr nachgeben.

Am Fenster blieb Lauren stehen und starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an. »Was hast du vor?!«

»Wir klettern da raus! Siehst du den Wandvorsprung? Über den kommen wir hier weg.«

Lauren japste nach Luft. »Ich habe Höhenangst!«

»Ich habe auch Angst! Reiß dich zusammen!« Elysa biss sich fest auf die Unterlippe, atmete einmal tief durch.

Rums.

Die hölzerne Türzarge hatte sich leicht gelöst, wackelte und Staub rieselte hinab.

»Komm!«

»Nein«, wimmerte Lauren und wich zurück. Die Arme hatte sie um ihren Körper geschlungen, zitterte heftig. Elysa sammelte sich. Sie konnte sie nicht einfach zurücklassen.

»Weißt du, was ich mache, wenn ich Angst habe? Ich zähle. Das klingt blöd, aber es hilft wirklich. Wir machen das jetzt gemeinsam. Du steigst da raus und dann zählen wir und ich verspreche dir, wenn du bei zehn ankommst, ist alles nicht mehr so schlimm. Einverstanden?«

Laurens Unterlippe zitterte.

»Lauren, bitte. Ich geh nicht ohne dich«, flehte Elysa. Ihr Blick huschte immer wieder zu der wackelnden Tür. Insgeheim dankte sie den Erbauern dafür, dass sie so massiv war. Als Lauren schließlich einen zustimmenden Laut ausstieß, atmete sie keuchend aus.

»Aber du gehst zuerst«, flüsterte Lauren.

»Gut, aber du bist direkt hinter mir.«

Als ein eifriges Nicken folgte, wandte sich Elysa dem Fenster zu. Die Tür wackelte bedrohlich, der Stuhl davor knarrte. Sie hätten wahrscheinlich nicht einmal mehr eine Minute. Elysa atmete tief ein, versuchte nicht nach unten zu blicken. Ihr Herz pochte fest gegen ihre Rippenbögen. Kurz überlegte sie, wie sie auf dem schmalen Sims entlanglaufen sollte, und entschied sich dafür, dem Abgrund den Rücken zuzukehren. Es verschaffte ihr irgendwie ein besseres Gefühl. Also bestieg sie die Fensterbank und ging in die Hocke, bekämpfte den Schwindel, der in ihr aufkeimte.

Ganz ruhig bleiben.

Elysa drehte sich um, klammerte sich am Fensterrahmen fest und ließ sich mit den Füßen auf den Vorsprung gleiten. Einen Schritt nach hinten, und sie würde hinab in die Tiefe fallen. Ihre Knie zitterten, als sie sich langsam nach links schob, den Blick unentwegt in den Raum gerichtet. Noch war die Tür geschlossen. Gleich wäre genug Platz, damit Lauren neben sie klettern könnte. Stück für Stück entfernte sie sich von dem Fenster, blickte auf gelb verputzten Stein. Ihre Finger glitten über jede Unebenheit und klammerten sich an sämtliche der kleinen Verzierungen. Elysa sah nach links. Die Hausecke war nicht weit entfernt, sodass sie schnell vollends aus dem Sichtbereich der rot gepanzerten Männer verschwinden könnten.

»Lauren, du kannst kommen«, flüsterte Elysa.

»Lauren!«

Nichts. Kein Kopf wurde aus dem Fenster gestreckt und kein Bein folgte. Dann vernahm Elysa das unheilverheißende Splittern von Holz und anschließend ein lautes Krachen.

»Es tut mir leid, Elysa. Ich kann nicht.« Die Stimme war gezeichnet von Angst. Dann wurde das Fenster geschlossen. Lauren war innen und Elysa stand auf dem Sims.

»Nein!«, entfuhr es ihr. Zu spät. Elysas Atem ging keuchend. Panik vermischt mit Wut stieg in ihr auf. Sie vernahm Gerangel durch die geschlossenen Fenster; Laurens Schreie. Elysas Finger krallten sich an die Erhebungen im Putz, sie presste sich fest gegen die Wand, hatte auf einmal Angst, das Gleichgewicht zu verlieren. Sie schloss die Augen, spürte, wie Tränen sich hinter ihre Lider drängten. Dann wurde es schlagartig still in dem Zimmer. Elysa hielt die Luft an, unterdrückte ein atemloses Schluchzen. Sie wartete. Sekunden verstrichen, fühlten sich an wie Minuten. Elysa sammelte sich. Sie musste weiter … Das Fenster wurde aufgerissen. So plötzlich, dass Elysa Probleme hatte sich festzuhalten und beinahe rücklings in die Tiefe gestürzt wäre. Ein roter Helm schob sich durch die Öffnung.

»Alter, hier geht es mindestens zwanzig Meter runter. Wenn sie hier raus ist, dann ist sie Matsch.«

Elysa hielt die Luft an, presste sich fest an die Wand. Der Mann sah weder nach rechts noch nach links, bloß hinab in die Tiefe. Sie blieb regungslos.

»Wenn wir sie nicht finden, dreht Vater durch!«, rief eine zweite Stimme.

»Ich weiß, aber …« Er zog das Fenster zu, noch während er sprach, sodass der restliche Satz nur noch ein dumpfes Murmeln war. Elysa stieß ein heiseres Auflachen aus. Noch bevor er abermals einen prüfenden Blick hinauswerfen könnte, schob sie sich weiter nach links. Näherte sich mit jedem schlurfenden Schritt der Hausecke. Die Männer – wer auch immer sie waren – würden mit Sicherheit weiter nach ihr suchen. Elysa schob sich um die Ecke, warf einen letzten Blick zurück.

Weiter.

Im Stillen hoffte sie, dass sich unten niemand befand. Die nächsten Fenster kamen in Sicht. Schweiß lief ihr in die Augen, sie blinzelte dagegen an. Der kühle Wind, der hier oben wehte, ließ sie frösteln und zerrte an ihrem knappen Kostüm. Vorsichtig näherte sie sich der Glasscheibe, spähte um die Ecke in das Innere. Es handelte sich um eines der Quartiere der Mädchen auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs. Als Elysa die roten Anzüge erblickte, zuckte sie zurück. Nur einen kurzen Augenblick, dann beugte sie sich wieder nach vorn.

Langsam.

Es war das Zimmer von Zidora. Sie zeterte, während einer der Beanzugten die Mündung seines futuristischen Gewehrs auf sie richtete. Schließlich hob sie ergeben beide Hände und ließ sich hinausführen. Elysa presste die Lippen aufeinander, wartete, bis sie das Zimmer verlassen hatten, und rutschte weiter über den Vorsprung. Sie musste weg von dem Bienenstock, ansonsten würde sie den Männern direkt in die Arme laufen.

Schneller.

Ein Stück Putz bröckelte ab, als sie an einer der Verzierungen Halt suchte. Sie sog erschrocken Luft ein. Der Staub rieselte in die Tiefe. Hastig tastete Elysa nach der Wand. Sie schloss die Augen, atmete keuchend. Wenn das so weiterginge, wären die rot gekleideten Angreifer ihre geringste Sorge.

Vorsichtig und schnell.

Sie brachte zwei weitere Häuserecken hinter sich, bis sie auf die nächsten Fenster stieß. Doch das Schlimmste war, dass der Sims kurz danach endete. Er wurde durchbrochen von einem Wasserspeier in Form eines Tieres; einer Biene. Schön anzusehen, aber absolut unbrauchbar, wenn es darum ging, über ihn zu steigen. Die Form lud buchstäblich dazu ein, in die Tiefe zu stürzen. Also hatte sie keine Wahl. Es waren drei nebeneinanderliegende Fensteröffnungen. Wie auch schon beim ersten Mal beugte sie sich behutsam nach vorn. Sie kannte den Gang nicht. Er war mit rotem Teppich ausgelegt und die Wände strahlten goldgelb. Sie sah eine Leiter, die verlassen auf der Mitte des Flurs stand. Der Boden darunter war mit einer durchsichtigen Plane abgedeckt, vermutlich Renovierungsarbeiten nach dem Erdbeben. Doch all das spielte keine Rolle, denn der Gang war menschenleer. Elysa drückte gegen die Scheibe. Sie gab nicht nach. Geschlossen. Elysa biss sich auf die Unterlippe, rutschte zum nächsten Fenster. Ihr gesamter Körper krampfte bereits von der unbequemen Haltung. Zurückgehen stand außer Frage, genau wie hier zu verweilen. Lange würde sie das nicht mehr durchhalten. Wieder presste sie ihre Hand gegen das Glas. Nichts rührte sich. Elysa fluchte leise.

Eine Chance noch. Sie glitt weiter, holte tief Luft. Neben ihr ragte die steinerne Biene aus der Wand; sie starrte finster in den Abgrund, irgendwie unheimlich. Elysa riss sich von dem Anblick los und machte sich daran, gegen die letzte Scheibe zu drücken. Beinahe hätte sie laut aufgelacht, als sie tatsächlich nachgab. Doch ihre Freude währte nicht lang. Statt komplett aufzugehen, stoppte sie in einer gekippten Position. Nur die beiden oberen Haken waren offen, das Fenster hielt also an den beiden unteren. Zwei kleine Häkchen, die sie am Hineinkommen hinderten.

»Verdammt«, zischte Elysa.

Wenn es ihr gelingen würde … Sie schob ihre Hand in den Spalt. Kurz unterhalb der schmalsten Stelle befand sich eine der kleinen Metallsperren. Wenn Elysa sie löste, würde ihr das Fenster zwar entgegenkippen, aber immerhin käme sie hinein. Sie musste sich nur strecken und …

Der Holzrahmen des Fensters drückte sich fest gegen ihre Hand. Kleine Splitter lösten sich und durchdrangen ihre Haut. Elysa ignorierte den Schmerz, reckte sich weiter, klammerte sich nebenbei verzweifelt an der außen liegenden Fensterbank fest. Ihr Zeigefinger streifte den Riegel. Das genügte nicht. Elysa drückte ihren Handballen noch fester gegen das raue Holz. Blut lief warm ihren Arm hinab und tropfe auf den Sims. Elysa ächzte. Kleine Schweißperlen kitzelten in ihrem Nacken. Ihr Herzschlag pochte durch ihren gesamten Körper. Die Holzspäne bohrten sich tief in ihre Haut, als sie den Riegel zu fassen bekam. Sie zog daran und er löste sich. Dann ging alles ganz schnell. Innerhalb des Sekundenbruchteils, in dem das Fenster ihr entgegenfiel, tat sie einen Satz nach rechts. Der letzte Haken konnte das Gewicht nicht tragen, riss ab und der Holzrahmen mit der gläsernen Scheibe stürzte in die Tiefe. Japsend griff Elysa in das Innere und klammerte sich fest. Das Fenster zerschellte am Boden. Es war so laut, dass Elysa heftig zusammenfuhr. Sie atmete hastig und starrte hinunter auf die Überreste. Der Sturz hatte das Holz in tausende kleine Teile zerrissen und das Glas förmlich pulverisiert. Hastig zog Elysa sich hinein, glitt zitternd auf den festen Untergrund. Ein großer Splitter steckte in ihrer Hand. Elysa musste ein Würgen unterdrücken, als sie den gut zehn Zentimeter lange Span aus ihrer Haut zog. Sofort trat Blut aus der Wunde und versickerte im roten Teppich. Elysa keuchte, als der pochende Schmerz einsetzte. Schnell begann sie den Schleier von ihrem Oberteil abzureißen – er löste sich leichter als zunächst angenommen – und wickelte ihn mehrfach um die Wunde. Auf Dauer kein brauchbarer Verband, aber zumindest stoppte es die Blutung vorerst. Sie erlaubte sich einen Moment der Ruhe, um tief durchzuatmen, und richtete dann den Blick wieder auf den Flur. Noch immer rührte sich nichts. Einzig die Plastikabdeckung bei der Leiter bewegte sich leicht im Wind.

Der Gang enthielt zahlreiche Türen, alle waren geschlossen. Irgendwo in einiger Entfernung hallten Schüsse durch das Gebäude. Nein, in Sicherheit war sie noch lange nicht. In gedrungener Haltung eilte sie los, folgte einem inneren Gefühl, als sie sich nicht die Mühe machte, die angrenzenden Türen aufzureißen. Sie mündeten wahrscheinlich ohnehin nur in Räume, die Sackgassen bildeten. Elysa wollte einen Weg nach unten finden, am besten einen, der aus dem Palast hinausführte.

Sie bremste hart ab. Die Flügeltüren unmittelbar vor ihr öffneten sich. Panisch blickte sie sich um, griff nach einer der nächstgelegenen Türen. Verschlossen. Elysa musste …

»Hey?«

»Darian?« Sie starrte ihn fassungslos an. Er trug nicht mehr die goldene Kleidung der Diener, sondern ein schlichtes T-Shirt und eine schwarze Cargohose. Er starrte sie genauso überrascht an wie sie ihn. Eilig schloss er die Tür.

»Was machst du denn hier?«, zischte er.

»Dasselbe könnte ich dich fragen.«

Darian sah sich eilig um, sein Blick wirkte verunsichert.

»Ich habe gedacht, du bist tot, verdammt«, sagte Elysa wuterfüllt.

»Ich? Wieso?«

»Vielleicht, weil du seit dem Erdbeben einfach verschwunden bist?« Sie funkelte ihn aus wütenden Augen an.

»Du warst die ganze Zeit streng bewacht im Königstrakt, warum sollte ich da Kontakt zu dir aufnehmen? Es lief doch alles nach Plan.«

»Nach Plan?« Elyas Stimme klang schrill. Sie wusste selbst nicht, warum sie so wütend war. Darian antwortete nicht, dann hoben sich seine Augenbrauen.

»Sag mal, Elysa, wo kommst du eigentlich her?« Er blickte fragend den Korridor hinauf, der in einer Sackgasse endete.

»Beantworte nicht immer Fragen mit Gegenfragen. Wo – warst – du?!«

Darian hob beschwichtigend die Hände. »Brüll hier nicht so rum, klar? Nachdem das Schloss halb in Schutt und Asche lag, musste ich mich um Dinge kümmern.«

Elysa stemmte die Hände in die Hüften. »Um Dinge kümmern? Du musst selbst zugeben, dass das dürftig klingt.«

»Ich habe dir doch gesagt, ich kann dir nicht alles sagen. Und jetzt ernsthaft: Wo zum Teufel kommst du her? Und was hast du da?« Darian deutete auf die Wunde, die sie mit dem Schleier versorgt hatte.

Elysa schob beleidigt die Unterlippe vor. »Das ist nichts!« Sie war so wütend auf ihn, dass sich ihre Hände zu Fäusten ballten, wobei ein stechender Schmerz durch ihren Arm schoss, den sie gekonnt ignorierte. »Und durch das Fenster.« Sie deutete auf das Ende des Flurs.

»Durch das …?« Darian starrte sie fassungslos an. Im selben Moment verfing sich ein Windzug in seinen Haaren. Fast wie eine stumme Bestätigung ihrer Worte.

»Doch das spielt keine Rolle. Darian, jemand ist in das Schloss eingedrungen und hat die Bienen gefangen genommen.«

Darian musterte sie, sein Ausdruck blieb undurchdringlich.

»Hallo? Sie sind bewaffnet und tragen so merkwürdige rote Anzüge.«

Er schüttelte den Kopf, schien sich selbst aus seiner Starre zu erwecken. »Sie sind im Bienenstock?«

»Ja, sie haben Lauren und Zidora, von den anderen weiß ich es nicht.«

»Haben sie dich gesehen?« Darian blickte sie eindringlich an.

»Ja, ich fürchte schon, aber ich konnte ihnen über den Fenstersims entkommen.«

»Da draußen?« Darians Augen wurden groß.

»Ja. Da draußen.«

»Gut … also nicht gut natürlich. Ich habe nur die Schüsse gehört, aber nicht gesehen, wer in den Palast eingedrungen ist. Wenn sie es bis in den Bienenstock geschafft haben, stehen unsere Chancen schlecht. Im Palasttrakt war vorhin noch alles ruhig, ich nehme an, den greifen sie als Letztes an.«

»Dann müssen wir den König warnen«, sagte Elysa schnell. Ihr Herz pochte schmerzhaft und schnell. Der Gedanke, dass auch Calypso etwas geschehen sein könnte, brachte sie halb um den Verstand.

»Richtig.« Darian runzelte die Stirn. Nach einer Weile hellte sich seine Miene auf. »Komm mit, ich habe eine Idee!«

Er winkte sie zu sich und lief den Gang hinunter in die Richtung, aus der sie gekommen war.

»Darian?!«

Er blieb stehen, schaute sie strafend an. »Wenn du weiter so rumschreist, kannst du gleich ein Leuchtfeuer anmachen und sie herlocken.«

»Wie geht es meiner Mutter?«

Darian runzelte die Stirn. »Es geht ihr den Umständen entsprechend, denke ich.«

»Du denkst?«

»Seit dem … Erdbeben ist der Kontakt zu meinen Leuten abgebrochen. Deswegen war ich so plötzlich verschwunden.«

»Das heißt … du weißt es nicht?« In Elysas Hals bildete sich ein dicker Knoten.

Darians Miene wurde weicher. »Elysa, ich verspreche dir, dass es ihr gut geht. Da, wo sie ist, ist sie in Sicherheit.«

»Aber das Erdbeben betrifft die gesamte Wabe. Wie sollte sie …?«

Darian legte seine Hand auf ihren Arm. Merkwürdigerweise blieb die Panik aus, es kribbelte bloß. »Elysa, du musst mir einfach vertrauen, ja? Sie ist gut versorgt. Ich verspreche es. Komm, wenn sie den König kriegen, ist ohnehin alles verloren.«

»Wer sind sie

Darian antwortete nicht, sondern zog sie mit sich.

Katharina Groth - Beehive Band 1 - Calypsos Herz
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