Kapitel 1:

Elysa & Darian

 


Elysa zog die Kapuze noch tiefer in die Stirn und drängte sich zwischen den Menschen hindurch. Ihr senfgelber Umhang hob sich beunruhigend von der braun-schwarzen Kleidung der anderen ab. Jede Berührung jagte ihr kalte Schauer über den Rücken, ließ sie innerlich erzittern. Gerade schob sich eine beleibte Frau an ihr vorbei, deren Kleidung nach altem Schweiß und ein wenig nach Urin roch. Es folgte ein Mann mit verschmutztem Overall, der sich offensichtlich nicht daran störte, den Dreck auch auf seinen Mitmenschen zu verteilen. Elysa musste würgen, wollte stehen bleiben und sich sammeln. Doch sie wurde bereits weitergedrängt, eingezwängt zwischen Gerüchen und Körpern. Ihr war schwindelig. Letztendlich war es die zunehmende Panik, die ihr Kraft gab, sich einen Weg zum Straßenrand freizukämpfen. Völlig umsonst. Auch hier waren überall Menschen. Eilig schob sie sich in eine schmale Gasse, eine Lücke zwischen den sonst so eng beieinanderstehenden Reihenhäusern. Elysa keuchte, stützte sich an dem linken Gebäude ab und rang nach Luft. Deswegen mied sie solche Orte. Schwer atmend blickte sie an der Hauswand hinauf bis zum Himmel, über den sich bereits einige dunkle Wolken schoben. Der Duft von Regen hing in der Luft.

Jedes der Häuser der Unterbringungen sah gleich aus; gelb verputzte Fassade, zwei Stockwerke, eine rote Eingangstür und dazu passende Fensterrahmen. Fröhliche Tristesse. Elysa hatte einmal gehört, dass jede Wabe gleich aufgebaut sei. Doch wer wusste das schon genau? Niemals verließ ein Bürger die wabenförmigen Bezirke. Jeder Einzelne fasste etwa tausend Bewohner und enthielt ein vollkommen autarkes System. Es bestand aus dem goldenen Palast, in dem der König wohnte, einem Zentrum, das für die Fügung der weiblichen Bürger zuständig war, und mehreren Straßen, die den jeweiligen Tätigkeiten zugeordnet waren. Außerdem verfügte jeder Bezirk über ein Fabrikviertel, dessen Betreten nur ausgewählten Mitbürgern erlaubt war. Man munkelte, dass dort die Nahrungsmittelkapseln hergestellt wurden. Elysa wohnte in Wabe 21. Da es insgesamt 21 Bezirke gab, war ihrer der mit der höchsten Nummer. Doch das hatte keinen Stellenwert. Am Rand der Wabe verlief eine Mauer, die streng bewacht wurde.

Elysa atmete tief und gleichmäßig. Ihr Herzschlag beruhigte sich, die Panik wallte ab. Sie sah sich in der Gasse um. Hier war sie vollkommen allein. Natürlich. Schließlich war es ein Versorgungsgang, über den der Einkaufsladen beliefert wurde. Elysa hatte das Verbotsschild sehr wohl gesehen, als sie sich hierher zurückgezogen hatte. Sie wischte sich durch das schweißnasse Gesicht. Noch länger inmitten der Menschenmassen und …

Sie kannte die Symptome, wusste auch, was geschah, wenn sie es auf die Spitze trieb. Ohnmacht und Erbrechen waren nur zwei Möglichkeiten.

Elysa fuhr sich mehrfach über die Arme, als könnte sie die Empfindungen abstreifen. Die Berührungen der fremden Menschen klebten wie fettige Fingerabdrücke an ihr. Elysa wurde übel. Schnell setzte sie ihren Rucksack ab und befreite sich von dem Poncho. Sie stopfte ihn in die Tasche, ignorierte dabei, dass ihre Unterlagen knisternd protestierten. Die braune Kleidung ihrer Mutter, die sie darunter trug, war ausgebeult, zerschlissen und roch leicht muffig. Elysa hatte sie in den Tiefen des Kleiderschranks gefunden; versteckt, als könnte Theodora ihre Vergangenheit einfach unter zwei alten Wolldecken verbergen. Bevor sie und ihr Vater Elysa bei sich empfangen hatten, waren sie selbst ein Teil des Arbeiterviertels gewesen. Es gab hier insgesamt drei dieser langen, breiten Alleen. Die Bäume rechts und links sollten schön aussehen, doch niemand schien ihnen Beachtung zu schenken. Sie waren genauso künstlich wie die Freundlichkeit der Häuserfassaden. Plastik, das Glück und Wohlstand simulieren sollte. In Wahrheit lebten hier die ärmsten Bewohner von Wabe 21. Sie arbeiteten viel und hart für Nahrungsmittelkapseln. Das war alles. Feste Speisen oder andere Privilegien wurden ihnen verwehrt.

Elysa strich mehrfach über ihre Kleidung. Sie würde genügen, um mit ihrer Umgebung zu verschmelzen.

In diesem Moment begann der Boden zu vibrieren. Die Gebäude um sie herum zitterten. Plexiglas klapperte in den Fensterrahmen. Die Häuser waren für die Erdbeben genauso gerüstet wie die Bewohner. Drinnen war jedes Möbelstück fest mit dem Untergrund verankert und trotzte den Erschütterungen. Generell passten sich die Häuser jeder Bodenbewegung an, um die Schäden so gering wie möglich zu halten. Das hatte Elysa bereits in ihren ersten Schuljahren gelernt. Das Beben wurde schlimmer und sie ging in die Hocke. Es dauerte eine Weile, bis die Erdstöße nachließen.

»Hey! Was machst du hier?!«

Elysa fuhr herum. Die Frau trug die braune Kleidung einer Arbeiterin. Ihre Haare waren kurz geschoren, die Züge derb und der Körper groß und plump. Eindeutig eine der Sicherheitsdrohnen für die unteren Bezirke. Drohne. Einer der vielen Begriffe, die sie aus der Bienenhierarchie übernommen hatten. Warum, wusste Elysa nicht. Wahrscheinlich weil das strikte System der Insekten funktionierte.

»Ich … wollte nur …«, stammelte Elysa.

Die Drohne lief mit weiten Schritten in ihre Richtung. »Mädchen, ich habe keine Zeit für so was. Die Anlieferzone ist für euch alle tabu.«

Verunsichert wich Elysa zurück. »Tut mir … leid, Sicherheitsangestellte Pakes.«

Der Name stand auf dem digitalen Ausweis, der locker um den Hals der Arbeiterin baumelte. Die Frau griff ruppig nach ihrem Arm. Elysa keuchte auf. Nicht allein die Grobheit der Berührung machte ihr zu schaffen, vielmehr die raue Haut, die sie direkt auf ihrer spürte. Elysa musste ein Würgen unterdrücken. Panik engte ihren Brustkorb ein. In ihrem Heimatabschnitt würde es niemals jemand wagen, eine Anwärterin derart hart anzupacken, generell ließ sich physischer Kontakt recht gut vermeiden. Doch in diesem Teil der Wabe herrschten andere Regeln und niemand wusste um Elysas Status. Ganz zu Lasten ihrer persönlichen Schwierigkeiten. Die Ärzte nannten es Aphephosmophobie – die Angst vor körperlichen Berührungen. Seitdem sie ein kleines Kind gewesen war, hatte die bloße Nähe zu anderen Menschen sie in Panik versetzt. Schon ein Händeschütteln kostete Elysa alle Überwindung. Seit einigen Jahren verbarg sie diese Gefühle jedoch tief in ihrem Inneren. Lächelte, wenn sie eigentlich laut schreien wollte. Ertrug die Nähe zu ihren Mitmenschen, selbst wenn sie am liebsten weglaufen wollte. Umarmte jemanden, auch wenn ihr Magen krampfte und sie danach Stunden brauchte, bis das Zittern nachließ. Hierbei war sie so erfolgreich, dass die Fügungsanstalt inzwischen von Heilung ausging. Gleichwohl lag die Kunst bloß darin, den engeren Kontakt zu vermeiden, Berührungen zu dosieren und sich immer am Rand ihrer eigenen Grenzen aufzuhalten.

»Los jetzt!« Die Sicherheitsbeauftragte zerrte sie grob zurück zur Hauptstraße.

»Au!«

»Halt die Klappe!« Drohne Pakes ließ Elysa erst los, als sie am Ende der Gasse ankamen. »Merk dir eins, Mädchen. Du …« Die Frau brach ab, ihre Augen weiteten sich. »Wo hast du das Ding her? Gibst dich wohl als was Besseres aus? Denkst du, ich würde dir abkaufen, dass du im Fügungszentrum arbeitest?«

»Was?« Elysas Stimme hatte einen schrillen Tonfall angenommen.

»Wo – hast – du – das – Ding – her?« Die prankenartigen Hände langten nach dem Rucksack.

Elysa hielt die Luft an. »Gefunden?«, wimmerte sie.

»Verarsch mich nicht!«

Elysas Atemwege zogen sich zusammen, jedes Luftholen wurde zur Qual. Wenn die Drohne den Umhang entdeckte, würde sie eins und eins zusammenzählen.

»Bist wohl mit deiner Zuteilung nicht zufrieden, was? Willst dich in den Fügungsabschnitt einschleichen? Ich wette, ich finde da drinnen die passende Kleidung. Glaub mir, Mädchen, das haben schon ganz andere versucht.« Die grobschlächtige Gestalt tastete unter der Lasche nach dem Reißverschluss. »Du wirst …«

»Sicherheitsbeauftragte Pakes!«

Der Blick der Frau zuckte hoch, musterte den Neuankömmling, der neben sie getreten war. »Darian.« Ihre Augen wurden schmal. »Was willst du?«

Der junge Mann war schlaksig und hochgewachsen. Seine braune Kleidung hing locker am Körper. Auf den Lippen lag ein breites Grinsen. »Ich bin mit meiner Freundin hier verabredet«, sagte er und deutete auf Elysa.

»Was?« Verunsichert blickte Pakes von Elysa zu Darian.

»Na sie wollte mir meinen Rucksack bringen.« Er streckte wie selbstverständlich die Hand danach aus, sein Schmunzeln geriet nicht ein einziges Mal ins Wanken.

»Stimmt das?«, knurrte sie in Elysas Richtung. Die konnte bloß nicken. »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«

Darian nahm ihr die Tasche ab, stieß ein fröhliches Lachen aus und klopfte der breitschultrigen Frau auf den Rücken. »Schau dir das Mädchen doch an, Pakes! Du hast sie vollkommen verängstigt.«

Ein fast boshaftes Lächeln trat auf das Gesicht der Drohne. »Das kann natürlich sein.« Es klang stolz. Als sie wieder zu Darian blickte, wurde ihr Ausdruck ernst. »Pass auf deine Häschen besser auf, wenn sie hier rumrennen, ja? Ich habe deine Freundin gerade aus einer der Anliefergassen gezogen. Das geht nicht.«

Darian bekam große Augen, als er Elysa ansah. »Was ist denn in dich gefahren?«

Statt zu antworten, leckte sich Elysa über die trockenen Lippen. Ihre Wangen glühten vor Hitze.

Darian schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Sorgen, Pakes. Ich werde sie ab jetzt genau beobachten.«

Die Drohne stieß einen grunzenden Laut aus. »Das hoffe ich. Beim nächsten Mal schleife ich sie höchstpersönlich zu den Wachen an der Grenze und dann regeln die das.«

»Klar«, sagte Darian leichthin und schenkte Pakes ein besonders breites Lächeln. Die murmelte etwas Unverständliches und drehte ihnen so plötzlich den Rücken zu, dass Elysa ihr nur überrascht hinterherstarren konnte. Sie keuchte, als Darian ihr den Rucksack gegen den Brustkorb stieß.

»Was ist eigentlich mit dir nicht in Ordnung?« Es war das zweite Mal an diesem Tag, dass jemand Elysa rau anpackte. Nun war es Darian, der sie mit sich schleifte. Elysa riss sich von ihm los.

»Lass mich!« Sie funkelte ihn wütend an, schluckte die Übelkeit herunter.

»Halt die Klappe, klar? Das hätte mächtig schiefgehen können.«

»Ist es aber nicht«, fauchte Elysa.

»Das ist mir scheißegal. Ich habe gesagt, du sollst an der Ecke vor der Arbeiterstraße auf mich warten.«

»Du bist nicht gekommen und da dachte ich …«

»So wie ich das sehe, hast du gar nicht nachgedacht.«

Darian stieß sie grob in einen Ladeneingang. Die Schiebetüren glitten auseinander. Es roch leicht chemisch. Der Raum war komplett weiß gefliest. Eine ausladende Theke, die das Zimmer zweiteilte, war das einzige Mobiliar. Dahinter stand eine blonde Frau mit breitem Lächeln.

»Was kann ich für Sie …?«

»Hol mir Stan«, unterbrach Darian sie harsch.

»Aber …?«

»Los jetzt!«

Erstaunt musterte Elysa ihn von der Seite. Zu ihrer Überraschung parierte die Frau, denn sie verschwand mit grimmiger Miene hinter dem Vorhang und rief den Namen, nach dem Darian verlangte.

»Was?«

»Nichts.«

»Du wunderst dich über den Tonfall«, sagte er.

Elysa antwortete nicht.

Darian lachte leise. »Ihr Frauen. Nur weil ihr in der Überzahl seid, denkt ihr echt, mit uns kann man es machen, was?«

Elysa presste die Lippen fest aufeinander, blickte starr auf den Vorhang.

»Hat es dir jetzt die Sprache verschlagen? Gestern im FÜZ hat sich das noch anders angehört.«

»Dann habe ich dort bereits genug gesagt«, entgegnete Elysa steif. Abermals errötete sie.

»Ich finde das ja echt interessant. Ein Mädchen aus der Fügungsanstalt spricht freiwillig einen Hausmeister der unteren Ebene an und dann auch noch ausgerechnet einen Mann. Du musst verdammt verzweifelt sein.«

»Dein Ruf eilt dir voraus, Darian. Jeder in der Einrichtung weiß, dass man über dich an gewisse Dinge kommt.«

»Ja, für solche Sachen sind wir Kerle gerade noch gut genug.«

»Ich bin hier, weil ich etwas von dir will, und nicht um eine Grundsatzdiskussion zu führen«, sagte sie mit fester Stimme und reckte das Kinn vor.

»Richtig. Du willst etwas von mir

»Es ist ja nicht so, als würde ich das gratis bekommen.«

Darian grinste bösartig. »Stimmt. Hast du alles dabei?«

Elysa presste den Rucksack fest an sich. Sie hatte es nicht gewagt, ihn wieder aufzusetzen, nachdem Darian ihn ihr wiedergegeben hatte. Täuschte sie sich oder roch die Tasche unangenehm, seitdem Drohne Pakes sie berührt hatte? Sicherlich nur ein Streich, den ihre Ängste ihr spielten. »Klar.«

Darian musterte den Rucksack. Gier huschte über seinen Ausdruck. Im selben Moment begann der Boden zu zittern. Darian seufzte entnervt. »Heute ist es wieder ätzend.«

Die Erdbeben traten täglich auf, eine weitere Nachwirkung des Krieges. Die mächtigen Waffen hatten tiefe Risse in den tektonischen Platten hinterlassen. Wie Wunden, die nicht heilen wollten.

Die Vibrationen ließen nach. Dieses Mal war es nicht so schlimm gewesen wie zuvor. Ein gutes Zeichen.

Unvermittelt trat ein Mann mit Halbglatze durch den Vorhang. Er war blass und seine Statur leicht untersetzt.

»Stan!«, rief Darian und strahlte.

»Was willst du?« Im Gegensatz zu seinem Gegenüber sah er wenig begeistert aus.

»Ich dachte, ich besuch dich mal und wir sprechen über die alten Zeiten …« Darian lehnte sich lässig über den Tresen.

Verunsichert huschte Stans Blick zu Elysa. »Wer ist sie

»Eine Freundin.«

Stan flocht nervös die Finger ineinander. »Jetzt sag, was du willst, und gut. Meine Chefin beobachtet mich und …«

»Tremapril.«

Stan riss die Augen weit auf. »Was?!«

»Du hast mich schon verstanden«, sagte Darian und grinste breit.

»Das … das geht nicht.«

»Stan.« Darian zog den Vokal ungewöhnlich lang. »Ich weiß, dass du echt an alles kommst.«

»Aber das nicht. Keine Chance. Wenn Tremapril hier verschwindet, fällt das sofort auf.«

Blitzschnell schoss Darians Hand nach vorne, vergrub sich im Stoff von Stans Oberteil und zerrte ihn halb über den Tresen. Der Mann keuchte überrascht auf. Elysa wich einen Schritt zurück, sah sich verunsichert um. Was, wenn jemand ausgerechnet jetzt die Medikamentenstelle betrat?

»Alter, ich mach keine Scherze. Gib mir das Zeug oder ich grabe mal ein paar Geschichten aus, die deine Chefin weitaus mehr interessieren werden als eine verschwundene Dose Tremapril.«

»Ich …« Stan war sichtlich erblasst, Panik sprach aus seinem Gesicht.

»Und?«

»Okay.«

Darian ließ ihn los. Eilig stolperte Stan zurück, während er immer wieder sein braunes Sweatshirt glattstrich. Schweiß stand ihm auf der Stirn, als er rückwärts durch den Vorhang verschwand.

»Musste das sein?«, entfuhr es Elysa.

»Ja.«

Elysa verschränkte die Arme vor der Brust und sah abermals zum Eingang. Noch immer waren sie allein.

»Mach dir keine Sorgen, hier kommt fast nie einer rein.«

»Wieso?«

Sie erntete einen genervten Blick. »Ich weiß, bei euch stehen sie in der Medikamentenstelle jeden Tag Schlange; Tabletten zur Beruhigung, Pülverchen, damit man sich besser konzentrieren kann, Tee, um ohne Schwierigkeiten zu schlafen.« Darian lachte höhnisch. »Hier gibt es so was nicht. Der Arbeiterabschnitt bekommt nur das Nötigste und selbst davon nur wenig.«

»Ich habe noch nie irgendwelche der Aufbaupräparate genommen«, sagte sie, weil sie plötzlich das Gefühl hatte, sich verteidigen zu müssen.

»Natürlich nicht«, entgegnete Darian lachend. »Es ist mir eigentlich auch egal. Dafür brauchst du ja jetzt das harte Zeug, was?«

Elysa schwieg.

»Du willst die Pillen verkaufen, oder?«, fragte Darian und nickte wissend.

»Was?!«

Er musterte sie. »Na mal echt. Der prüde, geflochtene Zopf, du trägst nie Schminke und läufst auch nicht in diesen Stöckelschuhen rum wie die anderen Weiber. Ehrlich, du wirkst nicht gerade wie ein Junkie. Eher wie jemand, der weiß, wie man schnell Geld verdienen kann. Oder liege ich da falsch? Du bist eines von den schlauen Mädchen, meine ich.«

Elysa blickte ihn entgeistert an.

»Komm schon, verrat es mir. Die Fügung steht kurz bevor und danach bist du wahrscheinlich … hm …« Seine Augen schienen sie zu durchleuchten. »Ich würde sagen, eine der Verwalterinnen im Schloss. Aber deine Eltern sind nicht so reich, wie du es gerne hättest, und deswegen brauchst du ein finanzielles Polster, ehe du in den Palast ziehst. Damit du vor deinen neuen Kollegen nicht dumm dastehst.«

Elysa schwieg, hielt seinem Blick stand.

»Du musst nichts sagen. Ich habe ein Talent dafür, die Menschen zu durchschauen.«

Im selben Moment trat Stan wieder aus dem hinteren Bereich des Ladens hervor. Sein Gesicht glänzte verschwitzt. Er umklammerte ein schmales silbernes Döschen. »Mehr geht nicht.« Er knallte die kleine Verpackung auf den Tresen.

Eilig langte Darian danach. »Kein Problem. Das reicht.« Er grinste, hob die Hand zum Abschied und steuerte den Ausgang an. Hastig folgte Elysa ihm und wich Stans finsterem Blick aus.

Als sie ins Freie traten, sorgte die Fülle auf den Straßen augenblicklich wieder für Beklemmungen. In ihrem Heimatabschnitt herrschte nicht einmal zu den Stoßzeiten solch ein Betrieb. Elysa schluckte hart. Vielleicht sollte sie sich jetzt schon daran gewöhnen. Allein der Gedanke sorgte dafür, dass ihre Atemwege eng wurden.

»Los, Mädchen. Nicht starren, laufen.«

Elysa hatte Mühe, ihm zu folgen. Überall Menschen und diese Beengtheit. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis sie die Gebietsgrenze erreichten. Jede flüchtige Berührung war wie ein Schlag in die Magengegend. Lediglich eine Gasse trennte diesen Bezirk vom Abschnitt des Fügungszentrums. Elysa atmete erleichtert aus. Sie blickte ein letztes Mal zurück. Häuser, die dicht an dicht nebeneinanderstanden. Enge Straßen und zu viele Menschen zusammengepfercht auf wenige Quadratmeter. Purer Hohn, wenn man bedachte, wie wenig beispielsweise in der Gasse des Wachpersonals los war. Zeitweise standen einige Häuser sogar leer. Einzig hier war Platz Mangelware. Elysas persönlicher Albtraum, ihr zukünftiges Zuhause.

»Keine Sorge. Du musst nicht hierher zurückkehren«, sagte Darian, als er ihren Blick bemerkte.

Und wieder schwieg Elysa. Wenn du wüsstest.

Katharina Groth - Beehive Band 1 - Calypsos Herz
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