24. Verschlungene Wege
»Was hast du da bloß angestellt!«
Erneut griff Lea nach Adams Schulter und versuchte, ihn gewaltsam dazu zu bringen, sich ihr endlich zuzuwenden. Doch er ging einfach weiter stur an den Felswänden der Höhle entlang und inspizierte die Umgebung. Je länger er sie allerdings ignorierte, desto wütender wurde sie, da ihr die Ausmaße dessen, was er mit ein paar Sätzen ins Rollen gebracht hatte, immer deutlicher bewusst wurden.
»Adam!«
Sie schubste ihn von hinten an, woraufhin er ein entnervt klingendes Schnauben vernehmen ließ. Trotzdem setzte er seine Inspektion fort.
»Du kannst dein verfluchtes Revier später abschreiten und meinetwegen auch ausgiebig markieren. Aber jetzt wirst du mir zuhören. Der Kollektor wird Megan bald hierher bringen, und ich möchte gefälligst wissen, was genau du dann mit ihr zu tun gedenkst.«
Adam blieb so abrupt stehen, dass Lea beinahe in ihn hineingelaufen wäre. Langsam drehte er sich um und musterte sie. Instinktiv wich sie einen Schritt zurück, während ihr inneres Alarmsystem anschlug: Wenn er sie weiterhin so beunruhigend ausdruckslos ansah, würde nicht einmal die hinterste Ecke der Höhle Sicherheit bieten. Dass er immer noch imstande war, ihr einen solchen Schrecken einzujagen, schockierte sie. Obwohl er ihr eindringlich geschildert hatte, dass der Dämon stets ein Teil von ihm sein würde, hatte sie nicht damit
gerechnet, dass sie sich so bald schon wieder vor ihm fürchten müsste. Verletzt verschränkte sie die Arme vor der Brust.
»Was glaubst du denn, was ich mit Megan tun werde?«, fragte er beängstigend ruhig.
»Sie sollte gar nicht erst hierherkommen.«
»Dann weißt du also, wie Megan für ihren Verrat bezahlen wird. Es wäre also besser, wenn du dir Gedanken darüber machst, wo du dich verstecken wirst, wenn ich dieses Miststück bluten lasse.«
Noch einmal versuchte sie, ihn umzustimmen. »Adam, denk doch mal nach - Megan abzuschlachten, während ich mich in deiner Nähe aufhalte, das willst du in Wirklichkeit weder mir noch dir antun. Außerdem bist du ja nicht ganz unschuldig daran, dass sie uns ans Messer liefern konnte. Du wolltest ihr ja unbedingt vertrauen, dabei ist ihre Loyalität nie völlig eindeutig gewesen.«
Adams Augen verengten sich zu Schlitzen. »Megan hat mir Bescheid gegeben, als Pi dich auf dieses kleine Zwiegespräch eingeladen hatte ...«
»Nachdem sie mich dorthin gebracht hatte, ohne dich einzuweihen. Und dass ich so einfach aus diesem Hotelzimmer schlüpfen konnte, während sie selig schlief ... Rückblickend würde ich behaupten, dass Megan sehr darum bemüht gewesen ist, sowohl Pis als auch deine Interessen unter einen Hut zu bringen.«
»Du hast ja recht, Lea.« Adams Stimme troff vor Zynismus. »Sobald Megan mir unter die Augen kommt, werde ich mich ausgiebig dafür entschuldigen, dass ich sie mit meiner Blindheit dermaßen in Versuchung geführt habe.«
»Schau mal, ich will dich ja gar nicht angreifen«, sagte sie beschwichtigend, handelte sich aber lediglich ein Schnaufen von Adam ein, dass vielleicht so viel wie »Ja, sicher doch« bedeuten sollte. Trotzdem musste sie ihn davon überzeugen, dass sein Weg der falsche war. Der Gedanke, was er mit Megan anstellen würde, wenn der Dämon sich eingeladen fühlte mitzumischen, war Motivation genug. Als er ihr den Rücken zuwandte und erneut die Höhle abschritt, fuhr sie deshalb fort: »Der Kollektor ist doch durchaus bereit, sich mit uns zu unterhalten. Auf welche Art und Weise er alles abgewogen hat, beweist, dass er vernunftbegabt ist. Anstatt einen archaischen Rachefeldzug in Gang zu bringen, hätten wir ihm Agatha als Tauschmittel für unsere Freilassung anbieten können. Vielleicht fällt uns noch immer etwas ein ...«
»Bist du wirklich so naiv, wie dein Vorschlag klingt?«, fragte er hämisch.
Mittlerweile war er dazu übergegangen, den vergitterten Schacht zu untersuchen, durch den der reißende Wasserlauf verschwand. Zuerstüberprüfte er die Verankerung der eingelassenen Eisenstangen, dann krempelte er einen Ärmel hoch und ertastete das Flussbett. »Eiskalt, und der Grund ist sehr uneben. Allzu lange scheint das Wasser noch nicht durch diese Spalte im Boden zu fließen.«
Lea beobachtete, wie er den Arm emporzog, das Wasser abstreifte. Nicht einmal eine Gänsehaut hatte sich auf seinem Unterarm ausgebreitet.Vertieft in seinen Anblick, rutschte ihr eine unbedachte Bemerkung heraus: »Es muss furchtbar sein, in einen Körper eingesperrt zu sein, der nach und nach zerfällt, während er einem zugleich vor Augen hält, was man verloren hat.«
Überrascht zuckte sie zusammen, als Adam mit der Zunge schnalzte, um seiner Abscheu Ausdruck zu verleihen. »Also noch jemand«, sagte er, »dem du nur allzu bereitwillig dein aufrichtiges Mitleid schenkst, obwohl er maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass wir hier unten in diesem Loch festsitzen.Vielleicht solltest du dir deine Anteilnahme lieber für uns beide aufbewahren, wir werden sie nämlich noch brauchen können.«
Lea zog die Strickjacke vor der Brust zusammen, als könnte sie damit einen Schutzwall gegen die Kälte aufbauen, die Adam zunehmend ausstrahlte. Es verwirrte sie, dass es ihm offensichtlich ein Leichtes war, eine solche unbarmherzige Haltung an den Tag zu legen, und er auch vor den damit verbundenen Konsequenzen nicht zurückschreckte. Natürlich wünschte ein wütender und verletzter Teil von ihr Megan und dem Kollektor die Pest an den Hals. Dennoch konnte sie den Gedanken kaum ertragen, dass Adam so sehr darauf brannte, sich selbst die Hände schmutzig zu machen.
»Du hast den Kollektor doch gesehen: Es ist tragisch«, versuchte sie, sich zu verteidigen.
Sie sehnte sich danach, etwas Weiches und Verständiges in seiner Reaktion zu entdecken. Stattdessen warf er ihr einen eisigen Blick zu. »Es ist abstoßend«, erwiderte er kurz angebunden. »Falls du es nicht bemerkt haben solltest: Der Kerl ist vollkommen verrückt. Wahrscheinlich ist schon ein Großteil seines Gehirns zerfallen.Wenn ich die Möglichkeit hätte, ihm den Hals umzudrehen, würde ich es sofort tun. Ich hasse diese Opfer missglückter Verwandlungen. Egal wie rasch sie zerfallen, es gelingt ihnen immer noch, Unheil anzurichten.«
»Gerade von dir hätte ich ein wenig mehr Verständnis erwartet. Die menschliche Hälfte von ihm zerfällt, während die andere vom Dämon gezwungen wird, weiterzumachen. Irgendwer hat ihn verwandelt, dabei wollte der Dämon ihn gar nicht haben, und nun tötet es ihn Stück für Stück.«
Adam verzog seinen Mund zu einem spöttischen Lächeln. »Gezwungen und geschändet - aber sicher doch! Wenn du mich fragst, handelt es sich bei unserem Freund um einen Sohn aus reichem Hause, der seine Schönheit konservieren und für alle Ewigkeiten in den Annehmlichkeiten seines Reichtums schwelgen wollte. Er wäre nicht der Erste vom Leben verwöhnte Idiot, der glaubt, dass alle Regeln für ihn persönlich außer Kraft gesetzt werden können.Wer hätte gedacht, dass das Schicksal über so viel grausamen Humor verfügt, dass der Kollektor von Jahr zu Jahr zuschauen muss, wie sein engelsgleiches Gesicht allmählich von Wurmfraß durchzogen wird.«
Lea funkelte Adam abschätzig an. Seine zur Schau getragene Rohheit rief ihren Widerspruchsgeist auf den Plan, und sie verspürte den Wunsch, ihn zu verletzten, damit er wenigstens etwas von seiner arroganten Haltung einbüßte, die ihn ihr so entfremdete. »Du kennst dich ja gut aus«, sagte sie heiser und trat herausfordernd einen Schritt auf ihn zu. »Ist es damals vielleicht auch dein Ziel gewesen, deinen adoleszenten Größenwahn zu konservieren? Oder hatte jemand anders einfach beschlossen, dein schönes Gesicht für die Nachwelt zu retten? «
Er starrte sie zornig an, und sie musste ihren ganzen Mut zusammennehmen, um dem Blick standzuhalten.
»Wenn du glaubst, mir mit dieser Anspielung die Geschichte meiner Verwandlung entlocken zu können, dann hast du dich geirrt«, entgegnete Adam unnahbar, sich nach all den Wochen wieder seiner alten Maske bedienend.
Am liebsten hätte sie ihn körperlich attackiert. »Als wenn ich das schon tausendfach versucht hätte und jedes Mal gescheitert wäre! Warum kenne ich die Geschichte eigentlich nicht? Ist es vielleicht so etwas wie ein schmutziges Geheimnis?«
»Nein, aber ich mag die Art nicht, wie du mich danach fragst. Du bist wütend auf diesen verdammten Kollektor, weil er uns hier unten eingekerkert hat und für seine Unterhaltung missbraucht. Aber im Gegensatz zu mir traust du deiner Wut nicht über den Weg, weil sein Zustand dein Mitleid erregt. Doch ganz gleich, was du davon halten magst, ich werde mich nicht auf diese Sichtweise einlassen, verstehst du? Ich lasse mich nicht einsperren. Und ich lasse mich auch nicht zum Narren halten, verdammt!«
»Hast du deiner Verwandlung zugestimmt?«, fragte Lea ruhig.
Adam lief einige Male auf und ab - in diesem Moment hatte er in der Tat etwas von einer Raubkatze hinter Gittern, die kein Ventil für die sich aufstauende Aggression fand. Dabei presste er die Lippen so fest aufeinander, das sie sich blass verfärbten, und sie rechnete fest damit, dass er jeden Augenblick mit dem Kopf gegen die Wand rennen würde. Doch dann wurden die Bewegungen langsamer und geschmeidiger, bis er schließlich dicht neben ihr stehen blieb. Die Wildheit spiegelte sich weiterhin in seinen Augen, und Lea war sich nicht sicher, ob ihr diese unterdrückte Empfindung nicht noch viel mehr Angst einjagte.
»Nein«, sagte er. In seiner Stimme klang ein bedrohlicher Unterton mit. Diese Wut richtete sich jedoch nicht gegen Lea, sie war für jemand anderen reserviert. Trotzdem verunsicherte es sie, eine Spur des Adams wiederzuerkennen, der sie damals in Etiennes Haus grob gepackt und unterschwellig bedroht hatte. »Ich habe meiner Verwandlung genauso wenig zugestimmt wie du deiner Zeugung. Wer immer mich geschaffen hat, hat auf den Wunsch des Dämons reagiert, in mich eindringen zu wollen. Wenn man sich nicht in einem derartigen Widerstreit mit dem Dämon befindet wie ich, oder seine Menschlichkeit so pflegt, wie Etienne es getan hat, dann durchschneidet einen das Drängen des Dämons wie ein brennendes Schwert.«
Adam lächelte traurig, während er sich mit der einen Hand den Nacken massierte. Die andere Hand hing locker herab, doch nichts würde sie daran hindern, plötzlich hervorzuschnellen und Leas Schulter zu berühren. Fast sehnte sie sich danach, dass er es tun würde. Aber der Zorn brannte inAdam und drohte,sich durch die papierdünne Schicht seiner Selbstherrschung zu fressen.
Beunruhigt spielte Lea mit dem Gedanken, wie sie ihn daran hindern könnte, den Abstand zwischen ihnen beiden zu überwinden, ohne die Wut noch mehr zu schüren. Sie war sich nicht gewiss, ob sie seine Berührung ertragen könnte. Zwar hatte sie diese dunkle Seite an ihm akzeptiert, aber direkt mit ihr konfrontiert zu werden, verunsicherte sie. Ehe sie begriff, was sie tat, wich sie einen Schritt zurück.
Obwohl Adam nichts sagte, verletzte ihn die Zurückweisung sichtlich. Heiser presste er hervor: »Wer immer es war, der mich verwandelt hat, er ist dem Wunsch des Dämons so schnell nachgekommen, dass ich keine Gelegenheit hatte, mir mehr als ein flüchtiges Bild von ihm zu machen. Er war anscheinend nicht sonderlich interessiert daran, was aus seiner Kreatur werden würde.«
»Es war also ein Er?«, fragte Lea kaum hörbar. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.
Adam nickte, und trotz des dämmerigen Lichts sah sie, wie sich seine Wangen rot verfärbten. Er schloss die Augen, und seine Lippen verwandelten sich in einen schmalen Strich. Besorgt beobachtete sie, wie die Erinnerung ihn heimsuchte, wie alte Verletzungen aufwallten und die Gegenwart fluteten. Hin-und hergerissen zwischen dem Verlangen, sich außer Reichweite zu bringen, und dem tief in ihr pochenden Bedürfnis, Adam Trost zu spenden, blieb sie stehen.
In seiner Trauer und Wut haftete Adam etwas beängstigend Schönes an. Sie brachen etwas in ihm zum Leuchten, auch wenn es mehr ein düsteres Glimmen als ein Strahlen war. Und dieses Glimmen legte sich wie Seide auf Leas Haut, hüllte sie ein und verführte sie mit lockender Dunkelheit. Ein Versprechen umwehte sie mit einem Mal, dass es sich lohnen würde nachzugeben, den freien Willen und den alarmierenden Instinkt abzustreifen.Auch wenn der Preis das eigene Verderben bedeutete, so würde allein der Moment der Hingabe es wert gewesen sein.
Lea zuckte zusammen, als sie erkannte, woraus diese Schönheit gespeist wurde: Auf Adams Haut tanzte der Dämon zu einem Reigen und feierte das bevorstehende Fest von Blut und Gewalt. Er hatte sich die Gelegenheit des emotionalen Chaos zunutze gemacht, um aus den Tiefen aufzutauchen, in denen Adams Wille ihn ansonsten gebannt hielt. Nun stachelte er Adam an, versprach ihm Macht und einen Sieg über alles, worauf er sich stürzen würde. Adams Körper war zur Bühne dieses namenlosen Wesens geworden, und es zeigte Lea seine strahlend schöne Fratze.
Erstmals begriff sie, warum so viele dem Dämon huldigten und opferten: Die dunkle Pracht dieses Besatzers ließ alles andere neben sich unbedeutend erscheinen. Eine an den menschlichen Körper gefesselte Gottheit. Allein der Versuch, dieses Geschöpf zähmen zu wollen, musste bestraft werden. Und sich seinem Wunsch zu widersetzen, einen neuen Tempel zu beziehen, war ein Vergehen, das auf dieser Welt nicht ausreichend gesühnt werden konnte. Fast hätte sie aufgeschrien und sich auf Adam gestürzt, um dem Dämon zu geben, was er begehrte: ihr Blut und ihren Körper, nach dem sich all sein Sehnen richtete.
Aber in diesem Moment bezwang Adam den Dämon erneut, und das wirre Flackern, das hinter Leas Augen gebrannt hatte, verschwand mit einem Mal. Sie schluckte und wankte leicht. Es war, als hätte jemand all die tausend Fäden, die eben noch mit aller Kraft an ihr gezogen hatten, mit einem Hieb durchtrennt.
Adam schien ähnlich erschüttert zu sein, denn sein Gesichtsausdruck war der eines Mannes, der gerade aus einem grauenhaften Albtraum erwacht war. Aber es verriet auch, dass er den Dämon für den Moment besiegt hatte - als habe der sich gleichsam in seine Katakomben verzogen und lauere dort, in seinem Exil, auf die Gelegenheit, in einem unbedachten Augenblick erneut sein Banner zu hissen.
Obgleich Lea spürte, wie sehr sich Adam nach Nähe und Verständnis sehnte, wandte sie sich wortlos ab. Sie brauchte einen Moment der Distanz, einen Fingerzeig, ob sie mit den Geschehnissen der letzten Stunden fertig werden würde.
Mit unsicheren Schritten durchquerte sie die Höhle. Sie ging vorbei an einigen Spalten - wie schwarze, aufgerissene Mäuler - in den Wänden und einem Feld aus mannshohen Felsbrocken, die sich zu einem gefährlichen Wall auftürmten. Dorthin drang das schwache Licht der Scheinwerfer kaum, so dass nur einige gezackte Vorsprünge hervorstachen, während der Rest in bedrohlicher Dunkelheit lag. Schmale Wasserrinnsale bahnten sich einen Weg zwischen lockerem Geröll und Felsspalten und verschwanden wieder im rissigen Boden.
Unbegehbares, unheilvolles Gelände,Treibsand durchsetzt mit Pfählen.
Schließlich fand Lea eine Einbuchtung im Stein und setzte sich erschöpft darauf nieder. Die Beine dicht an den Körper gezogen, legte sie den Kopf auf die Knie. Mit jedem Moment wurde ihr kälter. Die abgestandene Luft, die mit einer Spur von Mineralien durchzogen war, blieb auf ihrer Haut liegen und machte die Kleidung schwer.
Während sich ihre Augen nach und nach an die Dunkelheit gewöhnten, tastete sie ihr Innerstes ab, als wäre es ein Krug, der zu Boden gefallenwar. Überrascht stellte sie fest, dass die Sprünge nicht so tief waren wie befürchtet. Offensichtlich war der Keil, den der Dämon und Adams Entschluss, Megan zu töten, zwischen sie getrieben hatte, nicht kraftvoll genug gewesen, damit sie sich endgültig von ihm trennte.
Plötzlich zeichnete sich Adams Silhouette in der Dunkelheit ab. Lautlos war er über das Geröll gestiegen. Lea zuckte zusammen, sie fühlte sich einer weiteren Auseinandersetzung nicht gewachsen. Als er noch einen Schritt auf sie zutrat, gewann sein Gesicht an Konturen. Immer noch zeichneten sich dort seine Wut, die ihn aufzufressen drohte, und sein Bedürfnis, ihr nahe zu sein, ab.
Bevor Lea schwach werden konnte, ging sie lieber zum Angriff über: »Es wird nichts an unserer Situation ändern, wenn du Megan tötest.«
»Nein, wirklich nicht? Ich glaube, du übersiehst etwas: Du hast den Kollektor gesehen, ihm rennt schlicht und ergreifend die Zeit davon. Du trägst zwar die Lösung für sein Problem in dir, aber mit Akinoras Vernichtung ist es unmöglich geworden, dir dein Geheimnis rasch zu entreißen. Eigentlich bist du für ihn genauso nutzlos wie Megan. Warum hätte er dich sonst mit mir zusammen hier unten eingesperrt? Jäger und Beute - Tiger und Kätzchen.«
»Das verstehe ich nicht...«
Adam lachte hart, die Arme vor der Brust verschränkt, als könne er sich auf diese Art davor schützen, zu zerfallen. »Tatsächlich nicht? Er weiß, dass ich ihm hier unten über kurz oder lang eine aufregende Show liefern werde. Der Dämon sehnt sich nach Blut, und er sehnt sich danach, in dich einzudringen. Du hast doch gerade eben erst eine Kostprobe von seiner Macht bekommen. Wie lange werde ich ihm Widerstand leisten können? Und wenn ich dann zusammenbreche, wie werde ich mich dann entscheiden: Werde ich den Kelch zu Ende trinken, oder werde ich einen Samen in dich pflanzen? Ich weiß nicht, was schlimmer für mich wäre ... Das Opfer, das Megan für ihren Verrat bringen muss, könnte eine Art Schonfrist für dich bedeuten.«
»Warum sagst du könnte?«
Adams Brauen zogen sich kummervoll zusammen, ehe er dicht vor sie trat. »Blut zu trinken, das durch einen pulsierenden Körper jagt, ist immer auch ein Gottesdienst zu Füßen des Dämons. Man opfert ihm, singt sein Lied. Man macht sich zu seinem Altar, von dem aus er sich in seiner ganzen Herrlichkeit feiern kann. Unsterblich, unzerstörbar. Normalerweise verweigere ich diesen Dienst...«
Er hielt inne, dann streckte er zögernd eine Hand aus. Sanft fuhren seine Fingerspitzen Leas Wange entlang und strichen über ihre Lippen. Doch schon einen Augenblick später zog er die Hand zurück und sah ihr kalt in die Augen, bis sie den Blick senkte. »Ich werde Megan töten, Lea.Was danach passiert, kann ich dir nicht sagen.«