20. Fluchtwege
Ein kurzes Aufheulen des Motors, und der Wagen machte einen Satz nach vorn und blieb im nächsten Moment wie von allen Geistern verlassen stehen.
Verzweifelt löste Lea die Hände vom Lenkrad und fuhr sich mit zittrigen Fingern über den Mund. Sie brauchte eine Sekunde, um sich zu sammeln, dann wanderten ihre Finger erneut zum Zündschloss. Der Motor schnurrte kaum hörbar, und sie ließ die Kupplung kommen, ganz vorsichtig, damit sie den Schleifpunkt nicht erneut verpasste. Doch alle Konzentration war umsonst, der Wagen soff erneut ab, so dass er der aufragenden Betonwand gefährlich nahe kam.
Auf dem Beifahrersitz stöhnte Adam gequält auf. Obwohl er vollkommen zerschunden aussah, war Lea sich sicher, dass er wegen der verdammten Karre und nicht wegen der Schmerzen ächzte.
Adam saß halb bewusstlos neben ihr und beschmierte das cognacfarbene Kalbsleder mit dem geronnenen Blut, mit dem er von Kopf bis Fuß bedeckt war. Den Kopf hatte er nach hinten gelegt, und sie betrachtete die lila geäderten Augenlider und den leicht offen stehenden Mund, aus dem der flache Atem stoßweise kam.Teils klebte Adam das Haar dunkel und nass am Kopf, teils stand es wirr ab. Lea verspürte das Bedürfnis, es glattzustreichen.
Nicht alle Kugeln, die Macavity hintereinander weg abgefeuert hatte, hatten ihren Weg in Adams Körper gefunden. Aber er hatte ausreichend Treffer in Kopf und Brust hinnehmen müssen, um besinnungslos zusammenzubrechen.
Noch immer schauderte Lea, wenn sie an das gerade Erlebte dachte.
Kaum war der Lärm verklungen gewesen, da hatte Lea seinen Oberkörper auf ihren Schoß gezogen und versucht, sich einen Eindruck von den Verletzungen zu machen. Aber eine Wunde an der Schläfe tauchte innerhalb kürzester Zeit alles in klebriges Rot, und bei dem Anblick von so viel Blut wurde ihr schlecht. Würgend heftete sie den Blick an die Wand und zählte ihre Atemstöße, bis Adam sich in ihren Armen gerührt hatte.
Sie mussten weg von diesem Ort. Früher oder später würde jemand auftauchen, um den Grund für all den Lärm herauszufinden. Ohne lange nachzudenken, beugte sich Lea dicht über Adams Mund und presste seine Lippen auf die Wunde am Hals, die Macavity ihr geschlagen hatte. Die Verletzung war da, und ihr Blut floss bereits - warum also sollte es nutzlos in der Kleidung versickern?, versuchte sie sich selbst zu beruhigen.
Sie spürte, wie Adam schwach an der Wunde zu trinken begann, im selben Rhythmus, in dem ihr das Herz in der Kehle pochte. Mit jedem Zug, den er nahm, klang ein Echo durch ihren Körper. Es war, als wisperten Stimmen durch ihre Adern, riefen einen Namen. Das Herz verdoppelte seine Kraftanstrengungen, ließ frisches Blut zur Wunde hinaussprudeln: eine gern gemachte Gabe.
Lea entspannte sich.Wie gut sichAdams Lippen an ihrem Pulsschlag anfühlten... Doch während sie in die lockende, samtene Dunkelheit abtauchen wollte, ließ Adam den Kopf zurückfallen. Einen Augenblick lang verharrte er mit geschlossenen Augen, als könne er sich nicht dazu durchringen, aus einem Traum aufzuwachen. Dann richtete er sich mühsam auf Hände und Knie, tunlichst darauf bedacht, Leas fieberhaften Blick zu meiden.
Wortlos machten sie sich auf den Weg über leere Korridore, wobei Lea dem halb kriechenden, halb robbenden Adam mit ihrer schmerzenden Schulter keine große Hilfe war.
Unterwegs legten sie eine Pause ein, weil die Braunüle in Leas Armbeuge zu einem brennenden Dorn geworden war. Es wollte ihr einfach nicht gelingen, die Nadel herauszuziehen. Bei jedem einzelnen Blick auf die Braunüle, die in dem geröteten Fleisch steckte, wurde ihr schummerig. Adam betrachtete sie missmutig, als nähme er es ihr übel, dass sie Zeit mit solch einer Kleinigkeit verschwendete. Schließlich streckte er die zitternde Hand nach ihr aus. Finger und Handrücken waren über und über mit geronnenem Blut verschmiert. Und ehe Lea einen klaren Gedanken fassen konnte, hatte sie die Braunüle selbst gezogen.
Irgendwie war es ihnen gelungen, zum Aufzug zu gelangen. Trotz der kargen Notbeleuchtung in dieser verwaisten Tiefgarage entgingen Lea die beiden zusammengesunkenen Körper in der Nähe des Aufzugs nicht. Das mussten zwei von Pis Wachmännern gewesen sein. Sie überlegte kurz, ob diese Männer Adams Bekanntschaft gemacht hatten oder von einem rachsüchtigen Chef für ihr Versagen abgestraft worden waren.
Mit enormer Kraftanstrengung war es ihr schließlich gelungen, Adam auf den Beifahrersitz seines Wagens zu helfen. Aber diesen englischen Wagen aus der Parklücke zu fahren wollte einfach nicht klappen. Mit starrer Miene machte sie sich erneut am Zünder zu schaffen und biss die Zähne fest zusammen, als sie die Gaszufuhr so zu dosieren versuchte, dass der Motor nicht gleich wieder absoff. Warum war es den Kerlen bloß so ungemein wichtig, dass unter einer Nobelkarosse derart viele PS lauerten, dass sich das Baby von Normalsterblichen kaum bezwingen ließ?
Lea hatte nur noch einen Versuch, dann würde der Wagen mit der Schnauze gegen die Wand knallen. Wenn es nach ihrem Frustpegel Schrammen abzubekommen. Allerdings dürfte es sich bestimmt als wenig hilfreich erweisen, mit einem demolierten Luxuswagen herumzufahren, wenn neben einem das weggetretene Opfer eines Schusswechsels saß.
Millimeter um Millimeter hob Lea den Fuß, bis sie endlich einen Widerstand fühlte und behutsam aufs Gas treten konnte. Dieses Mal erklang ein sattes Schurren, und der Wagen glitt zurück.
Das Auto rollte in Richtung Ausgang, wobei es Lea fast unmöglich war, die Spur zu halten. Denn sie musste den Wagen von der Seite aus lenken, auf der sie normalerweise als Beifahrerin saß. Vor der Rampe zum Ausgang starb der Motor noch dreimal ab, und jedes Mal fluchte Adam leise vor sich hin, obwohl er ansonsten kaum fähig war, seinen Kopf so weit zu stabilisieren, dass er nicht ständig auf seine Brust sank. Auch sie stöhnte innerlich auf und machte drei Kreuze, als sie die Tiefgarage und mit ihr das Institut hinter sich gelassen hatten.
»Wie geht es dir?«, fragte Lea, als eine rote Ampel sie zum Anhalten zwang. Es war früher Morgen, die Kreuzung war um diese Tageszeit noch menschenleer und wirkte gespenstisch im fahlen Zwielicht.
Statt eine Antwort zu geben, brummte Adam nur beschwichtigend und leckte sich mit der Zunge über die ausgetrockneten Lippen. Unwillkürlich musste sie daran denken, dass vor nicht einmal einer Stunde ihr Blut diese Lippen passiert hatte. Sie erschauderte, aber sie verspürte ebenso einen seltsamen Stolz.
Als die Ampel auf Grün schaltete, zwang Lea den Wagen heulend und hoppelnd voran. »In den oberen Gängen macht er mir weniger Schwierigkeiten«, verteidigte sie sich, den Blick stur auf die Straße gerichtet.Trotzdem war sie sich bewusst, dass Adam sein Gesicht gequält verzog. »Alte Dreckskarre«, murmelte sie frustriert. »Null Fahrkomfort, reiner Angeberkram ...«
Aus den Augenwinkeln sah sie Adams Hand, die sich zitternd am CD-Player zu schaffen machte. Im nächsten Moment erklang Musik aus den Boxen, deren Lautstärke Adam rasch hochdrehte. Lea war sich nicht sicher, ob er damit ihr Geschimpfe oder den jammernden Motor übertönen wollte. Doch dann schlich sich die Musik in ihre Gedankengänge und löste nach und nach die Schimpftirade auf, die ihr auf der Zunge brannte. Ohne es recht zu bemerken, ließ sie sich von Rhythmus und Melodie mitreißen. Sie bekam das Musikstück nicht recht zu fassen. Zu treibend für einen Popsong, zu kunstvoll für ein Rockstück. Der Gesang berührte sie, erzählte ihr eine Geschichte. Sie hörte auf, darüber nachzudenken, lauschte nur.
Als Lea endlich einmal tief ausatmete, erschrak sie, da sich dabei ein brennender Schmerz in ihren Brustkorb grub. Sie war sich gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sie jeden einzelnen Muskel verkrampft hatte. Während sie sich nun entspannte, protestierte ihr Körper, bis sich der Schmerz in ein warmes Pochen verwandelte. Sie sank ein Stück tiefer in den komfortablen Sitz. Lautlos sang sie den Songtext mit, und als ihre Lippen die Worte »Schatten werfen keine Schatten« formten, schlich sich sogar ein Lächeln auf ihr Gesicht.
Sie waren entkommen.
Wider aller Erwartung. Gemeinsam.
Lea parkte den Wagen halb auf dem Schotterweg, halb auf dem verwilderten Rasenstreifen. Sie zog den Schlüssel ab, lehnte sich noch einmal in den weichen Sitz zurück und schloss die Augen. Neben sich hörte sie Adams gleichmäßige Atemzüge. Er hatte die Lehne des Sitzes bis zum Anschlag zurückgestellt und schlief nun zusammengekauert unter einer Decke. Vor ein paar Stunden noch hatte er sich hartnäckig geweigert, sich zum Ausruhen auf die Rückbank zu legen. Wahrscheinlich hatte er - trotz seines desolaten Zustands - ernsthaft gehofft, im Verlauf der Reise Lea das Lenkrad doch noch aus den Händen reißen zu können. Dabei hatten sich ihre Fahrkünste rasant gesteigert. Ohne ihr elegantes Anfahren zu loben, war er ins Reich der Träume entglitten.
Sie hatten noch einen Zwischenstopp beim Hotel eingelegt, um die Katze und Leas Habseligkeiten zu holen. Von Megan war keine Spur zu sehen gewesen, aber Adam hatte sich nicht weiter dazu geäußert, und Lea verspürte wenig Neigung, ihrem Verschwinden auf den Grund zu gehen.Vielleicht hatte Megan sich vor Scham zurückgezogen, weil sie Lea entgegen ihrer Anweisungen aus den Augen verloren hatte. Oder Adam hatte sie aus seinem Dienst entlassen.
Adam hatte mit vor Anstrengung bebendem Rücken den Kopf unter den Wasserhahn gehalten, bis ein Großteil des Blutes abgewaschen war. Den Rest hatte er mit dem verdorbenen Hemd abgewischt. Dann war er in eins von Leas grauen Schlafshirts geschlüpft. In ihre Jeans musste er sich mit Gewalt hineinzwängen. Der Anblick ließ Lea allerdings versonnen strahlen: Die schmalen Hosenbeine drapierten sich normalerweise sexy um die High Heels, die sie seit dem Ball in Pis Haus immer wieder mal getragen hatte. Nun schmückte dieser überlange Saum passend Adams Beine. Seine schmalen Hüften, und erst sein Hintern in dieser Jeans ... alles Elend der Welt war plötzlich ganz weit weg.
Adam hatte alles mit stoischer Ruhe hingenommen. Sogar, als Lea den Wagen in Richtung Norden gelenkt hatte, hatte er sich nicht einmal die Mühe gemacht, nach dem Ziel zu fragen. Stattdessen schien er meditiert zu haben, nach einer inneren Kraftquelle geforscht zu haben, die ihn die Schmerzen klaglos ertragen ließ und den Heilungsprozess beschleunigte.
Während der ereignislosen Fahrt hatte sie über die Gelassenheit gestaunt, mit der sie der Flucht begegnete. Offenbar hatte die Lawine von Katastrophen, die innerhalb der letzten zwei Tage über sie hereingebrochen war, sie dermaßen abgestumpft, dass sie ausschließlich auf demÜberlebensmodus durchs Leben glitt. Konnte ihr nur recht sein. Die Rechnung dafür würde sie später gern bezahlen, wenn Adam und sie in Sicherheit wären. Am besten dann, wenn er sich so weit erholte hatte, dass er sie ausgiebig umsorgen konnte.
Als sie die Stadt und ihr Umland hinter sich gelassen hatten und Adam in einen tiefen Schlaf gefallen war, hatte Lea bei jeder Gelegenheit sein Gesicht bewundert, das zwischen Entsoannune und dem sanften Eindrücken von Träumen oendelte. Sie hatte die Hand ausgestreckt und seine Finger berührt, die einen Deckenzipfel umklammert hielten. Sie hatte sich frei und auf eine verrückte Art euphorisch gefühlt. Dieses Gefühl hatte sich nach einigen Stunden in eine angenehme Ruhe gewandelt, die sie auch begleitete, während sie nun aus dem Wagen stieg und dem Schotterweg bis zu einer Gabelung folgte. Nur einige Schritte entfernt zu ihrer Rechten lag die Holzhütte, die ihre Eltern gekauft hatten, als sie jung und verliebt gewesen waren.
Lea hatte hier als Kind einige wundervolle Sommer verbracht, Tage, die mit Bootfahren, Blumen sammeln und endlosen Streifzügen durch die Wildnis angefüllt gewesen waren. Ihre Mutter hatte ihre schicken Caprihosen getragen, auf der Veranda Blumen umgetopft und dabei Kette geraucht, während ihr Vater in einem altersschwachen Campingstuhl Anglerzeitschriften gewälzt hatte. Nach dem Tod ihrer Mutter waren ihr Vater und sie noch einige Male hergekommen; doch nur zu zweit, mit Herzen voller Trauer, hatte dieser Ort keinerlei Magie mehr entwickeln können. Er hatte ihnen nur das Schattenleben, das sie beide führten, schmerzlich deutlich gemacht.
Obwohl ihr Vater in all den Jahren die Hütte lediglich sporadisch besucht hatte, um nach dem Rechten zu sehen, machte sie einen wohnlichen Eindruck. Gewiss brauchten die Holzplanken einen neuen Anstrich, und die Dachschindeln waren fast vollständig von Moos überwuchert. Aber Lea sah auf den ersten Blick nichts, was an Verwahrlosung grenzte und sie von einem gemütlichen Abend vor dem Kamin abhalten würde.
Ihr Blick schweifte zum See, und sie folgte dem schmalen Pfad zum Ufer. Es dämmerte schon, und vom Wasser her zog Kühle ans Land, so dass sie die Arme schützend um den Oberkörper schlang. Sanft plätscherten die Wellen gegen das Ufer aus Geröll und Schilf.
Während sie dastand, spürte sie die Erschöpfung, die sie ab dem Moment verdrängt hatte, als Adam, von den Kugeln getroffen, zusammengebrochen war. Tränen sammelten sich in ihren Augen und glitten ihr über die Wangen. Durch den Tränenschleier schaute sie auf das Blau des Sees, das in der aufkommenden Dunkelheit mit dem Grün des Waldes verschmolz. Das Farbenspiel nahm Leas Sinne gefangen und schenkte ihr einen unerwarteten Augenblick des Friedens.
Als Adam lautlos neben sie trat, zuckte sie nicht einmal zusammen.
Unauffällig musterte sie ihn aus den Augenwinkeln, bemerkte die Gänsehaut auf seinen nackten Unterarmen, sah die dunkelroten, aufgeworfenen Flecken, wo Macavitys Kugeln getroffen hatten. Die Hände steckten in den Gesäßtaschen der Jeans, wobei Lea sich schelmisch fragte, wie ihm das wohl gelungen war. Sein Gesicht verriet Erschöpfung, und er wankte fast unmerklich, während sein Blick auf dem See ruhte.
So blieben sie eine Zeit lang stehen und schauten dem Tanz zu, den die ersten Mücken dicht über dem Wasserspiel veranstalteten, bis Lea sich leicht auf die Unterlippe biss und in neckischem Ton fragte: »Und, lebt die Karre noch?«
Adam senkte den Kopf, um seine Schuhspitzen zu inspizieren. Trotzdem entging Lea nicht, wie sich auf seinem Gesicht ein Schmunzeln ausbreitete. Aber bevor sie erleichtert die Arme um ihn legen konnte, erwiderte er in arrogantem Tonfall: »Eine solche großartige Ingenieurskunst kann nicht einmal von deinem Fahrstil ruiniert werden.«
Statt einer Umarmung verpasste Lea ihm einen Schlag gegen die Schulter und streifte dabei eine der noch nicht ganz verheilten Schusswunden. Doch Adam zuckte nur leicht zusammen.
»Da gibst du nicht einmal einen Mucks von dir, wenn du angeschossen wirst. Aber wenn es um dein albernes Auto geht, stöhnst du herum, als stündest du Höllenqualen aus«, versuchte sie ihm erneut eine Reaktion zu entlocken.
Und tatsächlich stieß Adam ein leises Lachen aus. Allerdings hielt er immer noch den Blick gesenkt, als wolle er nicht, dass sie seine Mimik beobachtete. Gerade jetzt, da es ihm nicht gelingen wollte, die gleichgültige Maske aufzusetzen. Da Lea sich neugierig vorbeugte, senkte er den Kopf weiter, und das etwas zu lang gewordene Haar fiel ihm ins Gesicht. »Albernes Auto ...«, äffte er sie scheinbar beleidigt nach. »Eigentlich solltest du über mein Verhalten froh sein. Es ist noch genug Mensch in mir, um mit einem misshandelten Oldtimer mitzuleiden.«
»Du meinst wohl Mann«, sagte Lea spitz und genoss es, als Adam erneut ein leiser Lacher rausrutschte. Dann drängte sich ihr ein Gedanke auf, der ihr augenblicklich den Mund austrocknete und die Handinnenflächen in Feuchtbiotope verwandelte. »Apropos Mann: Hoffentlich kommt mein Vater nicht auf die Idee, seine Frühjahrsinspektion der Hütte ausgerechnet jetzt vorzunehmen.«
»Ich glaube nicht, dass du dir darüber Sorgen machen musst«, erwiderte er immer noch belustigt. »Dein Vater arbeitet zurzeit wie ein Besessener an einem bahnbrechenden Aufsatz über Regressive Konstruktionen, die er auf dem jährlichen Philologen-Treffen vorstellen will. Er ernährt sich vor lauter Stress fast ausschließlich von Tiefkühl-Sushi - richtig widerlich.«
Lea runzelte die Stirn. »Du bist wirklich sehr gründlich, nicht wahr?«
Adam nickte nur leicht, wobei sein Gesicht wieder aus dem Haarwust auftauchte. Er kaute auf seiner Unterlippe herum, als ginge ihm etwas Wichtiges durch den Kopf, das er nur schwer in Worte fassen konnte. Dann zuckte ein Muskel unter seinem Wangenknochen, und er warf Lea einen flüchtigen Blick zu.
»Vielen Dank für dein Blut«, sagte er heiser. Endlich drehte er ihr sein Gesicht zu. In seinen Augen flackerte Unsicherheit, aber auch etwas, das Lea bei einem anderen Mann sogleich als Zärtlichkeit gedeutet hätte.
Sie stutzte.
Die kleine Spende hatte sie beinahe wieder vergessen, und wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie auch nie wieder daran gedacht. »Du hast ja sozusagen nur ganz kurz an mir genippt.« Sie stockte und fühlte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss. »Kann mir gar nicht vorstellen, dass es irgendwas gebracht hat...«
»Es ist nie zu wenig und nie genug«, erwiderte Adam mit einem schiefen Lächeln, das Lea den Atem raubte. Dann legte er ihr den Arm um die Hüfte, und gemeinsam gingen sie zurück zum Wagen, in dem die Katze ihr Beruhigungsmittel längst ausgeschlafen hatte und nun elend vor sich hin maunzte.