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Er war gerade erst eine halbe Stunde zu Hause, als er sich und Grace Wein einschenkte und über den Vorfall mit Jessica im Krankenhaus berichtete.
»Das ist gar nicht gut«, meinte Grace. »Machst du dir große Sorgen um Al?«
»Wenn sie ihm das Herz bricht ...« Sam schüttelte den Kopf. »Ich darf mir da nichts vormachen. Wenn sie es tut, kann ich nicht groß was ausrichten.«
»Du kannst ihm aber helfen, sich davon zu erholen«, erwiderte Grace.
Sie sahen einander an - und dann taten sie, was sie immer taten, wenn sie sich besonders gut oder schlecht fühlten oder traurig waren. Sie gingen für eine Weile nach oben in das Zimmer ihres Sohnes, beobachteten ihn beim Schlafen und flüsterten ihm zu, wie sehr sie ihn liebten.
Später, als sie wieder unten in der »Höhle« waren und Woody sich zwischen sie aufs Sofa kuschelte, zeigte Sam ihr das Foto, das er mitgebracht hatte.
»Beth meinte, ob du vielleicht mal mit deinem Psychologinnenauge daraufschauen könntest.«
Grace begutachtete das Bild. »Ein Kind hat das nicht gemalt. Auch kein Teenager.«
Sam schüttelte den Kopf. »Es stammt von einer Person, für die wir uns interessieren.«
Grace legte die Stirn in Falten. »Ihr habt doch Experten für so was.«
»Und die befassen sich auch damit«, erwiderte Sam. »Aber Beth meinte, es könne nicht schaden, es dir zu zeigen.«
»In Ordnung. Solange hier keiner von uns vergisst, dass das nicht mein Arbeitsfeld ist.«
»Das versteht sich von selbst. Wir würden trotzdem großen Wert auf deine Meinung legen.«
Sie schaute sich das Foto wieder an. Wie es schien, zeigte das Bild eine düstere, zerklüftete Landschaft, der keinerlei erlösendes Licht von oben beschieden war. Vielmehr kam das einzige Licht von unten, und es strömte nicht tröstlich, sondern flackerte bedrohlich. Als sie das Ganze genauer in Augenschein nahm, kam es ihr so vor, als ließen sich in der düsteren Landschaft Kreaturen ausmachen, die aussahen wie Schlangen oder Würmer ...
»Lass dir Zeit«, sagte Sam.
»Tu ich«, erwiderte sie und versuchte, die Sache aus der Perspektive der Psychoanalytikerin anzugehen. »Nur klappt das nicht. Es gibt zu wenig, woran ich mich orientieren kann, sodass die Gefahr besteht, dieses Wenige überzubewerten.«
»Wir haben noch andere Arbeiten gesehen«, sagte Sam. »Und die ...«
»Sag es mir nicht«, fiel Grace ihm ins Wort. »Noch nicht.«
Wieder ließ sie sich ein paar Minuten Zeit.
»Ich kann nur so viel sagen«, erklärte sie dann. »Wenn das hier die Arbeit eines Jugendlichen wäre - wobei ich in diesem Fall eine weniger ausgefeilte Maltechnik erwarten würde -, hätte ich aller Wahrscheinlichkeit nach gewisse Bedenken im Hinblick auf das betreffende Kind.« Sie schüttelte den Kopf. »Was aber noch lange nicht heißt, dass ich die Behauptung wagen würde, dieser Künstler hier könne in irgendeiner Form in ein Gewaltverbrechen verwickelt sein. Und ich nehme an, dass du und Beth genau das wissen wollt.«
»Das Bild heißt Erebos«, sagte Sam. »Der Gott der Finsternis, entstanden aus dem Chaos.«
»Wie alt ist der Künstler?«
»Sie ist siebenundzwanzig.«
»Sie«, wiederholte Grace.
»Macht das einen Unterschied?«
»Eigentlich nicht.« Wieder betrachtete sie das Foto. »Viele junge Menschen entwickeln eine Faszination für satanische oder dämonische Themen, vor allem, weil sie im Fernsehen und von Computerspielen so sehr damit gefüttert werden.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin da inzwischen nicht mehr auf dem neuesten Stand.«
»Die Künstlerin ist Allison Moore«, sagte Sam. »Die Frau von der Galerie. Sie hat bei sich zu Hause mindestens ein Gemälde hängen, das einen Bezug zu Hexerei und Hexenkunst hat: Goyas ›Flug der Hexen‹.«
»Ein großartiges Bild«, erwiderte Grace. »Das hätte ich auch gern an der Wand.« Sie hielt einen Moment inne. »Allison Moore ist also Künstlerin.«
»Ja. Beth hält ihre Arbeiten für düster«, entgegnete Sam.
Grace dachte darüber nach. »Gehen wir also mal davon aus, dass sie auf Satanismus und solche Dinge steht. Bringt sie das in Verbindung mit diesen Morden?«
»Nicht direkt«, sagte Sam.
»Habe ich überhaupt helfen können?«
»Du hilfst immer«, antwortete er.
»Aber nicht, diesen Killer zu schnappen«, widersprach Grace.
»Heute nicht«, erwiderte Sam.