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Nachdem sie den Durchsuchungsbefehl hatten, schauten sie sich zusammen mit den Kollegen von der Spurensicherung Elizabeth Price' Reihenhaus an.

Falls man das Paar gemeinsam entführt hatte, war dies hier der wahrscheinlichste Ort, an dem die Entführung stattgefunden haben konnte, weil ihre beiden Wagen hier noch standen. Die Spurensicherung widmete der Garage und dem Zugang, der von dort ins Haus führte, deshalb auch besondere Beachtung. Wie immer wurden zuerst Indizien gesammelt und Fotos geschossen. Chemikalien wurden vorerst nicht an den möglichen Tatort gebracht. Die Techniker, die die Fingerabdrücke nahmen, warteten, bis ihre Kollegen sich einen ersten Eindruck verschafft hatten.

Michelle Webster hatte man die Fingerabdrücke abgenommen, um sie als Verdächtige ausschließen zu können, aber niemand rechnete damit, auf etwas Offensichtliches zu stoßen. Sie hofften allerdings, dass sie mit einem weiteren Durchsuchungsbefehl, der sich auf die Videoaufzeichnungen der Fahrzeuge bezog, die in die bewachte Straße gefahren und sie wieder verlassen hatten, etwas fanden, was ihnen weiterhelfen konnte.

Sam und Martinez trugen Handschuhe und Schuhhüllen, bewegten sich vorsichtig durch das kleine, schmucke Haus und berührten nur etwas, wenn es unbedingt erforderlich war. Doch sie entdeckten nichts Überraschendes. Hochwertige Möbel und Installationen, jede Menge Bücher, die in alphabetischer Reihenfolge auf Regalen standen, entweder gelesen oder gut durchgeblättert: juristische Fachliteratur, Biografien und Memoiren, Romane von Austen über Kafka bis hin zu Grisham. Zwei Bücher lagen auf einem Beistelltisch neben dem Sofa, »Steve Biko - Der Schrei nach Freiheit« von Donald Woods und Barack Obamas »Ein amerikanischer Traum«. Sue Millers »Die gute Mutter« lag in der Küche auf der Arbeitsplatte. In allen drei Büchern steckten Lesezeichen aus Leder.

In jedem Zimmer standen Fotos, auf denen wahrscheinlich Familienangehörige zu sehen waren. Ein hübsch gerahmtes Bild zeigte Elizabeth und André auf einem Segelboot. Im Großen und Ganzen aber war wenig zu finden, und Schnickschnack gab es kaum. Es gab zwei Schränke, hauptsächlich voller Damengarderobe und Schuhe, größtenteils konservativ, sowie Männerkleidung, vermutlich von André. Eine Wäschetruhe quoll über von Sachen, die gewaschen werden sollten.

Ein Tagebuch fanden sie auf Anhieb nicht, und die einzigen sichtbaren Notizen klemmten an der Kühlschranktür und bezogen sich auf Lebensmitteleinkäufe. Es gab mehrere Küchenmesser, die theoretisch zu Morden benutzt, dann abgewaschen und wieder zurückgelegt worden sein konnten - obwohl niemand mehr da war, den man hätte fragen können, ob ein Messer oder mehrere fehlten.

Im Kühlschrank war auch nichts von Interesse: Joghurt, Mineralwasser, eine Flasche Sauvignon Blanc, eine Packung roter Äpfel, vier Eier und etwas Salatdressing, aber kein Salat.

»Wahrscheinlich hatte sie die Einkäufe fürs Wochenende geplant«, sagte Sam, traurig über ihr tragisches Schicksal und von zunehmender Wut erfüllt.

In Elizabeths Arbeitszimmer im ersten Stock herrschte Ordnung. Alles lag an seinem Platz, obwohl hier bald schon von der Spurensicherung alles auf den Kopf gestellt werden würde. Sie würden auch das MacBook vom Schreibtisch nehmen und auf Hinweise überprüfen, was die junge Anwältin und ihren Freund zu Mordopfern gemacht haben könnte.

Es gab nirgendwo ein Anzeichen für Gewalt. Im Haus und auf der Terrasse war alles sauber und ordentlich; das überbreite Bett im Obergeschoss war gemacht, genau wie bei den Eastermans. Hatte Elizabeth es immer so zurückgelassen? Oder hatte es jemand anders so hergerichtet? Jemand, der so geschickt war wie beispielsweise Mayumi Santos?

»Mein Bett sieht nie so aus«, sagte Martinez.

»Vielleicht hatte sie eine Haushälterin«, meinte Sam.

»Vielleicht hat Mayumi Santos Schwarzarbeit gemacht«, sagte Martinez.

»Du schießt wieder über das Ziel hinaus«, mahnte Sam.

»Dann verklag mich«, erwiderte Martinez.

In Duprez' Apartment im dritten Stock der Wohnanlage Juniper Terrace war es fast die gleiche Geschichte. Auch hier gab es keine Spur, die auf einen Einbruch, auf Gewaltanwendung oder auch nur auf ein Eindringen hindeutete, aber das Bett war zerwühlt und die Kopfkissen eingedellt, und es gab Anzeichen dafür, dass der junge Kanadier irgendwann in seinem Wohnzimmer gearbeitet hatte, bevor er entführt wurde oder aus freien Stücken gegangen war.

»Hier sind nicht mal schmutzige Teller«, sagte Sam in der kleinen Küche.

»Ja. Nicht mal eine Kaffeetasse auf dem Abtropfbrett«, sagte Martinez.

Sam benutzte seinen behandschuhten Zeigefinger, um eine der Schubladen zu öffnen. »Nicht gerade viele scharfe Messer.«

»Als alleinstehender Mann?«, erwiderte Martinez. »Ich habe auch nur ein großes und ein kleines Messer.«

Sam zog die Nase kraus. »Riechst du was?«

Martinez schnüffelte, und auf einmal blickten seine dunklen Augen ganz wach. »Moussaka?«

»Könnte sein.«

Martinez öffnete die Tür des Kühlschranks. »Bingo.«

Sam schaute ihm über die Schulter, sah eine glänzende Aubergine, ein halbes Paket Tomaten und etwas geriebenen Kefalotyri-Käse. »Hat man das vielleicht unseretwegen hier zurückgelassen?«

»Meinst du?« Martinez kratzte sich am Kopf. »Aber wenn Duprez sich das selbst gekocht hat, wer hat dann die Beruhigungsmittel untergemischt?«

Sie überprüften den Abfalleimer, fanden aber keine Essensrückstände. Dann leuchteten sie mit einer Taschenlampe in den Müllschlucker, den die Kollegen von der Spurensicherung später herausnehmen und ebenso untersuchen würden wie die Rohre, die direkt darunter lagen. Aber für den Moment sah alles sauber und glänzend aus wie der Rest der Küche.

»Mir stößt diese ganze Hygiene übel auf«, sagte Martinez. »Das Price-Haus war sauber, aber das hier ist nicht normal.«

Im Badezimmer entdeckten sie Aspirin, Tylenol und eine Flasche Hustensaft, dessen Haltbarkeitsdatum überschritten war.

»Kein Temazepam«, sagte Martinez.

»Was ist das da?« Sam wies auf eine Flasche, die ganz hinten auf dem obersten Regal stand.

Martinez schaute genauer hin. »Propanolol. Sagt dir das was?«

»Kommt mir irgendwie bekannt vor.« Sam googelte es auf seinem Mobiltelefon. »Das ist ein Beta-Blocker ...« Er ging durch die Suchergebnisse. »Bluthochdruck ... Angstgefühle ...« Er stockte. »Bei den Eastermans war von gesundheitlichen Problemen keine Rede, aber wir sollten mal überprüfen, ob einer von ihnen vielleicht irgendwas gegen Angstgefühle genommen hat, vielleicht sogar bei einem Therapeuten in Behandlung war.«

»Wenn sie den gleichen Psychiater hätten, wäre das wunderbar«, sagte Martinez.

»Das wäre zu schön, um wahr zu sein«, erwiderte Sam. »Wir müssen das noch mit auf die Liste für den Gerichtsmediziner setzen. Der Doc soll checken, ob sie das Zeug im System hatten.«

Sie verließen die Wohnung und wollten mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage, mussten aber warten, weil im vierten Stock gerade jemand einstieg und den Lift erst einmal nach oben in den sechsten Stock entführte.

»Bei den Eastermans gab es wenigstens Mayumi, die als Erklärung herhalten konnte, dass das Haus blitzsauber war.« Die Sauberkeit störte Martinez nach wie vor. »Aber ein Mann, ein vielbeschäftigter Rechtsanwalt ...«

»Meinst du, die Entführung hat hier stattgefunden?«, fragte Sam.

»Das würde keinen Sinn ergeben, weil Duprez' Wagen vor Elizabeths Haus stand.«

Der Fahrstuhl wurde im sechsten Stock festgehalten.

Martinez war mit seinen Gedanken wieder in der Küche. »Falls wir also denken sollen, er hätte sich die Moussaka zubereitet ...«

»Vielleicht ist es dem Mörder egal, ob wir das denken oder nicht«, erwiderte Sam. »Vielleicht sind diese Zutaten nur ein Ablenkungsmanöver, und er weiß, dass wir es wissen.«

»Dann hätten wir es mit jemandem zu tun, der Spielchen spielt«, sinnierte Martinez.

Der Fahrstuhl hielt, und sie stiegen hinein.

»Keine Kamera«, stellte Sam fest.

»Hilft uns also auch nicht weiter«, sagte Martinez.

Und nur Kamera-Attrappen in der Garage, wie sich Augenblicke später herausstellte. Vielleicht scheuten die Bewohner der Juniper Terrace die Extrakosten. Oder sie hatten geglaubt, dass sie keine Überwachungsanlage brauchten, weil sie in einer Gegend wie Miami Shores wohnten, in der die Kriminalität laut Statistik minimal war.

»Das Einzige, was wir im Moment haben«, fasste Sam zusammen, als sie sich Duprez' Parkbox ansahen, die mit einem weiß aufgemalten »3 B« gekennzeichnet war, »sind zwei attraktive Paare. Jung, wohlhabend, karriereorientiert ... wobei Suzy Easterman vielleicht weniger getriebener war als die anderen, obwohl wir da noch nicht sicher sein können.«

»Aber das trifft auf das Groß der Bevölkerung von Miami-Dade County zu«, erwiderte Martinez. »Warum also diese Leute? Selbst wenn man sie zufällig ausgesucht hat, irgendetwas muss sie zu den Auserwählten gemacht haben.«

»Und nicht nur zu Zielscheiben«, fügte Sam hinzu. »Zu Ausstellungsstücken.«

»Was uns zu den Leuten von der Galerie zurückbringt.«

»Aber vielleicht ist das nur ein weiteres Ablenkungsmanöver«, sagte Sam.