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Sie hatten noch immer nichts in der Hand, was Licht auf die Morde an den Resslers geworfen hätte. Und was das Schlimmste war: Falls das Timing der Morde nach einem Muster verlief, sah es so aus, dass zwischen dem ersten und dem zweiten Verbrechen sechs Tage gelegen hatten, dann fünf Tage zwischen dem zweiten und dem dritten Paar. Das bedeutete, dass ein weiteres Paar vielleicht schon entführt worden war.
Vermisstenmeldungen lagen aber noch nicht vor.
»Effie Stephanopoulos hat angerufen«, teilte Beth Sam um neun Uhr dreißig mit. »Sie hat gesagt, dass es schwierig sei für Mister Christou, sich freizumachen, aber wenn es wichtig sei, würde er tun, was er kann.«
»Wie großmütig von ihm«, meinte Sam spöttisch.
»Heißt das, wir treffen uns mit ihm?«, fragte Beth.
»Heute nicht«, antwortete Sam.
Nicht ohne etwas Handfestes, auf das man das Verhör ausrichten konnte - falls es so etwas je geben sollte.
»Effie hat gesagt, Mister Christou habe die Stadt verlassen, um Freunde zu besuchen. Sie hat mir eine Telefonnummer gegeben, unter der wir sie erreichen können, falls nötig. Ich habe ihr gesagt, dass wir dankbar wären, wenn sie uns die Namen und Adresse der Freunde nennen könne. Effie ruft mich zurück. Und Cutter beschäftigt sich nach wie vor mit Mrs. Christou.«
Über Karen Christou gab es noch nichts Neues. Ihr Mädchenname war Carlsen. In Dänemark geborener Vater, amerikanische Mutter, seit fast elf Jahren mit Anthony verheiratet. Zweimal hatten Nachbarn auf der Prairie Avenue Anzeige erstattet wegen Lärmbelästigung, die auf lautstarke Ehestreitigkeiten zurückzuführen war.
Doch seit das Ehepaar sich vor zwei Jahren getrennt hatte, war nichts mehr vorgefallen. Nicht einmal über das Aquarium hatten sie sich gestritten.
An diesem Morgen war Larry Beatty zu Hause.
Apartment 14D war geschmackvoller eingerichtet als sein Büro. Eine moderne, lässig-bequeme Miami-Beach-Wohnung mit Steinfußböden, blauen Teppichen und farblich dazu passender Sitzgarnitur, Glasregalen an den Wänden und breiten Fenstern, die vom Fußboden bis zur Decke reichten. Sie wirkte gepflegt und gemütlich.
»Es erstaunt mich ein wenig, dass Sie hergekommen sind«, sagte er, nachdem Sam ihm Beth Riley vorgestellt hatte.
»Sie arbeiten am Wochenende nicht«, erwiderte Sam. »Ich hoffe, wir kommen nicht ungelegen.«
»Aber nein. Und selbst wenn es so gewesen wäre - ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich alles tue, um zu helfen.«
Er bot Kaffee und Mineralwasser an, doch sie lehnten ab. Dann nahmen alle Platz. Beth und Sam auf dem Sofa, Beatty in einem der Sessel.
»Hat Detective Martinez an diesem Wochenende auch frei?«, fragte er.
»Er ist krank«, erwiderte Sam.
»Das tut mir leid.«
Sam kam gleich auf den Punkt.
»Könnten Sie uns etwas über Ihre Beziehung zu Allison Moore erzählen?«
»Beziehung?« Beatty zog seine blonden Brauen hoch. »Wir sind Kollegen, wie Sie wissen. Sie arbeitet für mich.«
»Würden Sie sagen, dass Sie Freunde sind?«, fragte Beth. »Ich betrachte alle meine Kollegen als Freunde.«
»Und außerhalb des Büros?«, bohrte Sam weiter. »Sind Sie da auch Freunde?«
»Wir waren gelegentlich auf einen Drink aus und haben ein paar Mal auch zusammen zu Mittag gegessen.« Er zuckte mit den Achseln. »Das waren aber nur geschäftliche Treffen, lediglich an einem anderen Ort.«
»Was können Sie uns über Miss Moore erzählen?«, fragte Beth. Beatty beugte sich vor. »Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
»Selbstverständlich«, erwiderte Beth. »Wird sie verdächtigt?«
»Sollte sie verdächtigt werden?«, hakte Sam sofort nach. »Natürlich nicht.« Beatty schüttelte den Kopf.
»Wir möchten gern mehr über jeden Einzelnen in Erfahrung bringen, dem wir im Verlauf unserer Ermittlungen begegnet sind«, sagte Sam. »Ich bin überzeugt, dass Sie von den anderen Morden gehört haben.«
»Wäre kaum möglich gewesen, nichts davon zu hören«, antwortete Beatty. »Es wird immer beängstigender für die Leute draußen, nicht wahr?«
»Hauptsächlich für Paare«, sagte Beth. »Sie haben keine Partnerin?«, fragte Sam.
»Nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt«, erwiderte Beatty. »Vielleicht sollte ich froh darüber sein.« Er stockte. »Stellen Sie Ally die gleichen Fragen über mich?«
»Miss Moore ist Künstlerin?«, ging Sam über die Frage hinweg. »Stimmt das?«
»Eine Amateur-Künstlerin, soviel ich weiß.«
»Haben Sie ihre Arbeiten je gesehen?«, fragte Sam.
»Es gab mal eine Ausstellung, da war auch eines ihrer Gemälde zu sehen. Ein paar Leute vom Büro sind dort gewesen.«
»Was haben Sie davon gehalten?«, fragte Beth. »Von dem Bild?«
»Ja. War Miss Moore eine talentierte Künstlerin?«, fragte Sam. »Wenn ich ehrlich bin, kann ich mich nicht mehr genau daran erinnern.« Wieder zuckte Beatty mit den Achseln. »Ich bin kein Kunstkenner, Detective.«
»Sie waren Manager der Oates Gallery«, hielt Beth dagegen. »Nur, was das Gelände anging«, sagte Beatty. »Nicht auf künstlerischem Gebiet.«
»Hat Miss Moore Ihnen jemals ihr Atelier gezeigt?«, fragte Sam. »Nein«, antwortete Beatty. »Ich weiß nicht einmal, ob sie eines hat.«
»Nach dem Katalog der Ausstellung, in der ihr Gemälde gezeigt wurde«, sagte Sam, »sind ihre Arbeiten ziemlich düster.«
Für den Bruchteil einer Sekunde änderte sich der Ausdruck in Beattys haselnussbraunen Augen. In ihnen flackerte irgendetwas - ganz kurz nur, dann war es wieder verschwunden.
»Kann sein«, meinte er. »Wie ich schon sagte, kann ich mich kaum noch daran erinnern.«
»Wissen Sie, ob Miss Moore einen Lebensgefährten hat?« Sam änderte seine Taktik.
»Das weiß ich nicht«, antwortete Beatty. »Sie ist nicht verheiratet.«
»Lebt sie allein?«, fragte Beth.
»Ich weiß nicht, ob es da jemanden gibt«, gab Beatty zurück. »Aber Sie brauchen doch sicher nicht mich, um auf solche Fragen Antworten zu bekommen, oder?«
»Reines Interesse«, meinte Sam.
»Tut mir leid«, erklärte Beatty, »aber ich kann Ihnen nicht mehr über Ally erzählen. Wenn ich es könnte, würde ich es tun.« Sein Lächeln wirkte gequält. »Wie wäre es mit ein paar Fragen zu meiner Person?«
»Okay«, sagte Sam. »Zwei Fragen, Mister Beatty ...«
Sein Gegenüber wartete.
»Wann haben Sie zum letzten Mal Urlaub gemacht?«
»Im Oktober. Ich war in New York City.«
»Seither waren Sie an keinem Wochenende weg?«, fragte Beth.
Beatty schüttelte den Kopf.
»Eine letzte Frage«, sagte Sam.
»Nur zu.«
»Spielen Sie Golf?«
Beatty lächelte wieder, aber dieses Mal sah es eher wie ein Grinsen aus. »Nur sehr schlecht.«
»Sind Sie Mitglied eines Golfclubs?«, fragte Beth.
»Nein.« Beatty stutzte. »Warum?«
»Wo spielen Sie denn?«, fragte Sam.
»Immer da, wohin man mich einlädt.« Er überlegte. »Die letzte Runde habe ich auf einem der Plätze im Doral Country Club gespielt. Wieso?«
»Reines Interesse«, wiederholte Sam.