Kapitel 8
Der größte Konflikt zwischen Männern und Frauen
rührt nicht daher, dass wir miteinander spielen, sondern eher
daher, dass wir mit unterschiedlichen Regeln spielen. Wir Frauen
haben die einen, die Männer andere Regeln.
Aus dem Kapitel »Das Warum und das Woher«
Erst als Brianna sich auf ihn stürzte, merkte
Robert, wie angespannt sie war. Er war gerade in die große
Haupthalle getreten, als er sich inmitten einer Horde Diener
wiederfand, die massive Vasen mit Blumenarrangements aus dem
Wintergarten hereinschleppten.
Eine schmale Hand umschloss mit überraschender Kraft seinen
Unterarm.
»Ich brauche deine Hilfe.« Seine Schwägerin
zerrte ihn geradezu in Richtung der Feuerstelle, die mit
italienischem Marmor eingefasst war. In der Nähe standen einige
Samtsessel. »Die Gäste kommen bald an, und in weniger als einer
Stunde wird der Tee serviert.Was hältst du davon, wenn die Rosen
hier stehen?«
Ein hübscher Strauß blutroter Rosen setzte neben
dem weißen Marmor einen dramatischen Akzent. Darum sagte er
ehrlich: »Ich finde, sie sehen hübsch aus.«
Prüfend blickten ihn ihre blauen Augen an, und
er entdeckte tatsächlich einen kleinen, gelben Schmutzfleck auf
ihrer Wange. »Bist du sicher?«
Er zog sein Taschentuch hervor und wischte die
Substanz fort, die verdächtig nach Blütenpollen aussah. »Ich bin
absolut sicher.«
Die Röte in ihren Wangen und das nervöse
Klammern ihrer Hand erinnerten ihn wieder daran, dass sie gerade
erst zwanzig geworden war. Auch wenn sie zumeist einen
bemerkenswert selbstbewussten Eindruck machte, war sie noch nicht
an ihre neue Stellung als Duchess of Rolthven gewöhnt. Ihre
Erfahrungswerte mit Aufgaben dieser Art waren begrenzt. »Mrs.
Finnegan, unsere Hausdame«, sagte er so taktvoll wie möglich,
»dient unserer Familie inzwischen seit dreißig Jahren, und sie
würde genau wissen, wo man die Rosen platziert, um den
bestmöglichen Effekt zu erzielen. Sie hat schon oft Hauspartys
organisiert. Meine Mutter hätte sie uns schamlos weggenommen und
nach Italien entführt, wenn es ihr gelungen wäre, sie zum Mitgehen
zu überreden. Ich glaube, Finnie wäre hoch erfreut, wenn du ihr
einige dieser Entscheidungen übertragen würdest.«
Brianna erwiderte darauf mit reizender
Ernsthaftigkeit: »Ich will so sehr, dass alles perfekt ist. Ich
habe Colton diese Sache ja geradezu aufgedrängt, und wenn es ein
gesellschaftliches Desaster wird, werde ich nicht nur seine Zeit
verschwendet, sondern ihn auch in Verlegenheit gebracht
haben.«
Für einen kurzen Moment, als Robert in ihr
hübsches Gesicht hinabschaute und den Ernst in ihren Augen sah,
beneidete er seinen Bruder um seine Frau. Nicht um Brianna im
Besonderen, obwohl sie auf jede nur erdenkliche Weise schön war und
er ihren Witz und ihren Verstand hoch schätzte, sondern eher um die
Vorstellung, dass diese Frau all die Mühsal auf sich genommen
hatte, um diese Party zu planen. Sein älterer Bruder würde die
Rosen nicht einmal bemerken, geschweige denn sehen, wie gezielt sie
platziert waren. Aber vor allem wünschte sie, Colton glücklich zu
machen.
Was für eine Vorstellung. Robert war mehr als
gut mit Frauen vertraut, die von ihm wünschten, dass er sie glücklich machte. Sie sehnten sich nach der
Lust, die er ihnen im Bett schenken konnte, aber auch nach dem
Ansehen, das es mit sich brachte, mit dem jüngeren Bruder eines
Dukes herumzutändeln. Nicht zu vergessen die teuren Geschenke und
wertvollen Schmuckstücke, die sie geradezu erwarteten.
Dachten sie denn jemals auch an ihn? Nicht an den Lord Robert Northfield mit seinem
großen Erbe und den ausgezeichneten Verbindungen. Nicht daran, ob
sie ihn hübsch fanden und er ein geübter Liebhaber war. Sondern
dachten sie je über sein Leben, seine Gedanken und Erwartungen
nach?
Er hatte das ungute Gefühl, dass es den Frauen,
die er ins Bett mitnahm, nie in den Sinn kam, darüber nachzudenken,
ob er glücklich war. Es war natürlich auch sein Fehler, erkannte
er, als
er einfach dastand und Brianna anstarrte. Er atmete den Duft der
Treibhausblumen ein, der die Luft erfüllte. Er wählte bewusst
Gefährtinnen, die nichts außer einer sexuellen Liaison ohne
emotionale Bindung wünschten. Er verführte eine bestimmte Sorte
Frauen, und sie genossen seine Aufmerksamkeit sehr.
Aber war ihm das genug? Keine der Frauen sah ihn
so an, wie Brianna zu seinem Bruder aufblickte.
Auch Colton sah seine Frau in unbeobachteten
Momenten, wenn er sich nicht gerade in seinem Arbeitszimmer
verbarrikadierte, um Lieferverträge und Briefe an die Verwalter
seiner An- wesen zu verfassen, mit einer gewissen Weichheit im
Blick an, von der Robert vermutete, dass sein älterer Bruder nicht
einmal wusste, dass sie da war.
Es war schon erstaunlich, dass er im Alter von
sechsundzwanzig Jahren und mit seinem Erfahrungsschatz im Umgang
mit Frauen noch nie anders als mit Spott über die Möglichkeit
nachgedacht hatte, sich zu verlieben.
»Du bist auf jede erdenkliche Weise ein Gewinn
für ihn, und das meine ich nicht nur in Bezug auf seinen Titel.«
Robert tätschelte ihre Hand, die noch immer seinen Arm umklammert
hielt. Die Heiserkeit in seiner Stimme erfüllte ihn mit Unglauben.
Er war doch sonst nie sentimental … zumindest hatte er das bisher
von sich gedacht. »Ich werde für dich nach Mrs. Finnegan suchen,
ja? Dann werde ich mich am besten erfrischen und umziehen. Ich bin
den ganzen Tag ausgeritten.«
»Ich danke dir.« Brianna gab ihn frei und
lächelte reumütig. »Ich wäre ihr wirklich dankbar, wenn sie mir
helfen könnte.«
»Es war mir ein Vergnügen, Madame de la
Duchesse.« Er verbeugte sich mit übertriebener Höflichkeit, die sie
zum Lachen brachte, und machte sich dann auf die Suche nach der
überaus
tüchtigen Finnie (wie er sie gern nannte, seit er alt genug war,
um zu reden), erklärte ihr, dass Coltons junge Frau etwas Führung
bräuchte, und ging nach oben, um sich umzukleiden.
Die ganze Zeit war er sich jedoch bewusst, dass
er einen Moment tief greifender Erleuchtung erfahren hatte.
Als er vor dem Spiegel seine Krawatte richtete,
blickte ihm ein grimmiger Robert entgegen. Das war für ihn sehr
ungewöhnlich, denn zumeist zeigte er eine recht sorglose
Miene.
Ein Klopfen an seiner Tür ließ ihn herumfahren.
Barsch fragte er: »Ja?«
Damien öffnete die Tür zu seinem Schlafzimmer
und kam herein. »Ich habe gedacht, wir sollten vielleicht lieber
gemeinsam hinuntergehen und eine vereinigte Front der Junggesellen
präsentieren.«
Robert zwang ein breites Grinsen auf sein
Gesicht, um die für ihn so ungewöhnliche, nachdenkliche Stimmung zu
vertreiben. »Hast du einen Plan, wie wir das hier überleben
können?«
»Ich bin Militärberater.« Sein Bruder zuckte mit
den Schultern. »Wenn du mich fragst, klingt allein das nach einer
klugen Strategie, wenngleich ich zugeben muss, dass ich eher daran
gewöhnt bin, die Bewegungen der französischen Streitkräfte zu
beurteilen, und nicht die junger Damen und ihrer dahinter stehenden
Motivation.«
»Vielleicht schmeicheln wir uns ja mit unserer
Angst nur selbst«, bemerkte Robert ironisch. »Gut möglich, dass
keine der jungen Frauen, die Brianna eingeladen hat, an einem von
uns interessiert ist.«
Damien wirkte resigniert. »Ich habe mich ja seit
einer ganzen Weile nicht mehr in diesen gesellschaftlichen Kreisen
bewegt, aber ich fürchte, da bist du allzu optimistisch. Wir sind
Northfields,
Robert – wir könnten die flegelhaftesten Kerle in ganz England
sein, und man würde uns dennoch für geeignete Junggesellen
halten.«
Robert dachte dasselbe. »Vermutlich hast du
recht«, gab er nach. »Aber wenigstens ist Miss Marston bezaubernd.«
Obwohl es unklug war, an sie allzu viele Gedanken zu verschwenden,
fügte er im Stillen hinzu. »Und sehr schön.«
Und wo zum Teufel kam nun diese Bemerkung her?
Ihn befremdete der Gedanke, die junge Dame schon bald
wiederzusehen, zumal er ständig in seinem Hinterkopf kreiste.
Die Augenbrauen seines Bruders schossen in die
Höhe. »Miss Marston? Doch nicht etwa die Tochter von Sir Benedict
Marston?«
»Doch.« Robert hatte Damien noch nichts von
seiner Meinungsverschiedenheit mit besagtem Mann erzählt.
»Wir hatten zuletzt hin und wieder
korrespondiert.« Damiens Gesicht nahm einen leeren Ausdruck an, wie
es immer geschah, wenn er über seine Aufgabe redete. »Liverpool und
der Kriegsminister schenken ihm ihr Ohr. Merkwürdig, als Brianna es
gestern Abend erwähnte, habe ich nicht sogleich die richtigen
Schlüsse gezogen.«
»Sie ist recht gut mit Rebecca
befreundet.«
»Rebecca, ja? Du bist schon so vertraut mit der
jungen Dame, dass du sie beim Vornamen nennst?«
Robert dachte an einen Garten im Mondlicht, an
das Streicheln seiner Lippen, die den Mundwinkel eines weichen,
rosigen Munds berührten. »Nein. Es ist eine Freiheit, die ich mir
in ihrer Gegenwart nicht herausnehmen würde.Wir kennen uns
kaum.«
Bis auf die nachgiebige Fülle ihrer Brüste, die
sich in seiner
Erinnerung gegen seine Brust drängten, und bis auf den herrlichen,
berückenden Duft, der ihrem Haar entströmte …
»Nun, ich könnte ihre Gegenwart ertragen, wenn
mir dadurch die Möglichkeit gegeben wird, mit ihrem Vater zu reden.
Wellington kann jede Hilfe brauchen, die er in Horse Guards
bekommen kann, und Marston hat viel Einfluss. Ich bin froh zu
hören, dass sie wenigstens einigermaßen hübsch ist, denn so kann
ich den Anschein erwecken, ernstlich an ihr interessiert zu
sein.«
Einigermaßen? Ärger
flammte in Robert auf. Es war unerklärlich, weil Damien, der immer
so vernünftig und geradezu gemäßigt war, selten jemanden
verärgerte. Er antwortete kühl: »Sie ist wirklich sehr apart, und
es geht das Gerücht, dass ihr Vater viele Angebote potenzieller
Verehrer abgelehnt hat. Sobald du sie kennengelernt hast, wirst du
verstehen, warum. Sie ist nicht eines dieser milchgesichtigen
Mädchen, die ständig albern kichern und stolz drauf sind, dass sie
nichts als Flausen im Kopf haben.«
Damien schien angesichts dieser Eröffnung seine
Haltung zu ändern. »Das sind willkommene Neuigkeiten. Diese Party
könnte doch nicht ganz so ermüdend sein, wie ich erst
dachte.«
»Du willst also ein Interesse an ihr
vortäuschen, um das Gehör ihres Vaters zu finden?«
»Das klingt bei dir so anrüchig.« Sein Bruder
schien von seinem verärgerten Tonfall verwirrt. »Ich meinte doch
nur, dass ich vermute, sie wird die meiste Zeit mit ihren Eltern
verbringen, und wenn ich um Marstons Aufmerksamkeit buhle, wird es
auch erforderlich sein, mich mit ihr zu beschäftigen.«
Das klang logisch. Warum es Robert überhaupt
etwas ausmachte, war ihm schleierhaft.
Eine kurze, unverbindliche Unterhaltung und ein
rasches Entwischen
in die Büsche, um ihr zu helfen, einem langweiligen Einfaltspinsel
wie Lord Watts zu entkommen, war wohl kaum mehr als eine flüchtige
Bekanntschaft.
»Dann geh schon und wirb um sie.« Er hob die
Schultern in einer bewusst lässigen Geste.
»Ich habe nicht gesagt, ich wolle um sie
…«
»Damien, tu einfach, was du tun willst.«
War er tatsächlich gerade seinem älteren Bruder
heftig ins Wort gefallen? Verdammt, diese kurze Begegnung mit
Brianna vorhin hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen.
Er ging zur Tür. »Tut mir leid, aber ich hasse
solche Veranstaltungen. Sie machen mich nervös. Lass uns nach unten
gehen und noch einen Brandy kippen, ehe das hier beginnt. Bist du
dabei?«
Wenn die letzte Stunde auch nur ansatzweise so
war wie der Rest dieser Hausparty, dann könnte Rebecca von Glück
sagen, wenn sie die kommenden fünf Tage überstand, ohne den
Verstand zu verlieren.
Sie hatte sich auf die Kante eines bestickten
Sofas niedergelassen und balancierte die Teetasse mit unsicherer
Hand. Wenn sie die zarte Porzellantasse an den Mund hob, war sie
sicher,Tee über ihren Schoß zu verschütten, darum tat sie lieber
so, als wäre sie nicht durstig.
Kurz gesagt: Sie täuschte vor, Tee zu trinken,
und das war etwas, das eine respektable Engländerin nie tun sollte.
Aber sie war es müde, sich den Regeln des Anstands zu unterwerfen.
Diese Regeln waren es nämlich, die sie hier festhielten. Sie musste
Damien Northfield lauschen, der zwar fast so gut aussehend wie sein
jüngerer Bruder war, aber dem es völlig an der Verwegenheit
und dem verruchten Lächeln mangelte, das Robert auszeichnete.
Damien war in eine Unterhaltung mit ihrem Vater über den Krieg auf
der spanischen Halbinsel vertieft. Auf der anderen Seite des Raums
plauderte Robert mit Loretta Newman, einer Witwe, die so attraktiv
wie jung war.
Natürlich müssen die Frauen, die ihn
interessieren, blond und klein sein und all die anderen Attribute
aufweisen, die im Moment so en vogue sind und einem Gentleman
gefallen, dachte Rebecca verärgert. Sie beobachtete, wie Robert
sich eine Winzigkeit zu sehr nach vorne beugte, um noch schicklich
zu sein. Er flüsterte seiner Begleitung etwas ins Ohr. Mrs. Newman
lachte und ließ ihre Wimpern aufs Reizendste flattern, dass Rebecca
am liebsten die Zähne gefletscht hätte. Worüber sie redeten, konnte
sie nicht sagen, aber sie standen seit fünfzehn Minuten in einer
heimeligen Ecke, und …
»Miss Marston?«
Verärgert riss sie ihren Blick von Robert los.
Damien Northfield blickte sie mit perfekter Gelassenheit an. Er saß
direkt neben ihr. Sie stammelte: »Ich... es tut mir leid. Habt Ihr
etwas gesagt?«
Lieber Gott im Himmel,
hoffentlich hat er mich nicht dabei ertappt, wie ich seinen Bruder
angestarrt habe. In seinen Augen lag eine Schärfe, die seine
überragende Intelligenz verriet.
»Ich habe mich nur gefragt«, sagte er mit
gewähltem, höflichem Ernst, »wie es Euch dieses Jahr in London
gefällt?«
Wenigstens war das keine schwierige Frage. »Etwa
so sehr wie letztes Jahr«, antwortete sie ehrlich. Er hatte hübsche
Augen, bemerkte sie, aber sie waren dunkler und glichen eher einem
azurblauen Himmel. Seine klar geschnittenen Northfield-Gesichtszüge
wiesen weder Roberts leicht sündig angehauchten Charme
noch Coltons Reserviertheit auf, sondern hatten etwas ganz
Besonderes, Eigenes. Etwas Wachsames und Ruhiges.
Ein ritterliches Lächeln umspielte Lord Damiens
Lippen. »Ich verstehe.«
Ihr Vater runzelte die Stirn über ihre
mehrdeutige Antwort. Sie vermied es, sich zu rechtfertigen, sondern
konzentrierte sich lieber auf Roberts älteren Bruder. Bestimmt
konnte sie das besser. »Ich meinte damit, dass wie immer ein
ziemlicher Trubel herrscht.«
Offensichtlich konnte sie es nicht viel besser.
Lord Damien schien das nichts auszumachen. Er
sagte freundlich: »Ich empfinde es auch so. Selbst ohne den Krieg
fürchte ich, dass ich etwas zu eigenbrötlerisch bin, um einen
Großteil meiner Zeit in London zu verbringen. Robert ist da das
völlige Gegenteil.« Er blickte in die Richtung, in der sein Bruder
noch immer mit der begehrenswerten Mrs. Newman zusammenstand und
mit ihr flirtete.
»Er scheint sich sehr sicher in der Gesellschaft
zu bewegen.« Es war eine triviale Bemerkung, und Rebecca wünschte
sich inständig, sie könnte einfach ihren Tee trinken, damit ihre
Hände beschäftigt waren. Aber sie hatte wirklich Sorge, sie könnte
sich mit ihren zitternden Fingern in Verlegenheit bringen.
»Er hat erwähnt, dass Ihr mit ihm bekannt
seid.«
Mit dieser Bemerkung hatte er ihre volle
Aufmerksamkeit. Wie viel hatte er wohl
erwähnt? Ihren Zusammenstoß in der Tür? Die Flucht durch die
Gärten? Diesen Beinahe-Kuss, an den sie unablässig denken musste?
Sie hoffte, dass Robert seinem Bruder nicht alle Details der
Geschichte offenbart hatte, und sie betete darum, dass Damien, wenn
es so war, sich nicht dazu hinreißen ließ, sie in Gegenwart ihres
Vaters zu wiederholen.
Aber bestimmt besaß er als Attaché von Lord Wellington ein
Mindestmaß an Takt.
Alles wäre also in Ordnung gewesen, wenn sie
nicht errötet wäre. Zu ihrem Entsetzen spürte sie das Blut warm in
ihre Wangen steigen. »Wir wurden einander vorgestellt«, sagte sie
etwas zu hastig. Sie wagte nicht, zu ihrem Vater
hinüberzublicken.
»Ja, das habe ich mir gedacht. Soweit ich es
verstanden habe, seid Ihr eine gute Freundin meiner Schwägerin.«
Lord Damiens Miene war ausdruckslos.
Er verfügte tatsächlich über Taktgefühl. Er ließ
es ganz natürlich klingen, dass sie mit einem der berüchtigtsten
Lebemänner bekannt war, noch dazu einem, den ihr Vater
verabscheute. »Brianna und ich sind schon fast unser ganzes Leben
lang befreundet. Unsere Familien haben aneinandergrenzende
Besitzungen, und wir lernten uns als Kinder kennen.«
»Ich bin mit ihr noch nicht besonders gut
bekannt, aber sie scheint eine wunderbare Frau zu sein.«
»Das ist sie.« Wenigstens das konnte Rebecca aus
voller Überzeugung bestätigen.
Zu ihrer Erleichterung wandte er sich wieder
ihrem Vater zu und stellte ihm eine Frage über die kommende
Parlamentssitzung. Und wieder war sie ganz sich selbst und ihrer
Tasse Tee überlassen, der inzwischen nur noch lauwarm war. Es war
eine Qual, nicht zu Robert hinüberzusehen, aber sie wagte kaum mehr
als einen Blick zu ihm und der hübschen Witwe, zumindest für eine
kleine Weile.
Zu ihrer Bestürzung waren die beiden fort, als
sie das nächste Mal einen kurzen Blick riskierte. Beide waren
verschwunden.
Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihrer
Magengrube aus.
Es war eine Sache, einer hoffnungslosen
Leidenschaft für einen
berüchtigten Lebemann nachzuhängen. Etwas vollkommen anderes war
es aber, Zeugin seiner Indiskretionen werden zu müssen. Oh, sie
hatte schon oft mit ansehen müssen, wie er in überfüllten Ballsälen
tanzte, plauderte und lächelte, aber da waren immer viele Leute
anwesend, und sie hatte nie beobachtet, wie er mit einer seiner
Verehrerinnen, die sich ihm andienten, verschwand. Wenn ein Mann
und eine Frau auf einer Hausparty gemeinsam verschwanden... nun,
sie las die Klatschspalten der Zeitungen und war erfahren genug, um
zu wissen, was dann geschah.
Waren sie nach oben gegangen, wo die
Schlafzimmer lagen?
Es war gut möglich.
Das tat weh, obwohl sie kein Recht hatte,
deshalb bestürzt zu sein oder sich betrogen zu fühlen. Dennoch...
sie fühlte sich betrogen.
Mit einem leisen Klappern stellte sie die Tasse
auf die Untertasse. Nur mit großer Beherrschung gelang es ihr, den
Tee beiseitezustellen und nichts zu verschütten. Wenn sie nicht
schnell aus diesem Raum verschwand, würde sie vielleicht laut
schreien. Als sie aufstand, erhoben sich natürlich auch ihr Vater
und Lord Damien höflich. Rebecca murmelte: »Entschuldigt mich. Es
ist draußen so schön, und die Gärten des Anwesens locken mich.
Brianna hat mir schon so oft davon erzählt, dass ich es mit eigenen
Augen sehen will.«
Damiens Brauen hoben sich eine Winzigkeit, und
zu ihrem Entsetzen bot er ihr seinen Arm. »Bitte erlaubt mir, Euch
herumzuführen.«
Nein! Er sieht ihm so ähnlich … das dichte,
kastanienbraune Haar, dazu sein markantes Profil …
Sie wollte allein sein und sich wieder in den
Griff bekommen.
Aber wenn sie Damiens angebotene Begleitung ablehnte, würde das
ihren Vater sehr verärgern. Außerdem wäre es unhöflich. Darum legte
sie widerstrebend die Finger auf seinen Ärmel und zwang sich, ihn
anzulächeln. »Das wäre sehr freundlich.«
Seite an Seite verließen sie den Raum durch die
Fenstertüren, die zum Garten weit offen standen und die
spätnachmittägliche Luft hereinströmen ließen. Damien führte sie
über die große Terrasse, die sich im weiten Bogen erstreckte, hinab
zur Rückseite des Hauses. Hier breiteten sich die förmlichen
Gartenanlagen aus. Mindestens fünfzehn Morgen, informierte er sie
auf seine zurückhaltende Art, während sie gemütlich
dahinspazierten. Wenn sie tatsächlich an den Blumen und den
gestutzten Büschen interessiert gewesen wäre, hätte sie sich seiner
Begleitung glücklich geschätzt. Aber nicht jetzt, da sie zudem
ständig daran denken musste, dass ihre Mutter Erwartungen hegte,
sie könne Lord Damien als potenziellen Heiratskandidaten in
Betracht ziehen.
Das war eine sehr unbequeme Lage, in die sie
sich manövriert hatte.
Er wählte einen Weg, und sie ging neben ihm, in
der Hoffnung, gefasst zu wirken, damit er nicht glaubte, sie sei
eine komplette Idiotin, die nicht einen Hauch Eleganz hatte. Nur
darum murmelte sie höflich: »Genießt Ihr es, für eine Zeit lang
Euren Pflichten in Spanien entflohen zu sein, Mylord?«
Er blickte sie nachdenklich an, und ein leises
Lächeln verzog seine Lippen. »Ich wäre ein Dummkopf, wenn ich
behaupten würde, dass es nicht so ist, nicht wahr? Wer würde schon
diesen wunderbaren Ort, die Gelegenheit, meine Familie und Freunde
zu treffen, sowie etwas Zeit der Entspannung gegen die Härten des
Kriegs eintauschen wollen?«
Rebecca war nicht sicher, was sie darauf
antworten sollte. Wenn sie sich nicht täuschte, schwang in seiner
Stimme etwas leicht Bissiges mit, aber sie kannte ihn nicht gut
genug, um das zu beurteilen.
»Ich genieße es«, fügte er knapp hinzu. »Auch
wenn das manchmal dumm erscheint.«
Sie blinzelte. »Verstehe ich das richtig, dass
Ihr lieber wieder zurück in Spanien wärt?«
»Ich finde Gefallen an meinen Pflichten«, gab er
zu. »Es ist mir ein Vergnügen, mich mit anderen gegen Bonaparte und
seine käuflichen Bestrebungen zu verbünden. Es ist schön, wieder zu
Hause zu sein. Aber auch wenn das vielleicht merkwürdig klingt, bin
ich erpicht darauf, schon bald wieder in den Krieg zu
ziehen.«
»Das ist bewundernswert.« Heimlich verschlang
sie die Zeitungsberichte, die die Frage behandelten, ob es Europa
gelang, sich vom unerbittlichen Griff des Imperators loszureißen.
»Jeder, vom Duke of Wellington bis zum niedrigsten Soldaten,
riskiert so viel für England und die Welt.«
»Für mich übt die Herausforderung einen gewissen
Reiz aus.«
Er sprach die Wahrheit – das spürte Rebecca. Sie
lächelte ihn an. Es war das erste, ehrliche Lächeln, das sie seit
ihrer Ankunft in Rolthven jemandem schenkte. »Das glaube ich
gern.«
»Ich liebe auch meine Familie, versteht mich
nicht falsch.Aber ich bin nicht Colton, der von seinen
Verpflichtungen und Besitzungen völlig vereinnahmt wird. Ebenso
wenig bin ich wie Robbie, der diese positive Einstellung zum Leben
hat. Ich will damit nicht behaupten, dass mein jüngster Bruder auch
nur im Geringsten oberflächlich ist. Ich bin nicht sicher, ob es
allgemein
bekannt ist, aber er hat die Gabe, mit Zahlen jeder Art umzugehen,
ob das nun finanzielle Investitionen sind oder das Kartenspiel.
Greift ihn niemals beim Whist an, Miss Marston. Ich verspreche
Euch, dass Ihr verlieren werdet.«
Warum redeten sie nur schon wieder über
Robert?
Oder war sie bei diesem Thema einfach nur
empfindlich? Es war doch für ihn eine ganz natürliche Sache, im
Gespräch seinen Bruder zu erwähnen.
Rebecca murmelte: »Ich sollte mir Eure Warnung
zu Herzen nehmen, falls ich versucht sein sollte, mit ihm in einen
solchen Wettbewerb zu treten.«
»Er ist auch ein brillanter Cellist. Wusstet Ihr
das?«
Warum glaubte er bloß, dass sie irgendetwas über
einen Lebemann wie seinen Bruder wusste? »Wir sind kaum mehr als
flüchtige Bekannte.«
»Ich habe mich nur gefragt«, sagte Damien auf
seine ruhige, fast amüsierte Art, »ob Brianna es vielleicht erwähnt
hat. Robbie geht damit natürlich nicht hausieren, weil die Musik
nicht gerade ein männlicher Zeitvertreib ist. Aber er hat echtes
Talent dafür. Ich glaube, auch das ist der Mathematiker in ihm. Er
braucht sich bloß ein Musikstück anzusehen, und schon versteht er
Takt und Maß, ohne darüber nachdenken zu müssen.«
Rebecca hatte das Gefühl, dass ihr Herzschlag
aussetzte. Robert war ein Musiker? Sie schloss kurz die Augen. Es
war nichts, nur ein leises Flattern, doch es geschah gegen ihren
Willen.
Der Liebste ihrer Träume war eine verwandte
Seele. Sie stellte sich seine langen, eleganten Finger vor, wie sie
einen Cellobogen umschlossen – und dann
stellte sie sich vor, wie diese Finger den Bogen über ihre Haut
streichen ließen.
Sie konnte ihrem Repertoire also einen neuen
Tagtraum hinzufügen.
Wunderbar. Diese Hausparty würde ihr Untergang sein.
»Wie klug von ihm.« Das unzureichende Murmeln
war jedenfalls nicht klug, darum lenkte sie
das Gespräch von diesem Thema fort, ehe möglicherweise weitere
beunruhigende Details über Robert Northfield offenbar wurden. »Was
ist mit Euch, Mylord? Wo liegen Eure Begabungen?«
Sein Gesicht nahm einen rätselhaften Ausdruck
an. »Ich weiß nicht, ob das eine Begabung ist, aber ich kann wie
der Gegner denken. Ich bin sicher, vornehme junge Damen brauchen
sich wegen solcher Angelegenheiten keine Sorgen zu machen, aber es
hilft unserer Sache, weil wir die Franzosen so hin und wieder
ärgern können.«
Lange Schatten fielen inzwischen auf den Weg,
und das Knirschen ihrer Schritte auf dem Kies vermischte sich mit
dem Zwitschern der Vögel in den hübsch gestutzten Bäumen. Dahinter
erstreckten sich weite Rasenflächen, auf denen hohe Ulmen wuchsen.
Rebecca atmete tief ein und ließ die Luft langsam entweichen. »Ich
bin überzeugt, dies ist eine Begabung, die England braucht. Lasst
Euch nicht von den vornehmen jungen Damen täuschen, Mylord. Auch
sie sorgen sich um den Fortgang des Kriegs.«
»Ist das so?« Er blickte auf sie nieder, und sie
meinte ein belustigtes Flackern in seinen Augen zu sehen, weil ihre
Stimme so fest klang. »Ich verstehe, Ihr seid eine dieser Damen.
Vergebt mir, da ich Euer Interesse an unserem Kampf gegen Bonaparte
unterschätzt habe.«
»Da ist nichts, was ich vergeben müsste.« Sie
verzog das Gesicht. »Meine Mutter findet mein Interesse an Politik
undamenhaft.« Eine Untertreibung. Über den Krieg zu reden, wurde
ungefähr
ebenso wenig geschätzt wie das Eingeständnis, dass sie Musik
komponierte.
»Ihr seid durch und durch eine Dame, Mylady«,
sagte er galant.
»Ich danke Euch.«
Er wies nach vorne, wo ein kleiner Zierbau
direkt neben einem schimmernden Teich stand. In der späten
Nachmittagssonne wirkte es bezaubernd und friedlich. »Wollen wir
dort entlang gehen? Es ist ein schöner Ort, um ein wenig
dazusitzen, ohne dass ständig Teewagen um uns klappern und ein
Dutzend andere Gespräche summen.«
»Wie Ihr wünscht.« Rebecca neigte den Kopf. Sie
war sich nicht sicher, ob sie wirklich einfach nur sitzen wollte,
aber sie konnte diese Einladung nicht ablehnen, ohne grob zu
werden. Die flachen Stufen führten zu einem wahren Schatz von
Sommerhaus, bemerkte sie. Das Innere barg kleine Sofas mit
Plüschkissen in hellen Farben, und überall standen verstreut kleine
Tische. Sogar ein Schrank für Getränke stand in einer Ecke, in dem
Kristallgläser und Karaffen kunstvoll arrangiert waren. Rebecca
wählte einen der Sessel, der ihr einen unverstellten Blick auf den
Teich gewährte, und setzte sich. Verlegen glättete sie ihre Röcke.
Damien Northfield lehnte eine Schulter gegen eine der griechischen
Säulen und ließ einen sehr beunruhigenden Blick in ihre Richtung
schweifen.
Dann fragte er zu ihrer völligen Überraschung:
»Ist das besser? Ihr machtet auf mich vorhin einen recht elenden
Eindruck.«
Dahin war ihre Hoffnung, dass er es nicht
bemerkt hatte.
Sie öffnete den Mund, um es zu leugnen, aber er
kam ihr mit einer weiteren einfühlsamen Bemerkung zuvor.
»Ich möchte nicht neugierig sein, das versichere
ich Euch.
Wenn Ihr beschließt, kein Wort zu sagen, betrachtet das Thema als
erledigt.«
Es war verlockend, ihn anzulügen und ihn beim
Wort zu nehmen, aber in diesem Augenblick fühlte sie sich ziemlich
niedergeschlagen. Zwischen ihren Eltern, Roberts weithin bekannter
Abneigung gegen unverheiratete junge Damen und jetzt auch noch der
koketten Mrs. Newman, fühlte sie sich ausmanövriert. Die hübsche
Witwe hatte sie jedenfalls nicht erwartet.Vielleicht brauchte sie
doch Lady Rothburgs Buch. Sie hatte jedenfalls keinen Einfall mehr,
wie sie vorgehen konnte. Oder sollte sie es überhaupt versuchen?
Die unverhohlene Abneigung, die ihr Vater Robert entgegenbrachte,
war ein echtes Hindernis. Rebecca schüttelte nur den Kopf. »Ich
hatte gehofft, niemand habe bemerkt, dass ich der Unterhaltung
nicht aufmerksam gelauscht habe. Bitte entschuldigt meine
Zerstreutheit.«
»Alles um mich herum aufmerksam zu beobachten
ist mir in den Jahren in Spanien zur zweiten Natur geworden.«
Damien neigte leicht den Kopf, als betrachte er nachdenklich ihr
Gesicht. »Robert hat Euch vorhin erwähnt.«
Er hatte sie also ertappt, wie sie seinen Bruder
beobachtete. Vielleicht konnte sie sich noch immer aus der Affäre
ziehen. Sie hoffte, die Gedanken seiner Feinde waren die einzigen,
die er lesen konnte. Zum zweiten Mal überzog verräterische Hitze
ihr Gesicht. Ein letzter Rest Stolz ließ sie trotz der Röte
Verwirrung vortäuschen. »Redet Ihr etwa von Lord Robert?«
»Von eben diesem«, erwiderte er trocken. »Der
Lord Robert, der mir erzählt hat, dass Ihr wunderschön und
bezaubernd seid. Der Mann, den Ihr heimlich während der Teestunde
beobachtet habt, ohne auch nur einen Tropfen aus Eurer Tasse zu
trinken oder einen Happen Kuchen zu essen.«
Robert Northfield fand sie schön? Und
bezaubernd? Sie war nicht sicher, welches der Komplimente ihr
besser gefiel, aber für Männer zählte Ersteres vermutlich mehr. Sie
hatte keine Ahnung, was sie darauf erwidern konnte.
Damien fuhr im Plauderton fort: »Ich vermute, es
geht mich überhaupt nichts an, aber ich bekomme zunehmend den
Eindruck, dass Ihr und mein Bruder zwar miteinander bekannt seid,
aber Ihr gebt Euch beide zu viel Mühe, den Eindruck des Gegenteils
zu erwecken. Ich muss zugeben, das hat mein Interesse
erregt.«
Es stimmte, denn als Rebecca den Salon von ihrem
Vater und ihrer Mutter flankiert betreten hatte, wurde sie von
Brianna lebhaft ihrem Schwager vorgestellt, und Rebecca hatte etwas
völlig Belangloses gemurmelt, dass sie glaubte, sie seien einander
schon einmal begegnet. Wenn jemand aufmerksam zugesehen hätte, wäre
ihm aufgefallen, dass es kaum überzeugend war. Robert hatte sich
bestimmt über sie amüsiert. Sie konnte es in seinen Augen sehen,
ehe er sich kurz über ihre Hand gebeugt hatte.
»Ich glaube nicht, dass ›bekannt‹ das richtige
Wort ist. Wir wurden einander in der letzten Saison kurz
vorgestellt, und dann sind wir uns vor Kurzem wieder begegnet. Das
ist alles.«
»Ich würde Euch nur zu gern zustimmen, wenn Ihr
nicht jedes Mal erröten würdet, wenn im Gespräch sein Name
fällt.«
Jetzt konnte sie wohl nur noch darin Zuflucht
suchen, dass sie sich über diese Unterstellung empörte, auch wenn
seine Beobachtung leider zutraf. Ihre Röte vertiefte sich in diesem
Augenblick bestimmt noch mehr. Rebecca straffte sich. »Ihr seid
sehr direkt, Sir.«
»Manchmal bin ich das«, gab er zu. Er hob leicht
die Brauen.
»Ich bin aber auch hinterhältig. Je nachdem, was die Situation
erfordert. Das solltet Ihr im Hinterkopf behalten.«
»Was um alles in der Welt wollt Ihr mir damit
sagen?« Rebecca blickte ihn sichtlich verwirrt an.
»Das bedeutet, dass mein jüngerer Bruder, dessen
Ruf sogar einen geübten Wüstling erröten lassen würde, endlich
Interesse an einer jungen Dame im heiratsfähigen Alter zeigt, die
dieses Interesse offenbar erwidert. Ich wäre ihm ein schlechter
Bruder, wenn ich das nicht wenigstens amüsant fände. Und ich wäre
auf gar keinen Fall ein guter Bruder, wenn ich nicht zumindest
Vergnügen an seinem möglichen Niedergang finden würde.«
Männer waren wirklich die merkwürdigsten
Kreaturen auf Gottes Erde, dachte sie irritiert. »Vielleicht bin
ich ja begriffsstutziger, als mir bisher bewusst war, aber ich
fürchte, ich kann Euren Ausführungen nicht besonders gut folgen,
Lord Damien.«
»Was ich damit meine, ist, dass Ihr einen
Alliierten habt, wenn Ihr Euch entschließt, Euren Gegner
anzugreifen, Miss Marston.«
»Meinen Gegner?«
»Habt Ihr nicht davon gehört?«, fragte er mit
unverhohlenem Amüsement. »Ausschweifende Junggesellen widerstehen
doch dem Gedanken an die Ehe eher, oder nicht? Robert wird sich da
als noch widerstandsfähiger als so manch anderer erweisen, will ich
meinen. Er hat Geld, darum muss er nicht auf Eure Mitgift schielen.
Er genießt eine grenzenlose Freiheit, die ihm sichtlich gefällt.
Das wird also eine Herausforderung.«
»Es gibt kein ›das‹.« Rebeccas Hände
verkrampften sich in ihrem Schoß und straften ihre Worte Lügen. »Ob
Ihr nun, was das mögliche Interesse Eures Bruders betrifft, recht
habt oder nicht, bleibt doch ein unüberwindliches Problem, und das
ist die Abneigung
meines Vaters Robert gegenüber. Ich weiß nicht, was genau
geschehen ist, um diese Ablehnung zu begründen, denn er zeigt sie
weder Euch noch dem Duke gegenüber. Es ist offensichtlich etwas
Persönliches.«
»Robert und Euer Vater?« Damien richtete sich
auf. Seine dunklen Brauen zogen sich zusammen. »Und Ihr habt keine
Ahnung, warum das so ist?«
Hilflos schüttelte sie den Kopf. »Und außerdem,
Mrs. Newman und Robert …«
»Das ist nichts«, bemerkte er, als sie nicht
weitersprach. »Und was das andere Problem angeht, muss ich doch
zugeben, wie spannend ich das finde. Lasst mich sehen, ob ich ein
bisschen mehr herausfinden kann.Wissen ist das Geheimnis jeder
erfolgreichen Mission.«