Kapitel 2
Das Intrigenspiel ist für die Beziehung zwischen
Mann und Frau ebenso lebenswichtig wie die Luft, die wir atmen.
Unser raffinierter Tanz miteinander ist es, der die Sache so
spannend macht.
Aus dem Kapitel »Sie sind alle gleich – und doch
anders«
Das Bild im Spiegel war durchaus
zufriedenstellend. Rebecca Marston zupfte ein letztes Mal an einer
braunen Locke, damit sie an Ort und Stelle blieb, und studierte ihr
Aussehen mit kritischem Blick. Ja, das blassrosafarbene Kleid war
eine gute Wahl, denn es harmonierte mit der Blässe ihrer Haut und
betonte zugleich den dunklen Schimmer ihres Haars. Einen Vorteil
hatte es, dass sie nicht, wie es gerade Mode war, blond war: Sie
hob sich von den anderen beliebten Debütantinnen ab, die um die
Aufmerksamkeit der begehrten Männer buhlten. Auch wenn sie
wünschte, sie wäre nicht so groß. Ihre Größe war aber nicht so
augenfällig, dass viele Verehrer davon entmutigt wurden.
Nein, ihr wahres Problem war ihr Alter, aber
auch ihre herausragende Herkunft, ihre Stellung als heiratsfähige
junge Frau und vor allem ihr
respekteinflößender Vater.
Tatsächlich waren das eine ganze Menge Probleme
– die allesamt nur mit einem Mann verbunden waren.
Sie erhob sich von ihrem Frisiertisch und griff
mit einem Seufzen nach ihrem Fächer, ehe sie ihr Schlafzimmer
verließ und nach unten ging, wo ihre Eltern in der Eingangshalle
auf sie warteten. Ihre Mutter sah blendend in ihrem Kleid aus
smaragdgrüner Seide aus. Ein schier unbezahlbares Diadem aus
Diamanten
glitzerte in ihrem kompliziert frisierten, dunklen Haar. Ihr Vater
trug einen eleganten Abendanzug, eine rubinbesetzte Nadel zierte
seine schneeweiße Krawatte, und das ergrauende Haar hatte er streng
zurückgekämmt. Ungeduldig ließ er seine Handschuhe durch seine
Hände gleiten, den Blick auf sie geheftet, als sie am Treppenabsatz
erschien.
»Da bist du ja. Ich wollte schon jemanden nach
oben schicken, um dich zu holen, meine Liebe.Aber es war die
Wartezeit auf jeden Fall wert. Du siehst atemberaubend aus.«
Rebecca zwang sich zu einem Lächeln. Sie freute
sich nicht besonders auf die kommenden Stunden. Wieder ein Ball,
wieder ein Abend, an dem eifrige Männer beim Tanzen versuchten,
ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, während der Mann, von dem
sie sich verzweifelt wünschte, er würde auch nur einen Hauch von
Interesse an ihr zeigen, mit anderen Frauen
lachte, scherzte und sie verzauberte, ohne auch nur einen
flüchtigen Blick in ihre Richtung zu werfen.
Das war ein deprimierender Gedanke.
»Es tut mir leid, wenn ich mich verspätet habe«,
murmelte sie und drehte sich um, damit ein Lakai ihr den Mantel um
die Schultern legen konnte. »Ich konnte mich nicht entscheiden,
welches Kleid ich tragen sollte.«
Wie albern das klang, obwohl sie sich doch nicht
im Geringsten für ein so oberflächliches Mädchen hielt. Wenn
überhaupt, war sie genau das Gegenteil. Die Musik war die große
Leidenschaft ihres Lebens, und auch wenn ihre Eltern sie ermahnten,
dies nicht in Gesellschaft anderer zu erwähnen, war sie nicht nur
eine talentierte Pianistin, sondern zudem mehr als
zufriedenstellend gut mit der Harfe, der Flöte und der Klarinette.
Ihr wahres Interesse galt jedoch dem Komponieren. Schon jetzt, mit
zwanzig
Jahren, hatte sie zwei Sinfonien und zahllose kleinere Werke
komponiert. Ständig schien eine Melodie in ihrem Kopf zu spielen,
die zu Papier zu bringen nur ganz natürlich für sie war.
Das war natürlich ebenso
wenig kleidsam wie die Farbe ihres Haars.
Draußen wartete bereits die Kutsche, und ihr
Vater half erst seiner Frau und dann Rebecca hinein. Sie ließ sich
auf den Sitz nieder und wappnete sich für die üblichen
Vorhaltungen.
Ihre Mutter verlor keine Zeit. »Liebes, Lord
Watts wird heute Abend bei den Hamptons sein. Bitte beehre ihn doch
mit einem Tanz.«
Der langweilige Lord Watts mit seinem
gekünstelten Lachen und dem dünnen Schnurrbart. Und wenn er der
letzte Mann auf Erden wäre – ganz abgesehen von seiner zukünftigen
Grafenwürde und seinem Vermögen -, sie würde niemals seine
Gesellschaft genießen. »Er ist ein aufgeblasener Einfaltspinsel«,
sagte sie ehrlich. »Ein Philister, der kein Interesse an den
Künsten hat und …«
»Er sieht gut aus, ist wohlhabend und der Sohn
eines meiner Freunde«, unterbrach ihr Vater sie mit fester Stimme
und unerbittlichem Blick. »Tanz mit ihm. Er ist ganz vernarrt in
dich und hat schon zweimal um deine Hand angehalten.«
Warum sollte sie einen Mann ermutigen, den zu
heiraten sie überhaupt kein Interesse hatte? Eine berechtigte
Frage, doch sie wollte nicht mit ihrem Vater streiten. Stattdessen
murmelte sie: »Also gut. Ich kann ihm einen Tanz einräumen.«
»Du könntest vielleicht seinen Heiratsantrag
überdenken. Ich wäre für diese Verbindung.«
Für Rebecca würde eine Heirat mit diesem Mann
niemals in Frage kommen. Sie schwieg.
Ihre Mutter warf ihr einen tadelnden Blick zu,
während die Kutsche über das Kopfsteinpflaster ratterte. »Du wirst
dich irgendwann entscheiden müssen.«
Und da viele junge Frauen in ihrem Alter bereits
verlobt oder verheiratet waren – unter anderem auch Arabella und
Brianna -, musste sie sich bald etwas einfallen lassen. Sie
verstand den Standpunkt ihrer Eltern in dieser Frage sehr gut. Aber
Rebecca hatte im Grunde bereits eine Entscheidung getroffen. Doch
es war eine wahnsinnig unnütze, unmögliche und völlig abwegige
Wahl.
Niemand wusste von ihrer geheimen
Verliebtheit.
Das Anwesen war hell erleuchtet, und die lange
Reihe der Kutschen, die in der kreisförmigen Auffahrt warteten,
zeigte, wie beliebt dieses gesellschaftliche Ereignis war. Sie
stiegen aus und wurden inmitten der anderen eintreffenden Gäste
nach innen geleitet. Rebecca suchte die Menschenmenge im hell
erleuchteten Ballsaal ab. Sie konnte nicht anders. Würde er heute Abend erscheinen? Er nahm an den meisten
repräsentativen Ereignissen teil, weil sein Bruder ein Duke war,
und …
Da war er.
So groß, so männlich. Er hatte fein gemeißelte
Gesichtszüge, und sein hellbraunes Haar sah wie durch ein Wunder
immer gut gekämmt und zugleich reizend zerzaust aus. Sein Gesicht
wurde von einem lebhaften Lächeln erhellt, als er einen Freund
begrüßte. Lord Robert Northfield war ein bezaubernder Filou,
höflich, weltgewandt und so wenig an ihr interessiert, wie ein Mann
es bei einer Frau im heiratsfähigen Alter nur sein konnte. Womit er
sie im Regen stehen ließ, dachte Rebecca seufzend. Ein gewisser
Teil von ihr wünschte, sie wäre nicht mit Brianna befreundet, denn
dann hätte sie nie die Gelegenheit gehabt, den
jüngsten Bruder des Duke of Rolthven kennenzulernen. Aber ein
anderer, verräterischer Teil war froh, ihm begegnet zu sein.
Damals hatte Rebecca entdeckt, dass man sich
innerhalb eines Augenblicks verlieben konnte. Ein Blick, ein
faszinierender Moment, in dem er sich über ihre Hand beugte und
seine Augen sie glühend ansahen … und sie war verloren.
Ihr Vater, der in jenem Augenblick an ihrer
Seite stand, wäre entsetzt gewesen, wenn er ihre Gedanken hätte
lesen können. Robert hatte, und dieser Tatsache musste sie sich
stellen, einen schlechten Ruf. Sogar einen sehr schlechten; er
genoss das Kartenspiel und die Gesellschaft von Frauen, und nicht
unbedingt in der Reihenfolge. So geachtet Colton mit seinem
politischen Einfluss und seinem riesigen Vermögen auch sein mochte,
sein jüngster Bruder schien das genaue Gegenteil zu sein.
Ihr Vater hegte eine große Abneigung gegen ihn –
er hatte mehr als einmal den Namen des jüngeren Bruders des Duke of
Rolthven voll bitteren Hohns erwähnt -, und sie hatte nie gewagt,
ihn zu fragen, woher diese Abneigung rührte. Vielleicht nur wegen
seines schlechten Rufs, aber sie vermutete, es gab noch andere
Gründe.
Als sie ihn jetzt durch den überfüllten Raum
hindurch betrachtete, hoffte sie, niemand würde bemerken, auf wen
ihre Blicke gerichtet waren. Rebecca beobachtete, wie die
Gastgeberin sich zu ihm durchschlängelte und Roberts Ärmel auf eine
Art berührte, die gleichermaßen spielerisch und vertraut war. Es
ging das Gerücht, Lady Hampton habe eine ausgeprägte Vorliebe für
wilde, gut aussehende junge Männer, und der Bruder des Duke of
Rolthven schien durchaus ein geeigneter Kandidat für sie zu sein.
Die beiden Duelle, die er bereits ausgetragen hatte, trugen nichts
zu seiner Ehrbarkeit bei.
An Lord Robert waren wohl nur der Name seiner
Familie und die prominente Stellung, die sein Bruder in der höheren
Gesellschaft einnahm, ehrbar.
Und doch war sie hoffnungslos von ihm bezaubert.
Es war wirklich hoffnungslos, denn selbst wenn er sie durch
irgendein Wunder bemerkte und seine Abneigung gegen Eheschließungen
überwinden und um Rebecca werben sollte, wusste sie, dass ihr Vater
diese Verbindung niemals billigen würde.
Zu schade, dass sie keine Liebesromane schrieb,
statt Musik zu komponieren. Dann könnte sie jetzt ein trauriges
Märchen über eine sprachlose, junge Heldin verfassen, die sich nach
einem schönen, sündhaften Liebhaber verzehrte.
»Miss Marston. Welche Freude, Sie zu sehen. Ich
habe gehofft, Sie würden heute hier sein.«
Die Worte unterbrachen ihre Gedanken und lenkten
ihren Blick von Robert Northfield fort, der soeben Lady Hampton für
den nächsten Walzer auf die Tanzfläche führte und seinen Kopf zu
ihr hinabsenkte, um zu hören, was auch immer diese unverschämte
Frau ihm zu sagen hatte. Mit einem leisen Lächeln lauschte er ihren
Worten, die zweifellos ein kluges, kokettes Geplänkel
einleiteten.
Waren sie Liebhaber? Rebecca wünschte, es würde
ihr nichts ausmachen, sie wünschte, sie würde nicht über etwas
spekulieren, das sie überhaupt nichts anging. Denn Robert wusste
nicht einmal, dass sie lebte und atmete, und wenn Lady Hampton mit
dieser ganz bestimmten, besitzergreifenden Sehnsucht zu ihm
aufblicken wollte, gab es nichts, was Rebecca dagegen unternehmen
konnte …
»Miss Marston?«
Rebecca riss sich gewaltsam vom Anblick des
eindrucksvollen
Paars auf der Tanzfläche los. Ihr wurde schrecklich bang ums Herz.
Ein strahlender Lord Watts stand vor ihr, mit seinem mickrigen
Schnauzbart und dem gekünstelten Lächeln. »Oh, guten Abend«,
murmelte sie ohne große Begeisterung, was ihr einen finsteren Blick
von ihrem Vater eintrug.
»Darf ich davon ausgehen, dass Sie einwilligen,
mit mir zu tanzen?« Der junge Mann wirkte nervtötend eifrig, und in
seinen blassblauen Augen lag ein flehendes Glitzern.
Wenn doch seine Augen von einem tiefen Azurblau
und von langen Wimpern umrahmt wären und sein Haar nicht die Farbe
von blassem Stroh, sondern stattdessen ein lebhaftes Goldbraun
hätte; wenn er doch männlicher wirkte und einen verführerischen
Mund hätte, der sich zu einem hypnotisierenden Lächeln
verzog.
Selbst dann, wenn er all diese Attribute
aufwies, wäre er nicht Robert Northfield.
»Natürlich willigt sie ein«, sagte ihr Vater
gewandt. »Rebecca hat vorhin erwähnt, sie würde sich vor allem
darauf freuen. Nicht wahr, meine Liebe?«
Da sie noch nie eine Frau gewesen war, die dazu
neigte, Unwahrheiten zu verbreiten, lächelte sie einfach. Oder sie
versuchte es. Es wirkte auf sie mehr wie eine Grimasse. Das würde
ein langer, trostloser Abend werden.
»Du machst auf mich einen abwesenden
Eindruck.«
Die angedeutete Vertrautheit in Maria Hamptons
Worten irritierte ihn ein wenig, und Robert richtete seine
Aufmerksamkeit wieder auf die Frau in seinen Armen, mit der er im
Takt der neuesten Melodie über die Tanzfläche schwebte. »Ich bin
tatsächlich nur müde.«
»Ah, ich verstehe.« Maria lächelte. In ihren
grünen Augen blitzte ein anzügliches Interesse auf. »Kenne ich
sie?«
»Es gibt keine ›Sie‹«, erwiderte Robert
irritiert. »Oder ja, ich vermute, es hängt mit einer Frau zusammen
– aber nicht so, wie du jetzt vielleicht denkst.« Er wirbelte sie
herum und verzog spöttisch den Mund. »Heute war der Geburtstag
meiner Großmutter.«
Maria, so sinnlich mit ihrem lebhaft roten Haar
und den üppigen Kurven, blickte ihn ratlos an. »Und?«
»Und«, erklärte er ihr gutmütig, »ich bin heute
in aller Herrgottsfrühe aufgestanden und den ganzen weiten Weg nach
Rolthven geritten, damit ich bei dem Mittagessen zugegen sein
konnte, das ihr zu Ehren auf dem Familienanwesen ausgerichtet
wurde.«
»Du?«
»Ist es für dich so eine Überraschung, wenn ich
diesen Aufwand betreibe?«
Zumindest gab sie sich keine Mühe, ihr Erstaunen
abzustreiten. Sie sagte nur: »Ja, mein Lieber, ist es.«
Für diese Ansicht konnte er ihr wohl kaum die
Schuld geben. In Anbetracht von Roberts Reputation wären alle
Klatschweiber Londons überrascht, wenn sie erfuhren, dass er seine
Großmutter verehrte. Trotz der Nachwirkungen etwas zu übermäßigen
Weingenusses am Vorabend hatte er frohen Herzens die Reise auf sich
genommen. Colton war natürlich bereits mit seiner bezaubernden Frau
in Rolthven eingetroffen, und Brianna hatte in ihrem Tageskleid aus
gekräuseltem Musselin, das mit winzigen, rosafarbenen Stoffröschen
besetzt war, bezaubernd ausgesehen. Ihr flachsfarbenes Haar trug
sie hochgesteckt und hatte es einfach mit einem schmalen Band im
selben Farbton umwunden.
Sie trat – anders als es in der Zeitung angedeutet und
gerüchteweise bestätigt worden war – nicht skandalös auf wie an
jenem Abend, sondern war gekleidet wie ein junges, unschuldiges
Schulmädchen. Aber Robert hatte zwei interessante Dinge
bemerkt.
Zum Ersten schien Colton sie ein wenig anders zu
behandeln. Robert würde nicht so weit gehen zu behaupten, er sei
aufmerksam, aber sein Bruder schien sich mehr der Gegenwart seiner
Frau bewusst zu sein. Zweitens war sie
nicht mehr so schüchtern, als hätte sie eine Ahnung davon bekommen,
welche Macht sie nicht nur mit ihrer Schönheit, sondern auch mit
ihrer Intelligenz ausüben konnte. Wie Colton bereits betont hatte,
hatte er nicht bloß irgendein langweiliges Püppchen ausgesucht, um
einen Erben zu bekommen.
Es war schwierig, den Finger genau auf den Punkt
zu legen, wie sich diese Aura aus Selbstbewusstsein und Haltung
verändert hatte, aber nichtsdestotrotz auch sehr interessant.
Robert wurde aus seinen Gedanken gerissen, als
sie von einem tanzenden Paar gestreift wurden, das bereits mehr als
genug Wein zu sich genommen hatte. Im Moment war die Ehe seines
Bruders nicht Roberts größte Sorge, sondern die gefährlichen Klauen
von Maria Hampton, aus denen er dringend entkommen wollte. Da
Höflichkeit ihn nicht an sein Ziel brachte, musste er seine Taktik
ändern. Es war nicht so, dass er die Dame nicht attraktiv fand –
auf eine überwältigende, üppige Weise, mit ihrem feurigen Haar, der
blassen Haut und dem herrlichen Körper war sie atemberaubend -,
aber unglücklicherweise war er ziemlich gut mit ihrem Ehemann
befreundet.
Robert war sich nur zu gut seines eigenen Rufs
bewusst, doch er teilte nicht das Bett mit den Frauen seiner
Freunde. Selbst
wenn es sich um Paare handelte, die für die Untreue des anderen
Verständnis aufbrachten, fühlte er sich bei dem Gedanken nicht
wohl. Zwanglose Affären waren in Ordnung – diese Arrangements
bevorzugte er -, aber nicht, wenn er Gefahr lief, eine Freundschaft
zu beschädigen, die ihm viel bedeutete.
Da er also der hübschen Maria nicht den Gefallen
tun wollte, so sehr sie auch schmollte, brauchte er einen
diplomatischen Weg aus diesem Dilemma.
Er hatte an diesem Abend bereits zweimal mit
seiner Gastgeberin getanzt und hatte nicht vor, sie ein drittes Mal
aufzufordern. Zum Glück befanden sie sich, als die Musik verklang,
in der Nähe der Fenstertüren zur Terrasse. Robert verbeugte sich
und murmelte: »Entschuldigt mich, Mylady. Ich glaube, jetzt brauche
ich etwas frische Luft.Wir sehen uns später.«
Maria griff nach seinem Arm. »Ich werde dich
begleiten. Es ist hier drin ziemlich warm.«
»Du hast Gäste«, erinnerte er sie und entfernte
behutsam ihre Finger, die sich in den Stoff krallten. Er hatte
diesen heiseren Tonfall schon viele Male von einer Frau gehört.
»Und auch wenn ich verstehe, dass Edmond dir ziemlich viele
Freiheiten einräumt, sollten wir ihn nicht in Verlegenheit
bringen.«
Ehe sie protestieren konnte, drehte er sich um
und ging möglichst unbeteiligt. Er hoffte, niemand habe ihre kurze
Meinungsverschiedenheit bemerkt. In seinem Bestreben, schnell das
Weite zu suchen, stieß er vor den offenen Fenstertüren mit jemandem
zusammen. Eine junge Dame, die offensichtlich auch gerade mit aller
gebotenen Eile den Ballsaal verlassen wollte.
Wenn man schon mit einer Person zusammenstieß,
war es seiner Meinung nach immer am besten, wenn es sich um eine
Frau handelte, denn die waren weich und an strategisch wichtigen
Stellen wohlgerundet. Der betörende Duft eines süßen, blumigen
Parfüms schadete auch nicht, dachte er, als er die junge Dame bei
den Oberarmen packte und für beide das Gleichgewicht wahrte.
»Entschuldigt«, murmelte er und blickte in zwei
große, blaugrüne Augen hinab, in denen er Überraschung las. »Ich
bin sicher, es ist allein meine Schuld.«
»N… nein«, stammelte sie. »Es war wohl meine
Schuld. Ich hatte es eilig und habe nicht darauf geachtet, wohin
ich laufe.«
Die Luft draußen roch frisch, und ein fast
voller Mond warf sein helles Licht, das immer wieder von dünnen,
ätherischen Wolken unterbrochen wurde, auf die Steinplatten.
Verglichen mit der Enge des Ballsaals schien ihm das hier das
Paradies zu sein. »Ich glaube, wir hatten es beide eilig. Nach
Euch«, wies er hinaus.
»Danke.« Sie ging vor ihm nach draußen, den
Rücken gerade durchgedrückt.
Er kannte sie, wurde ihm plötzlich bewusst,
während er ihr folgte und den sinnlichen Schwung ihrer Hüften und
den Glanz ihres dunkel schimmernden Haars bewunderte. Sie war mit
seiner Schwägerin verwandt. Nein, vielleicht nicht … keine
entfernte Cousine, sondern eine Freundin. Wie war bloß ihr
Name?
Da es unhöflich wäre, wenn er sich einfach
entfernte, passte er seine Schritte ihren an, als sie den Weg
einschlug, der in den ausgedehnten Ziergarten führte. In der Ferne
plätscherte das Wasser eines Springbrunnens und untermalte den
Abend mit einem beruhigenden Geräusch.
Rosige Seide glitt flüsternd über die Steine,
und das Profil der jungen Frau wurde vom gefilterten Licht silbrig
beschienen. Ein ziemlich hübsches Profil, stellte Robert
gedankenverloren fest,
während er in seinem Gedächtnis noch immer nach ihrem Namen
suchte. Er fiel ihm nicht ein.
Sie hatte eine Nase, deren Spitze leicht nach
oben wies. Zarte Wimpernfächer umrahmten ihre Augen, die Stirn war
glatt, und der schlanke Hals mündete in wohlgerundeten Schultern.
Und sie hatte einen hübschen Busen.Wirklich sehr volle Brüste. Er
hatte eine gewisse Vorliebe für weibliche Formen und musste einfach
die gerundete Fülle unter dem Mieder ihres Kleids betrachten. Er
räusperte sich. »Hier draußen ist es viel kühler, nicht
wahr?«
»Ja«, stimmte sie fast unhörbar zu, das Gesicht
noch immer von ihm abgewandt.
»Die Enge dieser Veranstaltungen gibt mir immer
das Gefühl, langsam zu ersticken«, murmelte er höflich. Da Brianna
letztes Jahr zu den Debütantinnen gehört hatte, und da diese junge
Dame ihre Freundin war, musste es ihn nicht überraschen, wenn er
sie nur flüchtig kannte. Aber gewöhnlich konnte er sich Gesichter
und Namen gut merken.
Die Frau ging weiter und wandte noch immer das
Gesicht ab, sodass er ihre Gesichtszüge nicht erkennen konnte. Ihr
Verhalten war etwas merkwürdig. Sie ging schnell, die Hände im
Stoff ihres Kleids geballt, um nicht auf den Saum zu treten. Sie
erreichten den Abhang, der in die Gärten führte. Sie nickte.
»Ersticken ist wohl das richtige Wort.«
Sie bezog sich nicht auf die Temperatur. Diese
Schlussfolgerung ergab sich für ihn daraus, dass in ihrer Stimme
leise Abscheu mitschwang. Darum die Eile. Darum waren sie beide vor
den Festivitäten im Ballsaal geflohen. Robert konnte ein Lachen
nicht unterdrücken. »Es gibt verschiedene Möglichkeiten, warum
jemand erstickt, nicht wahr?«
»Ja, die gibt es.«
»Euer Luftmangel ist wohl auf einen beharrlichen
Mann zurückzuführen, wage ich zu behaupten.«
Sie nickte und riskierte zum ersten Mal einen
kurzen Blick über die Schulter zu ihm.
Nur ein kurzes Drehen ihres Kopfs, dann wandte
sie sich abrupt wieder ab. Ihre verräterische Gestik sagte ihm,
dass er die junge Frau nervös machte. Es lag nichts auch nur
annähernd Kokettes in ihrem Austausch. Ganz im Gegenteil. Und es
konnte kein Zweifel bestehen, dass sie ihn
erkannte, auch wenn er sich nicht an ihren Namen erinnern
konnte.
War er wirklich so ein schwarzes Schaf, dass
eine junge Frau keine zehn Schritte in seiner Gesellschaft gehen
konnte, ohne sich um ihren Ruf zu sorgen? Es war ein ernüchternder
Gedanke, besonders da er davon überzeugt war, dass sie eine der
Freundinnen seiner Schwägerin war. Was musste Brianna von ihm
denken? Automatisch bot er ihr am Absatz der flachen Stufen seinen
Arm, da die junge Frau offenbar beabsichtigte, den Gartenweg
einzuschlagen. Sie zögerte kurz, dann legte sie ihre Finger ganz
leicht auf seinen Arm.
Diese schmalen Finger zitterten, und als sie den
Fuß der Trep- pe erreichten, zog sie ihre Hand überraschend schnell
zurück.
Nun gut, er war kein Heiliger, aber er
kompromittierte nie junge, unschuldige Damen, darum war sie in
seiner Gesellschaft absolut sicher. Er widerstand dem Drang, ihr
das zu sagen, zumal ihn ihr Verhalten unerklärlicherweise
verwirrte. Von einem Extrem ins andere, dachte er ironisch: erst
Marias dreiste Jagd auf ihn, und jetzt diese kleine, zittrige
Unschuld, die einem ungewollten Verehrer entkommen wollte und
stattdessen ihm über den Weg lief.
Beschattete Wege schlängelten sich durch den
Park, eingefasst von Buchsbaumhecken und Rhododendron. Der Abend
war für den frühen Herbst nicht allzu frisch. Angesichts der
Reaktion seiner Begleiterin auf seine Gegenwart bemerkte Robert
kühl: »Vielleicht möchtet Ihr lieber allein weitergehen.«
Das brachte sie endlich dazu, den Kopf zu heben.
Sie sah ihn mit riesigen Augen an. »Nein … nein«, stotterte sie.
»Überhaupt nicht.«
Er entspannte sich, als sie einen Pfad zur
Rechten einschlugen, und musste im nächsten Moment ob seiner
Reaktion ein Lachen unterdrücken. Warum zur Hölle kümmerte es ihn,
was ein junges – wenngleich hübsches – Mädchen über seine
Moralvorstellungen oder den Mangel an diesen dachte? Er verstand
sich selbst nicht. Gerüchte und Klatschgeschichten kümmerten ihn
nie. Die Meinung seiner Familie und weniger enger Freunde war
alles, was zählte. Er glaubte nicht, dass er über Skandale erhaben
war – er dachte einfach nicht darüber nach. Die Hälfte dessen, was
man über ihn sagte, traf nicht zu, und der Teil, der der Wahrheit
entsprach, ging niemanden etwas an außer ihn. Aber wenn Londons
Oberschicht weiterhin über ihn redete, gab es wenig, was er dagegen
unternehmen konnte. Seit dem zarten Alter von siebzehn, als er die
Aufmerksamkeit einer der berühmtesten Schauspielerinnen erregte und
sie einen sehr öffentlichen und sehr riskanten Kommentar über sein
sexuelles Kön- nen fallen ließ, schien es, als wäre er zu seinem
schlechten Ruf verdammt. Damals war er noch jung genug gewesen, um
gekränkt zu sein, dass sein Privatleben Futter für die Klatschbasen
war. Nicht zu vergessen, dass seine Mutter zu seinem Leidwesen von
seiner leidenschaftlichen Affäre erfuhr. Aber all das hatte sich im
Laufe der Zeit abgenutzt. Zumindest war Elises’ Kommentar
schmeichelhaft gewesen, und er hatte auch seitdem nie Klagen
gehört. Tatsächlich war seine Bekanntheit unter den Schönen der
Gesellschaft für einen Mann, der die Frauen weidlich genoss,
durchaus komfortabel.
Zumindest, wenn man von kleinen Zwischenfällen
wie dem heute Abend absah. Maria Hamptons Mutmaßung, er würde einen
Freund betrügen, um sich einem ungezwungenen Abenteuer hinzugeben,
kränkte ihn.
»Ich hatte bloß den Eindruck, Euch könne meine
Gesellschaft missfallen«, sagte er sanft.
»Das tut mir leid.«
Angesichts ihrer schüchternen Entschuldigung
wurde Robert bewusst, dass er die Stirn runzelte. Er blickte in das
ihm zugewandte Gesicht der Dame und bemerkte die hektischen roten
Flecken, die sich auf ihren Wangen ausbreiteten und sogar im
schwachen Mondlicht zu erkennen waren. Bewusst schüttelte er das
Bild von Lady Hampton ab, die sich an ihn klammerte. Er lächelte.
»Was tut Euch leid?«
»Ich … ich weiß es nicht«, gestand sie und wurde
noch röter.
Wer sie auch war, sie war auf jeden Fall sehr
attraktiv, befand er. Nicht schön wie Brianna mit ihrem glänzenden,
goldenen Haar und dem perfekten, herzförmigen Gesicht, aber doch
sehr bezaubernd.
Rebecca Marston. Der Name tauchte plötzlich mit
aller Deutlichkeit auf. Sie war eine der Unvergleichlichen des
letzten Jahres, die es abgelehnt hatte, eine Ehe einzugehen, und
war damit für jene Männer, die um eine Frau warben, um sie zu
heiraten – was auf ihn nicht zutraf -, in dieser Saison die
Herausforderung schlechthin. Ihr wohlhabender Vater war einer der
einflussreichsten Männer der britischen Politik, und es gab
Gerüchte, er habe
durchaus Chancen, eines Tages zum Premierminister ernannt zu
werden.
Der Mann verabscheute ihn. Robert wusste das nur
allzu gut. Dass er des Verbrechens, dessen man ihn bezichtigte,
nicht schuldig war, half in dieser Sache nicht viel, denn Sir
Benedict hatte ihm vernichtend deutlich gemacht, dass er von ihm
das Schlimmste glaubte.
Vielleicht sollten er und Miss Marston sich
nicht zusammen in einem dunklen Garten aufhalten. Robert öffnete
den Mund, um sich zu empfehlen, als eine Stimme von der Terrasse
herüberschallte und seine Vermutung bestätigte: »Miss
Marston?«
Rebecca umfasste seinen Arm mit
unmissverständlicher Eile. »Helft mir, mich zu verstecken.«
Seine Augenbrauen hoben sich. »Ihr wollt Euch
verstecken?«
»Bitte!« Sie blickte sich um. Auf ihrem hübschen
Gesicht las er eindeutig Panik. »Ich kann Lord Watts heute Abend
nicht einen Moment länger ertragen. Ich fürchte, sonst zerbreche
ich in winzigkleine Stücke.«
Robert kannte den Mann und empfand Mitleid,
zumal er sich daran erinnerte, wie eilig sie es hatte, den Ballsaal
zu verlassen. Da er kein Mann war, der einer Dame die rechtzeitige
Flucht verwehrte, blickte er sich um und entdeckte einen kleinen
Pfad, der vom Hauptweg abbog und zwischen die Hecken führte. »Dort
entlang.«
Rasch bog sie auf den Weg ein und eilte vor ihm
her. Obwohl es vernünftiger gewesen wäre, sie allein dem überaus
langweiligen Viscount entkommen zu lassen, folgte Robert ihr
amüsiert. Der Weg führte um einen kleinen Weiher, der mit Fischen
und Seerosen bestückt war, und endete in einer winzigen Nische, die
in die Hecke eingelassen war. Hier wurde eine Bronzestatue
von Pan mit seiner Flöte von zwei kleinen Bänken flankiert. An
einem warmen Sommertag wäre dies bestimmt ein schöner Platz zum
Sitzen.
Im Augenblick war der Ort schattig und
abgeschieden.
Miss Marston blieb stehen und drehte sich um.
Sie schaute über seine Schulter, ehe sie flüsterte: »Glaubt Ihr, er
hat mich gesehen?«
Ob er uns gesehen hat,
korrigierte eine pragmatische Stimme in Roberts Kopf. Allein mit
ihr an einem dunklen Ort.
Was zum Teufel trieb er hier?
»Miss Marston?« Der Ruf wurde etwas mutiger. Und
zu allem Unglück kam die Stimme näher. »Rebecca?«
Verdammt, es war wirklich zu dunkel, dass Watts
sie hätte erkennen können, aber irgendwie musste er eine Bewegung
wahrgenommen haben, die ihm verriet, welchen Weg sie genommen
hatten.
Robert legte einen Finger auf seine Lippen und
nahm ihren Arm. Er zog sie zurück in die Schatten und drückte sie
mit dem Rücken gegen die Hecke, während seine Hände links und
rechts von ihren schlanken Schultern in die stacheligen Büsche
griffen. Er beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: »Wenn Ihr
mitspielt, werde ich ihn los. Egal was Ihr tut, Ihr dürft nicht
sprechen und müsst Euer Gesicht vor ihm verbergen.«
Sie nickte mit weit aufgerissenen, schimmernden
Augen.
Robert war nur wenig größer und um einiges
breiter als sie, und wenn man das unstete Licht mit einbezog, war
er ziemlich sicher, niemand könne ihre Gesichtszüge erkennen. Schon
näherten sich Schritte in ihre Richtung. Er wusste, es war für ihn
ebenso wichtig, Rebecca Marstons lästigen Verehrer loszuwerden wie
für sie.Warum zum Teufel war Robert ihr bloß gefolgt? Sein
unergründlicher Impuls könnte einige beunruhigende Konsequenzen
nach sich ziehen, wenn sie allein in diesem geschützten Alkoven
überrascht wurden.
Er senkte den Kopf. Sein Mund streifte ihre
Wange. Nicht ihre Lippen, obwohl er den weichen, verführerischen
Mundwinkel berührte und den süßen Strom ihres Atems fühlen konnte.
Es war ein gespielter Kuss, kein richtiger.
Ob sie einen richtigen Kuss schon erfahren
hat?
Nein, das war für diese Situation kaum ein
angemessener Gedanke.
»Legt Eure Hand auf meine Schulter«, drängte er
sie.
Sie gehorchte. Er spürte das leichte Gewicht
ihrer Finger zögernd auf seiner Jacke.
Wie erwartet stolperte Rebeccas unglückseliger
Verehrer in den kleinen Garten, und Robert spürte, wie Watts einen
Moment Zeit brauchte, ehe er die »Liebenden« in ihrer gespielten
Umarmung bemerkte.
Nun gut, dachte Robert, in diesem Fall konnte
sein Ruf tatsächlich zu etwas nütze sein. Niemand würde glauben,
dass er eine junge, unschuldige Frau für eine zwanglose Tändelei in
eine Hecke drängte. Seine Geliebten waren stets erfahrene,
weltgewandte Damen, die nicht an einer dauerhaften Verbindung
interessiert waren. Rebecca Marston passte überhaupt nicht zu
dieser Beschreibung, daher würde Watts wahrscheinlich nicht darauf
kommen, dass sie die Frau in seinen Armen war.
Er hob den Kopf und drehte ihn gerade so weit,
dass Watts seine Gesichtszüge erkannte. Mit klarer, präziser Stimme
bemerkte er: »Ich würde es bevorzugen, Mylord, wenn Ihr Euch
verziehen würdet.«
»Oh … ähm … durchaus. Bitte entschuldigt,
Northfield. Hab
nach jemandem gesucht … wisst Ihr … Ich werde … Gut, ich gehe
einfach dort entlang.« Der Mann klang gleichermaßen entschuldigend
und verlegen. »Tut mir leid. Hätte nicht erwartet, Euch hier zu
finden. Habe nach jemandem gesucht.«
Robert wandte sich ohne Antwort ab und gab vor,
wieder die Frau zu küssen, deren weicher Körper sich gerade genug
gegen seine Brust drückte, dass er die Wärme ihrer Brüste durch ihr
Kleid spürte und den eindringlichen Geruch wahrnahm, den er mit der
Kennerschaft, die er sich durch viel Erfahrung erworben hatte, als
Jasmin identifizierte.
Sein liebster Duft.
Sie hat eine ausnehmend weiche Haut, dachte er,
als er ihren Kiefer liebkoste und lauschte, wie dieser Dummkopf
Watts sich auf dem Weg entfernte.
Zu seinem Ärger begann er, hart zu werden. Sein
Körper reagierte auf ihre Nähe und diesen quälend schönen
Duft.
Die Stimme der Vernunft meldete sich Gott sei
Dank wieder zu Wort. Natürlich hat sie eine
zarte Haut, einen geschmeidigen Körper und schimmerndes Haar, das
im Mondlicht glänzt. Schließlich ist sie wie alt? Neunzehn?
Höchstens zwanzig? Im heiratsfähigen Alter? Oh ja. Und wenn ihr
Vater bemerkt, dass sie aus dem Ballsaal verschwunden ist, und
beschließt, ihr zu folgen …
Wenn er bedachte, was Sir Benedict von ihm
hielt, könnte es durchaus sein, dass sie sich bei Sonnenaufgang mit
Pistolen in der Hand gegenüberstanden.
Abrupt straffte Robert die Schultern und machte
einen Schritt zurück. »Ihr wartet hier vielleicht ein paar Minuten.
Ich habe ohnehin geplant, die Festlichkeit zu verlassen, und werde
vermutlich einfach durch das hintere Tor verschwinden.«
Rebecca Marston nickte und blickte unverwandt zu
ihm auf.
Ihre Lippen waren leicht geöffnet. »Ich danke Euch. Das war …
einfallsreich.«
Ihr Mund glänzte einladend. Und obwohl ihr Kleid
recht sittsam war, stellte es doch ihre Figur zur Schau, die wie
geschaffen war, die Aufmerksamkeit eines Mannes zu erregen. Anders
als viele Männer seiner Größe bevorzugte Robert keine kleinen
Frauen. Obwohl sie zu klein war, um ihm in die Augen zu blicken,
war Rebecca überdurchschnittlich groß, und diese Brüste, also
wirklich, er sah sie mit dem Blick eines Kenners. Nackt wären sie
vermutlich mehr als spektakulär. Kein Wunder, dass Watts durch die
Gärten stolperte und nach ihr suchte. Sie war eine reizende junge
Dame.
Er war vielleicht ebenso närrisch wie Watts,
wenn er hier mit ihr in der Dunkelheit stand – noch dazu mit ihr
allein – und darüber fantasierte, wie es wäre, ihre verführerische
Figur zu berühren, während seine wachsende Erektion nur allzu
deutlicher Beweis für die lüsterne Richtung seiner Gedanken
war.
Deren Ziel letztendlich zweifellos ihr
unerfahrenes, unschuldiges Wesen war.
Es war höchste Zeit, sich schnell
zurückzuziehen.
Robert versuchte sich an einem strahlenden,
sorglosen Lä- cheln. »Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite.«
Obwohl sämtliche Alarmglocken in seinem Kopf schrillten, fügte er
hinzu: »Wenn Ihr je meiner Hilfe bedürft, um anderen ungewollten
Verehrern zu entkommen, fühlt Euch frei, nach mir zu rufen.«
Dann drehte er sich auf dem Absatz um und
entfernte sich klugerweise.