Schlüsselerlebnis
Eines Tages ging ich in eine Gemischtwarenhandlung, um zwei Bleistifte zu kaufen. Als ich das bescheidene Päckchen mit meinen Neuerwerbungen entgegennahm, überreichte mir der Inhaber einen Schlüsselanhänger. Ich sagte ihm, daß ich keinen verlangt hätte. Seine Betroffenheit war nicht zu übersehen:
»Werter Herr«, protestierte er. »Dieser hochoriginelle Schlüsselanhänger ist ein Präsent unseres Hauses!«
Interessiert untersuchte ich die kleine Kostbarkeit. Es handelte sich um einen durchaus funktionsfähigen Nickelring, an dem ein winziges Paket Spielkarten an einer ebenso winzigen Kette befestigt war. Diese raffiniert getarnte Bestechung des Gemischtwarenhändlers hätte einen durchaus nützlichen Zeitvertreib abgegeben, vorausgesetzt man trägt Lupe und Pinzette bei sich.
Daheim angelangt, wollte ich meine kleine Tochter Renana damit beglücken. Es stellte sich heraus, daß sie bereits 162 originelle Schlüsselanhänger besaß. Den letzten hatte sie gerade eine Stunde zuvor von der besten Ehefrau von allen bekommen, ein Präsent aus Mamas Schönheitssalon. Sie zeigte mir die neue Errungenschaft. An der winzigen Kette des Schlüsselringes baumelte ein klitzekleines Opernglas, genau die richtige Größe für einen großgewachsenen Floh, der seine Angebetete in der gegenüberliegenden Opernloge betrachten will.
»Ist dir das wirklich noch nicht aufgefallen?« fragte die beste Ehefrau von allen. »Diese Schlüsselanhänger haben sich in der gesamten Geschäftswelt durchgesetzt.«
Sie war der Ansicht, daß es irgendwie mit dem Aufschwung der Konsumwirtschaft zusammenhängen mußte, wenn sie auch nicht sicher war, ob man damit das Außenhandelsdefizit reduzieren oder schlicht die Kauffreudigkeit anregen wollte. Die Allerbeste traf in beiden Fällen den Nagel auf den Kopf. Der Laden an der Ecke zum Beispiel startete letzthin eine Werbekampagne mit der Miniaturausgabe eines Plattenspielers an einem versilberten Schlüsselring. Am Plattenspieler war sogar die mikroskopische Andeutung einer Kurbel angebracht. Mit etwas Geschick konnte man die Andeutung drehen, worauf sich – allerdings nur bei absoluter Windstille – ein zartes »grrr« vernehmen ließ.
Unser Metzger hingegen verschenkt nichts an seine Kunden, und die beste Ehefrau von allen erwägt ernstlich, in Zukunft bei seinem Konkurrenten einzukaufen, der seinen Umsatz mit einem Minisuppenknochen an einem hakenartigen Schlüsselring fördert.
Ebenso bemerkenswert ist der Fall jenes Staatssekretärs im Bauministerium, dessen Name neulich die Schlagzeilen füllte. Nach diesen Meldungen habe dieser Staatsdiener von einem befreundeten Bauunternehmer ein geistreiches Geschenk in Form eines antiken Schlüsselrings erhalten, an welchem fünftausend Dollar in bar befestigt waren.
Ich meinerseits, schließe mich dem Schlüsselanhängerboom an.
Ab heute bekommt jeder, der drei Exemplare dieses Buches erwirbt, einen echten Schlüsselring, an dem ein echter Schlüsselring angebracht ist.